Piraten III

wie es begann
wie es weiterging

„Die Idee ist wohl“, setzt er fort, „Asthmatiker sind tapfer, die müssen kämpfen, und da geht’s um Luft und … naja, da sind sie dann auf die Piraten gekommen.“
Er zieht eine der Augenklappen über den Kopf und lässt sie auf das linke Auge schnalzen. Dann zieht er die Oberlippe etwas hoch und lässt ein Grollen hören.
„Hohoho, ich bin Jack Flöto“, sagt er mit tiefer Stimme und zwinkert mit dem freien Auge, dass es für den Moment aussieht, als habe er beide Augen zu.
„Sehr gut, Herr Teufel, sehr gut“, sage ich, „so sollten Sie jetzt immer gleich durch die Tür kommen. Das wäre intensives Pharmamarketing.“
„Ja, das hätten Sie wohl gerne, dass ich mich hier zum Affen mache, nicht wahr?“, und lacht aber trotzdem dabei.
„Und da gibt’s dann auch Belohnungen?“, zeige ich auf die Unterlagen auf dem Tisch.
„Ja, genau, da gibt’s dann diese Kalender, nicht wahr? Da können die Kinners dann eintragen, wie oft sie schon inhaliert haben und so, und dann können die sich dann eine Belohnung ausdenken mit den Eltern, nicht wahr?“
Wie schön. Ich habe schon Thrönchenkalender in meiner Praxis – für die Verstopften – , ich kenne Töpfchen-, Sonnen- und Wölkchenpläne für die einnässenden Kinder, jetzt also noch einen Piraten-Belohnungs-Inhalationskalender. Wenn es hilft.
Er zwinkert mir zu. „Die Marketing plant dann auch noch so was mit Stoffpiraten, das kommt doch immer gut, nicht wahr?“
Nach der Ära der Animalis medicinalis kommen nun also die Piraten auf uns zu. Die Dinos hatten wir auch schon.
„Prima“, sage ich.
„Ja…“, er macht eine Pause, sucht nach Worten, „eigentlich war es dann auch schon, nicht wahr?“
Ich begleite ihn zur Tür. „Danke, Herr Teufel, bis bald dann mal.“
„Aber immer, nicht wahr?“ Er fletscht die Zähne und öffnet die Klappe über dem linken Auge, „und denken Sie immer mal an uns, nicht wahr? Sonst kapern wir Ihre Praxis.“
„Super, Herr Teufel, alles klar. Machen Sie das.“
Beim Hinausgehen schauen sich Moni und Katja irritiert an und dann in meine Richtung.
Ich zeige Herrn Teufel hinterher, der immer noch seine Augenklappe trägt.
„Er ist ein Pirat“, forme ich die Worte mehr mit den Lippen, als dass ich sie laut ausspreche. Meine Arzthelferinnen lautieren „Soso!“, und lachen in sich hinein.
Herr Teufel verabschiedet sich lautstark von allen, dabei hat seine Stimme etwas merkwürdig Säuselndes, und sein Gang ist breitbeinig geworden. Er schwenkt einen imaginären Säbel und raunt dem sechsjährigen Mädchen ein „Hohoho…!“ zu, das gerade mit seiner Mutter durch die Praxistür kommt. Sie weicht erschrocken hinter den Rücken ihrer Mutter zurück. Aber Herr Teufel lacht ihr zu und sagt etwas Nettes in seiner normalen Sprache.

Herrn Teufel mag ich. Er ist ein guter.

11 Antworten auf „Piraten III“

  1. Ist es eigentlich wirklich sinnvoll sowas als Spielzeug zu vermarkten? Da wird immer betont das Medikamente keine Bonbons sind und Kinder keinen Zugang dazu haben sollten, und dann wird ein Inhalationsgerät zum Spielzeug deklariert und kommt mit Merchandising. Was, wenn die Kumpels dann auch mal Käpt’n Flöto spielen wollen und an dem Ding saugen? Ich denke, das ist nett gemeint, aber ich fände es besser wenn dem Kind die Ernsthaftigkeit dieser Inhalationen bewusst bleibt.

    1. Danke für diesen Gedanken – ist ein Problem. Vor allem, wenn der Spacer dann mal paar Wochen nicht benutzt wird. „Hammwa nich mehr, mit dem hat der Jäison gespielt.“
      Aber: dürfen dann Medikamente nach Erdbeere schmecken, die doofen Hustensäfte nach Zucker?

      1. kommt es da nicht auch ein bisschen aufs alter des kindes an? fuer nen 5 jaehrigen ist das vllt nicht das richtige, aber nem 10jaehrigen wuerde ich schon zu trauen da einigermassen vernuenftig mit umzugehen, so man es ihm auch erklaert.

        1. Ein Zehnjähriger würde aber vermutlich auch ohne die Augenklappen damit vernünftig umgehen, wenn man es ihm erklärt. Und die Gefahr wäre nicht so groß, dass Kinder im Umfeld die davon keine Ahnung haben heimlich auch mal probieren wollen. Ich hab schon jedesmal einen Aufstand vom kleinen Bruder wenn der Große mal Nurofensaft bekommt und er nicht. Wenn da jetzt noch lustige Autos und Heftchen dabei wären die erklären wie cool das Zeug doch ist würde das Problem doch nur vergrößert.

          1. Hmmm…
            Ja und nein…
            Der Spacer an sich enthält ja kein Medikament – es wird erst unmittelbar vor der Inhalation hineingegeben.
            Also ich hätte jetzt nicht wirklich ein Problem damit das an diesem „Spielzeug“ interessierte Kind einfach an dem (leeren und gereinigten!) Spacer ausprobieren zu lassen was da so passiert…
            Dass das eigentliche Aerosol außerhalb der entsprechenden Reichweite aufbewahrt wird, sollte in meinen Augen selbstverständlich sein.

            1. „Ups, der Spacer ist uns leider kaputt gegangen, den haben wir letztens in der Spielzeugkiste gefunden.“
              Alles schon da gewesen.

          2. @astarielle: Wenn ich das richtig in Erinnerung habe kann man das Medikamentending direkt auf dem Spacer aufgesteckt lassen, was durchaus nicht unpraktisch ist, anstatt bei einem Asthmaanfall noch dran rumfummeln zu müssen.

            Aber klar: Mit einem vernünftigen Umgang, sachgerechter Aufbewahrung, Aufklärung des Kindes etc ist das kein Problem, es mal damit spielen zu lassen. Nur ist eben die Frage, ob so ein verantwortungsvoller Umgang immer stattfindet und ob die Art, wie das Ding vermarktet wird einem solchen sachgerechten Umgang eher förderlich oder hinderlich ist. Und ob ein Kind, das über seine Krakheit und Behandlung bescheid weiß und damit gewissenhaft umgeht so ein Brimborium dann überhaupt braucht. Da würd ich ihm dann lieber zum Spielen richtige Jack Sparrow Sachen schenken wenn es denn drauf steht, und der Spacer läuft unter einer Kategorie die nicht im Kinderzimmer rumfliegt.

  2. Ein Pharmareferent der sich selbst nicht allzu ernst nimmt? Jup. Den würde ich auch mögen. Ist eh alle viel zu ernst, das Pack. 😀

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