kinderdok in Berlin III

Jetzt hat der Kongress begonnen, und ganz brav habe ich mich in die Auftaktsymposien gesetzt, über probiotisches Babyfutter und Neue Impfungen für die Kleinen. Wieder schwingt hier Werbung mit, die Dozenten präsentieren zwar Unabhängigkeit, aber wer Produktnamen in seinen Vortrag mischt, der kann sich dieselbe in die Haare schmieren. Ich gebe zu: Genau in diesem Moment schaltete ich ab und wand mich meinem eBook und diesem Eintrag via WordPress zu.

Was hängen blieb: Es gibt einen neuen Sechsfachimpfstoff, was das Monopol des bisherigen Anbieters aufweicht. Und: der Dozent (Martin Rose aus Frankfurt) erwähnt nochmals die Infektiosität des Hepatitis B Virus. HIV würden Eltern evtl. bei Ihren Kindern impfen lassen, so beängstigend erscheint uns die Krankheit. Bei Hepatitis B wundern sich viele Eltern: Säuglinge haben schließlich keinen Geschlechtsverkehr. Deshalb möchten die meisten Eltern keinen Sechsfachimpfstoff (der Hep B als Impfung enthält).
Aber: Hepatitis B ist um ein Vielfaches verbreiteter als HIV. Es gibt inzwischen viele Familien aus Hochverseuchungsländern mit 60% Hep-B-Trägern. Aber ganz besonders kritisch: Für eine Infektion benötigt das Virus nur ein Tausendstel der Menge Blut im Vergleich zum HI-Virus. Und zuletzt: Ein Säugling, der an Hepatitis B erkrankt, wird in 80% einen Leberzerfall (Zirrhose) entwickeln.

Was noch?
– Wir haben wirklich einen schönen RegierungssitzSitz des Parlamentes (…edit), nennt sich Reichstag.
– Das Bundeskanzler(innen)amt platziert sich zwar geschickt gegenüber, wirkt aber im Vergleich, mmh, öde.
– Kulturwechselschock: Sony-Center und das Mahnmal für die ermordeten Juden innerhalb einer halben Stunde zu besuchen.
– Das beste an festlichen Eröffnungen sind zwar nicht immer die musikalischen Pausen, wenn´s aber Kinder sind – wozu dann Reden hören?
– Grusswort des Staatssekretärs des BMFSFJ? Danke – Parteipolitik wird beim Ärztetag gemacht, nicht beim Kinder- und Jugendärztetag. Oder wie unser Präsi sagte: Es geht uns nicht immer nur ums Geld.
– Busfahren in Berlin: Zumindest der M41 entlang der Sonnenallee ist wie Vettel in Hockenheim.
– Die S- und U-Bahnen riechen immer noch genauso wie vor 23 Jahren, als ich in einem Berliner Krankenhaus Haken und das Maul hielt. Dreiundzwanzig? … ohje. Ich bin plötzlich ganz müde. Gute Nacht.

6 Antworten auf „kinderdok in Berlin III“

  1. Parlament und Regierung sollte man schon auseinanderhalten können, mithin den Sitz des Parlaments (den Reichstag) nicht als Regierungssitz bezeichnen (das ist das Bundeskanzleramt).

  2. Hrm. Einer meiner damaligen Lehrer meinte bei einer sich ständig wiederholenden Blutabnahme-Handschuhe: ja oder nein?-Debatte (nebenbei: ja!!!!1111ölf *fuchtel*) mal recht entnervt, dass man für eine HIV-Infektion einen ganzen Beutel Blut bräuchte – aber für HepB würde ein Tröpfchen reichen (mit dem Folgeargument, dass Patienten nicht immer sagen, ob sie was haben, weil sie davon nichts wissen und man daher IMMER Handschuhe tragen solle).

    Ich weiß nicht ob man für HIV wirklich eine ganze Transfusion bräuchte – aber den Vergleich fand ich damals beeindruckend. Seit dem steht für mich auch fest, das jegliches eventuelles Kind meinerseits die Impfung bekommen wird.

    @Cassa:

    Nehmen wir an Mama infiziert sich nach der Geburt mit HepB und hat einen unbemerkten Verlauf. Sie säugt das Kind – Kind wurde über die Muttermilch angesteckt. Oder Mama gibt Kind ein Kuss auf ein gerade verletztes Knie durch hinfallen („ich küss dich da, dann tuts nicht mehr weh, ja?“): Auch Speichel kann HepB übertragen.
    Und ja, auch Schmierinfektionen sind möglich; der Virus kann sich außerhalb des menschlichen Körpers einige Tage erhalten.

  3. Das Argument „Solange mein Kind noch keinen Geschlechtsverkehr hat und keine Drogen via Nadeln konsumiert, braucht es noch keine HepB Impfung“ kenne ich. Auch die „Höchstinfektiösität“ ist mir bekannt. Gibt es denn Fälle, in denen sich kleine Kinder mit HepB angesteckt haben? Und wie? Mir würden spontan Verletzungen einfallen (Bisse, Schrammen, Nasenbluten), per Schmieren verschleppt…. Reicht sowas schon aus?

  4. Ach, die Werbung…
    Ziel und Traum des Chefs ist die werbefreie Praxis. Der Weg dahin ist lang, mühsam und voller Müll. Kiloweise habe ich schon Werbeartikel entsorgt, die trotz Teambesprechungen und persönlichem Gespräch mit den Pharmareferenten regelmässig den MFAs in die Hände gedrückt wird. Da hilft auch die Anweisung, alles direkt abzulehnen, nicht viel. Zum einen ist es langjährige Gewohnheit, zum anderen schiere Überumpelung. Die Methoden der Industrie sind dabei oft dummdreist…
    Zwar benötigen wir die Industrie zwingend als Sponsoren für Informationsaustausch-Treffen wie den aktuellen Berliner Kongress, aber das Recht auf objektive Information sowohl der Ärzte als auch der Patienten darf darüber nicht aus den Augen verloren werden.
    Im Rahmen der Vorsorgen geben wir übrigens viele Broschüren als zusätzliche Info aus. Auch hier ist oberstes Praxis-Gebot, werbefrei zu informieren. Den Blick dafür muß man aber erst schärfen (wollen). Bei den Eltern kommt es sehr gut an – v.a. im Bereich Impfungen.
    Noch viele positive Eindrücke
    wünscht das Schlappohr.

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