Ganz frisch reingekommen

Aus der Reihe „Gerade passiert“:

Ich: „Na, alles klar, guten Abend.“
Ayla: „Hallo, Doktor.“
Ich: „Und, Du kommst heute zur Jugenduntersuchung, J1, weißt Du denn, was da so passiert?“
Ayla: „Nö.“
Ich: „Haben Deine Freundinnen mal was erzählt oder welche aus der Klasse?“
Ayla: „Nö.“
Ich: „Gehst Du nicht mit Hatice in die gleiche Schule, die war letztens mal da.“
Ayla: „Die? Nö, die hat nichts erzählt.“
Ich: „Wie auch immer. Keine Sorge, viel passiert nicht, wir unterhalten uns eine Runde, dann macht die Helferin noch die Körpermaße und es wird noch Blutdruck gemessen.“
Ayla: „´ist das?“
Ich: „Blutdruck? Da schaut man, ob Dein Kreislauf ok ist, das misst man am Arm, mit einer Manschette.“
Ayla: „´tut weh?“
Ich: „Nö.“
Ayla: „All´sklar.“
Ich: „Gibt´s denn grad was aktuell, drückt Dich was? Beschwerden, beim Sport, Rücken, wasweißich?“
Ayla: „Nö, all´sok.“
Ich: „Gut.“
Ich werfe einen Blick auf den Fragebogen, den die Jugendlichen bei uns immer ausfüllen, viel eingefallen ist Ayla nicht. Naja. Das ist oft so. Trotzdem finden sich manchmal ein paar Dinge. Hier nicht. Da steht praktisch gar nichts („Wovor hast Du Angst?“ – „Spinnen.“ – „Jungs sind…?“ – „Scheisse.“ usw.).
Ich: „Na, der Fragebogen hat Dich wohl nicht so inspiriert?“
Ayla: „Instawas?“
Ich: „Fandest Du nicht so spannend?“
Ayla: „Nö. Naja. Kannt´ ich ja schon.“
Ich: „Ja? Woher?“
Ayla: „Hab´ch schon mal gemacht, JotEins.“
Ich scrolle im PC durch die Karteikarte. Siehe da. Vor anderthalb Jahren, J1 bei Ayla Acar. Fragebogen ausgefüllt.
Ich: „Und was machst Du dann jetzt hier?“
Ayla: „Weiß nicht. JotEins.“
Ich: „Wer hat den Termin gemacht?“
Ayla: „Ich. Mit Helferin draußen. Meine Mutter hat gesagt, soll ich machen.“
Ich: „Problem ist, die J1 machen wir nur einmal, und Du hattest sie schon mit zwölf Jahren. Müssen wir jetzt nicht nochmal machen.“ Können und dürfen wir auch nicht. Ganz abgesehen davon, dass es auch keiner zahlt. Und privat will Familie Acar vermutlich nicht in der Prävention investieren.
Ayla: „Ich hab mir schon gewundert, das Sie gleichen Fragebogen geschickt haben.“ Ich nicht. Die fMFA.
Ich: „Na prima. Gibt´s noch was? Fragen hast Du keine?“
Ayla: „Nö.“
Ich: „Dann kann Dich die Helferin trotzdem nochmal messen und wiegen, und dann war´s das für heute.“
Ayla: „Echt? Und JotEins?“
Ich: „Gibt´s nicht, haben wir schon.“
Ayla: „Super. Hätt´ ich auch mit Hatice chillen können.“
Ich: „Ja. Man sollte immer über seine Termine Bescheid wissen.“
Ayla: „Muss ich mal in meine Chronik gucken.“

Ich verabschiede mich und pflanze mich dann vor der Anmeldung auf.
„Moni! Tülay! Katja! Küken! Antreten zum Kopfwaschen!“

28 Antworten auf „Ganz frisch reingekommen“

  1. @viertelgott: ÄCHT JETZT???? Das mit dem Tripper darf ich NICHT sagen….?!?!?!?!?!
    😉

    P.S.: Da ich weiss, dass Humor auch nicht unbedingt ein deutsches Hauptadribut ist: ACHTUNG-ACHTUNG an alle: das mit dem Tripper war_SPASS!!!

  2. Lieber kinderdok, ist es vielleicht möglich, das Thema Schweigepflichtsverletzung weniger als ein Kavaliersdelikt, dem man ein fröhliches „Jahaaa“ entgegenträllern kann, als eine ernsthafte Missachtung von Rechten der Patienten betrachten? Lass doch bitte die Patienten entscheiden, ob sie „so“ sein wollen oder nicht. Wenn du Psychologe wärst, würdest du erwähnen, dass der Nachbar auch in Therapie ist?

    1. Um dieser Diskussion mal zu einem Ende zu verhelfen: ich kenne Ayla und Hatice etwas länger, und sie erscheinen auch schon mal gemeinsam, wenn die eine eine Impfung braucht und Beistand von der Freundin etc. Die sind seehr dick miteinander. Weder die eine noch die andere hätte dieses Gespräch als verletzung der Schweigepflicht empfunden. Wen es beruhigt: Ich bin Arzt.

      1. Hast du wegen solchen „Deutschnet-Trotteln“ (das ganze Netz hat den deutschen Regeln zu entsprechen, zur Not machen wir alles nach außen hin dicht damit nur noch kontrollierte Kommunikation möglich ist) die Kommentar-Funktion hier moderiert?
        Echt mist…. und traurig. Kann dich da verstehen, aber es ist einfach deprimierend.

        1. Das hat nichts mit „das ganze Netz den deutschen Regeln“ zu tun, sondern mit „deutscher Arzt unterliegt deutscher Schweigepflicht mit ggfs. deutschem Staatsanwalt“.
          Meinereiner unterliegt nicht deutschem, sondern französischem Recht, aber ich kenn zufällig noch so ungefähr die Regeln, die nicht nur den Ärzten, sondern auch unsereinem in Deutschland gelten. Da darf ich nicht nur nicht sagen, worüber einer mit mit gesprochen hat, sondern sogar die Tatsache, DASS, unterliegt der Schweigepflicht.
          In Frankreich übrigens auch, weshalb wir als einziger Berufsstand im Fahrtenbuch der Dienstwagen (keine private Nutzung, nur nebenbei) lediglich den weitestentfernten Ort einer Besuchstour eintragen müssen, nicht aber Name und Adresse der besuchten Leute. Wir sind eben keine Staubsaugervertreter.

          Im konkreten Fall ist die „Sünde“ allerdings wohl läßlich, eben weil die Mädchen voneinander wissen, daß sie denselben Arzt haben. Es bleibt aber ein Verstoß.
          Und die Sache mit dem Tripper, den die Heldin anspricht – soweit ich mich erinnere, gibt es meldepflichtige Krankheiten mit besonderen Regeln, aber ansonsten darf der Arzt nicht mal einer Ehefrau mitteilen, daß ihr Mann eine „galante Krankheit“ vorgestellt hat. Oder umgekehrt, „ach ja, was ist denn bei dem Bluttest Ihrer Frau rausgekommen, ist sie schwanger oder nicht?“ – Äh, wir haben seit drei Monaten getrennte Betten, weil ich schnarche… 😯

      2. Na hör mal! Glaubst du etwa ernsthaft, dass du deine Patienten besser kennst und einschätzen kannst als deine Leser? Ich empfehle, vor der nächsten Verletzung von Paragraph Schießmichtot erstmal hier nachzufragen, ob das diese Verletzung unter gewissen Umständen zulässig wäre „Warte noch einen Moment, Ayla, ich will dich noch was fragen,“ *tippselschreib*, „aber ich muss mich erst bei meinen Lesern rückversichern, ob ich das auch darf. Setz dich doch noch ’ne halbe Stunde ins Wartezimmer, bis ich eine Antwort habe.“

        1. Statt die Leser zu fragen hätte er Hatice fragen müssen – oder es einfach komplett bleiben lassen sollen. Ich bin keineswegs gesetzestreu, aber sowas ist einfach ein „No-Go“. Worauf kann man sich überhaupt noch verlassen? Und wo ist in diesem Fall die Grenze? Was kann er über Hatice sagen ohne sie zu verärgern und was nicht? Vielleicht hatte Hatice irgendeinen Grund ihrer Freundin (wenn diese das überhaupt noch ist) nichts von der J1 zu sagen und sich auf die Schweigepflicht verlassen.

          1. Nun lasst mal die Kirche im Dorf. Er hat nicht mehr und nicht weniger über Hatice gesagt, als dass sie auch bei dieser Jugenduntersuchung war. Bestimmt kein Drama bei zwei engen Freundinnen, die sich auch gemeinsam impfen lassen.

            Ich bin wahrscheinlich endlos naiv, aber ich habe schlicht das Vertrauen in Kinderdok (wie in jeden guten Arzt), dass er seine Patienten kennt und selbst einschätzen kann, was im Rahmen der Schweigepflicht noch okay ist und was zu weit geht.

            Aber ich erinnere mich auch noch gut an die an die Schweigepflicht appellierenden Kommentare, als hier ein mehrere Jahre alter Zettel veröffentlich wurde, der lediglich 2 Vornamen enthielt („Die Kake läuft wie Wasser“). Fand ich auch da schon sehr übertrieben.

    2. Jaaaa, kinderdoc – sach ma! Und warum hast du eigentlich keine Einzel-Warte-Kabinen? Und Extra Eingänge für jeden Patienten, damit Hatice der Ayla nicht über die Füsse läuft, kinderdoc?
      Erschlagt mich – aber der Deutsche an sich ist manchmal recht manisch…

      1. Also das ist wirklich lächerlich. Kein Arzt hat Extra-Eingänge damit sich Patienten nicht begegnen können, sollte man die ärztliche Schweigepflicht deswegen gleich abschaffen?
        Ich bin sehr froh, dass es sie gibt.

    3. Dir ist schon klar, dass der Vergleich hinkt? Fall a) Kinderdok „outet“ Hatice als seine Patientin und als im ungefähr gleichen Alter wie Ayla. Je nachdem wie viele Kinderärzte es in der Gegend zur Auswahl gibt ist weder das eien noch das andere nicht eh schon selbstverständlich bzw. bei Freundinnnen bekannt.
      Fall b) Der Psychologe erzählt einem Patienten, dass sein Nachbar (den der ja vielleicht auch gar nicht kennt) ebenfalls eine (bei entsprechender Spezialisierung des Therapeuten eventuell schon recht eng definierte) psychische Erkrankung hat, was in unserer Gesellschaft ein recht starkes Stigma mit sich bringt.
      Es ist ja nciht so als hätte er gesagt „Ja schon doof dass du jetzt nen Tripper hast aber red doch mal mit der Hatice drüber die war letzte Woche auch deswegen hier, vielleicht habters ja auch vom selben?“

      1. OK, sorry – hatte den Kommentar von Christian nicht gesehen. By the way: Schweigepflichtsverletzungen haben nichts mit dem persönlichen Empfinden der Betroffenen zu tun. Also ob Hatice und Ayla das checken ist völlig egal.

  3. “Gehst Du nicht mit Hatice in die gleiche Schule, die war letztens mal da.”

    Und nebenbei hat sich der Doc mal eben nach § 203 StGB strafbar gemacht. Sorry, das konnte sich der Anwalt in mir nicht verkneifen…

  4. Darf ich dir meinen Kollegen auch vorbeischicken? Bei ihm ist Kopfwaschen zwar immer ohne positive Folgen, abgesehen vom Kropf leeren meinerseits…

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