Konzentrationshormonsteuerungsdefizit

Frau Rudele mit Don-Jason hat sich einen Besprechungstermin mit mir geben lassen – es geht um „die Konzentration“ bei dem zwölfjährigen.

Mutter: „Ich hatte ein Gespräch mit der Lehrerin, die secht, man muss mal nach der Schilddrüse oder so gucken lassen, oder ob er ´n Mangel hat oder das. Blutbild halt.“
Ich: „Und was ist das Problem?“
Mutter: „Der Don-Jason würde immer so müde sein im Unterricht, nicht aufpassen, und seine Hausaufgaben nicht machen.“
Ein weites Feld.
Ich: „Aber oft krank ist er nicht?“
Mutter: „Nein. Letztes Mal war´n wir vor drei Jahr´ bei Sie, da hatter mal ein Schnupfen g´ett.“
Ich: „Und zu Hause schläft er wohl nicht plötzlich ein?“
Mutter: „Achwas.“
Ich: „Wie siehts bei Ihnen mit Fernsehen aus?“
Mutter: „Ja, schon.“
Ich: „Heißt?“
Don-Jason: „So nach´n Schule bissel.“
Mutter, deutet einen Schlag auf den Hinterkopf an: „Bissel! Bissel! Vier Stunden glotzt er dann. Un´ obends noch´e mol.“
Don-Jason: „Is´ halt cool.“
Ich: „Vier Stunden? Eher mehr, oder? Sagen wir sechs?“
Mutter: „Wenn´s reicht.“
Ich: „Wie geht´s Ihnen, wenn Sie mal länger fernsehen?“
Mutter: „Hab´ch Kopf, richtig dicken Kopf.“
Ich: „Ich glaube, auf die Blutwerte können wir verzichten, oder? Hat der Lehrer nicht danach gefragt?“
Mutter: „Nach´m Pfernseh`? Nö, iwo. Der hat ´secht, das sin´ die Ho´mone!“

Ganz sicher.
Das war mein Beitrag zum Thema „Wieviel Fernsehen schaut das Kind?
Demnächst in dieser Sendung: „Doch, es gibt auch vernünftige Eltern.“

23 Antworten auf „Konzentrationshormonsteuerungsdefizit“

  1. Was soll man da noch sagen? Ich durfte maximal 1 Stunde fernsehen am Tag und eine halbe Stunde an den Computer als ich kleiner war und ich hatte niemals Probleme mit der Konzentration, die meisten meiner Freunde genauso wenig. Die Gesellschaft muss ihr Verhalten in Bezug auf Medienkonsum ganz einfach mal grundlegend überdenken.

  2. Och, naja. Das böse böse böse Fernsehen. Damals – hach – zu Hause bei meinen Eltern lief der Fernseher immer. Immer immer immer. Wir haben zum Fernsehen gegessen, gelesen, geredet, Skigymnastik gemacht, obwohl wir niemals Skifahren waren. Mit zwölf hatte ich einen eigenen Fernseher in meinem Zimmer und auch der lief immer immer immer. Mit 15 habe ich ihn ausgeschaltet und mit 17 konnte ich durchsetzen, dass wir zum Abendbrot die Kiste ausmachen.
    Ich habe trotzdem Abitur gemacht, habe trotzdem studiert und übe heute trotzdem einen vernünftigen (obwohl…) Beruf aus.

  3. Also ich musste schon beim Namen Don-Jason lachen…
    Btw. Mit Lehrern bin ich sowieso geheilt. Ich war auf 5 verschiedenen Schulen, hatte sicher über 50 Lehrer. Jetzt gehe ich psychologisch mal meine Kindheit bis heute durch und bereits seit frühester Kindheit waren alle klassischen Asperger-Anzeichen lehrbuchmäßig bei mir zu sehen. Es fehlte wirklich kein einziges Symptom (welche man eben besonders in der Schule erkennen kann, nicht während einer gestellten Situation bei einer 10-minütigen-Kinderarztsitzung). Aber sind halt nur Lehrer, keine Pädagogen oder so.

    1. Tja… es ist allgemein bekannt das Lehrer immer die Welt und wenn schon nicht das, dann zumindest jedes einzelne Kind retten sollen. Aber es ist echt schwer jeden Tag aufs neue als Superman zu bestehen, wenn mich niemand dazu ausgebildet hat 🙁 Ja, Lehrer wissen entgegen der landläufigen Meinung echt nicht alles und können auch nicht alles wissen.
      Blöd sind wir aber auch nicht und würden deshalb gerne Hilfe in Anspruch nehmen. Doch wenn wir denken, dass ein auffälliges Kind/Jugendlicher Hilfe braucht, weil bei ihm etwas nicht passt und wir und die Sozialarbeiterinnen nicht weiter kommen… tja… dann war es das im ländlichen Raum schon ziemlich mit den Hilfsangeboten. Eltern sind eben so ein Volk für sich wie Lehrer (ganz schlimm in der Doppelbesetzung Lehrer mit Kind 😉 ) und bei Schulpsychologen, der für den Landkreis zuständig ist, wartet man gerne mal über ein Jahr auf einen Termin… Dabei wäre es toll, wenn man einen qualifizierten Ansprechpartner im Rücken hätte, den man anrufen kann und sich beraten lassen kann, wenn man bemerkt, dass ein Schüler besondere Merkmale aufweist…

      1. Ich kann die Lehrer-Sorgen ja auch verstehen. Bin zwar Jahrgang 84, habe aber noch so einiges oldschool-mäßiges mitbekommen (in der Grundschule auf dem Dorf sagte uns noch die Lehrerin, dass der Unterricht für die Jungs eher wichtig ist, weil die Mädels später sowieso heiraten werden und dann ist das egal). Schulpsychologen habe ich auch noch nie getroffen und Sozialarbeiter auf Schulen haben ich dann später im Berufsleben kennengelernt. Die waren aber auch eher eine Hilfe für die Lehrer, als für die Schüler.

      2. Korrekt, in dieses Vakuum werden leider immer öfter die Kinderärzte gesogen – und damit das Problem medikalisiert. Auch keine Lösung. Aber vielleicht auch ein Grund für die Zunahme der ADHS-Diagnose

    2. Egal wie klassisch die Zeichen sein möge, solche Zeichen erkennt eben der Kinderarzt oder gar erst der Kinderneurologe, nicht der Lehrer. Der Lehrer kann nur raten, doch mal zum Arzt zu gehen.

      Oder lässt du dir den Hautkrebs auch vom Frisör oder der Kosmetikerin diagnostizieren?

      1. ach komm, dieses ständige Geschreie nach dem Arzt, wenn es in der Schule nicht klappt, ist doch einfach unser Zeitgeist. Alle haben gleich ein ADHS oder wenigstens eine Hormonstörung, einen Eisenmangel oder sonst was. Himmel!
        Hier geht´s um gesunden Menschenverstand, die Lehrer kennen ihre Schüler doch auch (oder tun sie das nicht mehr?), und bei Don-Jason siehst Du das Fernsehen schon an den viereckigen Augen. Häufiges ist häufig und Seltenes selten.

        Ich finds ein Armutszeugnis, wenn der Lehrer sich nicht einmal im Gespräch mit der Mutter ein solch einfaches Bild der Lage macht. Es geht doch nur ums Abdrücken, Weiterschicken an die nächste Institution.

        1. Wenn ich das richtig verstehe, bezieht sich Krischan eher auf Klabunds Asperger als auf DJ’s viereckige Augen.
          Und hey, wer hat’s (Weiterschicken an die nächste Institution) erfundn?
          🙂

    3. Und anstatt dich auf 5 verschiedene Schulen zu schicken in der Hoffnung ein Leherer findet die richtige Diagnose (und nein, ein Pädagogikstudium beinhaltet keine Diagnostik) kamen deine Eltern nicht mal auf die Idee, sich da selber mal drum zu kümmern?
      Ich kanns echt nicht mehr hören, die Lehrer sollen alles wissen und richten, aber die armen Eltern, die ihre 1-x Kinder von Geburt an täglich sehen, denen muss man nicht zumuten, Probleme zu erkennen und Hilfen zu suchen, die haben schließlich nicht irgendwas mit Kindern studiert?

  4. Also ich durfte in dem Alter auch fernsehen so lange ich wollte, da meine Eltern beide arbeiten waren und keiner kontrollieren konnte. Meine Hausaufgaben hab ich aber trotzdem gemacht – das liegt wohl nicht nur am TV-Konsum. Und auch das Interesse am Unterricht variierte eher von Fach zu Fach als abhängig von der Fernsehdauer…

  5. Bah, ich bin ja selbst Lehrerin und bei sowas muss ich mich echt fremdschämen. Aber Eltern gibt’s … wenn meine Kleinen (Grundschule) regelmäßig übermüdet sind, frage ich andere Lehrer (vielleicht ist mein Unterricht ja auch sterbenslangweilig?) und dann die Kinder. Das schlimmste war der 6jährige, der mir erklärte, er habe nachts „Jack Sparrow“ gesehen (er spricht SEHR schlecht und den Titel des Films hatte er offensichtlich gar nicht gewusst … hat Ewigkeiten gedauert, bis ich rausfand, was er meinte). Auf seinem eigenen Fernseher. Alleine im Bett. Der Film fing abends um 10 an …

  6. Oh Mann, wir ganz schlecht. Die gute Frau hat ja noch nicht mal die leiseste Ahnung, dass sie bei einem Zwölfjährigen (!) die Fernsehzeit etwas steuern sollte… Aber was heißt hier „etwas“ – Wenn ich Ihr Zitat zweckentfremden dürfte: „Eher mehr“ !

  7. ich kann mich nicht dran erinnern, dass ich als kind irgendwelche „höchstmengen“ zum fernsehkonsum von meinen eltern hatte. ich hab sowieso viel lieber draußen gespielt oder mit lego oder so. mal fernsehen war ja ganz nett, aber wenn es andere beschäftigungsmöglichkeiten gab, hat mich die flimmerkiste nicht mehr interessiert.

  8. Im Gespräch mit uns Lehrern geht man mit solchen Informationen eher verhalten um und nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Wahrscheinlich weil man uns von vorneherein unterstellt, Ursachen für Probleme dann einfach darauf zu schieben. Beliebtester Antwortsatz auf die Frage nach dem Fernsehkonsum: „Mei, am Abend halt vor’m Bett gehen. Und manchmal schaut er/sie die ganze Woche gar nichts.“ Die Frage kann man sich also meistens sparen. Aufschlussreicher und wahrheitsgetreuer sind da oft die Erzählungen der Kinder selber…

    1. Da kann der Kinderdoc ein Lied von singen, zum Thema Wahrheitsgetreuigkeit… Schönes Zitat, welches er von einer Mutter machte: Mutter 1″Und hast Du es ihm gesagt?“ Mutter 2 „Nein, bin doch nicht blöd, da muss ich ja sonst was anhören“ (Zitat frei nach Gedächtnis)

  9. Ahhhhhhhhhhhhh, die Mutter ist ja klasse und der Lehrer keinen Schimmer davon, die richtigen Fragen zu stellen. Quasi eine „Fernseh“-Anamnese, gibt es so einen Kurs für Pädagogen? Man könnte ja mal fragen: „Ey, was gugst du so?“ 😉

  10. ich durfte damals kaum TV gucken. Dabei wollte ich gerne… Damals fand ich das richtig mies. Mit 14 musste ich immer noch fragen, ob ich TV gucken darf. Ein Gerät im Zimmer? Keine Chance.
    Jetzt bin ich ihr dafür sehr dankbar.

    1. Fragen muss unser Junior (11) inzwischen nicht mehr, aber einen eigenen Fernseher gibts auch lange noch nicht – dafür ein Zeitlimit. Ich setze da auch auf spätere Dankbarkeit 🙂

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Kinderdok.blog

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen