Kranke Söhne

Cem ist erkältet.
Das heißt, er leidet. Er erzählt mir von „richtig fett Fieber“ am Sonntag, auf Nachfrage gibt er erst nach viel Nachdenken ein „sibbeunndreissigacht“ zum Besten. Das hat ihn zumindest so beeindruckt, dass er Montag nicht zur Schule gegangen ist, aber abends zum Fussball. Dienstag war ganz ok, aber gestern, „am Tag von Arbeit“, da hat´s ihn dann wirklich gebrezelt. „Richtig dicke Kopf, Dokter, weisst?“ und „vor´m Bayernspiel voll gespuckt un´ so.“
Hat ihn nicht abgehalten, mit den Kumpels das Spiel zu schauen. Dienstag war ja nicht, gab´s ja nur auf Sky, hat doch keiner. Aktuell stehen sie alle auf Gündogan.

Dann wenigstens gestern „EffCeeBeeEffZeeBee“. Ja, gab´s Chips und Cola. Vatter war ja auch dabei. So wie heute. Der lässt seinen Sohn erstmal reden. Mit fünfzehn ist das auch ok. Die Basecap („Galatasaray“) bleibt auf. Ich gebe mir ganz viel Mühe, ziehe komplett vom Leder mit Abhören vorne und hinten, sogar inklusive Perkutierens – das bekommen nur die ganz Kranken. Der Vater schaut beeindruckt. Ich lasse sich Cem wieder anziehen, ziehe mir den Rollhocker zurecht und setze mich. Wichtige Diagnosen brauchen Anlauf.

Ich: „Er hat eine Erkältung.“
Cem hebt seinem Vater beide Hände hin, als präsentiere er persönlich die Krankheit. „Siehst?“
Der Vater zuckt mit den Schultern.
Ich: „Damit kannst Du morgen wieder in die Schule. Halb so wild.“
Jetzt ist es am Vater, seinem Sohn einen Blick mit hochgezogenen buschigen Augenbrauen zuzuwerfen. „Siehst?“
Cem schaut enttäuscht.
„Und Fussball am Wochenende?“
Ich: „Entweder Du bist so krank, dass Du nicht in die Schule kannst, dann gibts auch kein Fussball, oder es geht, dann kannst Du auch Kicken gehen.“
Er sagt nichts, sondern nickt nur wissend. „Alles klar, Doc.“
Aber er wäre nicht Sohn, wenn nicht sein Vater noch etwas anmerken muss: „Gut. Gut. Doktor. Also Erkältung. Aber wissense, jetzt ist er schon seit Sonntag krank, seit Sonn!tag!“, er hält fünf Finger nach oben, „fünf Tage, Doktor!“
Ich warte. Sage nichts.
„Wird es da nicht mal Zeit für ein Antibiotikum?“

9 Antworten auf „Kranke Söhne“

  1. bei der Überschrift hat ich schon geahnt was kommt und nein Doc sie haben mich nicht enttäuscht 🙂 So sind sie halt egal wie alt ein Erkältung ist ein Drama. 🙂

  2. Jaja, volle fünf Tage Erkältung, das ist doch dann schon chronisch, oder?!
    Seufz! Was ist eigentlich aus dem schönen Spruch geworden: eine Erkältung dauert sieben Tage, mit Antibiotikum eine Woche?!
    Und das Thema RhinoVIREN und Antibiotikum ist bestimmt in jeder Arztpraxis ein Dauerbrenner.

  3. Nania, da hast du natürlich Recht. Sechs Stunden Schule können im halbkranken Zustand anstrengend sein. Es ist sicher dann auch nicht möglich, aktiv Fußball zu spielen, in dem Maße wie sonst.

  4. Nachdem Chips und Cola nicht geholfen haben, ist er sicher nahezu austherapiert…Aber da war ja noch was…Antibiotikum…macht fit für das Kicken, aber nicht für die Schule. Erlebe ich als Schulleiterin immer wieder. „Schließlich kann das arme Kind doch nicht den ganzen Tag zu Hause rumliegen. Drum darf es wenigstens zum Sport.“ Kostet meist ja auch Geld. Schule hingegen ist umsonst. Bzw. kostenlos. 😉

    1. Obwohl ich mir hier seitens Lehrer und Schule etwas mehr Differenzierung wünschen würde. Wenn ich erkältet bin, bin ich vielleicht nicht in der Lage, sechs Stunden und mehr in der Schule zu sitzen, aber ein kurzer Besuch beim Buchhändler oder im Supermarkt dürfte drin sein.
      Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Schulzeit und da hatte ich es häufiger, dass ich mich zur Schule geschleppt habe, nur um nachmittags zur Chorprobe gehen zu „dürfen“, ansonsten hätte ich mich schlecht gefühlt.
      Jetzt im Studium interessiert es im Grunde genommen niemanden, ob ich morgens im Seminar fehle, aber Mittags in der Vorlesung auftauche.
      Wer krank ist, sollte für sich selbst entscheiden, was er kann und was nicht.

      PS: Das soll nicht heißen, dass man mit der handelsüblichen Erkältung (auch wenn diese echt fies werden kann) der Schule fernbleibt, aber zum Sport geht, sondern lediglich, dass es ein Unterschied ist, ob man 30 Minuten draußen ist oder sechs Stunden in der Schule. Gerade mit dickem Kopf.

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