Pädophilie – die fehlende Entschuldigung

Die ZEIT, welche oft die altehrwürdige genannt wird und damit schon dreimal in die Ecke der Alten Herren gedrängt ist, setzt sich aktiv mit ihrer eigenen Pädophilie-Debatten-Berichterstattung auseinander. Das können manche Parteien nicht gerade konsequent. In der letzten Print-Ausgabe zum Tag der Deutschen Einheit, nun auch online, lässt die Redakteurin Merlind Theile die Zeitgeschichte Revue passieren, berichtet von Rudolf Walter Leonhardt, dem legendären, aber immer auch etwas schrägen Feuilletonchef der Fünfziger und Sechziger, der Artikel durchwinkte, die sich überhaupt nicht kritisch mit Pädophilen auseinandersetzten.

Klar war damals Sexuelle Revolution, klar waren alle hochaufgeklärt und alle Zwänge sollten über Bord fallen, auch beim Umgang mit „anderer“ Sexualität. Also durfte die Ächtung der Homosexuellen wegfallen, Fetische waren ok, Gruppen-Sex und Nacktkommunen sowieso, dann nehmen wir die Kinderschänder gleich mit. Freie Sexualität für alle. Alle Erwachsene. Alle Kinder.
Leider braucht es für solche Geistesrevolutionen die entsprechende Presse, wie schade, dass damals die ZEIT ihren Teil dazu beigetragen hat. Wilde Konstrukte sollten die Freizügigkeit rechtfertigen. Lehren dieser Art überdauern die Zeitwenden. Die ZEIT, ähnlich meinungsbildend wie die BILD oder der SPIEGEL, beeinflusste mit ihren Artikeln die Haltung vieler – ja, wer liest die ZEIT, Achtung, Vorurteil: – Akademiker, also auch Lehrer und Professoren. Wie im jetzigen Artikel berichtet, leider auch unwidersprochen seitens der Leser. Es gab wohl kaum Kritik.

Leider lesen Kinder keine ZEIT. Und so blieben sie die Opfer dieser falschinterpretierten Freizügigkeit. Pädophilie war und bleibt letztendlich ein Machtspiel, ein Benutzen Abhängiger, das ist zwar Teil so mancher sexueller Spielarten, aber Pädophilie darf nicht im gleichen Maße rechtfertigt werden. Denn der „Partner“ in diesem Spiel ist gar keiner, sondern ein Spielzeug, schlimmer, ein Sklave. Wie seltsam haben sich die Redakteure von damals die Argumente zurechtgedreht, den Kindern sogar Eigeninitiative unterstellt, als „Helenas“ und „Lolitas“. Freud und Kinsey boten wohlgelittene Steigbügelargumente.

Die ZEIT hat einen mutigen Schritt getan, hat damit vielleicht auch den Wühlmäusen in Presse und Politik vorgegriffen, die im Zuge der Diskussion um die Grünen-Pädophilie-Debatte andere finden wollten, die ähnliche Gedanken hegten. Heute sieht das die Welt anders, heute distanziert sich die ZEIT von den Artikeln der Siebziger, heute ist der damalige Redakteur Leonhardt „Außenseiter“ und „Einzelgänger“. Der „Leo … vertrat gerne auch einmal unhaltbare Ansichten“ und Theo Sommer hätte ihm heute „den Abdruck … ausgeredet und … untersagt“, um nicht zu „riskieren, dass seine maßlos überzogene Ansicht als Meinung der ZEIT missverstanden würde.“ Sommer schreibt von Irrungen und dem Zeitgeist 1968 – denn damals tickten die Uhren eben anders.

Aber reicht diese Relativierung? Reicht es, die ZEIT von damals zu zitieren und zu kommentieren? Sommer schreibt, sie hätten „schärfer hinschauen“ müssen. Ja. Richtig. Verpasst.
Aber geht das weit genug? Die Kinder von damals sind heute erwachsen und leben mit den Verletzungen der 68er sexuellen Kindesmissachtung. Heute lesen sie selbst die ZEIT, sicher nicht nüchtern und frei von Ängsten und eigenen Irrungen und Wirrungen. Die Pädophilie-Debatte ist eine emotionale, aufwühlend für die Betroffenen, da darf es nicht an Gefühlsäußerungen fehlen. Man kann nicht jede Diskussion abgeklärt und distanziert führen. Betroffenheit muß spürbar sein.
Der Altehrwürdigen hätte es gut zu Gesicht gestanden, diese Hürde zu nehmen, mutig in der heutigen Zeit (sic!) Gefühle und Empathie zu zeigen und sich zu entschuldigen.

17 Antworten auf „Pädophilie – die fehlende Entschuldigung“

  1. Trotz aller Abwägung der Pro und Contras fällt doch die Position der Zeit hinsichtlich der Tatsache auf, dass seit 4 Monaten dort in den Leserkommentaren ungehindert eine große Gruppe an Pädoaktivisten (sogar K13-Leute) mit > 1000 Beiträgen uneingeschränkt ihre Vorstellungen von „einvernehmlich-harmlosen Liebesbeziehungen“ nebst Strafrechtsreformen zum Zeugnisverweigerungsrecht ausbreiten können. Siehe dazu http://www.zeit.de/2013/41/paedophilie-zeit-autoren-verharmlosung?commentstart=1#comments

    Dies wird dann redaktionell so begründet : “Anm. d. Red.: Es ist richtig, dass wir eine Debatte über Pädophilie zulassen, nicht zuletzt deshalb, weil sich auch ZEIT-Autoren der verharmlosenden Berichterstattung schuldig gemacht haben. Nicht richtig ist, dass wir “Pädoaktivisten” eine Plattform bieten, im Gegenteil, wir achten ganz besonders auf Grenzüberschreitungen….“.

    Waren es damals Autoren (Leonhardt, Kentler), deren man (Theo Sommer) sich schämte und über die man sich in Leserbriefen nicht aufregte – hat sich die Situation heute spiegelbildlich verkehrt, aber sie ist die gleiche geblieben…..

    Wir dort schreibenden Opfer und Betroffenen stehen dem ziemlich machtlos gegenüber

    1. Ich wusste nicht, dass das Problem seit vier Monaten besteht. DIE ZEIT kann sich ihre Aufarbeitung komplett sparen, so lange sie auf dieses Problem nicht aufmerksam wird und es in den Griff kriegt. Die Moderation auf ZEIT Online ist dazu offenbar nicht in der Lage. Die Kommentare, auf die Sie Bezug nehmen, unterlaufen die Aussagen der Artikel vollständig, weil sie genau die gleichen Argumente wieder bringen, die in den alten Artikeln der ZEIT von vor 40 Jahren standen und von denen sich DIE ZEIT jetzt doch distanzieren will. Das geht aber nicht, wenn man zulässt, dass die gleichen Positionen unkritisiert und unwidersprochen die eigenen Artikel ergänzen, und vor allem nicht, wenn man pro-pädophilie Beiträge dann auch noch als Reaktion empfiehlt, z. b. von besagtem K13-Dieter zum Theo Sommer-Artikel über Leonhardt und weitere zum Artikel über die Pro Familia-Verstrickung.

      Wie haben Sie die Stellungnahme von ZEIT Online erhalten? Ich habe zweimal dort kritisch kommentiert, dass Pädophile ihre Positionen ungehindert vertreten können. Einer meiner Kommentare wurde daraufhin gelöscht. Ich habe daraufhin die Redaktion angeschrieben, aber keine Antwort erhalten.

      1. Verzeihung für die verspätete Antwort, ascola

        Der Kommentar der Redaktion erfolgte direkt im Kommentarbereich – zwei emails an die Redaktion blieben ohne jegliche Reaktion…

        Und auch jetzt läuft wieder eine Diskussion:http://www.zeit.de/2013/43/paedophilie-gruene?commentstart=1#comments
        in der weiter ungehindert propädo diskutiert wird…

        Vielleicht bereitet sich leise so „die Gleichstellung der sexuellen Identität als eine Hintertür für die Pädophilie “ vor?

        – aber ich bin beileibe kein Eva Hermann Fan, ganz im Gegenteil.

        Die Ambivalenz, Pädoaktivisten erneut eine bundesweite Plattform zu bieten und gleichzeitig „“Vergangenheitsbewältigung“ zu betreiben, ist unübersehbar.
        Schade.

  2. Der Artikel sagt ganz klar: Es waren einzelne Redakteure, nicht DIE ZEIT selbst, die diese Position vertreten haben. Demzufolge ist nicht DIE ZEIT, vertreten durch die heutigen Redakteure, verantwortlich für die Veröffentlichungen der 60er und 70er Jahre, und kann sich dafür auch nicht entschuldigen. Das ist, dieser Logik zufolge, Sache der damaligen Verantwortlichen.
    Ob diese Sichtweise gerechtfertigt ist, ob es wirklich Fehltritte einiger weniger waren, lässt sich aufgrund dieses einen Artikels nicht feststellen. Es ist unklar, ob die Genannten die vielbemühten Schwarzen Schafe der Redaktion waren oder exemplarisch stehen für eine nicht bekannte Anzahl Gleichgesinnter.
    Im Vergleich zur SPIEGEL-Sache sehe ich persönlich die Sache etwas gelassener. Auch der Spiegel hat sich sich nach Ansicht vieler für seine Aids-Berichterstattung in den 80er Jahren nicht angemessen entschuldigt. Hier allerdings erfolgte die „Aufarbeitung“ in dem Kontext, dass das Magazin für seine (aktuelle) Berichterstattung über Homosexualität ausgezeichnet werden sollte. Bei der ZEIT steht vergleichbares meines Wissens nicht an.
    Der Nachruf auf Leonhardt bedarf allerdings meiner Ansicht nach einer Stellungnahme, da sich die Werte und Ansichten zu dessen Veröffentlichung längst normalisiert hatten.

  3. Naja und vielleicht wäre es auch mal an der Zeit, die Einstellungen zu Alice Schwarzer zu überdenken. Schon 1977 gab es in der Emma ein Dossier über das Thema – kritisch, nicht beschwichtigend. – Wie so oft stand in Emma das, was sehr viel später erst Teil der breiten Debatte wird….

  4. Bei diesem hochemotionalen Thema sollten bitte zwei Dinge nie vergessen oder gar bewusst unter den Tisch gekehrt werden:

    1. Man muss nicht pädophil sein, um Kinder zu missbrauchen. Wie du schon sagst, es geht beim sexuellen Missbrauch oft um Machtmissbrauch, dazu ist keine sexuelle Attraktion nötig. Oft werden die Begriffe „Kinderschänder“ und „Pädophile“ aber synonym gebraucht und das ist fatal, denn dadurch entsteht ein Tunnelblick, in dem viele Täter systematisch übersehen werden

    2. Man muss keine Kinder missbrauchen, wenn man pädophil ist. Auch Pädophile suchen sich ihre sexuelle Orientierung nicht aus. Und ob man seiner Neigung nachgeht, oder nicht, ist eine bewusste Entscheidung. Pädophilie mit sexuellem Kindesmissbrauch gleichzusetzen ist weder begrifflich noch realistisch korrekt.

  5. Wer um Entschuldigung bittet, gibt damit ja zu, dass er Schuld auf sich geladen hat. Und das geht natürlich nicht!
    Besser alles auf eine Person abgewälzen!
    Bei einer „generellen“ Entschuldigung würde man die Schuld ja auch auf sich bzw. die ZEIT verteilen und das geht dann natürlich gegen das Image.
    Also lieber hübsch brav alles auf eine einzige benamste (!) Person schieben, dieser die heutige und kritische, jedoch „namenlos“ bleibende ZEIT gegenüber stellen und man ist fein raus.
    Nicht auszudenken, ein richtiger Mensch würde sich entschuldigen…

    1. > Wer um Entschuldigung bittet, gibt damit ja zu, dass er Schuld
      > auf sich geladen hat. Und das geht natürlich nicht!

      Nein, das geht in der Tat nicht. Warum sollen sich die heutigen Zeit-Redakteure für etwas entschuldigen, was sie nicht verbrochen haben, wovon sie nahezu ausnahmslos nicht einmal etwas gewusst haben dürften? Die fraglichen Artikel wurden vor 40 Jahren gedruckt, als die eine Hälfte der heutigen Redakteure noch im Kindergarten saß und die andere Hälfte kaum geplant war? Sippenhaft?

      Die Zeit hat es öffentlich gemacht, so, wie sie es schon mit ihrer braunen Vergangenheit gemacht hat, und lässt deutliche Abscheu erkennen. Das ist angemessen. Richten sollen andere. Und entschuldigen sollten sich nur diejenigen, die für das Problem Verantwortung tragen.

      > Also lieber hübsch brav alles auf eine einzige benamste (!) Person schieben

      „Die einzige“, soso. Es ist immer peinlich, über einen Artikel zu urteilen und dabei preiszugeben, dass man ihn überhaupt nicht gelesen hat.

      1. Autsch!
        Ich verstehe, was Du meinst, aber dann frag ich mich doch, was das Ganze mit diesem ZEIT-Artikel jetzt eigentlich sollte, dann hätte man sich den auch einfach sparen können. Aber gut….

        Und: Ja, äh, wie jetzt, ich hätte den Artikel auch lesen sollen? Hab ich wohl ganz vergessen *Ironieoff*

        1. Dann kannst du es ja nachholen und peinlich berührt feststellen, dass in dem Zeit-Artikel eine ganze Reihe Personen namentlich angeprangert werden, nicht nur die „einzige benamste (!) Person“ Leonhardt, wie du glaubst.

  6. Dabei weiss man dass Entschuldigungen auch Jahrzehnte später den Geschädigten etwas bedeuten…
    In der Schweiz gab es dies von offizieller Seite z. Bsp. gegenüber den “ Kindern der Landstrasse“ und gegenüber von “ Verdingkindern“. Es ist nie zu spät einen Fehler anzuerkennen.

  7. ich weiß nicht was schlimmer ist – damalige artikel oder die jetzige ignoranz.

    bei diesem thema muss ich mich leider zügig ausklinken, mir wird sonst schlecht.

  8. Ich frage mich sowieso, warum so viele Menschen einfach keine Entschuldigung über die Lippen kriegen.

    Ich kann bis zu einem gewissen Grad verstehen, warum eine solche Meinung mal salonfähig war. Man darf den historischen Kontext nicht aus den Augen lassen. Aber verstehen heißt in diesem Zusammenhang – eigentlich nie – nicht gutheißen!!!

    Das allein ist jedoch keine Entschuldigung. Ohne ein „Es tut uns leid“ gibt es keine Entschuldigung. Und ohne eine solche bleibt eine Aufarbeitung der eigenen Mitverantwortung lückenhaft.

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