U-Bahn-Medizin

„Wo issen meine Cola, menno.“ Sie kramt in ihrer überdimensionierten Umhängetasche. Ihre Freundin sitzt ihr gegenüber in der U-Bahn.
„Seit wann trinksten Du Cola?“
„Hab ich immer wieder so Magenschmerzen, da so.“ Sie hält sich die rechte Seite.
„Echt?“
„Ja, Omma sagt, Pfeffa-Tee oder Cola. Dann aber Cola.“
„Und was haste da?“
„Keine Ahnung, brutale Schmerzen. Wie’d Sau, echt. Morgens schon, auch mal wieder weg. Aber dann wieder brutal, sach ich Dir.“
„Hammer…“
„Ja, wirklich. Wie’d Sau. Muss ich mal Arzt.“
„Warste noch nicht?“
„Nee, geht ja erst zwei Wochen oder so. Brutal, sag ich Dir, das fängt immer da an, … da,“ sie krabbelt mit der Hand zwischen den Brüsten hin und her, „und dann zieht das so hoch. Ganz sauer kommt’s mir dann.“
„Sagt’n der Arzt?“
„War ich noch nicht, sag ich doch. Hab‘ ich angerufen, gestern, weisste, hab‘ ich gesagt, brauch‘ ich Termin, also heute, hab‘ ich gesagt, kann ich erst zwölf… Weisste, was die da gesagt hat?“ Sie flötet: „Zwischen acht und zehn…, sonst geht’s nicht, hat sie gesagt. Wie sie das gesagt hat. Zwischen acht und zehn! Soll ich denn das machen, he? Ist doch B’rufsschule, kann ich erst zwölf.“
„Aber echt…“
„Zwischen acht und zehn… Geh‘ ich gar nicht, nach’m Mittag treffe ich doch noch de‘ Mätze, kann ich auch nicht. Pff! Geh‘ ich abends Notfallambulanz, kannst Du glauben. Machen die siebzehn Uhr auf, geh‘ ich hin. Müssen die mich untersuchen, oder?“
„Kann sein…“
„Klar, müssen die. Ist Doktor auch nicht mehr da, um siebzehn Uhr, können die mich gar nicht wegschicken.“
„Ja, klar, bei den Bauchweh.“
„Brutal, sag‘ ich Dir, das tut weh wie’d Sau. Geh‘ ich morgen Notfallambulanz, wirste sehen. Zwischen acht und zehn, hat sie gesagt, tss! Tussi!“
Sie kramt wieder in der Umhängetasche. „Issen jetzt die Scheiß-Cola?“

36 Antworten auf „U-Bahn-Medizin“

  1. Noch mal zur Erinnerung für die Berufstätigen: Facharzttermine, die nicht anders als in die Arbeitszeit zu legen sind (gerade bei denen, wo man kurzfristig einen Termin angeboten bekommt, den man entweder nehmen oder sonst noch drei Wochen warten müsste) sind oftmals Arbeitszeit, das heißt, der Arbeitgeber muss unter Lohnfortzahlung freistellen! http://www.anwaelte-giessen.de/arbeitsrecht-wahrend-der-arbeitszeit-zum-arzt/

  2. Manchmal hat man in der Notaufnahme auch Pech. Ich hatte nach einer verschleppten Blasenentzündung üble Nierenprobleme, wiederkehrend. Heulend vor Schmerz und mehr getragen als gestützt ins KH – und Geräte an einen jungen, fantastisch aussehenden Neurologen, der grad noch wusste wo die Nieren sind und meine zugefauchten Medikamentenvorschläge mit der Schwester absprechen musste. Die übel aussehende Urinprobe hat er ignoriert, blutiges Gewebe? Kriegt bestimmt die Periode. Was am nächsten Tag beim Ultraschall rauskam rechtfertigte für den Arzt einen Anruf beim Krankenhaus, den ich vom Behandlungszimmer aus gehört hab..

    Diese Story kriegt jeder, der statt zum Haus- oder Facharzt „abends schnell in die Notaufnahme“ gehen will. Und dazu ne Ansage über meinen fast im Wartezimmer geplatzten Blinddarm, weil ach, das Sodbrennen in der Schwangerschaft..

  3. oh ich dachte spontan an Blinddarm, bei Magenschmerzen rechtsseitig.
    ja, die Öffnungszeiten von Ärzten gehen gar nicht.
    Hatte mal einen Hautarzt, der hatte einen Tag in der Woche zu, dafür aber Samstags auf. Fand ich sehr klasse. Normalerweise geht für Arztbesuche immer ein Tag Urlaub drauf, wenn es Kontrollen sind (Frauenarzt, Zahnarzt, Nephrologe. augenarzt), wobei ich da versuche alle an einem Tag zu legen.

  4. Abgesehen vom Offensichtlichen – ich würde mir wünschen, es gäbe mehr Arbeitnehmer freundliche Sprechzeiten bei Ärzten. Gerade in Gemeinschaftspraxen sollte das einzurichten sein und wäre ein echter Pluspunkt, um für Routinegeschichten oder Vorsorgeuntersuchungen nicht immer einen halben Tag Urlaub nehmen zu müssen.

    1. Als Arbeitnehmerin wünsch ich mir auch manchmal freundlichere Zeiten. Oder einfach echte Termine, das würde ja auch helfen. Damit könnte man mal Arbeitszeiten schieben. Ich müsste eigentlich zum Hautarzt und krieg „Nee, also Termine machen wa nich. Kommense vorbei und bringense 4 Stunden Zeit mit“. Klar doch, mach ich mit links neben Job und drei Kindern … hab ja sonst nix zu tun. Blöd nur, das die Anzahl der entsprechenden Fachärzte bei uns so mau ist.

      Andererseits ist so ein Arzt ja auch nur ein Arbeitender, womöglich mit Familie und wünscht sich für selbige halt ebenso Zeit wie ich mir für meine. Kann ich auch verstehen. Unser Zahnarzt hat Tage, wo er vormittags gar nicht auf macht, dafür nachmittags bis abends. Für uns total toll und kominiert mit extrem gutem Zeitmanagement und maximal 10 Minuten Wartezeit einfach top!

    2. Nun braucht es in einer Arztpraxis nicht nur den Arzt, sondern auch die Leute drumherum. Unsere MFAs fanden die Idee mit den Öffnungszeiten am Abend ziemlich sch… und damit ist die Idee nicht mehr reibungslos umsetzbar. Die Putzfrauen dürften auch erleichtert aufgeatmet haben, denn die müssen schließlich NACH uns arbeiten und haben auch Familien.
      Die Samstagsöffnung haben wir beendet, weil a) von Chef & Team keine einzige Stunde als Ausgleich unter der Woche frei genommen werden konnte und b) beinahe ausschließlich Eltern kamen, die auch unter der Woche Zeit gehabt hätten, denen es aber Samstags einfach besser in den Kram passte.
      Dafür mag ich wirklich nicht den Wochenendtarif für die Helferinnen zahlen und auf auf meine Freizeit verzichten.

      1. Schlappohr, stimmt. Die Angestellten hab ich ausgeblendet, die trifft das ja ebenso. Ich liebe unseren Zahnarzt und unseren Kinderarzt bzw. die MFAs. Die machen Termine und dann sind das Termine mit denen man kalkulieren kann. Dann fahr ich später arbeiten, wenns morgens sein muss oder geh mal früher und gleiche das dann ggf. aus. Da kann ich mich (absolute Akutfälle mal ausgenommen) auf Zeiten verlassen und sitze nie lange. Und selbst mein Gyn bekommt das inzwischen ganz gut hin, da kenn ich auch andere Zeiten …

  5. Erinnert mich an an eine „schwerhörige“ Hilfskrankenschwester, die mir Cola MIT Bouillon einflösste. Obwohl ich laut sagte, dass ich Cola nie mag und Kohlensäure momentan auch nicht gut finde, aber gerne Sirup, Joghurt oder Suppe selbstständig mit Röhrli trinke.
    Zum Glück kam dann meine Artztin, probierte von der Brühe und sagte, dass sie soetwas auch nicht trinken würde.

    1. Cola mit Bouillon? o.O

      Man brachte mir schon mal einen Orangensaft, und die Schwester wollte darin eine Magnesium-Brausetablette auflösen… mir wurde es erspart, die Mischung auszuprobieren.

      Denn das Zeugs schäumte und blubberte im Nu auf den Boden… 😀

        1. Universitätsspital Basel. Allerdings war ich als Thrombozytenspender in einer ihrer Sonderabteilungen (also nicht im Bluttspendezentrum).

      1. Vermutlich Bouillon um den Elektrolyt (Salz) verlust auszugleichen, Cola wegen dem Zucker als Energiespender.
        Entweder sie wurde dazu aufgefordert und begriff nicht, dass es auch getrennt wirkt und wollte mir etwas gutes tun (Bouillon schmeckt nicht gut aber Cola mag JEDES Kind -> zusammen wirds ok sein). Oder sie kannte den Geschmack und wollte mich quälen (ich war schon als Kind eine schwierige Patientin und sagte direkt, wann ich etwas nicht wollte).

        1. „Bouillon schmeckt nicht gut aber Cola mag JEDES Kind“

          Da oute ich mich mal als Freak. Ich hab als Kind die Gemüsebrühe gerne genommen (und finde die auch immer noch recht lecker), aber mit Cola kannst du mich heute noch jagen.
          Und ich vermute, dass wir ähnlich „schwierig“ waren – ich verweigere, wenn man über meinen Kopf entscheidet. Da esse/trinke ich lieber nichts.

      1. OMA ist heutzutage nicht mehr zwingend eine betuliche ältere Dame – bei „muss Berufsschule“ kann Oma durchaus auch erst Ede 40 sein und selbst Cola trinken. Besonders, wenn Omas Tochter zu Berufsschulzeiten auch schonmal morgendliches Sodbrennen hatte *flööööt* 😀

  6. Oh ja, und dann dürfen die Ärzte mit Rufbereitschaft zuhause alles fallen lassen, damit solche Menschen behandelt werden.

  7. …also dann lieber drei oder vier Stunden in der Notaufnahme warten, bis sein absolut lebensbedrohliche Problem mal angeguckt wird… 😀 😀

    1. Es geht doch nicht nur um die Wartezeit für die Patienten- die NOTFALLaufnahme ist für NOTFÄLLE da und aus personellen und kapazitären Gründen gar nicht für diese Arzt-Shopping-Patienten ausgelegt.

      1. Ja, klar.

        Aber auch als Nicht-Notfall kann man dort hingehen. Verhindern kann man es eh nicht, weil in den Augen gewisser Leute auch ein Mückenstich ein Notfall ist. Wir hatten auf diesem Blog ja auch schon Geschichten von Eltern, die wegen einem Pflästerchen den Notfall aufsuchen. Pflästerchen.

        Nur sollte man aber auch akzeptieren, dass man als Nicht-Notfall eben vier Stunden warten muss. Und schon wegen der Wartezeit ist das Vorhaben dieser beiden Mädchen nicht sehr intelligent.

        1. Nein, verhindern kann man es nicht. Aber wenn scheinbar keiner mehr weiss, was ein echter Notfall ist und sich auch keiner mehr selbst helfen kann, muss man sich nicht wundern, wenn die Ärzte zunehmend schlechte Laune haben und sich selber schützen. Wo leben wir eigentlich ? Woanders wären die Leute froh über diese medizinische Versorgung, hier wird alles selbstverständlich hingenommen.

  8. Jammert sie über Sodbrennen ob zu viel fettiger Pommes? 😀

    Btw. bei der Sprache möchte ich diesen Gören immer am liebsten etwas um die Ohren hauen…

    1. Hihi.. Ich habe mich mal in der Bahn etwas zu laut über zwei Personen, die sich ähnlich unterhalten haben, lustig gemacht. Ich glaube wenn mein Freund nicht dabei gewesen wäre, hätte ich Schläge kassiert.. Ich fands trotzdem amüsant, hehe.

    1. Wie kann sich der Kinderdok das alles nur merken? Hat er ggf. ein Tonband mitlaufen lassen? Oder war’s ein Gedächtnisprotokoll?

        1. Der Trick ist wohl, dass man die Pointen sich sehr gut und wortwörtlich merkt. Und den Rest zu rekonstruieren gelingt zur Hälfte durch Erinnerungen, und zur anderen Hälfte durch Logik – auf eine dumme Äusserung folgt oft eine Äusserung des Erstaunens, und so weiter.

          Und in so einer Situation ist man auch deutlich wacher, als beim Bäcker beim Brötchenkaufen.

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