Ein Löffel für den Papa …

In der letzten ZEIT bewegte ein Artikel eines Vaters, der von der Fütterstörung seine Tochter im ersten Lebensjahr berichtete. Die Bezeichnung des Verhaltens, wie es der Vater nennt, lautete „Frühkindliche Anorexie“, die Kinderärzte sprechen eher von einer „Fütterstörung“. Das Kind habe sich schon immer schwer füttern lassen, „vergaß meine Frau mal, sie zu stillen, beschwerte [Karla] sich nicht.“ Und das setzte sich mit der festeren Beikost fort. Das Kind sei permanent im Hungerstreik, es gebe nichts, was es gerne esse, es gebe keine Füttersituation, die entspannt verliefe.

Der Vater berichtete von all den Mühen und Versuchen, die Tochter zum normalen Essen zu bewegen, und erst ein mehrwöchiger Kuraufenthalt habe so etwas wie Hoffnung in der Familie gesetzt. Eine sorgenvolle, angstbesetzte Zeit, die nachvollziehbar an den Nerven der Eltern zehrt, ich bewundere den unterschwelligen Humor, den der Vater in seinen Zeilen vermittelt. Galgenhumor.

Wer den Artikel liest, mag zu dem Schluss kommen, es gebe mehr Kinder, als wir glauben, die bereits im Kleinkindalter „anorektisch“ seien. Das vermittelt die Benennung des Vaters und auch der Erklärungskasten im Artikel, welcher von „mehreren Promille der Bevölkerung“ spricht. Das ist sicher falsch. Die Anorexie kommt zwar bei unter 1% der Jugendlichen vor, eine Fütterstörung im Kleinkindalter sogar bei 5% der Kinder, eine Vermischung der Entitäten ist aber nicht statthaft, schon gar nicht, um den Leser eines Artikels mit einem bekannten Krankheitsbild (Magersucht) zu ködern.20140503-162844.jpg

Die Anorexia nervosa ist zwar genauso eine Essstörung wie die frühkindliche Fütterstörung, aber sie geht stets mit einer Körperschemastörung der betroffenen, ja, meist Mädchen einher, welche sich immer noch für zu dick halten, obwohl sie bereits einen Bodymassindex unter 16 kg/m2 haben, die Monatsblutung ausbleibt und sie präkollaptisch sind. Eine gewisses Motiv hinter der Magersucht der Jugendlichen kann man neben den anderen Risikofaktoren (Genetik, Familienkonstellation, frühkindliches Essverhalten) also ableiten, was einem Kleinkind eher abgeht. Das Kleinkind Karla in dem Artikel verweigert aber nicht motiviert das Essen, um dünn zu bleiben.

„Wenn da jemand gestört ist, dann nicht das Kind allein“, schreibt Karlas Vater in seinem Artikel. Und so entwickelt sich aus dem kindzentrierten „Krankhungern“ und „schlechten Essen“ das familienzentrierte Handeln, die „Selbstbeobachtung und -korrektur“ [der Eltern], denn „wer nicht per se falsch füttert, beginnt irgendwann damit, wenn seine Bemühungen andauernd scheitern.“ Wohl wahr. Füttern und Essen gelingen am besten, wenn man sie als selbstverständlich hinnimmt und nicht als aktive Mittel zum Überleben. So wie das Atmen oder Fortbewegen. Die Angst vor dem Verhungern des Schutzbefohlenen lähmt alle Intuition und schürt das Tricksen mit Essspielen, Schimpfen oder Belohnungen.

In der alltäglichen Praxis begegnet uns Kinderärzten noch immer die Diktion des „schön“ und „genug“ Essens oder vielmehr des Gegenteils, das Kind esse immer „zu wenig“ oder „nicht richtig.“ Unser aller Prägung, den Nachwuchs mit ausreichend Essen durchzubekommen, verstellt den Weg zur Eigenregulation von Hunger und Durst, auch der Lust am Essen. Der Säugling wird nach Uhr gestillt und nicht nach Bedarf, die Flasche so oft angesetzt, wie die Packungsrückseite das hergibt und nicht, wie das Baby dies einfordert.
Die Beifütterzeit bringt dann den Umbruch: Die Säuglinge beginnen jetzt, sich zunehmend autonom zu verhalten (Individuationsphase), dies führt zum Konflikt mit den aufgezwungenen Fütterbestrebungen der Eltern, schließlich verweigert das Kind aus Frust das Essen, was die Angst vor dem Verhungern des Kindes die Eltern zu noch mehr Fütteranstrengungen verleitet.

Die Eltern hören auf Oma und Opa („der isst aber nicht schön“ und „Gott, ist die dünn“), Nachbarin und sonst berufene Beifütterratgeber („also, bei uns hat geholfen…“) und verlieren den Blick auf ein Grundprinzip: Wir entscheiden nur, was die Kinder essen und sie entscheiden, wieviel.

Eine Fütterstörung ist eine Bedürfnisstörung als Fehlregulation in der intrafamiliären Beziehung, wie das auch bei Schreibabys oder Bindungsstörungen vorkommt, damit aber kein unilateraler Vorgang, an dem irgendjemand Schuld trägt. Wer das erkennt, ist einen Schritt weiter. Eine jugendliche Anorexie hat viel davon, läuft aber viel komplexer ab, da motivgesteuerter, und ist trotzdem oftmals in einer frühkindlichen Fütterstörung begründet. Gleichsetzen sollte man sie nicht.

Noch etwas: Schwerste Fütterstörungen, wie die berichtete, sind sicher große Ausnahmen. Wir sollten uns als fütternde Leser daher davor hüten, jeden verweigerten Löffel im Lichte dieses Artikels zu sehen. Denn dann kommt zur Angst vor dem Verhungern des Kindes auch noch die Angst vor der „Anorexie“ des Kleinkindes dazu.

Der besagte Artikel „Da! Iss!“ auf ZEIT online.
Hilfe für betroffene Familien.

54 Antworten auf „Ein Löffel für den Papa …“

  1. Ist jetzt zwar 3 Jahre her, aber vielleicht liest ja doch noch jemand diesen Artikel.

    Hier liegt leider eine Verwechslung vor. Man muss unterscheiden zwischen der Anorexia nervosa und der frühkindlichen bzw. infantilen Anorexie. Letztere ist auch in der DSM-IV als eine von sechs Fütterstörungen aufgeführt. Auch bei Fütterstörungen muss man nach verschiedenen Ursachen unterscheiden.

    Es wird auch oft bemängelt dass hier leider ähnlich klingende Namen gewählt wurden obwohl die infantile Anorexie nichts mit der Anorexia nervosa zu tun hat.

    Zitat: „Der Begriff der „Anorexie“ ist in diesem Zusammenhang etwas unglücklich gewählt, da diese Essstörung nichts mit der Anorexia nervosa im Jugendalter zu tun hat. “
    und weiter: „infantile Anorexie (Nahrungsverweigerung infolge mangelnden Interesses an der Nahrungsaufnahme bzw. mangelnder Nahrungsmenge) geht einher mit einem konstitutionell weniger stark ausgeprägtem Hungergefühl, was bedeutet, dass dies ein Stück weit genetisch determiniert ist.“

    Quelle: https://www.santa-maria.de/media/files/blockcontent/2014-06/Artikel_Fuetter_Essstoerungen.pdf

    Es gibt also wohl tatsächlich (wenige) Kinder die einfach kein ausreichendes Hungergefühl haben. Das muss man grundsätzlich von den hier im Artikel und den Kommentaren beschriebenen Problemen unterscheiden.

    Weitere Artikel:

    https://www.t-online.de/gesundheit/kindergesundheit/id_70211758/essstoerungen-fruehkindliche-anorexie-laesst-eltern-verzweifeln.html

    https://www.rosenfluh.ch/media/paediatrie/2010/04-05/Klassifikation_und_Diagnostik_von_fruehkindlichen_Fuetter_und_Essstoerungen.pdf

  2. Ich muss auch so ein Hungerhaken gewesen sein, wie meine Eltern sagten. Schon als Säugling die Flasche verweigert, später auch kaum etwas anderes essen wollen. Ich kann mich noch erinnern, dass ich als Kind heulend vor dem Teller saß, weil mir alles nicht schmeckte und/oder keinen Hunger hatte. Das Essen war wohl jedesmal ein Drama. Schreibaby war ich wohl auch und nach Aussage meiner Eltern schrecklich „nervös“.

    Sie schreiben, dass dies an der Wechselwirkung mit dem familiären Umfeld liegt. Können Sie mir vielleicht Literatur dazu empfehlen?

  3. Wir sind auch gerade in der Beikostphase und ähnlich tariere ich langsam aus, woran es liegt, wenn mir alles über das Hemd gespuckt wird – Konsistenz ist definitiv ein Faktor. Aber bei den Fragen „wieviel isst sie denn so“ oder „wieviel Milliliter (Wasser) trinkt sie denn so“ muss ich immer passen, denn sie kriegt so viel, Essen bis ich meine dass sie satt ist und das war’s dann. Selbiges mit Wasser. Ich finde aber dass man schon unterscheiden muss zwischen „hat keine Lust “ oder „ist voll“ – als ich mal bei absolutem Unwillen nach ein paar Löffeln aufhörte, hat sie gleich eine Stunde später wieder vor Hunger losgebrüllt. Sie braucht schon eine gewisse Mindestmenge. Aber das läuft bei mir unter Intuition und nicht Alterstabelle. Flasche gabs auch nach Bedarf und das hat sich dann ganz von allein auf einen sehr regulären Rhytmus eingependet.

    Ich hab im Moment das Luxusproblem, dass wir als ambitionierte Ersteltern natüüüürlich all Breie selbst gemacht haben. Ohne Salz, ohne Gewürze, alles prima. Dann war ich eine Woche so richtig krank und es gab die bösen, bösen Gläschen – und jetzt muss ich rausfinden, wie ich die nachkoche, weil mir mein Gemüsebrei direkt wieder entgegen kam und sie sich am liebsten von exakt zwei Arten Gläschen ernähren würde 😉 Aber ernsthaft: selbst wenn’s so ist, dann ist es so, frisch püriertes Obst isst sie weiterhin täglich mit Genuss und anders, als es ja oft dargestellt wird, ist in diesen Gläschen kein kleingehackter Bigmac nach dem man für immer Sklave der Fastfoodindustrie ist.

    1. Ich habe schon mehrfach gehört, dass Kinder entweder nur den selbstgekochten oder eben den gekauften Brei essen und ein Wechsel schwierig ist. Der Große war da eher problemlos (bekam hauptsächlich Selbstgekochtes, unterwegs eben auch mal Gläschen), mein Kleiner verweigert sämtliche Nahrung von Hip.p/A.lete etc. Inklusive Flaschenmilch (wir haben den entsetzten Gesichtsausdruck als Foto!).
      Mich würde mal interessieren, woran das liegt. Mal ganz ehrlich, in einem gekauften Gemüsebrei ist doch nichts anderes drin als in dem selbstgekochten. Eine Freundin hat erzählt, ihr Kind wäre tatsächlich markentreu gewesen, alles von Firma x ging, von y nicht. Da fragt man sich schon, woran das wohl liegt. Bei schlechten Essern ist also ein Wechsel von gekocht zu gekauft und umgekehrt also zumindest mal einen Versuch wert.

      1. Ich tippe ja, dass da eine gewisse Kommunikation der Eltern dabei ist, die sie selbst übersehen. Diese Gedankenblase . o O (oh, oh, ein Glas von Babyblub 3000, ob daaaaas dem Kind schmeeeeeckt?) scheint für das Kind sichtbar.

        Unsere Zwerge wechseln lustig zwischen gekauft und selbstgemacht. Gekaufte Gläschen waren vor allem bei uns Voraussetzung für einfrierbare … irgendwo müssen die leeren Gläser herkommen. Ich mache eigentlich nur deshalb gern selbst Brei, weil bei den Hauptmahlzeiten die Auswahl im Regal irgendwann halt mal durch ist und es zB mehr Fisch als Lachs und Kabeljau gibt und ich selbst auch mehr als eine Sorte Reis esse. Obst ins Glas zu machen habe ich mir hingegen immer erspart, da hätte ich das existierende Sortiment wenig toppen können. Zudem hab ich weder den richtigen Daumen für Haltbarkeitsmacher Säure noch sind meine Erinnerungen an Eingekochtes allzu geschmacklich berauschend (mit eingeweckten Erdbeeren kann man mich heute jagen). Da hat so eine Grossfirma einfach paar prozesstechnische Vorteile.

        … und irgendwann ist die Zeit mit dem Brei vorbei 🙂

        1. Mag in manchen Fällen so sein, kann aber bei uns z.B. nicht zutreffen, weil ich von der Fertignahrungsverweigerung von Kind2 völlig überraschend getroffen wurde, schließlich klappte es bei Kind1 soweit ganz gut. Er mochte selbstgekochte Breie zwar lieber, was ich der schlichten Gewohnheit zugeschrieben habe, aß aber eben auch andere. Und dass es Kinder gibt, die Flaschenmilch verweigern kannte ich mit Kind1 auch noch nicht. Mittlerweile kenne ich auch noch andere Fälle. Ok, die schmeckt und ist ja auch ein wenig anders als Muttermilch, aber pürierte Karotten sind pürierte Karotten, oder?

          1. In den Fertiggläschen sind oft Verdickungsmittel drin, von daher könnte es wieder eine Frage der Konsistenz sein. Das scheint ja doch bei vielen Kindern ein wichtiger Faktor zu sein.

        2. Ich glaube irgendwie nicht daran, dass es nur an der elterlichen Kommunikation liegt. Zumindest nicht als einziger Faktor.

          Ich muss mir immer wieder zum Vorwurf machen lassen, dass ich als Kind einiges verweigert habe. Also sämtliche Fertiggläschen, und auch ziemlich früh sämtliche Flaschenmilch. Und diese „Sturheit“ habe ich wohl auch durchgehalten und lieber Mahlzeiten verweigert (meine armen Eltern!).

          Aber ganz ehrlich – die meisten nicht-süßen Breie schmecken echt nicht berauschend. Ich hab mal eine Babybrei-Diät probiert, und verzichte dankend. Da nehme ich lieber frisches Gemüse und koche selber…

          Dass nur eine bestimmte Sorte Gläschen gegessen wird, kann ich mir ein Stück weit erklären: liegt sicher u.A. auch an der exakten Zusammensetzung. Ich meine, das merkt man ja auch z.B. an Schokocremes, die teilweise von den Zutaten her identisch sind. Da liegen Welten dazwischen – vielleicht beim Brei auch, ich mag das nicht ausprobieren.

      2. Bei den reinen Gemüsebreien verstehe ich es auch nicht ganz, aber diese Sachen mit Fleisch und Nudeln etc, die man ab dem ca. 8. Monat aus den Gläschen füttern kann, schmecken wirklich nicht gut. Nach Fertiggericht eben. Da sehe ich es ein, dass die Kleenen das nicht haben möchten!

  4. Noch eine persönliche Anekdote dazu:
    Kind Nr 1 war bis zum Alter von 6, immer unter der 1% Perzentile. Schon wenige Wochen nach der Geburt, lag der Abstand zu dieser Linie bei 1 kg. Das sonstige Wachsen und Gedeihen war völlig normal, sogar etwas auf der längeren und schnelleren Seite. Solange ich gestillt habe, gab es ziemlichen Druck vom Kinderarzt, sodass ich früher mit dem Zugefüttern angefangen habe, als ich vor hatte – Geholfen hat es nicht. Das Kind aß nicht oft, nur Minimengen und trinken wollte es überhaupt nichts. Essen und Trinken durfte es eigentlich immer wann es wollte und was es wollte, aber es wollte nur selten. Wir hatten häufig das Gefühl, dass das Kind eigentlich Hunger hatte, aber von irgendetwas davon abgehalten wurde zu essen, konnten jedoch keinen Grund finden. Der Kinderarzt übrigens auch nicht. Natürlich haben wir alles Mögliche versucht und vielleicht manchmal auch etwas wirklich Blödes, aber es verging in der Baby- und Kleinkindzeit kaum ein Tag, an dem nicht von irgendeiner Seite eine Bemerkung zum geringen Gewicht von Kind Nr. 1 kam und so standen wir lange unter Druck.

    Mit etwas über 5 Jahren hat mir dann das Kind erzählt, dass immer wenn es ein komisches Aua- Gefühl im Bauch hat, es absolut nichts essen will. Dass es aber nun, da ich (Mama) ja immer behaupte, dass dieses Gefühl Hunger sein müsste und dass da Essen hilft, das auch ausprobiert hat. Und nach inzwischen mehreren Versuchen hätte es festgestellt, dass dies vielleicht stimmt. In Folge hatten wir häufig die Situation, dass, wenn das Kind schlecht gelaunt war, es plötzlich innehielt und meinte, „vielleicht ist das der Hunger, ich muss was essen“. Nach nur weinigen Wochen machte dem Kind das Essen Spaß. Alles (fast alles) übliche Essen und Trinken wurde probiert und für gut befunden und auch die Zeiten passten sich dem Familienleben an.

    Was am Anfang so völlig falsch gelaufen war, wissen wir nicht. Vielleicht war der Grund, dass das Kind für mehrere Tage nach der Geburt alles was es getrunken hatte, egal ob MuMi oder die Ersatznahrung (von den Kinderschwestern durchgesetzt, da vorher soviel erbrochen und Kind ja so dünn geboren) wieder hochgewürgt hatte und dieses ungute Gefühl beim Hochwürgen mit dem Essen/Trinken verbunden blieb?

  5. Noch eine persönliche Anekdote dazu:
    Kind Nr 1 war bis zum Alter von 6, immer unter der 1% Perzentile. Schon wenige Wochen nach der Geburt, lag der Abstand zu dieser Linie bei 1 kg. Das sonstige Wachsen und Gedeihen war völlig normal, sogar etwas auf der längeren und schnelleren Seite. Solange ich gestillt habe, gab es ziemlichen Druck vom Kinderarzt, sodass ich früher mit dem Zugefüttern angefangen habe, als ich vor hatte – Geholfen hat es nicht. Das Kind aß nicht oft, nur Minimengen und trinken wollte es überhaupt nichts. Essen und Trinken durfte es eigentlich immer wann es wollte und was es wollte, aber es wollte nur selten. Wir hatten häufig das Gefühl, dass das Kind eigentlich Hunger hatte, aber von irgendetwas davon abgehalten wurde zu essen, konnten jedoch keinen Grund finden. Der Kinderarzt übrigens auch nicht. Natürlich haben wir alles Mögliche versucht und vielleicht manchmal auch etwas wirklich Blödes, aber es verging in der Baby- und Kleinkindzeit kaum ein Tag, an dem nicht von irgendeiner Seite eine Bemerkung zum geringen Gewicht von Kind Nr. 1 kam und so standen wir lange unter Druck.

    Mit etwas über 5 Jahren hat mir dann das Kind erzählt, dass immer wenn es ein komisches, Aua- Gefühl im Bauch hat, es absolut nichts essen will. Dass es aber nun, da ich (Mama) ja immer behaupte, dass dieses Gefühl Hunger sein müsste und dass da Essen hilft, das auch ausprobiert hat. Und nach inzwischen mehreren Versuchen hätte es festgestellt, dass dies vielleicht stimmt. In Folge hatten wir häufig die Situation, dass, wenn das Kind schlecht gelaunt war, es plötzlich innehielt und meinte, „vielleicht ist das der Hunger, ich muss was essen“. Nach nur weinigen Wochen machte dem Kind das Essen Spaß. Alles (fast alles) übliche Essen und Trinken wurde probiert und für gut befunden und auch die Zeiten passten sich dem Familienleben an.

    Was am Anfang so völlig falsch gelaufen war, wissen wir nicht. Vielleicht war der Grund, dass das Kind für mehrere Tage nach der Geburt alles was es getrunken hatte, egal ob MuMi oder die Ersatznahrung (von den Kinderschwestern durchgesetzt, da vorher soviel erbrochen und Kind ja so dünn geboren) wieder hochgewürgt hatte und dieses ungute des Gefühl beim Hochwürgen mit dem Essen/Trinken verbunden blieb?

    1. „In Folge hatten wir häufig die Situation, dass, wenn das Kind schlecht gelaunt war, es plötzlich innehielt und meinte, “vielleicht ist das der Hunger, ich muss was essen”.“

      Oh Mann, damit kann ich mitfühlen. Bei mir und dem Kind ist es so, daß bei verspätetem Essen absulute miese Laune und Gequengel angesagt ist. Wird gegessen, ist alles wieder gut und der Status entspricht einem aufgeladenen „Energizer-Häschen“ (das aus der Werbung früher, es läuft und läuft und läuft…).
      Persönlich esse ich wie ein Bauarbeiter, mein Sohn eher sehr sparsam bis normal viel. Normalgewichtig auf der schlanken Seite sind wir beide. Ich merke auch oft sehr spät, daß ich tatsächlich Hunger habe und gerate dann in die Falle der schlechten Laune, fühle mich schlecht und schlapp etc…. ironischerweise deshalb, weil ich *normalerweise* fast ganztägig Appetit (keinen Hunger!!) habe und ständig kleinere Happen esse, wenn ich kann. Fällt das dann mal weg, weil ich unterwegs bin oder arbeite, komme ich locker fast den ganzen Tag ohne Essen aus und wundere mich dann über die Stimmung… Mein Sohn profitiert definitiv davon, regelmäßig etwas angeboten zu bekommen. Wenn man wartet, bis er sich meldet, ist er ungenießbar.

  6. Man könnte anhand der Kommentare vermuten, dass es nur darum geht, was (Obst, Gemüse, Süßigkeiten …) die Kinder essen, ob von dem einen ausreichend dnn von dem anderen bloß nicht zu viel. Aber die betroffenen Kinder/Eltern haben ein großes Problem mit der Quantität, nicht nur der Qualität.
    Meine Mutter ist da sehr entspannt rangegangen und ich frage mich manchmal, ob nicht zu entspannt? Ich habe mit sechs Wochen durchgeschlafen mit viermal am Tag Trinken, später dreimal. Meine Mutter versuchte mal, mich zu wecken oder zu zwingen; half alles nichts. In der Grundschule aß ich Frühstück vor der Schule, mein zweites in der Schule landete im Müll, dann etwas Mittag (die Hälfte der Portion), zum Kaffee einen Apfel und abends eine halbe belegt Scheibe Brot. Mama wollte mich zum Essen nicht zwingen. Irgendwann wurde aus der halben eine viertel Scheibe und die KÄ schaltete sich doch ein und riet mir zu mehr essen. Meine Essgewohnheiten wurden nicht besser. In der Pubertät? Teilweise war meine erste Mahlzeit das Mittagessen. Heute, mit 27, esse ich Brunch, Kaffee Abendbrot. Ich habe einen BMI von 17,5 (aber auch einen schmalen Körperbau, Arzt ist skeptisch aber nicht besorgt). Trotzdem: hätten andere Essgewohnheiten, unter (liebevoller) Anleitung meiner Eltern, vielleicht zu einem vernünftigeren Umgang mit Essen geführt? Ich habe kein Problem mit der Körperwahrnehmung – zumindest nicht optisch. Ich weiß, wie dünn ich bin. Aber ich bin ein wahnsinnig schlechter Esser und wenn ich keinen Appetit/Hunger habe, kann ich auch aus „Vernunft“ nicht einfach was essen.
    insofern – lange Rede, kurzer Sinn: ich verstehe den Vater. Es ist manchmal kein subjektiver Eindruck, ob ein Kind zu wenig ist oder nicht, und vielleicht muss man es nicht soweit kommen lassen wie bei mir: dem Gegenteil der anerzogenen Adipositas.

  7. Ein sehr interessantes Thema!
    Ja, man steht als Eltern ja schon unter diesem Druck, sein Kind „vernünftig“ essen zu lassen.
    Erstaunlicher Weise hilft es mir oft, wenn ich mich erinnere, wie das bei mir selbst als Kind war. Wie sehr ich zB das Frühstück gehasst habe (ich bekam immer erst im Schulbus Hunger!) oder wie widerlich mir einfach einige Dinge wie zB Brokkoli waren!
    Meine Eltern hatten es da auch mit mehr oder minder leichtem Zwang versucht, sind aber letztendlich gescheitert, ich war da einfach trickreicher. 😉
    Also denke ich mir: Warum sollen meine Kinder nicht das Selbe „Recht“ auf individuelle Essvorlieben bzw. -Gewohnheiten haben, solange die sich in einem vernünftigen Rahmen bewegen?
    … Aber dafür muss ich auch erst wieder Nachdenken, oft erwische ich mich dabei, dass ich mich ganz verzweifelt frage, warum Kind A so ein schlechter Frühstücker ist… Bis mir dann wieder einfällt, dass ich das ebenso war und trotzdem „was geworden bin“. 🙂

  8. Super Beitrag, Herr Kinderdoc!
    Als Mama von drei sehr unterschiedlichen Essern (Nr. 1 hat Breikost geschaufelt, bis zum Platzen, Nr. 2 ist sehr schnell auf Normalkost umgestiegen und Nr. 3 hat bis kurz vorm 1. Geburtstag sich am liebsten an der Milchbar bedient) hat man echt schon fast alles gehört… AUSSER dass all das im Normbereich liegt…

    Aber wie schon jemand fragte: wie ist das mit dem Trinken? Kind Nr. 1 ist nämlich so eins, das sich die Flüssigkeit tröpfchenweise gibt. Seit ihn das bei der letzten Magen-Darm-Grippe ins Krankenhaus beförderte zum Rehydrieren trinkt er bisschen mehr, aber es lässt schon wieder nach (Nr. 2 und 3 kamen glimpflich davon, die haben wenigstens gesoffen, was die Tasse/das Glas hergab).

    Wie kriegt man (genug gesunde) Getränke in einen Zwerg rein? Wenns mal Softdrinks gibt, hat der Herr nämlich plötzlich Durst ohne Ende…

    1. Isst er Suppe und anderweitige, „feuchte“ Speisen (Wassermelone, Tomate, etc)?
      Das verbessert den Wasserhaushalt nämlich auch. 😉

      Wenn er ansonsten gerne süß drinkt – hast du mal selbstgemachte Schorlen probiert? Klassiker ist Apfelsaft mit Selters Sprudelwasser. Durch das selber Mixen kannst du den Fruchtsaftanteil selber bestimmen und ihn zur Not langsam zum Wasser führen.
      Süßer Früchtetee kann auch helfen (damit hat meine Mutter meinen Bruder überlistet).

      Um im Zweifelsfall?
      Lieber Softtrinks geben als gar nichts. 😉

      1. Einspruch.

        Süße Getränke sind reine Trinkkosmetik. Plötzlich trinken die Kinder mehr, aber sie müssen noch mehr trinken (über das Normale hinaus), um den Zucker auszugleichen.
        Beim Trinken ist es wie mit dem Essen: Wer aus Angst des Verdursten den Kindern ständig eine Flasche unter die Nase hält, oder sie sogar selbst mit Nuckelflasche rumlaufen lässt, wird nie ein „Durst-ich-trinke“ Gefühl erzeugen.

        Ein gesundes Kind (ohne Durchfall oder Spucken) trinkt soviel es selbst will, und nicht, was Eltern wollen. Die Wenigtrinker haben wenig Reserven bei Dünnpfiff – das ist aber leider so – dann darfs auch mal „Überlisten“ sein.

        Wer nur Wasser oder ungesüßte Tees im Hause hat, und die auch selbst „vortrinkt“, bei dem wird das Kind auch nichts anderes wollen, weil es nichts anderes kennt. Wer seinem Kind Schorlen und Granulat-Papp-Tees gibt, bei dem wird das Kind auch nichts anderes wollen (und dazu evtl. schlechter essen – der Zuckerspiegel ist ja immer schon hoch).

        1. Das heißt, es ist nicht schlimm, wenn das Kind (eigentlich immer) wenig trinkt?
          Ich versuch immer drauf zu achten, wie es mit dem Urin aussieht. Ist der hell, sag ich ja nichts, ist der aber dunkel, dann bin ich schon hinterher, dass getrunken werden soll. Von allein wird gar nicht nach zu trinken gefragt. An sich ist auch völlig egal was ich anbiete: Wasser, Tee, Saft – gleichmeraßen mal ein Schluck und dann Kopf wegdrehen bzw. inzwischen ein energisches ‚Nein!‘
          Es ist also für den Körper gesehen nicht schlimm, wenn die Kinder kaum trinken?

          1. Mein Sohn hat früher auch nie von sich aus getrunken, Durst kannte er scheinbar nicht oder hat das Gefühl mit Hunger verwechselt. Mein Arzt meinte, ich sollte an heißen Sommertagen immer wieder was anbieten (Wasser oder stark verdünnten Saft, da er ja nicht dauernuckelte). Und notfalls auf wasserhaltige Nahrungsmittel zurückgreifen, wie Wassermelone und (das klappte tatsächlich!) Gemüsesaft als „kalte Suppe“ löffeln lassen.

    2. Die Freude mit Rehydrierung im KH nach Infekt hatten wir auch. Beim Auffüllen helfen seitdem in kritischen Zeiten Eiswürfel oder selbstgemachtes „Eis“ (Milchshake, Smoothie, Joghurt, Tee oder Wasser eingefroren), um extra Flüssigkeit in ein sparsam trinkendes Kind zu bekommen. Wenn mein Sohn mal wieder wenig trinkt, gibt es eben Suppe (Pfannkuchensuppe/Flädlesuppe oder Gemüsebrühe mit Buchstabennudeln und Möhrchen), dann bekommt man etwas extra Flüssigkeit hinein.
      Da unserer gerne Badewasser trinkt (na ja, jedem das seine, seines ist ohne Seife), habe ich ihn an besonders trinkfaulen Tagen auch schon mal Baden lassen und einen Strohhalm und einen Becher zum Spielen verabreicht… das geht immer. 😛

      Ansonsten gibt es bei uns routinemäßig nur Leitungswasser, Milch und ungesüßten Tee, ab und zu mal eine Sojamilch natur. Meist (öfter als ich es würde!) verlangt das Kindlein nur eiskaltes Wasser. Saft und Kakao haben wir sehr selten, dann darf der Liter (Saft) aber auch weg, es wird nur eben nicht direkt ein neuer hinterhergekauft (meist wird die Hälfte im Kühlschrank schlecht).

      Zum Trinken gab es am Tisch eine Zeitlang (als kaum etwas gegessen wurde) für den Kleinen selbstgekochte klare Rinderbrühe, die mochte er lieber als Wasser oder Tee (je 1kg Rind+Gemüse 3h köcheln/ziehen lassen, dann Wechsel mit neuem Fleisch und Gemüse in derselben Brühe und nochmal 4h köcheln/ziehen lassen, abseihen und in Eiswürfeltüten einfrieren – je Mahlzeit gab es 4-5 Eiswürfel aufgewärmt in einer Tasse).

      1. Leitungswasser kann und konnte ich schon als Kind nicht trinken. Daran hat sich bis heute nichts oder kaum etwas geändert. Zur größten Not geht es, aber alles andere ist mir lieber. Tee, Kaffee, Milch und Co.

  9. Richtig, ein kleines Kind kann nicht wissen was gesunde Ernährung ist. Aber es weiß wann es Hunger hat ! Früher hieß es wohl, nur alle 4 Std füttern sonst verwöhnt man das Kind. Dann ließ man es halt daliegen und schreien…klar, mit der Zeit hat es wohl nicht mehr gebrüllt. Aber ob das gesund war ? Ich weiß nicht…
    (Genauso wissen Eltern nicht wieivel Hunger das Kind hat und wenn sie dann den Teller vollpacken und verlangen, dass alles aufgegessen werden müsse…)

    1. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten überforderten Jung-Eltern mit dem vielgepriesenen Stillen nach Bedarf nicht klarkommen und dann genervt aufgeben, weil sich kein Rhytmus einspielen kann. Das dauernde Trinken ist für Neugeborene (noch) zu anstrengend, die geringe getrunkene Menge nicht lange sättigend, der Darm hat nie Pause…. .

        1. Ich denke das ist wieder so ein klassischer Fall für „mach was dir besser liegt“. Ich habe gerne nach bedarf gestillt, und es hat wunderbar geklappt. Beim zweiten Kind lag ich auf der Geburtsstation mit einer Mutter die nach Uhr gestillt hat, und ich hatte immer ein schlechtes Gefühl wenn sie das Kind extra geweckt hat zum trinken. Aber sie kam damit zurecht, und ich hab ihr nicht reingeredet. Manchmal braucht man etwas, an dem man sich festhalten kann wenn man unsicher ist, da hilft es nicht wenn sie noch mehr verunsichert wird.

        2. Wie gesagt, die Erfahrung zeigt es eben, dass viele Eltern dann Hilfe suchen, weil durch das Bedarfsstillen alles durcheinandergerät, die Eltern an ihre Grenzen kommen. Wenn Sie andere Erfahrungen gemacht haben- wunderbar.
          Momentan wissen eben viele Leute alles besser, jahrzentelange gute Erfahrungen sind nichts mehr wert und alles was Mühe macht, wird nicht ausprobiert.

  10. ha!
    Da bin ich ja voll das Gegenteil. 😀

    Meine Mama hatte anno dazumal, als Klein-Wölfchen frisch geworfen war, eine Tabelle gefunden, wie oft und wie viel so ein Miniwolf denn zu mampfen habe. Sie war (mit 20 Jahren in der DDR) alleinerziehend, für die Hilfe ihrer Mutter zu stolz und die Geschwister hatten alle selbst noch keine Knirpse.
    Also hat sich Muttern hat die Tabelle gehalten und ist wahnsinnig geworden, weil das Stück Unfell da ständig geschrien hat. Nicht wie ein Schreikind – aber doch schon lange und laut und stur. Windel trocken, Schnuller in der Schnute (wurde beim Weinen aber rausgespuckt), kein Beuerchenbedarf, kuscheln fands auch nich pralle…
    Irgendwann is dann immer mein Onkel mit seinem Auto rangefahren. In dem – und NUR in dem – habe ich geschlafen wie ne 1. Mama und Onkel haben nur drauf geachtet, dass es mir da drin nicht zu heiß wird.

    Und was war?
    Als Muttern endlich einsah, dass es ohne Hilfe von Omma nicht geht, hat Omma erst mal haufenweise Zeugs in den Wolfsschnute geschaufelt. Und was da alles reinging! Ganze Rinderherden verschwanden in den 1 Jahr alten Fratz.

    Viele Jahre später – mein Bruder war geboren. Muttern sahs gelassener und schaufelte solange, bis der Junge nicht mehr wollte. Keine Ahnung wann sie mit zufüttern anfing, es war aber verdammt früh (andere Mütter haben ihr den Vogel gezeigt). Und da wurde alles kleinzerhäckselt. Von der Banane bis hin zur Kohlroulade mit Kartoffeln und Gemüse… det ging allet rein in den Schlund. Man überlegte schon die Steaks zu pürieren – aber da lies die große Schwester nie welche über…

    Zu dem Zeitpunkt wusste meine Mama:
    Das ich damals so viel geschrien hab… das lag daran, dass ich verdammt nochmal KNAST hatte. 😀

    PS:

    Meine Mutter jammert heute immer noch, dass Brüderchen und ich ihr die Haare vom Kopf fressen. Bei mir jammert sie aber nur, wenn ich mal wieder zu Hause bin… sonst macht es eher mein Freund.
    Und alle Welt weiß: Wenns ne Party gibt, muss man VOR dem Bestellen des Caterings wissen, ob det Wölfchen oder/und det Wölfchens Bruder auch da sind – je nachdem braucht man DANN nämlich die doppelte oder dreifache Menge. xD

    PPS:

    Und wir haben alle Beide Idealgewicht! 😉

  11. Regelmäßige Mahlzeiten und Stillen in bestimmtem Rhytmus entsprechen nunmal am Besten der kindlichen Physiologie. Es geht weniger um ein starres Regime sondern um das Angewöhnen sinnvoller Ernährungsgewohnheiten. Ein kleines Kind kann nicht wissen, was gesunde Ernährung ist.

    1. Das Kind nicht, der Körper aber schon.

      Schon mal nen unerfindlichen Hiper auf [irgendeine Speiße hier] gehabt? Dann hat genau DIESES Nahrungsmittel genau DAS gehabt, was der Körper gerade dringend brauchte.
      Bei Schwangeren sind das gerne mal saure Gurken.

      Und umso jünger das Kind, umso eher reagiert es auf das, was der Körper verlangt. Und ehrlich? Es ist so ein Unsinn dem Kind (oder Erwachsenen) etwas reinzuzwängen, wenn es keinen Hunger hat. Bei krankhaften Essstörungen ist das freilich anders – aber warum einem GESUNDEN, wohlgenährten (=nicht zu dick, nicht zu dünn) Kind etwas in die Kiefer zwingen, was es nicht will? Das bringt dem Kind nur Frust und verleitet den Spaß am Essen. Im schlimmsten Falle erzieht man sich dann Mäkeljuhlen (meine Mutter zwang mir immer Rosenkohl, Fisch, Mais und Erbsen auf – von den ersten Beiden muss ich heute allein vom Geruch aus auf die Toilette rennen, letztere Beide bekomme ich so gut wie nicht runter, weil ich einen massiven Ekel davor empfinde…).

    2. Ein [kleines] Kind kann eben doch wissen, was gesund ist. Das erzählt in „Kinder verstehen“ Renz-Polster nämlich anekdotisch, siehe oben. So ganz instinktlos sind wir nicht, der entsprechend abgestimmte Geschmack erzählt ja auch schon einiges zur Essbarkeit.

      (Klar muss man da die Süß- und Knabberwarenabteilung von heute rausnehmen, das kann kein Kind verstehen, dass das Zeug süss und doch oft ‚leer‘ oder zu salzig ist.)

  12. Lieber Kinderdok, Sie schreiben: „Eine jugendliche Anorexie hat viel davon, läuft aber viel komplexer ab, da motivgesteuerter, und ist trotzdem oftmals in einer frühkindlichen Fütterstörung begründet.“ Bedeutet das, wenn jemand als Baby eine Fütterstörung hatte, kann sich daraus eine jugendliche Anorexie entwickeln? Ich hatte in meinem ersten Lebensjahr eine Fütterstörung und bleib auch danach immer extrem untergewichtig – im Teenageralter wurde dann eine Essstörung diagnostiziert. (Allerdings hatte ich nie diese verzerrte Selbstwahrnehmung, fühlte mich durchaus viel zu dünn, bekam nur nichts herunter.) Ich habe bisher aber nie einen Zusammenhang zum Babyalter gesehen. Gibt es, außer dem ZEIT-Artikel, einen Link zu diesem Thema, bei dem man mehr Hintergrundwissen erfährt? Viele Grüße!

  13. Ich habe bemerkt, dass ich sogar jetzt noch zu den Leuten gehöre, die lieber morgens Müsli oder Joghurt essen. Ich habe früher unglaublich wenig am Frühstückstisch gegessen, wenn dann nur bestimmte Brotsorten mit bestimmten Aufschnitt.
    Heute – wenn ich die Auswahl habe (z.B. beim Frühstücken in Hotels) nehme ich meistens etwas Joghurt mit Obsts. Brot meide ich häufig ganz.

  14. Vielen Dank für den Artikel. Ich höre auch ständig, dass Kinder komisch essen und was man tun kann, was sie dürfen etc. Meine Kleine isst einfach, was sie mag und dass das schon etwas Brot und andere „normale“ Sachen sind, stößt immer wieder auf Kopfschütteln. Auf der anderen Seite hat man dann Mütter die verzweifeln, wenn das Baby nicht so recht Brei mag. Ich denke auch, dass die Kleinen schon essen, was und wann sie mögen und bei so Kleinsten halte ich wenig von zu großer Regulierung.

  15. und vor allem soll man ja auch nicht vergessen, dass es sehr viele kinder gibt, die die grauslichen hipp-breie nicht wollen und bei festerem fingerfood aber brav zugreifen. die wollen einfach keinen brei und essen in abgeschwächter form gleich das ’normale‘ essen mit. meiner war so einer. jeder breifütterungsversuch war ein akt.
    als er mit 9monaten noch immer keine breie essen wollte (sondern vollkommen zufrieden mit seinem pre-fläschchen war), hab ich ihn zu uns am tisch gesetzt und ihm weiche und wenig gewürzte stücke auf sein tellerchen gegeben. zum selber-nehmen. und siehe da: das kind war glücklich.

    1. Mein Kleiner ist mit 5 1/2 Monaten direkt von vollgestillt auf „Mohnbrötchen vom Frühstückstisch gemopst“ umgestiegen. Ich habs danach dann noch mit Brei versucht, aber er wollte lieber zu seinen Zeiten Muttermilch und wenn alle am Esstisch saßen hat er dann halt an dem rumgelutscht was es gab.

  16. Oh ja, auch ich kenne dieses „der isst so schlecht…“ und „am gedeckten Tisch ist noch keiner verhungert…“ – ich möchte heulen, wenn ich das schon lese/höre.

    Mein Sohn ist jetzt 3,5. Er hat in seinem Leben noch nie!!!! Obst, Gemüse (Ausnahme war kurzzeitig Mais) und Fleisch gegessen. Er ernährt sich i.d.r. von trockenem Brot, Nudeln, Reis und wenn ich Glück habe Kartoffeln.

    Er hat ein gesundes Angebot zu Hause wie auch im Kindergarten. Wir essen als Familie ausgewogen und gesund. Und nun sage mir mal einer, wie man sowas bewerten soll?!?

    1. Locker bleiben, solange das Kind keine Mangelernährungsproblematik zeigt ist es wichtig, aus dem Essen keinen Erziehungs-Kriegsschauplatz zu machen.

      Mein Sohn hat(te) Magensäurerefkux und war in Sachen Essen immer recht heikel. Obst und Gemüse hat er verweigert, sobald er begriffen hat, dass er das tun kann. Ich denke, diese Nahrungsmittel haben die Refluxproblematik verstärkt (die ersten 4 Jahre war er noch nicht diagnostiziert). Im Grunde ist er mit Salamibrot als Hauptnahrungsmittel groß geworden.

      Wir haben ihn nie gezwungen etwas zu essen, was er nicht mochte, aber es gab auch keine Extrawurst für ihn. Von dem, was auf dem Tisch stand, konnte er sich raussuchen, was er essen mochte. Wir haben alles mögliche an Lebensmitteln ausprobiert. Er hat mitbekommen, dass auch andere Familienmitglieder nicht alles mochten.

      Zum Glück sind unsere modernen Lebensmittel von einer Qualität, die es schwer macht, eine echte Mangelernährung zu bekommen. Die Menge an Vitaminen, die wir brauchen, wird meist maßlos überschätzt. Ich rate dir zu Gelassenheit, gepaart mit einer gewissen Vorsicht – der Kinderarzt sollte wissen, worauf er achten soll.

      Mit der Zeit wurde unser Sohn großzügiger mit dem, was seinen Mund passieren durfte. Heute ist er 17 Jahre alt, groß und kräftig und isst Mais und Bohnen im Chili con carne ohne Gejammer mit. Sogar das Grünzeug im Hamburger isst er mit! Sein Hauptnahrungsmittel ist immer noch Salamibrot, übrigens. 🙂

    2. Solange er gesund ist, würde ich auch keinen Stress machen, und vor allem nicht Gemüse als etwas besonderes herausstellen. Stell es mit auf den Tisch, iss davon, und wenn er probieren mag darf er probieren, und wenn nicht, würd ich es nichtmal erwähnen.
      Meine Kinder sind beide keine großartigen Gemüseesser. Der Kleine isst nur grünen Salat, den aber mit Begeisterung, und das vermutlich deshalb weil ich eine Zeitlang zum Abendessen mir selbst welchen gemacht habe zwecks Diät, und es kann ja nicht sein dass Mami da was isst wovon er nichts bekommt 😉 Der Große ist ganz langsam aus der Nudeln-ohne-alles Phase rausgekommen mit Tomaten in allen Formen und Pilzen als einzige Gemüse, und dann nach und nach kamen (über Jahre!) neue Gemüse dazu. Wir haben das dann so gemacht dass er von jedem neuen Gemüse mal kosten musste, dann durfte er aber auch sagen mag er nicht und dann wurde er eine Weile davon verschont. So alle paar Monate sollte er es mal wieder probieren, da sich Geschmäcker ja ändern, und siehe da, nach und nach hat er doch noch ein paar Sachen entdeckt die er mag: Blumenkohl, rote Bohnen, Spargel, Mais… andere mag er bis heute nicht (Broccoli, Spinat), und das akzeptiere ich dann auch und koche es sehr selten.

  17. Was ist eigentlich mit der Aussage „das Kind trinkt zuwenig“ ist das analog zum Essen? Also selbstregulation.

  18. Ich finde dazu die wissenschaftliche Anekdote in „Kinder verstehen“ unterhaltsam, in der vierzehn Kinder über einige Jahre in Waisenhaus einfach nur dabei beobachtet wurden, wie sie aus verschiedenen Speisen selbst auswählten. Frühstück von einem halben Liter Orangensaft mit etwas Leber ist beschrieben und dennoch waren alle Kinder am Ende der Beobachtungsperiode ähnlich gut genährt und fit.

    Sieht aber dann zu Hause anders aus, wenn das Kind mal nur pickt. Ärgert eben auch etwas, wenn das Kind vom selbstgekochten drei Löffel nimmt und dann satt ist. Es ist schwer drüber hinweg zu kommen, aber es geht 😉

    Die vermeintliche „Esstörung“ bei unserem Kind im Alter 5-8 Monate beim Beifüttern haben wir dann übrigens irgendwann verstanden: der Zwerg mochte einfach irgendwas mit Textur im Essen. Also blieben die Reiskörner und die kleinen Nudeln und die Erbsen dann eben außerhalb vom Mixer. Das war aber auch nicht leicht, das herauszufinden.

  19. „Wir entscheiden, was die Kinder essen“ – auch das ist oft einfach nicht möglich. Meine kleine Tochter (1 1/2) isst partout keinen Brotbelag, in keiner Form, nur das Brot pur. Sie lehnt Käse, Wurst und Aufstrich in jeder Form völlig ab. Meine Größere isst so gut wie gar kein Brot, wenn es irgendwelche Alternativen gibt (Joghurt, Müsli, Obst, Gemüse). Wenn sie es isst, dann nicht mit viel Vergnügen. Wir Erwachsenen essen ganz normal belegte Brote und machen ihnen das sicher nicht vor. Aber zwingen können wir unsere Kinder ja nun nicht, oder?

    1. @neresi: “Wir entscheiden, was die Kinder essen” bedeutet nicht, dass die Eltern entscheiden, was das Kind tatsächlich nimmt, aber durch die am Tisch vorhandene Auswahl entscheiden wir schon, was das Kind letztlich isst. Also die Vorauswahl. Wenn das Kind dann meint, es isst vom Angebot nur Brot und kein Belag, auch gut. Aber es steht ja nicht nur Schokolade, Pommes usw. auf dem Tisch, sondern eben Brot und Belag. So ist das auch gemeint: Die Eltern bieten eine vernünftige, gesunde Auswahl an und das Kind wählt, sowohl Lebensmittel als auch Menge. Begrenzt werden nur ungesunde Sachen wie fette und süße Dinge.

  20. Danke für diesen Beitrag!
    Als Mutter eines knapp 7 Wochen alten Säuglings werde ich ganz oft gefragt, aller wie viel Stunden ich stille und meine Antwort „wenn das Kind eben Hunger hat“ sorgt immer wieder für Verwirrung. Ebenso wird mir wieder und wieder empfohlen, maximal aller 4 Stunden zu stillen.
    Mein mittlerweile 5-jähriger Sohn wurde genauso nach Bedarf gestillt und als es an die feste Nahrung ging, durfte er tatsächlich entscheiden, wann er satt ist. Ist er an einem Tag mal nur 3 Nudeln zum Mittag, schaufelt er am nächsten 3 Schüsseln davon rein, wir vertrauen darauf, dass er sich schon holt, was er braucht. Er hat immer eine Dose mit Süßigkeiten zur freien Verfügung, bedient sich aber nur sparsam daran.

    Mein Mann und ich wurden in unserer Kindheit immer mit dem „Aufessen damit morgen schönes Wetter ist“ oder „in Afrika verhungern die Kinder“ oder „es wird gegessen, was auf den Tisch kommt“ drangsaliert, was bei mir (unter anderem) zu einer jahrelangen, inzwischen therapierten Essstörung und bei meinem Mann zu diversen Brechanfällen am elterlichen Esstisch führte. Für uns war es daher sehr wichtig, unseren Kindern ein normales, durch tatsächlichen Hunger und Durst reguliertes Essverhalten mit zu geben. Und bislang scheint es zu funktionieren 🙂

    1. Danke, danke, danke für die Erwähnung der Süßigkeitendose! Ich werde von vielen Mütter oft angesehen, als ob ich mein Kind vergiften würde, wenn ich erzähle, dass mein Sohn (3 1/2) Süßigkeiten zur freien Verfügung hat. Weil ich gemerkt habe, dass er damit völlig problemlos umgehen kann. Ja, er ist gerne süß (Grießbrei, Honigbrot etc.), aber richtige Süßigkeiten wie Gummibärchen, Schokolade usw. nascht er nur ab und an mal ein wenig. Aktuelles Beispiel: von den Süßigkeiten, die der Osterhase gebracht hat, stehen hier noch einige Schokoeier in seiner Schale. Bei einigen seiner Freunde frage ich mich, ob die nicht auch damit umgehen könnten, aber die Eltern kommen gar nicht erst auf die Idee, es auszuprobieren.
      Mal sehen, wie das bei unserem kleinen Sohn wird. Der übrigens genauso immer nach Bedarf gestillt wurde. War aber zugegebenermaßen für Mamas Brust nicht immer toll. Wenn man viel Milch produziert, kann so eine spontane Essenspause von 5 Stunden (wenn sonst alle 2-3 Std. Milch eingefordert wurde) schon unangenehm werden.
      Interessanterweise bildete sich bei beiden Kindern eine deutliche Regelmäßigkeit aus. Keine Ahnung, ob das normal ist, oder eben nur bei unseren Beiden der Fall war. Wobei wir einen recht strukturierten Tagesablauf pflegen, kann auch damit zusammen hängen.
      Aber natürlich ist es einfacher, entspannt an das Thema Essen ran zu gehen, wenn die Kinder am Anfang wenigstens überhaupt mal Essen einfordern.

    2. Auch von mir vielen Dank für die Erwähnung der Süßigkeitendose! Ich hatte als Kind auch immer Süßigkeiten zur Verfügung, mit denen ich äußerst sparsam umgegangen bin. Für einige Zeit habe ich sie sogar ganz gemieden, weil ich Angst vor Karies hatte. Meine Nachbarin und Klassenkameradin hat sich bei jedem Besuch bei mir auf diese Dose gestürzt und zur Hälfte geleert, weil Süßigkeiten bei ihr zu Hause die absloute Ausnahme waren.
      Nach einer sehr süßigkeitenintensiven Phase in der Pubertät esse ich nun mit Anfang zwanzig seit ungefähr einem Jahr keine Süßigkeiten mehr, und ich muss sagen, es fehlt mir nichts. Das kann aber auch wieder umschlagen.

      1. So eine Süßigkeitendose funktioniert aber auch nur bei Kindern, die sich da selbst regulieren können – und das ist letztlich Charaktersache. Unsere beiden Kinder dürfen und durften immer naschen. Beim Großen kein Problem, der hat irgendwann genug und hört dann auf. Aber der Kleine kennt da von sich aus keine Grenzen, da muss man, finde ich, als Erwachsener welche reinhauen (ähnlich ist es bei der Mediennutzung). Er würde sich – obwohl er wie sein Bruder täglich Süßkram essen darf – genauso auf deine o.g. Süßigkeitendose stürzen wie die diesbezüglich kurzgehaltene Freundin.

        1. Klar, Kinder sind unterschiedlich. Und in den Fällen, in denen die Selbstregulierung nicht klappt, greife ich selbstverständlich ein. Ich meine nur, dass man manche Dinge auch mal austesten muss. Mein Kind ist ganz bestimmt nicht der Einzige im ganzen Bekanntenkreis, bei dem es problemlos klappt. Gerade zum Thema Essen, kann das Situationen total entspannen und eben vielleicht dazu führen, dass sich ständig wiederholende Streitpunkte entschärft werden oder evtl. gar nicht erst auftreten.

  21. „Es ist noch kein Kind freiwillig am gedeckten Tisch verhungert!“
    Und genauso ist es wer essen mag isst, und wer nicht lässt es. Wir Erwachsenen wollen ja auch nicht, dass uns ständig jemand ermahnt zu essen, auch wenn gar kein Hunger vorhanden ist!

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