Die Vorsorgeuntersuchungen – U1

Ich hatte vor Jahren schon einmal eine Serie gestartet, in der die Vorsorgeuntersuchungen für Säuglinge, Kinder und Jugendliche erklärt werden – ein wenig aus kinderärztlicher Sicht. Leider habe ich das nicht weiterverfolgt und einige Leser haben um eine Wiederauflage gebeten. Also nun hier und heute, die U1 – Versprochen: Ihr bekommt mindestens jeden Monat eine neue Vorsorge präsentiert.

Die U1 –
bekommt meist niemand mit in der Familie. Das Baby ist frisch geschlüpft, die Eltern sind beschäftigt mit der Emoccion des Momentes. Wenn man aber mal genau aufpasst – irgendwann nach dem ersten Bonding am Busen der Mutter und vor dem ersten Einkleiden – , wird das Kind von der Hebamme oder dem Frauenarzt/ärztin untersucht. Wir Kinderärzte sind da in der Regel nicht dabei. Wenn doch, dann hatte man eine Klinik mit Rund-Um-Kinderarzt-Betreuung gebucht, die Geburt war eine der Risiko- (also Frühgeburt, Not-Kaiserschnitt, Mehrlingsgeburten usw.) oder der eigene Vater übernimmt den Job (–> kinderdok).

Die U1 hat die Aufgabe nachzusehen, ob alles am Kind dran ist. Ein Mund, eine Nase, zwei Ohren, so werden sie geboren. Zehn Finger, zehn Zehen, all das muß man sehen usw. Als ob nicht alle Eltern das selbst nachzählten. Die U1 muss beurteilen, ob anatomisch alles ok ist, dass kein Syndrom oder eine sichtbar angeborene Erkrankung vorliegt. Es wird nach Spaltbildungen geschaut, nach der problemlosen Öffnung aller möglichen Öffnungen, wir checken Herz und Lunge, Haut und Wachheit des Kindes. Wenn der Säugling brüllt, ist er gesund.

Im Vorsorgeheft steht dann noch der berühmte Apgar-Score drin, der für alle Eltern der Garant für ein erfolgreiches Leben bietet – wird das Kind mal Abitur machen? Virginia Apgar hat dieses Maß aller Dinge kreiert, um einen Vergleich der Neugeborenen zu schaffen, er wird nach einer, fünf und zehn Minuten erhoben und gibt 0, 1 oder 2 Punkte für das Aussehen, den Puls, der Grundtonus des Körpers, die Atmung und die Reflexe. Das Akronym ergibt APGAR. Die Dame hat sich damit ein Denkmal gesetzt.
Nichtsdestotrotz ist der Score ein Anachronismus, da er (außer von uns Kinderärzten 😉 ) eh nicht immer systematisch erhoben wird. Wer bei einer Minute eine 10 vergibt, hat schon gelogen. Wir nannten das immer den Gyn-Apgar (drüberhinweglesen, Frau Dokta!) – er schönt die Statistik. Und 7/8/9 dürfte realistischer sein für ein normales Neugeborenes – bedeutet für die Eltern aber bereits die Totenweihe.
Die Kinder- und Jugendärzte schielen da schon eher auf den Nabelschnur-pH-Wert, der über die Sauerstoffversorgung unter der Geburt und damit i.d.R. Auskunft gibt über den Stress des Kindes. Wir freuen uns über Werte, naja, über 7,1 …

Achja, messen und wiegen werden die Geburtshelfer das Kind auch, einschließlich des Kopfumfangs. Aber das sind Werte mit Vorbehalt: Das Kind ist glitschig und strampelig, der Kopf verschoben und zerdrückt, das Gewicht stimmt meist. Und sollte zwischen 2500g und knapp 4000g liegen – bei einem reifgeborenen Kind am Termin. Drunter bekommt es den Titel SGA (small for gestational age – hat die Mutter geraucht?), darüber sind alle froh, wenn es ein Kaiserschnitt war, und es wird nach den Blutzuckern des Kindes geschaut – oft sind Kinder besonders schwer, wenn die Mutter einen Schwangerschaftsdiabetes hatte.

Das alles steht im Vorsorgeheft für Kinder – dem „Gelben Heft“ – und in einer gut sortierten Entbindungsklinik werden bereits jetzt per EDV und „Päpper“ die weiteren Termine aufgeklebt – bis ins Jahr X+12 (Jugenduntersuchung 1) bzw. X+16 (Jugenduntersuchung 2). Soweit möchte aber heute noch keiner denken.

21 Antworten auf „Die Vorsorgeuntersuchungen – U1“

  1. Mein „Kleiner“ hatte damals 5,6 Kg gewogen und war fast 60 cm groß, ohne das die Mutter Schwangerschaftsdiabetes oder ähnliches hatte. Ihm geht es immer noch super. Also keine Sorgen machen.

  2. Das Neugeborene mehr grau als rosa und es schrie nicht, man sprach nicht mit uns, hatte keine Zeit weil… halt alles nicht so wie es sein sollte… aber: Apgar 10!
    Wem hilft diese Zahl dann noch…?

  3. mein dritter war auch locker über 4Kilo und kam was man so spontan nennt…. geht alles 🙂 Und nein, der oGTt war völligst unauffällig. Der Zwerg ist natürlich trotzdem sehr süß.

  4. Schade das ich bei der U1 nicht dabei sein durfte 🙁
    Ach die Geburt meines Sohnes war einfach der schönste und der schlimmste Tag in meinem Leben. Zum Glück geht es dem kleinen Kerl mittlerweile richtig gut und er feiert demnächst seinen ersten Geburtstag.
    Am Freitag ist die U6, mal gucken was der Doc sagt.

  5. ach herrje, die U1. Lange ists her. Schnief.
    Mein 3. Nachwuchs hatte heute bereits seine U7. Und hat vom Startgewicht mit 4350gr (gut, das ich das vorher nicht wusste, er kam spontan innerhalb von 30 Minuten auf die Welt) auf 13,7 Kilo ausgebaut.

  6. Wegen der Kaiserschnittfrage:
    Eine Indikation für den Kaiserschnitt ist: Kind zu groß fürs mütterliche Becken. In der Regel ist das eben bei den >4kg-Zwergen.
    Das ist eine relativ harmlose Indikation – wenn man den ganzen Rest betrachtet (u.a. – gibt noch mehr):

    eine regelwidrige Lage des Kindes (z. B. Querlage), Lebensgefahr für Mutter und/oder Kind (z. B. ein Gebärmutterriss), spezielle Vorerkrankungen der Mutter (z. B. schwere Wirbelsäulenverletzungen, HIV) oder des Kindes (z. B. Bauchdeckendefekte)

    Also freuen sich alle über ein Schwergewicht, weil alle anderen Gründe einfach scheiße wären. 😉

    Das ergab zumindest ein kurzes googlen auf Wikipedia (wikipedian?) – das steht da zwar nicht so drin, kann man aber aus den Indikationen heraus schließen:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserschnitt#Prim.C3.A4rer_und_sekund.C3.A4rer_Kaiserschnitt

  7. Coole Idee mit der Serie.. ich bin übrigens Nichtraucherin schon immer gewesen, nicht mal versucht, und mein Sohn kam in der 41 SSW mit nur 2390 g zur Welt. Wahrscheinlich glaubt mir keiner von der Ärzteschaft, dass ich nicht geraucht habe… habe mich voll furchtbar gefühlt, wie alle mich angeschaut haben. =( Plazenta war auch nicht verkalkt…

    1. So genau ging es mir auch! 2310 g in der 39.Woche…..und wirklich keiner hat mir geglaubt, dass ich weder alkohol getrunken habe, noch geraucht habe….

  8. bei kind nr. 3 (erst kürzlich) hatten wir eine hebammenschülerin mit dabei, die dann die U1 machen durfte. spannende und lustige sache, wie sie da ihre beobachtungen runterratterte. es klang nämlich wie ein zwischending aus auswendig-gelernt und prüfung – wenn die vollausgebildete hebamme nachhakte.

  9. Wenn die Kinder besonders groß sind, kann es sein, wie ja auch in Ihrem Fall, das Kind stecken bleibt, weil sich aufgrund der Größe die Schultern etwas verkanten können. Dann kann es zur Sauerstoffunterversorgung kommen.

    1. Ja das ist mir auch klar, aber wenn man schon beim Wiegen ist sollte das Problem dann doch abgehakt sein?

  10. Warum ist man froh wenn es über 4000g ein Kaiserschnitt war? Junior #2 war locker über 4000 und trotz kurz im Geburtskanal steckengeblieben war ich sehr froh dass es KEIN Kaiserschnitt war. Hinterher wenn alles gut gelaufen ist sollten das die Ärzte doch wohl zumindest auch sein, oder?

    1. Wo steht denn da, dass jemand über den Kaiserschnitt froh war? Und davon abgesehen, darf doch jede Frau so entbinden wie sie möchte!

  11. Haut man Babys eigentlich immer noch auf den Po, sobald sie geboren sind? (Fragt eine völlig ahnungslose Frau…)

    1. Macht man natürlich nicht.
      Aber die Serie find ich toll, bitte weiter machen.
      Und als Vater der beim Kaiserschnitt dabei war hab ich die U1 sehr wohl verfolgt, war damit aber wohl tatsächlich in der Minderheit. Der Arzt hat immer wieder zu mir rüber über seine Schulter geschaut, als ob es ihm unangenehm ist beobachtet zu werden oder als ob er es wirklich nicht kennt, das ein Elternteil dabei zusieht.
      In dem Moment war die benebelte Angetraute mir aber nicht so wichtig, wie das kleine Würmchen – naja, knapp über 4000gr. also doch nicht so klein.
      Hatte in meinem Leben vorher aber nie einen Säugling live gesehen und malte mir Horrorvorstellungen aus was alles schief gelaufen ist (die Füße sahen so nach unten gebogen aus!)… darum war ich in höchster Alarmstufe. Zum Glück alles unbegründet.

  12. 😀 meine zweite Tochter kam ziemlich per Express zu Hause auf die Welt – etwa eine halbe Stunde vor Eintreffen der Hebamme, die dann von uns zwei frischen Eltern, die noch etwas von der Rolle waren, irgendwie erfahren wollte, was wir denn apgar-mäßig beobachtet hätten… wenig natürlich (siehe bei den Einlassungen des Kinderdocs), und so wurde das Ganze SEHR Pi-mal-Daumen eingetragen. Nun ist die Dame süße 18 Jahre alt – es hat ihr nichts geschadet…

  13. Hm, dann war ich wohl einer Wenigen, die die U1en (im Plural) mitgekriegt haben. So wie man die jedenfalls als Laie mitkriegt. Mittlerweile schon wieder sechs Wochen her.

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