Kinderärzte missbilligen Beschneidungsregelung

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zum Beschneidungsgesetz: „Gesetz missachtet Kindeswohl!“

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ist enttäuscht, dass eine Mehrheit im Deutschen Bundestag Jungen nicht ebenso wie selbstverständlich den Mädchen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit einräumt und die Beschneidung der männlichen Vorhaut als harmlosen Eingriff ohne wesentliche Komplikationen einstuft, obwohl pädiatrische Verbände aus vielen Ländern der Welt in verschiedenen Dokumentationen erhebliche Komplikationen dargelegt haben. Das heute verabschiedete „Beschneidungsgesetz“ ist als Rückschritt in der Geschichte der Kinder- und Menschenrechte in Deutschland zu werten.

Dr. Wolfram Hartmann, BVKJ-Präsident: „Die Mehrheit des Deutschen Bundestages hat heute das Recht jüdischer und muslimischer Jungen auf körperliche Unversehrtheit ausgehebelt. Das neue Gesetz ist faktisch ein Sondergesetz, das jüdische und muslimische Jungen vom Schutz vor medizinisch nicht indizierten Eingriffen ausschließt. Schlimmer noch: es überlässt sie in den ersten sechs Lebensmonaten sogar Personen ohne ärztliche Befähigung. Wir Kinder- und Jugendärzte sind enttäuscht über die Haltung unseres Parlaments, dem das Recht von Jungen auf körperliche Unversehrtheit weniger gilt als Elternrecht und die Freiheit der Religionen, Jungen nur dann als vollwertige Gemeindemitglieder zu akzeptieren, wenn sie einen nicht gerade unwichtigen Teil ihres Penis geopfert haben.


Wir appellieren an alle Ärztinnen und Ärzte, sich nicht aktiv an medizinisch unnötigen Beschneidungen zu beteiligen. Zum anderen werden wir auch in Zukunft nicht nachlassen, uns zusammen mit fortschrittlichen Juden und Muslimen für symbolische unblutige Beschneidungen als Aufnahmeritual in die Religionsgemeinschaften einzusetzen. Zahlreiche jüdische und muslimische Eltern unterstützen uns schon heute dabei und sind uns dankbar, dass wir ihnen eine Stimme geben und uns für sie und ihre Kinder einsetzen.“

42 Antworten auf „Kinderärzte missbilligen Beschneidungsregelung“

  1. Dazu bei DocCheck Flexikon

    Innervation

    Die Vorhaut ist reich an spezialisierten, korpuskulären Nervenendigungen und spezialisiertem erogenem Gewebe. Diese spezialisierten Nervenendigungen umfassen (Meissner-Körperchen, Vater-Pacini-Körperchen, Ruffini-Körperchen und Merkel-Zellen), die bereits leichteste Berührungs- und Temperaturreize detektieren können.

    Im Gegensatz zur Vorhaut besitzt die Glans penis fast ausschließlich nicht-spezialisierte, freie Nervenendigungen, die nur grobe Reize wie etwa starken Druck oder hohe Temperaturreize detektieren können.

    Cold und Taylor, welche die Innervation des Präputiums des Penis ausführlich untersuchten, erklärten:

    „Die Glans penis ist vorwiegend durch freie Nervenendigungen innerviert und besitzt hauptsächlich nur protopathische Sensibilität. Protopathische Sensibilität bezieht sich auf gröberen, schlecht lokalisierten Empfindungen (einschließlich Schmerz, einige Temperaturempfindungen und bestimmte Wahrnehmungen von mechanischem Kontakt). In der Glans penis sind nur wenig spezialisierte Nervenendigungen vorhanden, und diese finden sich hauptsächlich entlang des Eichelkranzes und des Frenulums. Im Gegensatz dazu hat das gefurchte Band der männlichen Vorhaut an der mukokutanen Grenze eine hohe Konzentration an spezialisierten Nervenendigungen.“ 
    

    flexikon.doccheck.com/de/Pr%C3%A4putium#Innervation

    Entwicklung der Vorhaut

    flexikon.doccheck.com/de/Entwicklung_der_Vorhaut

    Die Scheindiagnose „Phimose“

    flexikon.doccheck.com/de/Entwicklung_der_Vorhaut#Die_Scheindiagnose_.E2.80.9EPhimose.E2.80.9C

  2. Genitalverstümmelung ist FGM oder MGM

    Rituelle Operationen am Genital betreffend, betrachte man die Mädchen und Frauen ebenso wie die Jungen und Männer.

    Kind ist Junge oder Mädchen. Noch die geringst invasive Form der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) muss verboten werden, weltweit, also auch FGM Typ Ia oder Typ IV. Eine Legalisierung beispielsweise der sogenannten milden Sunna (FGM Typ Ia oder IV nach der Klassifikation der WHO) ist zu verhindern.

    Der schafiitische Fiqh ebenso wie das schiitische Islamische Recht der Bohra (aller, nicht nur der Dawudi Bohra) unterscheidet hinsichtlich der religiösen Pflicht (wâdschib, farD) zum Beschneiden zwischen Junge und Mädchen nicht. Die Rechtsschule der Schafiiten ist vorherrschend in Malaysia, Indonesien, Dagestan, Kurdistan, Somalia, in Teilen Ägyptens. Überall dort ist der Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung ein besonders schwieriger.

    Genitalverstümmelung ist weiblich oder männlich, Kind ist Mädchen oder Junge. Reden wir über FGM, female genital mutilation, weibliche Genitalverstümmelung und ebenso über MGM, male genital mutilation, männliche Genitalverstümmelung.

    Die sensorisch-sexuelle Bedeutung der penilen Vorhaut wird immer noch allzu oft verkannt. Bei einer Zirkumzision werden die für das sexuelle Erleben zentralen Körperteile des Penis amputiert, das Gefurchte Band, die innere Vorhaut, das Frenulum (Bändchen) und das Frenulare Delta. Sexualsensorisch entspricht jede Zirkumzision einer Amputation nicht der Klitorisvorhaut, sondern der Klitoris, also einer FGM Typ Ib nach der Klassifikation der WHO.

    Die Vorhaut, nicht die Eichel, ist der für leichte Berührung empfindlichste Teil des intakten männlichen Geschlechtsorgans (Sorrells, Snyder, Reiss, Ede, Milos, Wilcox, Van Howe: Fine-touch pressure thresholds in the adult penis). Die Vorhaut ist sensibler als die menschlichen Lippen oder Fingerspitzen. Aufgrund ihrer sexuellen Empfindsamkeit spielt das Präputium eine bedeutende Rolle im Sexualleben unbeschnittener Männer und belastet eine jede Vorhautamputation Sexualität, Sexualpartner und Partnerschaft (Frisch, Lindholm, Grønbæk: Male circumcision and sexual function in men and women: a survey-based, cross-sectional study in Denmark).

    Tausende von überwiegend spezialisierten Nervenendigungen bzw. Tastkörperchen (Meissner-Körperchen, Vater-Pacini-Körperchen, Ruffini-Körperchen und Merkel-Zellen) werden bei der Zirkumzision, die wir endlich männliche Genitalverstümmelung (MGM) nennen sollten, amputiert. Diese spezialisierten Nervenendigungen dienen dazu, auch leichteste Berührungen sowie Feinheiten von Temperatur, Geschwindigkeit bzw. Vibration oder Textur wahrzunehmen und weiterzuleiten. Im Vergleich dazu befinden sich auf der Glans penis (Eichel) nur wenige, überwiegend unspezialisierte freie Nervenenden, sogenannte Nozizeptoren, die Schmerzreize detektieren und weiterleiten können.

    Ob es um Mädchen und spätere Frauen geht oder um Jungen und spätere Männer geht: Überwinden wir das verharmlosende Gerede von der Beschneidung – „Genitalverstümmelung: Euphemistischen Begriff meiden“.

    Edward von Roy, Diplom-Sozialpädagoge (FH)

  3. Nun gab es einen Artikel im Tagesspiegel, der darüber berichtet, dass in der ‚Pedriatics‘ sich Kinderärtze zu den Behauptungen der AAP zur Beschneidung geantwortet haben.

    „Die Schlussfolgerungen der AAP seien wissenschaftlich kaum haltbar und von kultureller Voreingenommenheit geprägt, schreiben 38 Autoren aus 17 Nationen, darunter die Vorsitzenden von 19 europäischen Kinderärzteverbänden.“

    Hoffentlich werden diese Kinderärzte endlich einmal ernst genommen und deren Empfehlungen höher gewichtet als die der Beschneidungslobby.

  4. Ich möchte Euch, die Ihre so gut über das Wohl des Kindes Bescheid zu wissen scheint, ja nicht den Spass verderben, aber wie steht Ihr zur operativen Korrektur abstehender Ohren im Jugendalter? Ich mein ja nur …

    1. Sofern die abstehenden Ohren durch das Verhalten des sozialen Umfelds Krankheitswert bekommen, kann man den Eingriff *nach einer entsprechenden Prüfung und Aufklärung über Komplikationen und Risiken* befürworten, sonst nicht. Wo ist das Problem?
      Gibt es Hinweise, dass das Nichtbeschnittensein bei einem Kind Krankheitswert haben könnte? Wenn ja, aus welchen Gründen und in welchen Fällen?

    2. Die interessantere Frage ist doch, wie steht der Jugendliche dazu? Und wie würde ein Jugendlicher dazu stehen, ohne medizinischen Grund beschnitten zu werden?

    3. @dienstarzt

      Eine ästhetische Operation, die im Jugendalter ausgeführt wird, wird ausgeführt, weil ein jugendlicher emotional unter seinen abstehenden Ohren leidet und dies selber auch abgeändert haben möchte. Die Beschneidung eines Säuglings, Kleinkind und Kindern unter 14 Jahren mit einer Operation zu Vergleichen, die eine Auffälligkeit beseitigt, unter die ein Kind sozial zu leiden hat (Kinder können echt fies untereinander sein) ist unpassend. Ein Vergleich führt sogar zu einer Verharmlosung der Verletzung der Kinderrechte auf den Anspruch auf körperliche Unversehrtheit.

      Ich möchte Euch, die Ihre so gut über das Wohl des Kindes Bescheid zu wissen scheint, ja nicht den Spass verderben, aber …

      Eine Verhöhnung derer, die sich hier ernsthaft mit dem Beschneidungsgesetz und dem Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit auseinandersetzen, ist niveau- und geschmacklos. Was bringt Sie dazu?

    4. Mal abgesehen davon, dass ich den Vergleich zwischen den beiden Operationen ziemlich weit her geholt finde:

      ich habe eine Freundin, bei der die „Segelohren“ in vorauseilendem Gehorsam der Mutter („hoffentlich hänselt niemand mein Kind“) bereits im Vorschulalter operiert wurden und die erzählt heute noch davon, was das für sie als kleines Kind für ein Horror war. Obwohl sie ein rationaler Mensch ist, hat sie mir gerade berichtet, dass ihr beim Besuch eines Ohrenarztes neulich aus Angst am ganzen Körper der Schweiß ausgebrochen ist und sie sich tierisch zusammen nehmen musste, um die simple Untersuchung des Mittelohres hinter sich zu bringen.

      Und ihr ist damit vielleicht wenigstens Hänselei in der Schule erspart worden.

      Mal abgesehen davon, dass auch die Schmerzempfindlichkeit der beiden Körperteile kaum vergleichbar ist, oder?

      Niemand verneint hier wirklich medizinisch notwendige OPs oder kosmetische OPs, bei hohem Leidensdruck. Aber mal so ohne Not an Genitalien rumschnippeln ist nunmal was komplett anderes.

  5. Ich finde das echt einfach unglaublich traurig… Es gibt SOO eine Latte an Argumenten, die gegen solche Beschneidungen sprechen, abgesehen davon:

    Glauben all die Leute wirklich, dass Gott von Ihnen erwartet, ihr Kind für ihn zu verstümmeln? Und wenn ja: Warum um alles in der Welt will man dann SO einem Gott huldigen?

    Sind all die Bundestagsabgeordneten, die DAFÜR gestimmt haben, und alle Leute, die heiß darauf sind, neugeborene Jungs zu verstümmeln, einfach unglaublich perverse Sadisten? Wer bitte verstümmelt frohen Mutes sein Neugeborenes, hier bei uns in einer angeblich aufgeklärten, zivilen Gesellschaft?

    Haben diese Leute sich mal live den Beschneidungsvorgang angeschaut, die Schreie der Babys gehört? Ich versteh das nicht, das will einfach nicht in meinen Kopf…

  6. Verbrechen gegen die Mitmenschlichkeit!

    Die 434 Abgeordneten, welche das Beschneidungsgesetz besiegelten, haben krass gegen die „Goldene Regel“ der Menschenrechte verstoßen: „Was du nicht willst, das man dir tu‘, das füg‘ auch keinem andren zu!“ Sie wollen ja sicher auch nicht, dass bei ihnen ohne ihre ausdrückliche Zustimmung eine risikoreiche und nicht umkehrbare Operation mit kurz- und langfristigen Schädigungen vorgenommen wird!

    Diese klar verfassungs- und menschenrechtswidrige Erlaubnis zur Misshandlung (=absichtliche Körperverletzung) wehrloser kleiner Jungen ist für mich höchst skandalös: Gerade wegen der extrem inhumanen Nazizeit wäre ein sehr striktes Verbot jeglicher Misshandlung äußerst notwendig!

    1. An die Religion(en) kann man nicht apellieren allenfalls an ihre offiziellen Vertreter, denn die sind es, die z.B. einen wesentlichen Einfluss auf die Eltern haben, indem sie ihnen predigen, was oder was nicht (angeblich) nicht verzichtbar ist. Deshalb erreicht man durch Aufklärung eben auch nur einen kleinen Teil der Eltern und hauptsächlich die, die sowieso bereits zweifeln. Die anderen, die sich auf das Urteil ihrer religiösen Führer verlassen, wird man durch Aufklärung allein nicht erreichen.

      An den Staat bzw. die Repräsentanten des Volkes als Gesetzgeber *muss* man sogar apellieren, da diese es sind, die dazu angehalten sind Gesetze in Übereinstimmung mit der Verfassung zu beschließen, auf die sie einen Eid geleistet haben. Und wenn sie das nicht in angemessener Weise tun, muss man sie zumindest darauf aufmerksam machen, oder ggf. auch durch Verfassungsklagen dazu zwingen, ihre diesbezüglichen Pflichten sorgfältiger wahrzunehmen.

      1. Eltern sind nicht dumm… jedenfalls nicht alle.
        Es nervt ich immer mehr, dass es inzwischen Usus zu sein scheint, religösen Menschen gesunden Menschenverstand abzusprechen und so zu tun, als seinen sie willenlos Geiseln eines Konstruktes oder sadistischer Führer…

        1. Dass Eltern dumm seien oder willenlose Geiseln irgendwelcher sadistischer Führer habe ich auch nirgends behauptet. Noch habe ich religiösen Menschen den gesunden Menschenverstand (was immer das auch sei) abgesprochen, denn dann müsste ich mir selbst absprechen, weil ich mich, wie ich auch schon weiter oben erwähnt habe, selbst durchaus als religiösen Menschen empfinde.

          Aber gerade *weil* ich für mich selbst in Anspruch nehme, mich nicht von den Dogmen religiöser Führer, auch meiner eigenen Religion, abhängig zu machen, sehe ich, dass viele diese Unabhängigkeit eben nicht so für sich beanspruchen. Obgleich man sie sicher nicht als Geiseln bezeichnen kann, hören eben viele in solchen Fragen, um die es hier geht, doch eher auf die Autorität der Repräsentanten ihrer jeweiligen Gemeinschaft, als sich eine unabhängige Meinung zu bilden, aus welchen Gründen auch immer, oft genug aus Gruppendruck, dem nur schwer zu widerstehen ist.

  7. Da die Ohrfeige und der Klaps auf den Hintern ja verboten sind, werden die aufrührerischen Knaben demnächst einfach ohne Betäubung beschnitten. Muss man denen ja nicht verraten, dass das nur einmal Möglich ist; obwohl, wenn erst mal nur ein Teil der Vorhaut entfernt wird….
    Übrigens: Der Vorhaut beim Jungen entspricht die Klitorisvorhaut beim Mädchen. Widerspricht es denn nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Entfernung der Klitorisvorhaut weiterhin verboten ist?

  8. So ganz generell habe ich nichts gegen Religion und Rituale, auch wenn ich persönlich wenig damit anfangen kann.
    Am schönsten wäre es, wenn sich diejenigen, die glauben möchten, selbst entscheiden können. Es ist doch am ehrlichsten, wenn man sich bewusst für oder gegen einen Glauben entscheidet.
    Man sollte also diese diversen Initiationsriten (und damit meine ich auch die Taufe der Christen) auf den Eintritt ins Erwachsenenalter legen. Aber ich bin ja auch für konfessionsübergreifenden Ethikunterricht. Und Weltfrieden. Und Zimtsterne für alle… 😉

    Davon abgesehen denke ich, dass eine Vorhaut durchaus ihren Sinn hat. Blinddärme und Mandeln haben den ja auch.

    1. „Zimtsterne für alle..!“ Bin ich auch dafür! Aber nur mit Cylon-Zimt, da chinesischer ja ungünstige Leberwirkung hat bei höhermengigem Verzehr…

  9. Ich halte es für die Aufgabe der Ärzte klarzustellen, dass die Beschneidung nicht möglich ist.

    Die Beschneidung hat ja nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt zu werden. Wenn nun die Ärzteschaft die Beschneidung im Alter unter 14 Jahren ablehnt, so kann sie erst ab 14 nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden.

    Der Ball liegt in eurem Feld. Spielt ihn!

  10. Vielleicht liegt der Schlüssel ja wirklich darin, eine Sammelklage einzureichen. Ich sehe das auch eher so, dass durch eine Verweigerungshaltung der Ärzte die Kinder zu Scharlatanen gebracht werden…

    1. Der Umkehrschluss wäre dann aber, dass die Ärzte sich nicht verweigern dürfen/sollten, damit der Eingriff wenigstens medizinisch korrekt durchgeführt wird. Mit der Gesetzgebung „beißt sich die Katze in den Schwanz“: Jeder Arzt der diesen Eingriff – zu Recht – ablehnt, weiß jedoch, dass er ihn dadurch nicht verhindern kann und „schickt“ das Kind sehenden Auges zum Scharlatan – also mal ganz überspitzt. Sicherlich werden es die Eltern womöglich noch mal bei einem anderen Arzt versuchen.
      Ich frage mich auch, warum religiöse Minderheiten (und das sind Muslime und Juden nun mal in Deutschland) Sonderrechte eingeräumt bekommen, während auf der anderen Seite Kruzifixe aus Klassenzimmern geklagt werden können.

      1. Es wird immer genügend (selbst religiöse) Ärzte geben, die eine Beschneidung kunstgerecht durchführen können und werden. Das Argument, dass man damit die Eltern in die Arme von Scharlatanen treibt, ist nicht stichhaltig.

        Aber wenn sich eine große Anzahl von (Kinder)ärzten dazu durchringt, mit der Ablehnung, den Eingriff durchzuführen, offen Stellung zu beziehen, wäre schon eine Menge gewonnen, nämlich dass das Thema im Bewusstsein bleibt. Viel mehr, als das Thema am Kochen zu halten und aufzuklären, wird in der gegenwärtigen Situation sowieso nicht möglich sein, zumindest nicht bevor evtl. das BVG die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes verneint.

      2. Weiter oben stand ja zum „Hinterhof“-Problem bei der Verweigerung durch Ärzte ein sehr guter Link:

        http://evidentist.wordpress.com/2012/11/19/beschneidung-im-hinterhof-legalize-it/

        Der Gedankengang „dann macht es aber ein andrerer, schlimmstenfalls nicht medizinisch Ausgebildeter“ sollte kein Grund sein, die Beschneidung dann doch durchzuführen.

        Ich hoffe ja noch, dass jemand mal das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache einschaltet, immerhin wird das Recht auf körperliche Unversehrtheit dadurch beschnitten (was für ein Wortspiel ^^) – und das sollte eigentlich höher als die freie Religionsausübung gewertet werden.

  11. Durch dieses Gesetzt wird Religionsfreiheit nicht gewahrt, sondern beschnitten. Nämlich die Freiheit sich sowohl für als auch gegen die Angehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu entscheiden, die beschnittenen Männern durch diesen irreversiblen Akt genommen wird.

    Religionsfreiheit wurde *nicht* durch die Aktivitäten der Religionsgemeinschaften möglich sondern ist eine Erungenschaft der Aufklärung. Vertreter der Religionsgemseinschaften, die dies nicht begreifen und Religionsfreiheit falsch als das Recht verstehen sich selsbt über fundamentlae Menschenrechte zu setzen und solche (christliche) Vertreter anderer Religionsgemseinschaften, die diesen aus Opportunismus beispringen, werden irgendwann schmerzlich lernen müssen, dass sie die letzten gut 200 Jahre verschlafen und den Menschen nichts mehr zu sagen haben, weil ihnen die Menschen davonlaufen werden, auch wenn das vielleicht noch eine Weile dauern wird. Das Beharren auf (ja doch nur vermeintlich unumstößlichen) Dogmen hat noch keine Religionsgemeinschaft vorangebracht und wird es auch in Zukunft nicht tun.

    Als Christ fühle ich mich zunehmend wieder durch die Kirche von meiner Religion entfremdet und spekuliere, ob es nicht vielen anderen Angehörigen anderer Religionen mit ihren Vertretern ähnlich geht.

    1. „Durch dieses Gesetzt wird Religionsfreiheit nicht gewahrt, sondern beschnitten. Nämlich die Freiheit sich sowohl für als auch gegen die Angehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu entscheiden, die beschnittenen Männern durch diesen irreversiblen Akt genommen wird“
      Wo denn das? Meines Wissens gibt es keine Religionsgemeinschaft die die Aufnahme von beschnittenen Männern (oder Frauen) ablehnt. Die Religionsfreiheit bleibt also bestehen. *sarkasmusan* Man könnte sogar behaupten, daß sie durch die Beschneidung ausgeweitet wird, stehen dem beschnittenen Mann doch ALLE Weltreligionen offen. *sarkasmusaus*
      Soviel nur zu dem Denkfehler mit der Religionsfreiheit.

      Meiner persönlichen Meinung nach hätte Gott, Allah, JHWH oder werauchimmer den Menschen nicht so geschaffen wie er ist wenn der Plan gewesen wäre da nachträglich dran rumzuschnibbeln…

      1. @Judi:
        Wäre es Ihnen ggf. vorstellbar, dass sich jemand dafür entscheiden könnt überhaupt keiner Religionsgemeinschaft angehören zu wollen?
        Eben diese Freiheit wird nämlich beschnitten: Sich für überhaupt keine Religionsgemeinschaft zu entscheiden, und auch das ist Bestandteil des Religionsfreiheit. Mit der Beschneidung wurde die Aufnahme in eine bestimmte Religionsgemeinschaft vollzogen, und genau das wird ja, zumindest was das körperliche Merkmal betrifft, gerade als Symbol dieser Aufnahme verstanden, und ist nicht mehr rückgängig zu machen.

        Das IST ein Eingriff in die Religionsfreiheit eines entscheidungsunmündigen Kindes, und dehalb sollte er unterbleiben, bis sich der Betreffende selbst entscheiden kann dazugehören zu wollen oder eben auch nicht. Aus dem selben Grunde halte ich auch nicht viel von der Kindertaufe, mal abgesehen davon, das dieser Eingriff an Schwere und Auswirkung kaum mit der Beschneidung zu vergleichen ist.

        1. Ich kenne auch ungetaufte und keiner Religionsgemeinschaft zugehörige Jungs und Männer, die beschnitten sind, in Amerika ist das nicht unüblich…
          Klar, der „Initiationsritus“ ist mit der religiös motivierten Beschneidung vollzogen, genau wie bei der christlichen Kindstaufe. Aber trotzdem hat der volljährige Mensch die Wahl, komplett aus der Kirche auszutreten oder zu konvertieren.

          1. Nachtrag: Wie schonmal geschrieben – ich bin GEGEN die Beschneidung von Kindern.
            Nur die Sache mit der dadurch begrenzten Religionsfreiheit erschließt sich mir nicht…

  12. Der Dr. Hartmann hat EINEN Fehler gemacht: Dieses Gesetz hebelt nicht die Rechte von jüdischen und muslimischen Jungen aus, sondern die ALLER Jungen, da im Gesetz eigentlich nichts von religiöser Beschneidung steht. Es erlaubt Eltern, ihre Jungs zu beschneiden, aus welchen Grund auch immer! Selbst, wenn es um „Sexualerziehung“ geht!
    Jetzt mag man einwenden, dass es sowas nicht gibt, aber doch, das gibts! Ist zwar sicher mit der Zeit weniger geworden, doch ein paar Eltern denken immer noch, Masturbation wäre schädlich und wollen es ihren Kindern so schwer wie möglich machen!
    Sogar „kosmetische“ Beschneidungen sind überhaupt ein Problem. Einfach nur krank!

  13. Den beteiligten Juristen muss es doch die Fußnägel hochrollen. Durch was ist es juristisch zu rechtfertigen, dass zwischen Mädchen und Jungen rechtlich Differenziert wird?
    Nein, ich argumentiere hier bewusst nicht auf ethischem Feld, das juckt die meisten Juristen ja auch nur sekundär. Böse gesagt würden die auch ein Ermächtigungsgesetz ausarbeiten, wenns juristisch gutes Handwerk ist. *läster*

    Man sieht, wie sehr die Politiker hier EInfluss genommen haben, die Handwerksfehler sind atemberaubend!

    Ich hoffe, diese Ungleichbehandlung bietet genug Angriffsfläche und wird korrigiert. Ob das nun noch ein paar Jahre zusätzlich dauert oder nicht.. sollten eigentlich die Politiker dafür gradestehen, werden sie aber nicht. Muss man also mit leben, leider.

    Nicht ärgern, nur wundern. Und hoffen!

  14. Gibt es schon eine organisierte Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz?
    Aussichtsreich wäre sie ja anhand der Rechtslage schon…

  15. Ich finde es überaus ermutigend zu lesen, dass es jüdische und muslimische Eltern gibt, die sich dafür einsetzen, dass diese Riten durch harmlosere ersetzt werden. Revolutionen müssen von innen kommen, sonst werden sie nicht als solche wahrgenommen, sondern als Diktatur, gegen die es sich aufzulehnen gilt. Erst wenn in den eigenen Reihen Zweifel laut werden, kann ein Umdenken stattfinden.

  16. Auch wir vom Kuckucksvaterblog sind entsetzt, wieviele Abgeordneten für die Beschneidung von Jungen gestimmt haben. Der Fraktionszwang – bei einer solch ethischen Frage – belegt, wie wenig den Abgeordneten / Parteien Kinderrechte am Herzen liegen. Da scheinen Lobbyisten ihren Job richtig gut gemacht zu haben… Warum wohl das Transparenzgesetz auch nach 10 Jahren noch nicht verabschiedet wurde, aber das Beschneidungsgesetz binnen weniger Monate im HauRuck-Verfahren durchgeboxt wurde, ist wohl eine gute Frage. Ein Schelm, der böses dabei denkt….

  17. „Wir appellieren an alle Ärztinnen und Ärzte, sich nicht aktiv an medizinisch unnötigen Beschneidungen zu beteiligen.“

    Wenn sich muslimische und jüdische Eltern nicht an den Kinderarzt wenden können, treibt sie das nicht in die Arme medizinisch nicht ausgebildeter Personen, die den Eingriff vornehmen? Gefährdet man somit nicht zusätzlich das Kindeswohl?

    Könnte nicht eine großangelegte Aktion helfen, Eltern darüber aufzuklären, was dieser Eingriff für das Kind bedeutet, bzw. diesen Eingriff erst in einem Alter vornehmen zu lassen, wenn das Kind selbst sich dafür bewusst entscheiden kann?

    1. Mit der Argumentation könnte man auch weibliche Genitalverstümmelung legalisieren.

      Die über Monate laufende Debatte war ja wohl Aufklärung genug. Natürlich konnte man dem aus dem Weg gehen, wenn man wollte, aber wäre ich ein Mitglied einer betroffenen Religionsgemeinschaft, hätte ich mir mal die Mühe gemacht und ganz genau hingesehen. Dabei wären mir die Risiken nicht entgangen.
      Nur interessiert das viele einfach nicht. Ist halt Religion und basta. Wenn ein paar Kinder dabei für ihr Leben verstümmelt werden, dann ist das halt so. Gottes Wille wahrscheinlich.

      1. die öffentliche Aufklärungsarbeit hat doch erst mit dem Kölner Urteil begonnen. Vorher wurde in den breiten Medien darüber geschwiegen. Jungs wurden halt beschnitten. Als endlich ein Gericht anmerkte, dass das Körperverletzung ist, ging plötzlich ein Aufschrei durchs Land und die Diskussionen die darüber geführt wurden, sind nicht gerade konstruktiv verlaufen… ich erinnere mich noch gut an das Argument der lieben Frau Schwarzer, dass nur ein beschnittener Penis ein schöner Penis ist – und überhaupt vieeeeeel hygienischer. Außerdem wurde wieder auf die Nazi-Vergangenheit in Deutschland hingewiesen.
        Echte Aufklärungsarbeit sieht anders aus. Jeder weiß genau was bei einer weiblichen Genitalverstümmelung passiert, aber die wenigsten wissen, wie eine Beschneidung an einem Penis tatsächlich durchgeführt wird. Da ist noch immer die Mär vom „Haut einfach mal wegziehen und ratz fatz ab“ in den Köpfen der Menschen.
        Es reicht nicht allein, dass Kinderärzte die Beschneidungsgewillten Eltern aufklären. Es muss die breite Bevölkerung, auch jene, die ihre Jungs nicht beschneiden lassen, über den gesamten Eingriff aufgeklärt werden. Wie wird er genau gemacht, welche Nebenwirkungen gibt es tatsächlich, was bedeutet der Eingriff für die Psyche/Physis des Kindes.
        Eine Diskussion à la „Wenn man die Beschneidung von Jungs zulässt, müsste man auch die Beschneidung von Mädchen auch erlauben“ ist genauso konstruktiv wie das Hinterhof-Argument.

        1. Ja, die Debatte hat erst nach dem Urteil begonnen. Und jetzt? Die Zeit zurückdrehen wird wohl nicht möglich sein. Also müssen wir damit leben, dass dieses Thema erst danach zu einem wurde. Aufklärung darüber sollte in der Tat obligatorisch sein. Ich weiß nur nicht, wie das zu bewerkstelligen wäre, ohne dass sich erneut Religionsgemeinschaften auf den Schlips getreten fühlen.

          Aber warum ist der Vergleich mit weiblicher Genitalverstümmelung unsinnig? Es gibt auch da mildere Formen, bei denen der Schaden, der damit bei einem Mädchen angerichtet wird, äquivalent ist zu dem, der von Jungs bei ihrer Beschneidung erleidet wird. Wo ist also der Unterschied?

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