Coole Jungs

Hey, schaust Du aber nett aus der Wäsche, als ich durch die Türe komme. Auf Deinem T-Shirt steht „Tausche Matchbox-Auto gegen grosse Schwester“, es ist knapp geschnitten, Muscle-Shirt haben wir das früherTM genannt, darunter eine Jeans von Pe.pe, modisch geritzt mit Fransen überm Knie und nicht darunter, sogar mit Gürtel. Und die Chucks, Größe „viel zu klein“, in frechem Rot, logisch ohne Schnürsenkel, die müsste man ja schnüren. Deine Haare sind ge-gel-t, das sieht man schon unter der schiefsitzenden Base-Cap mit Yankees-Logo.
Hey, noch stehst Du auf Entfernung, mit Deinen fünf Jahren, als ich durch die Tür komme. Deine Mutter sitzt auf ihrem Stuhl an meinem Schreibtisch. Du drehst Dich zu mir, machst eine lässige Handbewegung mit links – hält der Daumen wirklich Mittel- und Ringfinger zum Headbanger-Gruss? – , während die rechte in der Hosentasche verharrt. Deine erste Zahnlücke grinst zwischen Deinen Lippen hervor.
Als ich näher trete, um Deiner Mutter die Hand zu schütteln, bewegen sich Deine Beine schon ungewollt hinter ihren Stuhl, das sehe ich. Ich grüße Dich lachend und aufmunternd „Alles klar?“, Dein Lächeln erstirbt, jetzt hältst Du die linke vor der Brust mit dem Handrücken zu mir, als führe sie einen imaginären Schild.
Deine Mutter erzählt mir, dass Du eigentlich krank bist, Husten und so, Schnupfen, vorgestern auch etwas Fieber. Kindergarten (ist das mal cool?) – leider heute ausgefallen. Auf meine Ansage, Dich jetzt erst einmal zu untersuchen, sinkt auch der Fantasieschild herab, so wie Deine Mundwinkel.
Und als sich Deine Mutter zu Dir dreht, um Dich sanft nach vorne zu schieben, sinken Deine Augenwinkel dem Mund hinterher und die Unterlippe bekommt eine ganz und gar uncoole Schippeflunsch. Sind da auch schon Tränen in den Augen zu sehen?
„NEIN! Mama! Ich will nicht!“, brüllt es aus Dir heraus. Ruckzuck fliegt die Base-Cap durch den Raum, im Ringkampf mit Deiner Mutter zerfliegt Deine Gelfrisur zu einem Rabaukenschnitt, das T-Shirt kriegt Schlagseite, dass Deine Schwester Dich auch gerne eintauschen wolle. Deine Stimme bekommt ein solches Falsett, dass meinen fMFA vor der Tür ganz sicher die Ohren klingeln. Das alles, obwohl ich noch nicht einmal das Stethoskop in die Hand genommen habe.
Hey, gaaanz uncool, Pätrick-Jäson.

28 Antworten auf „Coole Jungs“

  1. Also Leute, das sind Scherz Sprüche. Auf T-Shirts und auch Baby Bodys ja eben so, wurde und wird auch weiter hin so vieles drauf gedruckt, was nicht unbedingt die Meinung des Trägers wieder spiegelt. Es ist einfach ein Jock. Ja und bei den normalen Schul Sprüche T-Shirts würde ich da auch nicht dann von Respektlosikkeit oder Werteverfall sprechen. Ansonsten sollten andere Aufdrucke, wie NYPD oder Fire Brigade oder Yacht Club NY, am besten dann auch verschwinden. Doch alle diese Aufdrucke, sollte man echt nicht ernst nehmen.
    Einfach Locker bleiben. So geht es auch besser durch den Alttag.

  2. Bei meinen Realschülern sehr beliebte T-Shirts:
    – Hausaufgaben gefährden meine Gesundheit
    – Mein Lehrer ist doof, er fragt immer mich
    – Mathe ist ein Arschloch und Physik sein kleiner Bruder

    … Stört/interessiert mich als Lehrerin ja herzlich wenig, aber als Mama würde ich meinem Kind nicht erlauben so in die Schule zu gehen – man geht ja auch nicht mit dem Aufdruck „mein Boss kann mich mal“ zur Arbeit

    … Obwohl ich ja gestehen muss, dass mir ein Shirt mit „Setzen! 6!“ oder „Nein, ich habe die Klassenarbeiten noch nicht korrigiert“ durchaus gefallen könnte 😉

    1. Jaaaa! Das wär cool. Ich find die Dinger auch ziemlich respektlos und bin der Meinung, es sendet an die Kinder einfach die falschen Signale…

      Wobei mein Mann sein „Ich verachte Jugendliche“-T-Shirt auch schon in der Schule anhatte.Allerdings untendrunter. Aber irgendwann wird er sein Hemd aufknöpfen und dann…..

      1. Ich hatte mal einen Kollegen, der während eines besonders schlimmen Projektmeetings unter dem Anzug das Dieter Nuhr T-Shirt „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten“ anhatte. Er hatte es einem Kollegen und mir vorher angekündigt. Wir haben das ganze Meeting über freundlich gelächelt (bzw. uns krampfhaft das Lachen verkniffen). Und als Lehrer wäre er mit so einem Auftritt bestimmt Schulgespräch! Würde aber vermutlich nach hinten losgehen 🙁

        Mal ernsthaft, meinen Racker würde ich mit so einem T-Shirt tatsächlich nicht in die Schule gehen lassen. Respekt oder auch simple Höflichkeit sind nicht die schlechtesten Werte, die man einem Kind mitgeben kann (imho).

  3. *prust* Gut, das ich den Kaffee schon geschluckt hatte …

    Meine Große gab sich mit solchen Shirts nicht ab, die hat die frischgebackenen Jungsmütter direkt angesprochen, ob sie ihre Schwester gegen den kleinen Sohn tauschen darf.

  4. Das mit den Shirts funktioniert auch familien-gesamtbezogen. Ich kenn da ein Geschwisterpärchen, wo regelmäßig auf dem einem Kindlein steht: „Tausche großen Bruder gegen Pony“, und der große Bruder steht daneben mit dem Shirt-Spruch „Tausche kleine Schwester gegen Mountenbike“. Ich finds knuffig. Und so ein bisschen Respekt vor einer „Respektsperson“…

    Also mir sind da die zurückhaltenden, die sich vorsichtshalber hinter einem bekannten Bein verstecken, wenn ich ihnen ein Poster schenken will, doch wesentlich lieber, als die, die mir jedesmal den Gummibärchen-Ständer zerpflücken und auf Sätze wie „Wenn Deine Eltern Dir das nicht erlauben, läßt Du die Tüten da bitte hängen!“ im besten Fall nicht mal mit einem Ohrenzucken reagieren.

  5. Ha 🙂
    Mein Kleiner ist so auch immer ganz cool, aber wehe der Doc kommt mit dem Holzspatel- den kann er ja gar nicht leiden 😉

  6. Oh je, da hatte wohl einer keinen so guten Wochenstart! Dabei kann der arme Junge da doch…. Obwohl – Moment! Ab wann so ungefähr würdest Du sagen, ist ein Mensch soviel… „eigener“ Mensch, dass man aufhören muss, die Fehler ausschließlich bei den Eltern zu suchen? Oder – anders herum – ab wann ist schlechtes Verhalten eines Kindes nicht mehr 1:1 Ausdruck meiner (Fehl-)Erziehung?

    1. Schlechtes (oder gutes) Verhalten ist NIE 100% Produkt deiner Erziehung. Aber es ist deine Aufgabe, das möglichst aufzufangen. Mit dem Kind vorher über den Arztbesuch reden, es ermutigen, es erinnern dass es zumindest mal selbst hallo sagt. Die Ernergie, die die Mutter auf das Styling des Sohnes verwendet darf sie auch darauf verwenden ihm zu erklären, was nachher beim Arzt von ihm erwartet wird. Dass das dann 100%ig klappt kann keine Erziehung garantieren, aber so komplett daneben gehen sollte das bei einem Fünfjährigen auch nicht mehr.

      1. Trotzdem fragt man sich doch immer, wo liegt die Grenze? Oder ich tue das zumindest. Mein Großer hat gerade erst die U7a (mit knapp 3) fast vollständig verweigert. Trotz Vorbereitung und obwohl er sonst beim Arzt immer einigermaßen mitmacht. Selbst auf die Waage musste ich ihn regelrecht Zerren! Klar, zum Mitspielen/Malen etc. konnte ich ihn nicht zwingen. Messen, Wiegen, Abhören, da musste er durch, war angekündigt und wird nicht diskutiert (muss ja im Krankheitsfall auch klappen). Der Arzt war erstaunlich entspannt, ich total fertig hinterher.

    2. Wie lange und in welchem Ausmaß die Eltern verantwortlich für/schuld am Fehlverhalten der lieben Kleinen sind, scheint teilweise auch Ansichstssache zu sein.
      Meine Mutter und ich hatten *hüstel* etwas unterschiedliche Ansichten darüber, wie ein ordentlicher Haushalt auszusehen hat.
      Als ich 19 Jahre alt war, meinte sie eines Tages beim Anblick meines suboptimal aufgeräumten Zimmers allen Ernstes: „Jetzt räum das doch endlich mal gescheit auf, das ist ja total peinlich für mich!“
      Ich: „…??“
      Sie: „Ja, das fällt doch auf mich zurück! Jeder, der hier reinkommt, denkt doch ‚Meine Güte, was für eine unfähige Mutter. Die hat’s noch nicht mal geschafft, ihren Kindern Ordnungssinn beizubringen!‘.“

      Sie hat mir nicht geglaubt, dass es wesentlich wahrscheinlicher wäre, wenn die Leute beim Anblick des Zimmers ausschließlich schlecht über mich denken würden.
      Wenn ich das Zimmer / die Wohnung eines erwachsenen Menschen betrete, denke ich doch auch: „Oh Mann, was für ein Schlonz!“ und nicht „Was hat sich die Mutter bloß dabei gedacht!“

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