eine blogempfehlung und doch keine

kein wirklich schöner linkverweis, aber doch auch teil unseres lebens als kinderärzte in der klinik. dieser blog handelt(e) von madita, die ende september zur welt kam, und gestern nach 39 tagen und wenigen stunden in der uniklinik leipzig gestorben ist. beim rumschauen im netz bin ich über den blog gestolpert, den ihre eltern für ihr leben geschrieben haben. nach einem anstrengenden arbeitstag habe ich diesen eben in einem rutsch durchgelesen. jedes weitere wort dazu käme einer anmaßung gleich. ich bewundere solche eltern immer wieder aufs neue. im tageskontext bei kinderdok in der praxis erscheint aber alles, was ich heute sonst gesehen habe, so unwichtig. liebe madita-eltern, verzeiht mir diesen link. aber er war teil meiner heutigen tageserfahrung.

22 Antworten auf „eine blogempfehlung und doch keine“

  1. Ich bewundere Eltern, die in solchen Situationen so viel Kraft besitzen… Es stimmt, besondere Kinder suchen sich besondere Eltern aus.

    Wenn ich von solchen Schicksalen lese schäme ich mich, dass ich häufig zu streng mit meinen Kindern bin anstatt dankbar zu sein, dass sie gesund sind und deswegen nur Unfug im Kopf haben.

  2. Die letzten Tage waren grauenhaft…

    Sohnemann zeigt inzwischen mehr ADS, als ich mit Verhaltenmaßnahmen und Regeln kompensieren kann. Die große Schwester weiß genau, wie sie bei ihm so ganz nebenbei eine heftige Reaktion auslösen kann, die wiederum in einer Überreaktion meinerseits gipfelt.

    Die letzten Tage waren grauenhaft…

    Ich habe mir unendlich leid getan (und mich nicht als Mutter, sondern als Totalversager gefühlt).

    Die letzten Tage waren grauemhaft…

    Noch nie habe ich die Kinder so angeschrieen und war so ungerecht zu ihnen, einfach weil ich vollkommen fertig bin.

    Die letzten Tage waren so grauenhaft, dass ich froh war, wenn beide in der Schule bzw. bei Freunden waren oder endlich still im Bett lagen!

    Und dann dieser Blog…

    Die letzten Tage waren wundervoll, denn ich habe zwei gesunde, sozial bestens integrierte, hochbegabte Kinder, die das Leben noch vor sich haben und denen die Welt offen steht…

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    Manchmal sucht sich der liebe Gott die Eltern nach ganz besonderen Gesichtspunkten aus. Bei Madita wollte er bestimmt sicher sein, dass die Eltern stark genug sind, sie zu begleiten.

    (Was hat er sich bloß bei Sohnemann gedacht?)

    In Gedanken bei den Eltern,
    in real gleich mit den Kindern im Elternbett,
    Schlappohr.

  3. Der Engel

    Jedes Mal, wenn ein gutes Kind stirbt, kommt ein Engel Gottes zur Erde hernieder, nimmt das tote Kind auf seine Arme, breitet die großen, weißen Flügel aus und pflückt eine ganze Handvoll Blumen, die er zu Gott hinaufbringt, damit sie dort noch schöner als auf der Erde blühen. Gott drückt sie dort an sein Herz, aber der Blume, die ihm die liebste ist, gibt er einen Kuss, und dann bekommt sie Stimme und kann in der großen Glückseligkeit mitsingen.

    Sieh, alles dieses erzählte ein Engel Gottes, während er ein totes Kind zum Himmel forttrug, und das Kind hörte wie im Traume; sie flogen über die Stätten in der Heimat, wo das Kleine gespielt hatte, und kamen durch Gärten mit herrlichen Blumen.

    „Welche wollen wir nun mitnehmen und in den Himmel pflanzen?“ fragte der Engel.

    Da stand ein schlanker, herrlicher Rosenstock, aber eine böse Hand hatte den Stamm abgebrochen, so dass alle Zweige, voll von großen, halb aufgebrochenen Knospen, vertrocknet rundherum hingen. „Der arme Rosenstock!“ sagte das Kind. „Nimm ihn, damit er oben bei Gott zum Blühen kommen kann!“

    Und der Engel nahm ihn, küsste das Kind dafür, und das Kleine öffnete seine Augen zur Hälfte. Sie pflückten von den reichen Prachtblumen, nahmen aber auch die verachtete Butterblume und das wilde Stiefmütterchen.

    „Nun haben wir Blumen!“ sagte das Kind, und der Engel nickte, aber er flog noch nicht zu Gott empor. Es war Nacht und ganz still; sie blieben in der großen Stadt und schwebten in einer der schmalen Gassen umher, wo Haufen Stroh und Asche lagen; es war Umzug gewesen. Da lagen Scherben von Tellern, Gipsstücke, Lumpen und alte Hutköpfe, was alles nicht gut aussah. Der Engel zeigte in allen diesen Wirrwarr hinunter auf einige Scherben eines Blumentopfes und auf einen Klumpen Erde, der da herausgefallen war. Von den Wurzeln einer großen vertrockneten Feldblume, die nichts taugte und die man deshalb auf die Gasse geworfen hatte, wurde er zusammengehalten. „Diese nehmen wir mit!“ sagte der Engel. „Ich werde dir erzählen, während wir fliegen!“

    Sie flogen, und der Engel erzählte:
    „Dort unten in der schmalen Gasse, in dem niedrigen Keller, wohnte ein armer, kranker Knabe. Von seiner Geburt an war er immer bettlägerig gewesen; wenn es ihm am besten ging, konnte er auf Krücken die kleine Stube ein paar Mal auf und nieder gehen, das war alles. An einigen Tagen im Sommer fielen die Sonnenstrahlen während einer halben Stunde bis in den Keller hinab, und wenn der Knabe dasaß und sich von der warmen Sonne bescheinen ließ und das rote Blut durch seine feinen Finger sah, die er vor das Gesicht hielt, dann hieß es: ‚Heute ist er aus gewesen!‘ Er kannte den Wald in seinem herrlichen Frühjahrsgrün nur dadurch, dass ihm des Nachbars Sohn den ersten Buchenzweig brachte, den hielt er über seinem Haupte und träumte dann unter Buchen zu sein, wo die Sonne scheint und die Vögel singen. An einem Frühlingstage brachte ihm des Nachbars Knabe auch Feldblumen, und unter diesen war zufällig eine Wurzel, deshalb wurde sie in einen Blumentopf gepflanzt und am Bette neben das Fenster gestellt. Die Blume war mit einer glücklichen Hand gepflanzt, sie wuchs, trieb neue Zweige und trug jedes Jahr ihre Blumen; sie wurde des kranken Knaben herrlichster Blumengarten, sein kleiner Schatz hier auf Erden; er begoss und pflegte sie und sorgte dafür, daß sie jeden Sonnenstrahl, bis zum letzten, der durch das niedrige Fenster hinunterglitt, erhielt; die Blume selbst verwuchs mit seinen Tränen, denn für ihn blühte sie, verbreitete sie ihren Duft und erfreute das Auge; gegen sie wendete er sich im Tode, da der Herr ihn rief. Ein Jahr ist er nun bei Gott gewesen, ein Jahr hat die Blume vergessen im Fenster gestanden und ist verdorrt und wurde deshalb beim Umziehen hinaus auf die Straße geworfen. Und dies ist die Blume, die vertrocknete Blume, die wir mit in unsern Blumenstrauß genommen haben, denn diese Blume hat mehr erfreut als die reichste Blume im Garten einer Königin!“

    „Aber woher weißt du das alles?“ fragte das Kind, das der Engel gen Himmel trug.
    „Ich weiß es“, sagte der Engel, „denn ich war selbst der kleine, kranke Knabe, der auf Krücken ging; meine Blume kenne ich wohl!“

    Das Kind öffnete seine Augen ganz und sah in des Engels herrliches, frohes Antlitz hinein, und im selben Augenblick befanden sie sich in Gottes Himmel, wo Freude und Glückseligkeit waren. Gott drückte das tote Kind an sein Herz, und da bekam es Schwingen wie der andere Engel und flog Hand in Hand mit ihm. Gott drückte alle Blumen an sein Herz, aber die arme verdorrte Feldblume küsste er, und sie erhielt Stimme und sang mit allen Engeln, welche Gott umschwebten, einige ganz nahe, andere um diese herum in großen Kreisen und immer weiter fort in das Unendliche, aber alle gleich glücklich. Und alle sangen sie, klein und groß, samt dem guten, gesegneten Kinde und der armen Feldblume, die verdorrt dagelegen hatte, hingeworfen in den Kehricht des Umziehtages, in der schmalen, dunklen Gasse

    Hans Christian Andersen (1805-1875)

  4. @Danny Wilde: Sie haben sehr Recht mit dem, was Sie schreiben.Leider gelingt es mir nicht immer und in jedem Fall, mich nicht von meinen Sorgen beherrschen zu lassen. Verraten Sie mir etwas über Ihren Weg, diesen Zustand zu ändern? Gern auch in einer Email, wenn Sie mögen.

  5. Ich denke ich werd mal ausnahmsweise einen gebotenen Link NICHT anklicken. Ich bin schwanger und kann eh schon kaum eine Nacht vor Sorge durchschlafen. Da muss ich nicht den tragischen Werdegang eines viel zu früh genommenen Lebens lesen.
    Bitte was anderes Posten lieber Kinderdoc. Bring uns wieder auf andere Gedanken….

    1. „Ich bin schwanger und kann eh schon kaum eine Nacht vor Sorge durchschlafen.“

      So krass war es bei mir zwar nicht, aber ich kenne einen ähnlichen Zustand und finde es sehr lohnenswert, nach einem Weg zu suchen, das zu ändern.

      Man kann trotz aller verständlichen und allzu menschlichen Sorge schaffen zu akzeptieren, dass das eigene Kind wie jeder Mensch gewissen, nur bedingt beherrschbaren Gefahren ausgesetzt ist.

      Oder man kann mit Einsetzen der Schwangerschaft erst Angst davor haben, dass es Komplikationen gibt, dann vor dem plötzlichen Kindstod, dann vor Unfällen auf dem Spielplatz, dann vor dem Straßenverkehr, dann vor Drogen und falschen Freunden und ein „Kinder“leben lang vor Krankheiten, wenn man will.

      Ob man das für seine eigene und die Lebensqualität des Kindes zulassen will, ist eine bedenkenswerte Frage.

  6. du hast recht, das hatte ich nicht beachtet. nunja, davon würde ich mich auch angegriffen fühlen, aber eben weil ich aus einem anderen hintergrund komme. glauben kann offenbar sehr tröstend sein. ich hoffe, es hilft ihnen damit umzugehen…

  7. ebenfalls danke für den link, ich habe selbst keine kinder, aber ich kann mir vorstellen wie weh es tut… was mir aufgefallen ist, und wofür der blog der trauernden eltern auf keinen fall ein forum ist, ist, dass manche leute schreiben, die kleine habe sich entschieden zu gehen und sei jetzt heimgegangen. sorry, aber bitte was? es ist ein trauriges unglück, das die kleine so eine schwierige und seltene krankheit bekam, aber der kleinen quasi die entscheidungsgewalt zu geben, ist doch weit hergeholt. ebenso „heimgegangen“ – weitergezogen meinetwegen, wenn man daran glaubt, aber ihr heim wäre doch bei ihren eltern gewesen. ich weiß nicht, für wen solche worte tröstend sein sollen, mich würden sie wütend machen, wäre es mein kind. der tod ist riesen mist und daran ändern auch regenbogenbrücken nichts. sollten die eltern hier mitlesen und anderer meinung sein, bitte fühlt euch nicht angegriffen. letztendlich muss jeder seinen weg zum trauern finden.
    kinderdok, wie oft hast du in deinem alltag mit sterbenden kindern zu tun und wie findest du einen weg, zu trösten und für dich damit umzugehen?

    1. Ich glaube nicht, dass es eine universell mögliche Methode gibt, einem Menschen zu kondolieren. Was der eine da als zutiefst wohltuend empfindet, empfindet der andere als zutiefst kränkend.
      Nachdem die Eltern ja selbst in ihrem letzten Blogbeitrag schreiben, dass das „verlorene Schäfchen zu seiner Herde zurückgefunden“ hat, finde ich die von Dir beanstandete Formulierung jetzt nicht unpassend.

      @Kinderdoc: Interessanter Link, der einem etwas zum Denken gibt.

    2. Eigentlich wollte ich dazu nichts kommentieren aber ich glaube ich muss einfach: Ja sie hat sich entschieden, dass der Weg nun zu Ende ist. Keine göttliche Gewalt und kein menschliches zutun haben unserer Tochter das Ende ihres Lebens aufgezwungen. Und ja sie ist in gewisser Weise heimgegangen. Wir glauben daran, dass sie zu ihrem Schöpfer zurückgekommen ist. Es ist wichtig, dass es nicht die Ärzte waren, die über ihr Leben oder ihr Sterben entschieden haben und ich glaube, dass sie so lange durchgehalten hat, wie sie konnte und am Ende einfach hoch erhobenen Hauptes gehen konnte. Du hast völlig recht: Kinder gehören zu ihren Eltern. Es macht mich auch wütend, dass sie es nicht sein kann. Aber letztlich entscheidet nicht der Mensch darüber.

      1. hallo tiger und bär,
        noch einmal mein herzliches beileid (habe auf euerm blog mit meinem account geschrieben). ich glaube, ich hab mich ein bisschen falsch ausgedrückt. was ich sagen wollte, ist eben auch, dass menschen auf diese art von unglück keinen einfluss haben. und leider auch der patient (sei er auch noch so klein) nicht. (das war bisher meine erfahrung mit dem tod, menschen gehen, auch wenn sie es nicht wollen.) das einzige, was man als mensch tun kann, ist den geliebten menschen nicht zu vergessen und das, was er für unser leben bedeutet hat. und dennoch, auch wenn das so früh vielleicht noch zu schwer ist, weiterzuleben. madita hatte wenig zeit mit euch, aber sie wurde geliebt und das ist doch auch schon etwas.
        laura

          1. ich glaube, ich muss lernen mich klarer auszudrücken. das war auch meinerseits sehr positiv gemeint. ich halte die erfahrung von liebe für die wichtigste lebenserfahrung überhaupt, ohne die alles andere bedeutungslos ist.

  8. Lieber Kinder-Doc, auch ich habe den Blog in einem Rutsch gelesen und bin tief beeindruckt von Maditas Eltern und natürlich von der kleinen Maus, die so tapfer gekämpft hat. Danke für den Link. Manchmal braucht es so etwas, um sich selbst wieder einzunorden. Herzliche Grüße von der Ostsee.

  9. jetzt muss ich erst einmal durchatmen und dem Schöpfer (oder wem auch immer) danken, dass ich dazu überhaupt in der Lage bin – und das seit mehr als 60 Jahren und dass meine Kinder und Enkel gesund sind und uns diese Erfahrungen erspart geblieben sind (dafür machen wir andere Erfahrungen, aber das muss wohl so sein).
    Herzlichen Dank für den Hinweis.
    Liebe Grüsse
    Hajo

  10. Sehr berührend…. traurig….zuversichtlich….

    Und auch bemerkenswert, welche Kraft uns Eltern behinderter/kranker Kinder immer wieder geschenkt ist.

    elsie

  11. auch ich habe den blog in den letzten 2 stunden gelesen und weiß jetzt, warum Madita kind gerader dieser eltern geworden ist. weil es ganz besondere eltern sind.

  12. Lieber Kinderdoc,
    Sie haben Recht, auch wenn es Teil des Lebens ist, zeigt es nur zu deutlich, wie unwichtig manche Probleme sind. Ich wünsche den Eltern die Kraft, die sie brauchen. Madita wird als Stern über sie wachen!
    Vielen Dank, dass Sie uns auch auf solche Themen aufmerksam machen!
    Alles Gute,
    A.

  13. Über diesen Blog bin ich neulich bei Twitter gestolpert und bin ebenfalls sehr beeindruckt, wie Maditas Eltern dies alles meistern.

    Das Madita jetzt gestorben ist, macht alles noch tragischer. Die Eltern haben mit so viel Liebe und Hoffnung geschrieben und ich habe ihnen nichts mehr als ein Happy End gewünscht.

    Jetzt gibt es einen Engel mehr. Alles Gute Madita…

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