Mein Besuch bei der Kinderärztin

Ich muss so zehn oder elf Jahre alt gewesen sein. Ja stimmt, der nächste Umzug stand bevor und da kam ich nach dem Sommer in die weiterführende Schule. Meine Mutter dachte sich wohl, es sei mal wieder an der Zeit, dass ihr Sohn einen Check-up beim Arzt brauche. Aber vielleicht auch nicht: Hat man damals so etwas überhaupt gekannt? Vielleicht war ich auch zu dünn (auf den Fotos von damals halte ich mich eher für pummelig – mit der jetzigen Pädiater-Brille), vielleicht hatte ich auch zwei Erkältungen zuviel gehabt in der Saison. Vielleicht hatte auch die Schwiegermutter was gesagt – die lebte damals ein paar Strassenzüge weiter. „Der Kleine, dem kann man ja das Vaterunser durch die Rippen blasen.“

Jedenfalls schleifte sie mich zur Kinderärztin am Ort. Das war irgendwo weiter hinten im Alten Ortskern, gleich nebem dem Bäcker mit den Milchbrötchen zum Sonntag und rechts neben „Lebensmittel-Wurtz“, aus dem später ein LIDL und noch später ein leeres Ladengeschäft wurde. Am Ende durfte ich mir bei Herrn Wurtz ein Wassereis holen, diese grüne Chemie in Plastik, die einem entweder über die Hände oder das Kinn lief, aber ungemein lecker nach künstlichem Waldmeister schmeckte.

Alles war weiß gekachelt. Der Boden, die Wände, im Hintergrund sah ich ein Fenster ohne Vorhänge, das auf den Hinterhof ging, da bellte ein Hund. Frau Doktor trug auch gekachelt. Und hatte einen Dutt. Und eine goldgewirkte Kette, die ihre Brille am Hals führte. Später beim Rezepterausschreiben hat sie sie aufgesetzt und trotzdem über den Brillenrand geschielt. Fielmann war noch nicht erfunden. An ihre Stimme kann ich mich nicht erinnern, sie sprach wohl auch nur mit meiner Mutter und nicht mit ihrem Patienten.

Ihr Stethoskop war kalt – das war da tatsächlich noch so, es waren die Zeiten, in denen sich das „kalte Stethoskop“ ins kollektive Gedächtnis aller heutigen Eltern einbrannte – und ihre Hände auch. Ich saß auf einer dunkelgrünen Liege, die komische Geräusche von sich gab, wenn die Haut meiner Oberschenkel sich beim Lagewechsel abklebten. Am ätzendsten war das In-Den-Hals-Schauen, das machte sie mit einem Kaffeelöffel, ich musste würgen und meine Augen schossen voll mit Tränen. Später im HNO-Praktikum werde ich mich bei meinem Kommilitonen entschuldigen, dass er von meiner Uvula nicht viel zu sehen bekommt, weil sich mein Körper vehement gegen das Zungehalten und Spatelgestochere wehrt.

Das Ergebnis der Komplettuntersuchung war ein Konsil beim örtlichen Zahnarzt mit nachfolgend sicherlich wöchentlichen Zahnfüllungen (ohne Betäubung, auch nach dem Umzug) und einer Verordnung über Krankengymnastik wegen einer „linkskonvexen Skoliose“ (sicherlich mein erster medizinscher Begriff, den ich aussprach ohne zu wissen, was er bedeutet). Es folgte ein Rumliegen auf nach Fahrradgummi und Schweiss riechenden Matten in einer Gruppe anderer Skoliotiker, für die das wichtigste war, den Katzenbuckel formvollend zu bewegen. Meine Spezialturnübung war die Kerze.Ich war der Kleinste im Kurs. Die anderen hatten schon Pickel.

Beide Therapien wurden von späteren Kollegen als insuffizient eingestuft – der Zahnarzt hatte finanzielle Interessen gehabt, und die Gymnastik brachte einmal pro Woche auch keinen großen Benefit. Immerhin durfte ich zu letzterem alleine gehen, die physiotherapeutische Praxis lag zwei Straßen weiter von zu Hause – ich durfte sogar auf dem Rezept unterschreiben, wenn ich da war. Das bedeutete so etwas wie Erwachsensein.

Frau Doktor ist dann bald in Rente gegangen und wir sind umgezogen. Glücklicherweise war ich nie wirklich schwer krank, abgesehen von einer Lungenentzündung mit zwölf und einem Pfeifferschen Drüsenfieber mit Sweet Little Sixteen (zwei Wochen nach meiner damaligen Flamme). Eine Arztpraxis sah ich erst wieder als Zivi. Für eine Krankschreibung.
Meine Mutter – Kinderkrankenschwester aus den Fünfziger/Sechziger Jahren – hatte wohl beschlossen, es geht auch ohne … solche … Ärzte.

39 Antworten auf „Mein Besuch bei der Kinderärztin“

  1. Hilfe mein Sohn Luis ( 10 ) hat große Angst vor spritzen .
    Wir waren heute in der Kinderklinik , er hatte sich beim Fußball
    spielen sich der Fuß Angebrochen . Jetzt soll er am Montag
    3 Spritzen in den kaputten Fuß und 5 Spritzen ( Schmerzmittel )
    Und noch 2 Impfungen in den PO bekommen . beim letzten mal
    als er eine spritze bekommen hat , hat er getrampelt und gemacht
    wie ab. Man musste ihn sogar festhalten .
    Bitte helft mir 🙂

  2. Mein erster Arztbesuch an den ich mich erinnere, ich muss so 4 oder 5 gewesen sein, war beim HNO. Ich hatte mir ein Ministeck (wer das noch kennt) in die Nase gesteckt, ich war eben kreativ. Das Sprechzimmer war dunkel, das Arztgesicht mit einem riesigen Spiegel verdeckt, ich wurde niedergerungen und mir das Ding entfernt. Das war zwar schmerzlos, aber danach stand ich Arztbesuchen nicht mehr so positiv gegenüber und ich wehrte mich mit Händen und Füßen und saß alle Krankheiten aus. Meine Mutter hat dann schnell aufgegeben 🙂

    Nächste Erinnerung war wieder HNO, mir sollten die Rachenmandeln entfernt werden, etwa 10 Jahre alt. Kein Wort von OP zu mir vorher, ich glaubte an einen Kontrolltermin. Es fand kein Gespräch mit mir statt. Meine Mutter wurde rausgeschickt, ich wurde auf eine Liege gelegt, sofort an Händen und Füßen festgeschnallt und angeblafft, ich solle mich nicht so anstellen. Den Geruch der Narkose werde ich nie vergessen.

    Einen Zahnarzt habe ich nur in der Schule gesehen, mit Bauchweh und Durchfall an dem Tag, natürlich haben die immer was gefunden. Irgendwann hat die Schule die Zettel nicht weiterverfolgt, aber das Resultat war, dass ich heute in jedem Backenzahn eine Füllung habe. Mit 14 erst habe ich mich nach 3 Monaten Zahnschmerzen in eine Praxis geschleppt und einen Zahnarzt kennengelernt, der mit mir geredet hat und zudem super spritzen konnte.

    Die Eltern haben da sicher auch versagt, aber die Ärzte haben früh große Ängste bei mir gesät. Das war übrigens in den 70ern, nicht im gruseligen Mittelalter. Mit meinen Kindern bin ich das ganz anders angegangen. Sicher haben die Kinder heute durch die U-Reihe viel mehr Arztkontakte und die Ärzte gehen Gott sei Dank anders auf Kinder ein, aber man muss als Eltern schon mitarbeiten, vorbereiten, nachbereiten, stützen und auch das Theater ertragen. Heute sagt meine Tochter zu mir „Na klar geh ich zu der Impfung alleine“. 🙂 So, jetzt habe ich mich mal ausgesprochen, danke 🙂

  3. Ich möchte dann auch mit einem Beitrag hier meines Kinderarztes gedenken, der keiner war, sondern ein Hausarzt. Wie bereits von anderen hier erwähnt, gab es auch in unserem Dorf einen einzigen Arzt „für alles“. Für mich war er der Kinderarzt.
    Dieser Arzt hatte einen dicken Schnurrbart, war so ungefähr (dachte ich 7jährige damals) uralte 80 Jahre alt und trug immer einen braunen Tweedanzug mit offenem weißem Kittel darüber.
    Den weißen Kittel ließ er weg, wenn er beispielsweise über mehr als 2 Wochen jeden Nachmittag zu unserer Familie kam, um einen Hausbesuch bei mir zu machen. Ich hatte mich – wer weiß wo … meine Mutter mutmaßte es sei meine Gefräßigkeit, die mich im Garten und auch sonst in der Natur alles ungewaschen essen ließ, was ich fand – mit Ruhr angesteckt und es ging mir, ich weiß es noch sehr genau, unglaublich schlecht.
    Heute noch bin ich davon überzeugt, dass ich diesem wundervollen, geduldigen, verständnisvollen, befähigten und warmherzigen Arzt mein Leben verdanke.
    Und er roch immer nach Anis … 🙂

  4. Ich habe an meinen Kinderarzt eigentlich nur gute Erinnerungen. Nicht an die Spritzen, Impfungen und das kalte Stethoskop, aber an den Mann selbst. Verständnisvoll, zu Kindern immer freundlich und konnte einem alles erklären. Und auch wenn das komisch klingt: mich hat es als Kind gar nicht gestört, dass er eine wirklich dunkle Hautfarbe hatte. Andere Kinder hatten damit Probleme, das war mir nun wirklich egal. Ich weiß nicht mehr, ob mir das damals überhaupt bewusst war, für mich war es mein Kinderarzt und der musste eben „schwarz“ sein – vielleicht ein Grund, warum ich bis heute an dunkelhäutige Menschen denke, wenn ich „Kinderarzt“ höre (mit Ausnahme des kinderdoc, da denke ich an Cartoonfiguren). Es hat mir und meiner Auffassung was Menschen angeht bestimmt nicht geschadet.

  5. In Dänemark, wo ich herkomme, gibt es keine Kinderärzte (nur im KH), also mussten wir immer mit zum Hausarzt. ich erinnere mich an einem Altbau mit hohe Decken, und große dunkle Möbel in seinem Sprechzimmer. und an das Zuckerstück für die Schluckimpfung in den 70 igern. Später war ich bei seinem Sohn, da wurde die Räume schon heller.

  6. Ich war in meiner Kindheit – genau wie auch heute – selten beim Arzt. Letztes Jahr hab ich mal einen Liter Brennnesseltee getrunken, weshalb mir sehr schlecht wurde, aber ansonsten bin ich der Feind aller Bakterien.
    Mein „Horrorarzt“ war fast zehn Jahre lang der Hautarzt. Nachdem meiner nach einer diagnostizierten Laktoseintoleranz meiner Mutter eine Selbsthilfegruppe empfohlen hat, diese dann angerufen hat und als sie erwähnte, dass ich laktoseintolerant sei hören musste, dass „Milch sowieso nur eine Ausscheidung des Teufels ist“ war ich sehr skeptisch gegenüber Hautärzten. Da Rumsitzen allerdings keine Neurodermitis heilt (naja…im Sommer ab und an schon ein wenig ;)) musste ich irgendwann trotzdem über meinen Schatten springen und hab mir einen neuen Hautarzt gesucht – mit dem ich nun auch sehr zufrieden bin.

  7. Neben der Erinnerung an die meist schmerzhaften Impfungen sehen ich da hauptsächlich das dunkel getäfelte Behandlungszimmer. Ein großer Altbauraum mit einem massiven Schreibtisch, ähnlich dem meines Großvaters. Dazu viele Schränke mit Glastüren, prall gefüllt mit interessant aussehenden Büchern.
    Ich habe meine Kinderärztin in guter Erinnerung – oder zumindest keine schlechten behalten. Die letzte Erinnerung ist am deutlichsten. Ich war damals 17 und sie mußte schon an die 65 gewesen sein. Ich hatte meinen ersten „richtigen“ Migräneanfall und da meine Eltern keine Ahnung hatten, was mit mir los war, ich nicht ansprechbar war und seit Stunden nur da lag, hatten sie den Arzt ins Haus gerufen. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie neben mir auf dem Bett (Matrazen auf dem Boden) kniet und mich untersucht. Was sie diagnostiziert hat und wie es weiter ging, weiß ich nicht, da war der kurze klare Moment schon wieder vorbei. Die Diagnose Migräne stand damals jedenfalls noch nicht.
    Bemerkenswert finde ich rückblickend, dass meine Eltern die Kinderärztin gerufen hatten. Ich glaube, das war 1983 für eine 17jährige eher ungewöhnlich.
    Bald danach wechselte ich zum Hausarzt meiner Eltern, der zum Glück genauso nett war.
    Leider habe ich seitdem überwiegend weniger angenehme Exemplare der humanmedizinischen Zunft kennen gelernt. Mein Mann (auch Kinderdoc) hört es zwar nicht gerne und Bekannte lachen darüber, aber ich gehe nicht gerne zum Arzt. Doch an diese beiden ersten Ärzte in meinem Leben denke ich gerne zurück.

  8. Einen Kinderarzt habe ich zum ersten Mal kennengelernt, als meine Tochter U3 hatte. Bei uns im Dorf gabs nur einen Allgemeinmediziner. Eigentlich ein netter Mann, aber ich habe eine Situation eindrucksvoll im Gedächtnis eingebrannt. Ein Impftermin als Kleinkind nämlich. Da wurde ich kurzerhand mit runtergerissener Hose auf den Tresen der Anmeldung gelegt, Spritze in den Podex und fertig. Wundert es wen, dass ich nicht begeistert war? 😉
    Die Us gabs damals schon, glaube ich. Aber mein Heft ist leer bis auf das, was das Krankenhaus eingetragen hat. Kind wächst und gedeiht, da muss man nicht zum Arzt. Selbst als ich mal eine fette Bronchitis hatte (gleichzeitig mit meiner Mutter) hat sie nur die Symptome geschildert bei ihrem eigenen Termin und hat dann riesige, blaue Antibiotikumtabletten mitgebracht.

    Die Kinderärzte meiner Kinder sind wirklich toll. Ich hab noch keinen kennengelernt, der nicht mit Kindern gekonnt hätte 🙂

  9. Ich habe vom Spatel gekotzt. Regelmäßig. Und auch immer getroffen – den Kinderarzt nämlich. Dabei mochte ich den.
    Er und ich haben dann die Abmachung getroffen, ich ziehe die Zunge raus und runter, und er guckt ohne Spatel. Das klappt seit 35 Jahren mit allen Ärzten, muß also doch leichter sein als das mit den rosa Elefanten (oder bin ich da auch der einzige, der den Trick kennt?).
    Witzig war nur viele Jahre später, als ich selbst Vater war und meine Kinder in der Praxis anmeldete, die inzwischen ein guter Bekannter übernommen hatte, daß ich im Wartezimmer tatsächlich noch alte Bekannte wiedersah, wie zum Beispiel diese Kugelbahn mit den melodischen Plättchen am Ende. (Sowas gibts nicht mehr im Handel, warum eigentlich nicht – weil die Kugeln klein genug sind, um in irgendwelchen Körperöffnungen zu verschwinden?)

    1. Kugelbahnen gibt es noch. Aber leider eher seltener im normalen Plastik-spielzeug-Laden.
      Wenn du das nächste mal an einer Spielzeugmesse vorbeikommst: unbedingt mal anschauen!

      1. Nu bin ich echt geplättet, denn ich weiß zwar, daß es noch Kugelbahnen gibt – aber die, die ich kenne und meine Kinder in den letzten 15 Jahren bespielt haben, sind alle mit riesigen Holzkugeln (>3cm), während damals eben kleine Kügelchen aus Metall, ca 8mm, zum Einsatz kamen. Ich selbst hatte eine „Klickerbahn“ aus Plastik für normale Murmeln.
        haba ist allerdings fast unbezahlbar für normale Leute. 🙁

        1. Normale Murmelbahnen gibt es noch, auch in günstig, muss nicht unbedingt Haba sein. Allerdings sind die erst ab 3, da die Kleinteile leicht verschluckbar sind. Meine Tochter würde so ein Ding z. B. essen, deshalb starten wir mit ’ner Holzkugelbahn. Neben der Plaste-und-Elaste-Hölle Toys „R“ Us gibt es Gott sei Dank schöne Alternativen.

          1. Wenn das dann auch noch bezahlbar ist, habt ihr’s gut in Deutschland. Hier in Frankreich gibts fast nur so Plaste-Höllen. (Plaste und Elaste, das war allerdings die Trabbi-Karosserie aus Kunstharz mit Holzspänen. Vergleichsweise schon fast öko. ;)) Da geh ich auch gar nicht rein. Aber gutes Spielzeug ist sauteuer, die Läden nur in den ganz großen Städten. Ich fahr doch nicht zwei Stunden mit dem Auto, um eine Kugelbahn für 300 Euro zu kaufen…

  10. Meine Kinderärztin hat uns immer „sss“n lassen vor ner Spritze.. „SSSSSSSSau“.. und die gabs nur in den oberschenken und später in den oberarm. Und meinen zahnarzt kenn ich bis heut, der is n ganz lieber, und immer unzufrieden mit mir 🙂

  11. Ich war in meinen Kinderarzt verliebt. Jahrelang. Blutabnahme & Co waren mir ein Fest. Wenn ich richtig platt war, gab es Hausbesuche. Ach, auf meinen Kinderarzt lasse ich nichts kommen. Toll war er. Angst hatte ich dementsprechend nie. Hach ja.

  12. Im Dorf gab es keinen Kinderarzt, meine Eltern gingen mit meiner Schwester und mir zum Hausarzt. Warum Kinderärzte wichtig sind, habe ich erst hier im Blog verstanden.
    Nur wegen der angeborenen Hypothyreose gabs alle paar Monate Besuche in der endokrinologischen Ambulanz des Kinderkrankenhauses in der Großstadt. Da die Ärztin dort eine sehr begabte „Stecherin“ war, hatte und habe ich vor dem Blutabnehmen und vor Nadeln und Spritzen allgemein keine Angst.Glück gehabt.
    Mit fünf lag ich außerdem einige Wochen auf der Kinderstation der orthopädischen Chirurgie (Anfang der Achtziger).
    Meine Erinnerung an die Zeit im Krankenhaus ist sehr lebendig, es war eine auf die eine und andere Art beeindruckende Zeit. Die Oberkrankenschwester war ziemlich grantig und schien Kinder nicht gerade zu mögen. Die Klingeln an den Betten waren entfernt worden, weil manche Kinder zu oft geklingelt hatten – wir mussten laut nach den Pflegern rufen. Was ein schüchternes Kind sich nicht unbedingt traut… Ich lag samt Gipshose auch mal einige Stunden auf dem Fußboden, weil ich nachts aus dem Bett gefallen war, aber nicht zu rufen wagte. Aus Angst, ausgeschimpft zu werden.

    Zu trinken gab es ausschließlich Tee. Kamille oder Pfefferminze. Mir wird vom Geruch heute noch übel.
    Meine Mutter trickste die Schwester dann aus, indem sie mir Leitungswasser in die Teebecher goss – was natürlich nur während der Besuchzeit ging. Allein aufstehen konnte ich gipsbedingt nicht und musste in der restlichen Zeit abgestandenen Kamillentee trinken.
    . „Rooming-In“ gab es natürlich noch nicht, um jede Minute Besuchszeit mussten meine Eltern kämpfen. Meine Mutter erzählte mal, dass eine andere Mutter einfach so tat, als ob sie die Aufforderungen zu gehen, schlicht nicht verstand, und trotz zeternder Schwester beharrlich bei ihrem Kind blieb – ihr türkischer Name schien bei diesem Manöver zu helfen. 😉

    Angst vor den Ärzten hatte ich übrigens nicht, der Chirurg hatte mir geduldig erklärt, was er warum operiert, und zusammen mit der zeitweise anwesenden Kindergärtnerin meinem Teddy eine Gipshose verpasst, damit ich weiß, womit ich aus der Narkose aufwachen werde. Angst hatte ich nur vor den grummeligen altgedienten Schwestern – die jüngeren Mitarbeiter waren lieb, wenn nicht gerade die Chefin in Hörweite war („verwöhnen Sie die Gören nicht!“).

  13. Respekt, lieber Kinderdoc. Sich an so viele Einzelheiten aus der Kinderarztpraxis zu erinnern. Beim Lesen habe ich überlegt, ob ich mich auch noch an etwas erinnern kann. Muss ich verneinen. Von den Zahnarztbesuchen ist mir in erster Linie im Gedächtnis geblieben, dass man eigentlich nur bei Zahnschmerzen hin geht. Heute gehe ich einmal im Jahr.

  14. Ich habe ja nicht vor vielem Angst- Spinnen, Schlangen, oder ein nächtlicher Spaziergang alleine im Wald lassen mich kalt. Aber vor Ärzten habe ich Angst 😀

    Es ist lächerlich, aber ich bin davon überzeugt, dass manche Ärzte es nur noch schlimmer machen (das gilt natürlich nur bei mir, und bitte nicht übel nehmen, ich weiß, dass das Quatsch ist!). Kaltes Sthetoskop, irgendwelche schmerzhaften Untersuchungen… Und die Angst vorm Zahnarzt wurde mir von klein auf eingeredet. Ist bis heute panisch. Gut, dass ich in meinem Leben erst ein mal da war ;P Richtig schlimm fand ich auch immer diese komplett weißen Räume und komplett weiß gekleideten Leute, und auch das kann ich noch immer nicht leiden. „Normal“ gekleidete Kinderärzte kenne ich nicht. Deswegen hat sich diese Angst vor den „bösen weißen Menschen“ scheinbar ziemlich tief in mir eingebrannt. Vielleicht vergeht das noch, bin ja noch nicht so alt 😉 Meist bin ich ja auch nur aufgeregt.

    Vorteil für Ärzte und Kassen: Ich sitze nicht wegen einer Erkältung im Wartezimmer und ich fahre auch nicht wegen einer Beule in die Notaufnahme. Ich habe nur jährlich die Ehre, mich für die Tauglichkeitsbescheinigung meines Hobbies untersuchen zu lassen -.-

  15. Ich war immer zu dünn, nahm schlecht oder garnicht zu. Immer wenn wir zu Besuch bei meiner Oma bekamen schleppte sie mich um Arzt. Ich musste dann immer irgendwelche komischen schlecht schmeckenden Säfte trinken (2 LöffelI), Entwurmt wurde ich ganz oft mit fiesen Tabletten….

    Meine Tochter ist auch klein und dünn und Gott sei Dank haben wir einen Kinderarzt der mich gefragt hat wie ich als Kind war, nachdem er vermerkt hatte dass Mutter auch so war, war das nie wieder Thema. Kind ist auf der 3er Perzentille und basta, da ist einfach nichts zu ändern ohne zu mästen.

  16. Ich kann mich hauptsächlich noch an ein Käfig voller Welensittiche erinnern, die immer einen Heidenlärm gemacht haben. Und an silbrig glänzende, fiese Lanzetten, die sich in meinen kleinen Finger verbissen. Und an Blutstropfen, die dann aus dem kleinen Finger raus in ihr Röhrchen hüpften.

    Ach, was hab ich diese Frau gehasst… Das hat die doch bestimmt garnicht verdient.

    1. Das waren „Solofix Gammasteril Lancetten“. Gibt es immer noch. Reißen fiese Löcher, die Teile. Heutzutage könnte man die auch zum Vorbohren für einen endoskopischen Eingeriff benutzen… 😉

          1. Stimmt, diese elendigen Lanzetten. Damit könnte man mühelos die Teerdecke einer Autobahn entfernen.

            Ernsthaft: jetzt wird mir endlich klar, weshalb ich so viel Schiss vor diesen Dingern habe. Jahrelang habe ich beim Blutspenden Schweißausbrüche bekommen. Dabei bin ich absolut _kein_ Weichei. Ich guck beim Blutabnehmen immer zu, ich habe auch schon Pinzetten gehalten, als eine Verletzung am Fuß genäht werden musste – überhaupt kein Problem. Aber jahrelang wurde mir bei der Bestimmung des Hb-Wertes schlecht. Zum Glück hat das DRK inzwischen diese – wie heißen die eigentlich?

            1. Da gibt es unterschiedlicdhe Lancett-Systeme. Der Unterschied zwischen Praxis und Heim ist, dass Praxissysteme immer nur ein mal verwendet werden können, um Infektionsübertragungen auszuschließen. „AccuChek Safe T Pro“ (Stichtiefe nicht einstellbar) und „AccuChek Safe T Pro Plus“ (Stichtefe in 3 Schritten einstellbar) sind nur zwei der gängigen Systeme.

          2. Mit „Heim“ ist natürlich kein Pflegeheim geheint, sondern „zu Hause“, also der „Privatanwender“ – und mit „Praxis“ ist die „Anwendung im Berufsumfeld“ gemeint. Habe ich missverständlich ausgedrückt…

  17. Da hatte ich zum Glück einen netteren Kinderarzt. (ich bin Bj. 81)
    Im kleinen Wartezimmer war eine tolle Spielecke und eine Malecke mit Ausmalbildern, eine riesige Magnettafel mit Magnetklötzen und Buchstaben und das Behandlungszimmer komplett bis an die Decke „Tapeziert“ mit von den Patienten gemalten Bildern.
    Der Doktor war sehr einfühlsam, hat mich immer mit einbezogen und sprach immer sehr ruhig mit mir.
    Später als ich schon 20 war habe ich ihn zufällig mal getroffen.
    Und mich ernsthaft gefragt wie ich als Kind das ertragen konnte. Lach
    Er spricht sooo ruhig und besinnlich, das ich vom Zuhören fast agressiv wurde. g*
    Aber als Kind habe ich micht auf jeden Arztbesuch gefreut!

  18. ich kann mich da noch an fiese Spritzen in den Po mit fest halten erinnern. Heute wärmt sogar mein Hausarzt das Stetoskop mit der Hand an und den Holzspatel lässt er erstmal weg. Kinder wissen gar nicht wie gut sie es heute haben. War bei meinem Sohnemann sehr überrascht, wieviel Zeit man sich heute beim KiA nimmt und wie behutsam vorgegangen wird.

  19. An Kinderärzte kann ich mich (schon ziemlich altes Semester) gar nicht erinnern. Da gabe es nur den „praktischen Arzt und Geburtshelfer“, der höchstderoselbst ins Wartezimmer kam und seinen Patienten abholte. In der Praxis ein abgetretener Orientteppich und diese schrecklichen cremefarbenen Blechschränke… Das war eigentlich recht gemütlich, zumindest wenn ich ihn mit dem Zahnarzt und seinen altertümlichen Folterinstrumenten vergleiche. Betäubung war zu der Zeit ein Fremdwort, man brauchte wirklich eine gehörige Portion Mut, um sich dem auszusetzen. Gut ist mir ein Zahnarzt in Erinnerung, dessen Helferin einem beim Verlassen der Praxis ein Kaugummi in die Hand drückte, zwar mit der Bemerkung, es nicht gleich zu kauen, aber welches Kind macht das schon, wenn es so glücklich ist, dass der Zahn nun endlich plombiert ist.

  20. Hey, wir hatten die gleiche Ärztin.

    Meine hatte noch dazu zwei Wartezimmer. Das eine, in das ich stets wollte und nie durfte, war immer brechend voll und es gab ein paar Spielsachen. Stattdessen musste ich immer in einem fensterlosen Raum warten…. meine Mutter war Lehrerin und die privatversicherten Sprösslinge wurden immer an der Warteschlange vorbei geschleust.

    1. nee, nicht die gleiche Kinderärztin. Meine hatte kein Wartezimmer, sondern nur drei Stühle vor der Anmeldung. Und der Andrang war nicht so gross. Und privat waren wir auch. Wir hatten doch nichts. Damals.

  21. Da musste ich direkt an meinen langjährigen Kinderarzt denken, an die obligatorische Handvoll bunten, krebserregenden Puffreis, die es nach jedem Besuch gab, an die vielen, vielen äußerst schmerzhaften Penicillinspritzen in den Oberschenkel und an das holzgetäfelte Wartezimmer.

    Den leicht auszulösenden Würgereflex habe ich auch; es reicht, frisch aufgeschnittene Zwiebeln zu riechen ;). Zunge runterdrücken geht gar nicht!

  22. An das kalte Stethoskop erinnere ih mich auch. Aber wird das jetzt vorgewärmt? Ich meine Metall ist doch immer kalt.
    Genauso wie den Würgereiz beim in den Hals Gucken. Mein Arzt hat mir damit Stieleis verleidet, weil ich den Würgreiz noh heute von den Holzstäbchen kriege.

    1. Ich kenne Stethoskope auch nur in kalt, sowohl im Sommer bei der G26.3 sowie im Winter bei einer Mandelentzündung. Da habe ich erfahren das es diese Holzspatel auch als Lolli gibt, aber nur für Kinder. 🙁
      Und:
      „Halten Sie Ihre Zunge unten damit ich was sehen kann.“ funktioniert genauso gut wie „Denken Sie nicht an rosa Elefanten.“

    2. Ach Leute, Stethoskope – jedenfalls die der Klassiker-Firma Li.tt.ma.nn – habe einen Gummiring außen um die Membran — da ist nichts mehr kalt.
      Aber alle Eltern: „Achtung, jetzt wirds kalt.“ Und die Kinder brüllen schon, bevor es überhaupt losgeht

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