Neulich im Notdienst

„Also, wir waren am Freitag abend schon in der Notfallpraxis, am Sonntag nochmal, und jetzt sind wir wieder hier,“ schmettert mir die Mutter entgegen, als ich am Abend durch die Tür des Notfallzimmers trete. Ich mache meinen wöchentlichen Notfalldienst an der Kinderklinik des Nachbarortes. Es ist Montag.
Ich: „Und um was gehts?“
Auf der Liege sitzt ein vielleicht Zweijähriger, der mich taxierend, aber freundlich anschaut. Mein Arztinstinkt sagt: Nicht wirklich krank.
Mutter: „Na, Fieber hat er. Schon seit Freitag.“
Ich: „Und sonst? Husten? Schnupfen?“
Mutter: „Ja, Husten und Schnupfen.“
Ich: „Sie waren also Freitag hier, gestern hier und nun heute abend wieder? Was sagt denn Ihr Kinderarzt?“
Mutter: „Da waren wir heute morgen.“
Ich: „Aha.“
Mutter: „Ja, der hat gesagt, das ist ein Viruseffekt, wenns nicht besser wird, sollen wir am Mittwoch wieder zu ihm.“
Ich: „Was machen Sie dann jetzt hier?“
Mutter: „Na, ist ja nicht besser geworden…“
In diesen Momenten sammele ich mich immer mittels Untersuchung des Kindes. Was ich dann auch tue.
Der Kleine ist krank, ja, er hat Fieber, ok, Husten und Schnupfen auch, keine Frage, aber vor allem ist er richtig müde. Es geht gegen 21 Uhr.
Ich: „Das ist ein Virusinfekt. Fieber. Und Erkältung. Wenn’s nicht besser wird, können Sie Mittwoch nochmal zu ihrem Kinderarzt gehen.“
Mutter: „Der muss doch jetzt ein Antibiotika kriegen. Ist doch der dritte Tag.“
Ich: „Eigentlich der vierte, aber das wird wohl bei einer solchen Erkältung nicht viel bringen.“
Mutter: „Mein Hausarzt sagt, ab dem dritten Tag muss man Antibiotika geben.“
Ich: „Mag sein, dass der das so macht, aber bei einem Virus bringt das nichts.“
Mutter: „Also krieg ich jetzt kein Antibiotikum.“
Ich: „Nein. Braucht Ihr Sohn nicht.“
Mutter: „Gar kein Rezept?“
Ich: „Nasentropfen und Fiebermittel haben Sie zu Hause?“
Mutter: „Ja.“
Ich: „Gut. Mehr ist im Moment nicht nötig. Und lassen Sie ihren Sohn am Tag ruhig etwas fiebern, dann ist er vielleicht bis Mittwoch gesund.“
Mutter: „Auch noch fiebern lassen, na Sie sind mir ja ein Doktor. Morgen gehe ich auf jeden Fall nochmal zum Kinderarzt.“

37 Antworten auf „Neulich im Notdienst“

  1. Wie ist das denn bei Temperaturen über 40°? Das Kind hatte neulich 40,8 – da bin ich dann doch etwas erschrocken und hab zum Fiebersenker gegriffen.

  2. Mich würde mal die Meinung des Kinderdoks zum Thema „Fieber und Fiebermittel“ interessieren.
    Grundsätzlich halte ich mich da an die Empfehlungen meiner Ärztin, die lauten: die Kinder dürfen und sollen ruhig fiebern, nach Impfungen, Infekten. Hat zur Folge, dass die Große mit ihren 4 Jahren schon häufiger bei Infekten auf über 40 raufgefiebert hat, dabei aber immer ohne Gejammer und mit tiefem Schlaf. Nach ein paar Tagen war sie wieder fit. Beim Kleinen handhabe ich das auch so, da der aber häufig keine Ruhe vor Schmerz/Gejammer gefunden hat, gabs auch mal Ibuprofen oder Paracetamol, aber nie nach Thermometer sondern immer nach Zustand.
    Soweit so gut, allerdings sind andere Mütter entsetzt und geben ab 39,5 IMMER ein Fiebermittel, weil das die Empfehlung ihres Arztes ist. Was ist denn nun vernünftig, sinnvoll?

    1. Da halte ich es wie die Kollegin – Deine – Kinderärztin. Fieber hat der liebe Gott erfunden, um Viren den Garaus zu machen. die mögen nämlich hohe Temperaturen gar nicht. Fiebersenker sind nur sinnvoll, wenns Bobele übers Fieber nicht schlafen kann, denn Schlafen ist das Wichtigste.
      Zum Thema Fieberkrampf gabs hier schon ein paar Postings.

  3. Zum Thema Fieber: Es gibt durchaus Freaks, die ihre Kinder lange und hoch fiebern lassen, weil sie meinen, dass das die Persönlichkeit stärkt. Neulich wollte eine Mutti mir weismachen, dass hohes Fieber vor Krebs schützt und sie deshalb ihrer Tochter nie fiebersenkende Mittel gibt. o_Ó

  4. Wenn das Placebo die Mutter davon abhält, das Kind in zugige Wartezimmer zu setzen, und sie dazu bringt, es im Bett zu lassen,
    trägt das Placebo entscheidend zur Heilung bei.
    Gruß, m.

    1. So hatte ich das gemeint.

      Gibt es eigentlich „echte“ Placebos (also nicht nur die für Studien), oder verschreibt man dann „nur“ einen nutzlosen (und nicht schädlichen) Saft?

      1. Die für die Studien sind „echte Placebos“. Und es gibt auch so „echte Placebos“. ´P-Tabletten weiß´ z.B., sind ein „Apothekenpflichtiges Arzneimittel“ und somit auf ROSA tatsächlich erstattungsfähig für Kinder bis 12 Jahre (bzw. bis 18 bei Entwicklungsstörungen).

        Aber die Placebos für Studien werden zum Teil extra entwickelt, weil es eben nicht so einfach ist, auch den behandelnden Arzt zu täuschen (doppelt verblindet), wenn die Infusionslösung gelb ist, die Tablette extrem bitter schmeckt, oder oder oder… Und für eine doppelte Verblindung – und damit für eine sinnvolle Aussage der Testreihe – ist es nun einmal unerläßlich, dass sowohl der behandelte Patient als auch der behandelnde Arzt nicht wissen, ob es sich nun um das Arzneimittel oder um Placebo handelt.

  5. Kann man da nicht einfach ein Placebo verschreiben?

    Und sonst: Nur die wenigsten Fachmänner (Egal ob Arzt, Handwerker, oder einfach nur Mensch) haben die Größe eine vlt. als Kritik an ihrer Kompetenz auffassbare Frage immer gelassen zu bearbeiten.
    Da nehm ich mich gar nicht davon aus, wenn an einem stressigen Tag ein Kunde mit einem Problem zu mir kommt und dann an meiner Lösung zweifelt….

    1. Ein Placebo ist dazu da, jemanden gesund zu machen, und nicht, um sich die Eltern vom Hals zu halten. Das machen schon genug Kollegen: Schreiben wirkungslose Hustensäfte auf „Rosa“, damit die Eltern zufrieden sind und verschwinden.

  6. Auch wenn es bei so einer hartnäckigen Helikoptermutter nicht viel helfen würde, wäre es vielleicht eine Überlegung, den Eltern mal die Rechnung zu zeigen, die für einen Notdienstbesuch aufgemacht wird. Das könnte heilsam sein. „Sie haben die Solidargemeinschaft gerade 83,75 Euro gekostet“.

    Andererseits finde ich das ganze Abrechnungssystem bei der GKV so krank und kaputt. Die KV ist die einzige Versicherung, wo die Leute „Gewinn“ machen und mehr herausholen wollen als sie bezahlen. Es kostet ja nix. GKV ist wie Doktor-Flatrate.

  7. Bei mir war das anders: Ich sollte für meine Kleine sofort ein fiebersenkendes Mittel bekommen, bei leichtem Fieber. Ich meinte: „Aber… ich war der Auffassung, dass ein bisschen Fieber sinnvoll ist… warum denn schon ausbremsen?“ Die Ärztin sofort: „Bitte schön, dann zerreiße ich das Rezept, wenn Sie hier die Kompetente sind, und nicht ich…“ -.- Gibt´s auch…

  8. Mir sind die aus der Ärzte Hotline einmal ungefragt vorbeigekommen weil sie „grad in der Nähe waren“ und dann mal draufgucken wollte (habs paar Stunden davor geschafft mir nen 240 Volter einzufangen). Waren ziemlich nett 🙂

  9. und um genau diese Leute aus dem Notdienst fernzuhalten, verschreibt der kluge Kinderdok Bachblüten, Kamillentropfen, Super-Spezial-Teemischungen je 5mal täglich… Medizin dient dazu, den Patienten abzulenken und zu unterhalten, damit die Natur ihn in Ruhe heilen kann!
    Gruß, M.

  10. Ich schlage vor im Wartezimmer einen Tv anzubringen und einen Aufklärungsbericht laufen zu lassen wie das mit den Antibiotika, viralen und bakteriellen Krankheiten – oh und auch dem Fieber – im Körper funktioniert.
    Antibiotika muss für manche so ein Allgemeinbegriff für „Gesundmachmittel“ sein und Fieber ist eine Krankheit, nicht die Reaktion des Körpers auf eine;-)

  11. Naja, umgekehrt habe ich schon mal erlebt, wie Kinderdoc Antibiotikum geben wollte, ohne vorher abzuklären, ob es nicht vielleicht doch ein Virus ist. Erst als ich drauf bestanden habe, dass Blut abgenommen wird, bevor A. verschrieben wird hat er das zögerlich getan. — Ts, ts.
    Boah, die Mutter gehört doch mal zusammengestaucht: Was fällt der ein ein krankes Wuzl, das ins Bett gehört um sich gesund zu schlafen, von Arzt zu Arzt zu schleppen?? In Wartezimmern wird man aus meheren Gründen nicht gesünder. Das alleine ist für mich immer Grund genug mehrmals nachzudenken, bevor ich zum Arzt gehe.

    Sehr hilfreich finde ich da, diese Ärztehotlines der Krankenkasse: Da habe ich schon zweimal mit Zweifeln angerufen: Kann ich noch hinwarten oder muß jetzt was passieren? Und bin immer gut beraten worden. (Einmal hinwarten und einmal gleich losziehen, beidesmals korrekt.)

    1. Die, welche bei mir bisher auf Anraten einer Krankenkassen Hotline ankamen, waren übertrieben panisch geschickt worden (“ das lassen Sie besser anschauen, können wir am Telefon nichts zu sagen „)

  12. Ich wurde von einem arzt(wochenendkurs zum kinderarzt) ausgemeckert, weil ich mein kind (damals 1jahr) zwei oder drei tage krank im bett gelassen habe und nicht den ganzen tag mit schmerzsaft und zaepfchen versorgt habe. Sondern vorm schlafen gehen wadenwickel gemacht hatte. Und nach drei tagen nur vom arzt abklaeren lassen wollte ob alles okay ist, weil immernoch fieber etc.. Bestimmt eine stunde vortrag anhören müssen, wie schlimm fieber ist und wie ich meinem armen kind denn nur sowas antun kann.auf nachfrage was mein kind denn hat, antwort:“koennte eine erkaeltung sein.“ Hab mein kind geschnappt und bin nacch hause. Naechsten tag ging es ihr wieder besserund das ganz ohne unmengen an fiebersaft. Zu diesem „arzt“ geh ich natuerlich nicht mehr. Aber es zeigt, dass es bei solchen aerzten (schwarzen schafen) die Eltern wirklich schwer haben zu wissen was richtig ist und man dann eventuell genau solche eltern in einer notfallsprechstunde sitzen hat.

  13. Personen wie diese sind wahrscheinlich der Grund, warum manche Ärzte irgendwann einknicken und dann eben noch mal ABx bei banalen Virusinfekten verschreiben… um die luastigen Eltern loszuwerden. Ich hoffe die nächsten besuchten KiÄ sind genauso standhaft wie die bisherigen. Und hoffentlich bekommt das Kindlein endlich mal seinen Schlaf.

    1. … oder die genervten Ärzte verabschieden sich nach jahrenlangem Dienst in der „Notfall“-Ambulanz, weil sie einfach keine Lust mehr haben, sich die Forderungen von Nicht-Wirklich-Kranken-Leuten zu den unmöglichsten Zeiten anzuhören.
      Ich gehöre zu diesen Ärzten und liebe jetzt meinen Schreibtischjob ohne jeglichen Patientenkontakt!

  14. Mit einer Erkältung zum Notdienst? Die Frau hat zuviel Zeit .. wenn ich mit jedem meiner drei jeden Tag zum Arzt gehen wollte, wenn sie mal Fieber haben oder erkältet sind, wäre ich glaube ich in der Winterzeit jeden Tag da.
    Sie bekommen von mir Abends Nasentropfen, wenn das Fieber höher ist als 39,5° Fiebersaft und einen schleimlösenden Hustensaft, wenn das notwendig ist. Und vor allem: RUHE, Betüddelung und leckeren Tee.

    Verrückt die Menschheit heutzutage ..

  15. Eine Erkältung kommt 3 Tage, bleibt 3 Tage und geht 3 Tage, sagt mein Hausarzt immer 🙂
    Würde mich nie trauen wegen sowas zum Notdienst zu gehen, da muss meiner schon länger hoch fiebern.

    1. Ja, beim Dreitagefieber, wenn man vorher nicht wußte, dass das existiert. Morgens schon 40 Grad und kein fiebermittel schlägt an… Da bekommt man schon die ein oder andere Sorgenfalte🙈🙈🙈

  16. Also, die interessante Auffassung, dass Fieber etwas grundsätzlich Schlechtes und zu Vermeidendes ist, höre ich immer wieder. Vielleicht mal Werbung dafür machen, so mit hübschen Plakaten und 2 Fiebermännchen drauf: Dem „lieben Fiebermännchen“ und – ab einer gewissen Gradzahl – dem „bösen Fiebermännchen“! 😉
    … Vielleicht sollte im Biologieunterricht auch etwas mehr Wissen über den menschlichen Körper und dafür etwas weniger über die Fortpflanzung von Fröschen und Farnen gelehrt werden, aber das nur ein ketzerischer Gedanke nebenbei…

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