überzeugungsarbeit

ich: „nun ja, die schmerzen kommen bestimmt von den ohren. das trommelfell da rechts ist ganz rot.“
vater: „sind sie sich sicher?“
ich: „ja. auf jeden fall, man sieht auch einen leichten erguß. das tut bestimmt weh.“
vater: „aber es hat ja eher die backe wehgetan.“
ich: „schwierig für einen anderthalbjährigen zu lokalisieren.“
vater: „der kann das. vielleicht doch die zähne?“
ich: „nein, glaub ich nicht, da sind ja alle zähne schon da und karies hat er auch nicht.“
vater: „und in der backe?“
ich: „ich denke, das ist das ohr. tut bestimmt weh. verrotzt ist er ja auch. da bekommt man schnell ein druckgefühl auf dem ohr.“
vater: „meinen sie? wirklich das ohr?“
ich: „ja. geben sie mal ein schmerzmittel, nasentropfen. im moment hat er kein fieber, wenn die schmerzen länger gehen als zwei tagen, geben wir ihm ein antibiotikum.“
nein, bitte, bitte, sagen sie es jetzt nicht, bitte —
… doch:
vater: „schon wieder mit einem antibiotika vollpumpen?“
ich: „jetzt noch nicht. in zwei tagen.“
vater: „und wenns doch die zähne sind?“
ich: „nein. ohr.“
vater: „oder vom hals. so nach oben gezogen, wissensewieichmein?“
ich: „ohr! der hals ist ok.“
vater: „also das ohr.“
ich: „ja.“
vater: „denken sie?“
ich: „ja.“
vater: „wirklich?“
ich: „wirklich.“
vater: „na, ich weiß nicht.“

er ist tatsächlich am nächsten tag (!) zu einem anderen kollegen gegangen, der ihn sofort mit einem antibiotikaum versorgt hat.

paar wochen später kam dann der ultimative spruch: „damals, als sie die mittelohrentzündung übersehen haben.“

… ich muß noch etwas an meiner performance arbeiten.

29 Antworten auf „überzeugungsarbeit“

  1. Bitte, kinderdoc, verrate uns noch deine Antwort auf den Spruch mit der übersehenen MOE. Wie man in einer solchen Reaktion als Arzt richtig reagiert ohne den Vater/das Kind als Patienten zu verlieren ist mir schleierhaft.

    1. Ich bin da nicht besonders kompromissbereit, aber gut dokumentiert. Der obige Text liest sich in meiner Akte „Ohrenweh, erkältet, TF bds. katarrhal. rot, Nasentropfen, analgesie, evtl. WV wenn nicht besser, Vater skeptisch, aber auch gg. AB“ … Reicht, um mich an ihn zu erinnern.
      Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm gesagt habe, er solle wiederkommen, wenn er dann woanders hinlatscht, kann ich ihm auch nicht helfen. Und meine Laune über den netten Kollegen habe Ich auch vermittelt.

  2. Was will man denn auch machen, wenn die Eltern der eigenen Kundschaft M. Hockenheim hat? Nüscht…
    Wie gut, dass man mich nicht in Praxen findet, an meiner Türe wäre das Schild
    *Dr. A. Mok* angebracht.

    : D

  3. Ich empfehle schicke Schilder mit mindestens 50cm Kantenlänge und Schriftgröße 150 und Aufschriften wie „Ja, wirklich!“, „Nein, auf keinen Fall“ und „Ja, diese Krankheit ist auch im Kindergarten/Sandkasten/Partyzelt noch hochansteckend“.

    Die im Netz überall propagierte Antibiotikaverschreiberei ist mir ein Rätsel. Ich habe ja nun auch schon einige Ärzte und Krankheiten durch in meinem Leben, aber das große wird mit „A“ fiel gerade 2x.

  4. Sehr schön find ich immer die Eltern die sich „anscheinend“ vehement gegen ein Antibiotikum wehren, es aber in Wirklichkeit lieber direkt haben wollen.

    vater: “schon wieder mit einem antibiotika vollpumpen?”

    er ist tatsächlich am nächsten tag (!) zu einem anderen kollegen gegangen, der ihn sofort mit einem antibiotikaum versorgt hat.

    Da kann man doch nur mit dem Kopf schütteln.

  5. Vielleicht liegt es wirklich nur daran, dass der Kollege das Wort „Mittelohrentzündung“ ausgesprochen hat. Trotzdem ist der Vorwurf von Seiten des Vaters natürlich ziemlich dämlich, wenn man bedenkt, wie oft sie ihm gesagt haben, dass die Schmerzen vom Ohr kamen und er selbst die Antibiotika nicht wollte.

    1. Aber es war ja noch gar keine Mittelohrentzündung, als der Vater beim Kinderdok war! Da war das Ohr nur gerötet und man hätte mit schmerz- sprich entzündungshemmenden Mitteln und abschwellenden Nasentropfen vielleicht noch eine antibiotikapflichtige MOE umgehen können. Aber dagegen hat sich dieser Trottel ja mit Händen und Füßen gewehrt. Klar, dass dann ein, zwei Tage später die Mittelohrentzündung so richtig schön aufgeblüht war.

      Aber dann noch zu behaupten, der Kinderdok habe das übersehen, ist rotzfrech…

        1. Oh, herzlichen Dank, Kinderdok – aber ich bin Linguistin, Mutter und Besitzerin zweier vernarbter Trommelfelle dank zahlreicher Otitiden mit umfangreicher Tubenkatarrh- und Paukenergusserfahrung :mrgreen:!

  6. Was mich bei allem anderen wirklich wundert ist die Tatsache, dass der Vater zu Ihnen in die Praxis zurück gekehrt ist. Warum tut er das, wenn er der Ansicht ist, dass Sie eine Mittelohrentzündung übersehen haben?

    1. Wahrscheinlich nur, weil man selber nicht an die verschreibungspflichtigen Medikamente kommt (die man natürlich auch vorher googeln oder im Bekanntenkreis empfohlen bekommen kann und mit einer sauber aufnotierten Liste in der Sprechstunde aufschlägt).

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