Neulich im Notdienst

Wir befinden uns mitten in der Nacht, es ist 1.15 Uhr (ein Uhr fünfzehn, nach Mitternacht). Das Handy klingelt.

Ich: „Kinderdok, hallo?“
Mann: „Ja, ich ruf an, wegen mein Neffe der hat grad Sonnenblumenkerne gekotzt.“
Ich: „Guten Abend, hier ist Kinderdok, wie war nochmal Ihr Name?“
Mann: „Deibovic, Sonnenblumenkerne. Mein Neffe.“
Ich: „Alles klar. Wie alt ist denn Ihr Neffe?“
Es knistert und stört in der Leitung, dann seine Stimme, abgedämpft, wie mit der Hand auf dem Telefon: „Alt issen der?“ Eine andere Stimme antwortet im Hintergrund.
Mann, wieder am Hörer: „Der is´ zwonhalb.“
Ich: „Aha.“
Mann: „Ja, der hat vor vor zwei Stunden die Sonnenblumenkerne gegessen, und jetzt gekotzt. Kamen wieder raus. Mit dem Husten.“
Nachtigall, ich hör Dich trapsen …
Ich: „Also nochmal: Der ist zweieinhalb, hat vor zwei Stunden, also so kurz vor Mitternacht, Sonnenblumenkeren gegessen, gehustet, jetzt gespuckt.“
Mann: „Ja, genau.“
Ich: „Warum isst Ihr Neffe mit zweieinhalb vor Zwölf Uhr nachts Sonnenblumenkerne?“
Mann: „Wieso? Keine Ahnung, hatt´er eben.“

Ich ersparte mir die weitere Aufklärung am Telefon, habe die Familie direkt in die hiesige Klinik geschickt, mit dem dringenden Verdacht auf Aspiration eines Fremdkörpers. Das wird der HNO-Kollege sicher gerne in der Nacht vom zweiten Feiertag regeln.
An der Unvernünftigkeit mancher Eltern kann auch der nichts drehen. Manchmal bedeutet Kindsvernachlässigung auch, wenn man zuviel erlaubt – Zweieinhalb Jahre, Mitternacht wach und Sonnenblumenkerne essen lassen.

30 Antworten auf „Neulich im Notdienst“

  1. Zum Them lange aufbleiben:

    Heiligabend, 20:30 – der Große (3 1/2) ist seit 2 Stunden über die Schlafenszeit, fix und alle. „Also, Großer: Wenn Du morgen früh aufwachst, machst Du selbst Licht an und darfst mit Deiner neuen Lego-Baustelle spielen. Aber weck Mama und mich nicht auf!“ –> „Ja, Papa.“
    Ich bin ein Genie! Wir können ausschlafen. Ich sollte Bücher über Kindererziehung schreiben!

    25.12. 03:38: Geräusche aus dem Kinderzimmer: „Tüüt, mööp, brrr!“.
    „Großer, was machst Du da?“ –> „Ich bin wach geworden und habe das Licht angemacht. Jetzt darf ich spielen!“.
    – Die folgende Diskussion habe ich zu null verloren. Ich habe bis 4:30 gebraucht, um ihn wieder ins Bett zu komplimentieren. Und nochmal von 5:17 bis 5:46. Druck ausüben wollte ich nicht – war ja meine suuuper Idee.

    Ich bin ein Depp! Die Nacht war die Hölle. In Büchern über Kindererziehung sollte ein Bild von mir sein mit der Unterschrift „Glauben Sie dem da NIX!!!“

    1. Tja, Fehler in der Kindererziehung machen wir alle mal. Und DIESEN Fehler machen Sie jetzt bestimmt auch nie wieder! 🙂
      Danke für die Beschreibung, ich habe sehr gelacht.

  2. Bei uns sind auch immer Verwandte da, die Oma und Uroma sieht Söhnchen auch nur 3mal im Jahr. Und? War für mich kein Grund mein Kind ewig aufzulassen.
    Ich habe das genauso gehandhabt wie meine Eltern früher, die Bescherung gabs eben schon um 17 Uhr, es wurde mit Söhnchen gebaut und gespielt, dann gabs normal Abendessen und um 20, spätestens 21 Uhr war großes Gute Nacht sagen und das Kind kam ins Bett.
    Hat keinen gestört, es gab kein übermüdetes Kind, alle zufrieden. (Und mit Sohn zu kuscheln der sein liebstes Geschenk fest an sich drückt und seelig lächelnd mitten im Brabbeln/Erzählen einschläft ist was ganz wunderbares)
    Inzwischen ist er groß, die Zeiten an Weihnachten haben sich aber nicht groß verschoben. 22 Uhr, dann gehts ab ins Bett. Nur Silvester ist „die“ Ausnahme im Jahr, dieses mal hat er es tatsächlich geschafft bis morgens um 6 wachzubleiben. Und was ist er stolz drauf… Auch das er alleine aufbleiben durfte, das erste mal sind wir vor ihm eingeknickt und ins Bett gegangen. Große Sache für nen 11jährigen. (Schon fast 12, wo ist nur mein Baby geblieben?)

    Nüsse gabs bei uns allerdings schon ab 2,5, unter strenger Aufsicht. Allerdings war Sohn auch ein Kauweltmeister, der hat selbst Apfelmus gekaut…
    Und selbst dem hätte ich keine Schale Sonnenblumenkernen hingestellt, viel zu klein die Kerne!

    Ein normales Kind sollte nunmal auch zu normalen Zeiten ins Bett. Die Folgen sieht man oft erst spät, ich hab den Fall bei meinen Nichten. Tiefe Augenringe, völlig unkonzentriert, nicht in der Lage auch nur 5 Minuten mit etwas zu spielen, dazu auch wachstumsverzögert. Und ja, das alles hängt am ständigen Schlafmangel.
    (Und was ein Kampf um die ins Bett zu bekommen… Wenn sie mal hier sind und endlich schlafen ist es als wären sie im Koma, sehr gruselig zu beobachten und zu wissen das sie nur hier Ruhe finden…)

    1. Aber hängt das nicht auch davon ab, wann das Kind morgens aufsteht?
      Als meine Schwester und ich klein waren, war in der Regel auch früh schlafen angesagt. Und Geschenke gab es Weihnachten auch bereits um 17.00 Uhr (später 18.00 Uhr weil der Familiengottesdienst nicht früher aus war). Aber das heißt nicht, dass sich immer an die Zubettgehzeit gehalten wurde, als wäre es eine Sünde, das nicht zu tun. Wenn wir Weihnachten zum Abendessen bei den Großeltern waren, dann gab es auch um 17.00 Uhr Geschenke und danach noch Abendessen. Das hatte zur Konsequenz, dass wir manchmal erst um 22.00 Uhr wieder zu Hause waren und spätestens um 22.30 im Bett. Aber wenn sich das in Grenzen hält, wenn es die berühmten Ausnahmefälle sind, dann finde ich das gar nicht schlimm. Das verkraftet mit Sicherheit auch ein kleines Kind.
      Wenn es natürlich zur Regel wird, dann liegt sicherlich ein Fehler vor. Aber bevor man hier urteilt, müsste man auch mal abklären, woran es denn genau liegt.

      1. Kennst du einen 3jährigen der später als 8/9 Uhr aufsteht?
        Das ist leider oft das Problem, wirklich länger schlafen tun viele Zwerge dann nämlich nicht. Ich habe das von anderen Müttern oft genug gehört „Ja, dann haben wir ihn halt wachgelassen bis Mitternacht, aber ausschlafen lässt der uns trotzdem nicht.“
        Weihnachten war bei uns schon immer ne Ausnahme. Aber eben nur bis Uhrzeit X und nicht bis dass Kind todmüde umfällt. Mit Pech hat man dann vorher nämlich ein quakiges Etwas da sitzen durch die Aufregung…
        Regelmäßiger Schlaf ist halt wichtiger als viele glauben.

        Und bei Kinderdoks Beispiel steht die Nacht vom 2ten Feiertag. Und ja, da sollten kleine Kinder um Mitternacht schlafen und nicht Sonnenblumenkerne essen.
        (Und wenn man den Notdienst anruft sollte man auch wissen wie alt das Kind ist das sich gerade wegen der Dummheit der Erwachsenen die Seele aus dem Leib kotzt)

        1. hier, meine kinder 😀
          und wenn sie früher aufstehen müssen geregelt sich oh wunder das abendliche Schlafbedürfnis automatisch mit und sie gehen freiwillig ins Bett

  3. Ich bin tatsächlich schockiert von der Ansage „Keine Nüsse, keine Kerne“ bis drei Jahre. Unser Kleiner ist unter eins und isst unser Vollkornbrot mit, da sind schon auch mal Sesam oder Sonnenblumenkerne drin. Explizit Nüsse oder eine Schale Sonnenblumenkerne hätte ich ihm jetzt natürlich nicht gegeben, aber bis zum Alter von drei Jahren hätte ich sicher auch nicht gewartet.

    Gilt das absolute Verbot auch für Kerne und Nüsse in Gebackenem?

  4. Bei Schlafzeiten würde ich nicht zu dogmatisch sein, wenn man den Hintergrund nicht kennt. Ohne Kiga/Schule funktionieren die klassischen Zeiten bei meinen Kindern einfach nicht, dann auslastungstechnisch von ganz allein. Meinen gerade dreijährigen Autisten interessieren Zeiten und Ansagen sowieso nicht. Den um elf umfallen zu lassen und dann umzubetten ist dem Nachbarn über uns, der um halb fünf aufstehen muss, lieber als Konsequenz von acht bis halb zehn oder so weils halt so üblich ist. Die Nerven brauch ich anderswo.

  5. Ich werde zB auch an Sylvester ´n Teufel tun und meine Kids um 20 Uhr ins Bett stecken, dann bleiben sie halt mal wach bis sie umfallen – herrje – Bei Nüssen, Bonbons bin ich auch vorsichtig, muss ja auch nicht in dem Alter. Bei Kleinteilen ist das wie schon erwähnt so eine Sache, da fliegt bei einem größeren Geschwisterkind immer mal irgendwas umher, man muss eben aufpassen 😉 Ein paar Wochen noch, dann haben wir einen über 3 Jährigen…

  6. So kleine Kinder gehören m. M. nach um diese Uhrzeit ins Bett. Punkt. Ausnahmen gibt es natürlich, wobei mir da nichts rechtes einfallen will.

    Bei den Kleinteilen bin ich auch immer sehr ängstlich, muss aber zugeben, dass es mit älteren Geschwistern schwierig ist. Ich versuche denen (3+5) zwar einzuschärfen, dass kleine Sachen nicht im Boden liegen dürfen wegen ihrer kleinen Schwester (6 Monate), aber man muss da als Eltern auch selbst hinterher sein. Ich kann den Großen schließlich nicht ihre Playmobil-Ritter verbieten ;-(

  7. Wie groß das Interesse am Kind war, belegt ja schon die Nachfrage nach dem Alter. Wissen die aufsichtspflichtigen Verwandten noch nicht einmal, wie alt die ihrer Obhut anvertrauten Kinder sind?

  8. Ach, wie kürzlich in der Bibliothek. Eltern mit Krabbelkind. Neben Krabbelkind liegt eine Murmel aus einem unserer Spiele. Ich hebe die Murmel auf. Eltern „Ach, XY hat grade damit gespielt…“ – und nein, sie hatten das Kind mitnichten die ganze Zeit im Blick, ihre Augen waren auf die Oberflächen ihrer Smartphones geheftet.
    Allerdings war es nicht Mitternacht 😉

  9. Naja, das lange Aufbleiben an Weihnachten – geschenkt. Das finde ich nicht so dramatisch (wobei 2,5 echt jung ist; ich war damals froh, wenn die in dem Alter im Bett waren ;-)).

    Aber bei Kleinteilen und kleinteiligen Lebensmitteln war ich auch immer total streng. Zu große Angst, dass sie was verschlucken könnten…. Bei einem Kleinkind, dass sage und schreibe 2 Gläser zerbissen hat, sicher auch nicht unberechtigt :).

    Insgesamt ergibt sich also durchaus ein unschönes Bild der Familie des Kleinen.

  10. Über Sonnenblumenkerne kann man ja streiten (obwohl Nüsse auch nix anderes sind und die haben meine auch mit 2 1/2 schon geliebt)
    Aber ganz ehrlich, wenns nicht jeden Tag ist, dann seh ich gar kein Problem darin ein Kind auch mal bis nach Mitternacht aufzulassen…

    1. Einspruch.

      Kleinteile unter drei Jahren sind absolut tabu. Keine Nüsse, keine Kerne, keine Legoteile oder Playmobil-Handys. Kein Kaugummi. „geliebt“ ist keine Ausrede dafür, wenn das Zeugs in die Bronchien rutscht. Kind in diesem Alter können sowas einfach nicht im Mund koordinieren. Punkt.

      Bis Mitternacht aufbleiben: Naja. Jeder muß wissen, was er/sie tut. Aber wirklich sinnvoll ist es nicht, Kinder so lange aufzulassen. Warum auch? Angst, etwas zu verpassen? Kinderschlaf ist wichtig, und man kann sich nicht vorstellen, wieviele Kinder vorgestellt werden wg „schläft so schlecht“, „so unkonzentriert“, „quengelt den ganzen Tag“, und beim Nachfragen kommt lediglich „ja, gestern war sie etwas länger auf“ oder „die darf noch bis 23 Uhr vor dem Fernseher sitzen“. Im Kindergartenalter.

      1. Es sind Feiertage, da ist Besuch da, man isst spät (bei uns jedenfalls) und klar wollen die Kinder da dabei sein.
        Dann gibt es 2 Möglichkeiten, sie werden irgendwann müde und schlafen oder sie halten durch und haben mit uns noch Spaß.. und schlafen früh aus.

        Mit älteren Geschwistern im Haus ist das mit den Kleinteilen eh so eine Sache…

        1. Ich finde trotzdem, dass man da konsequent sein sollte – egal, ob Besuch da ist oder nicht. Mein Mutter war da recht streng, dafür hab ich auch immer genug Schlaf gehabt. Und das mit den Kleinteilen finde ich absolut berechtigt, das ist wirklich gefährlich und mit 2.5 Jahren ziemlich unverantwortlich.

        1. Wenn man Brot lang genug einspeichelt, wird es zu Brei. Den kann man dann zwar immer noch einatmen, aber er verlegt nicht die Luftroehre komplett. Die Nuss dagegen bleibt hart und steckrn. Aber man kann bestimmmt auch an einem ungluecklich verkeilten Bissen Brot ersticken…

      2. Wieso eigentlich genau diese Altersgrenze? Passiert am 3. Geburtstag irgend etwas, das das Kind schlagartig zu einem kompetenten Mundmotoriker macht? Ist es nicht sinnvoller, sein Kind zu kennen und gut zu beobachten und dem einen Kind die Nuss schon mit 2 Jahren 10 Monaten, dem anderen erst mit 3 1/2 zu erlauben?

        Naja, jedenfalls falle ich jetzt wohl in die Kategorie leichtsinnige Rabenmutter. Mein Kind liebt nämlich Walnüsse, und es ist erst fast drei Jahre alt. Aber es hat sich das letzte Mal im Alter von 10 Monaten verschluckt, und somit beschränkt sich mein Sicherheitsbedürfnis darauf, das Herumlaufen während des Essens zu unterbinden.

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