Ist das mal dringend!

fMFA: „Herr Doktor, da ist ein Kollege am Telefon. Möchte Sie dringendst sprechen.“
Ich: „Wer denn?“
fMFA: „Ein Dr. Meissner aus Obersterzen, er würde sie kennen.“
Nie gehört.
Ich: „Nie gehört. Na, geben Sie mal her.“

Ich: „Hallo, Kinderdok hier.“
Meissner: „Grüß Gott, Herr Kollege, es gibt was Dringendes.“
Ich: „Grüß Gott, ja, was denn?“
Meissner: „Mein Sohn ist ja bei Ihnen in Behandlung.“
Meissner? Meissner? Ich hacke schnell auf der Tastatur rum. Gibt´s nicht. „Achja?“, frage ich.
Meissner: „Ja. Der hat den Namen meiner Ex, Pletzikowski.“
Jetzt finde ich ihn. Acht Jahre, einmal jemals bei mir gewesen, vor vier Jahren. Damals Schnupfen.
Ich: „Und was gibt´s?“
Meissner: „Ich wollte nur sagen, der kommt jetzt vorbei. Der hat Nasenbluten. Kommt aus der Schule. Meine Frau …, also Ex…, holt ihn grade ab. Sind sicher schon zu Ihnen auf dem Weg. Muß man was machen.“
Ich: „Äh. Ok, alles klar. Dann lassen wir ihn mal kommen.“
Meissner: „Robert heißt der.“
Ich: „Prima.“
Meissner: „Ich dachte, ich ruf mal an.“
Ich: „Mmmh.“
Meissner: „Damit er auch gleich dran kommt.“
Ich: „Aha.“
Meissner: „Ist ja was Dringendes.“
Ich: „Ja?“
Meissner: „Gut.“ Pause. „Dann mache ich mal hier weiter.“ Pause. „Noch viel zu tun.“ Pause. „Auf Wiederhören, Herr Kollege.“
Ich: „Wiederhören, Herr Meissner.“

Es vergehen keine zehn Minuten, da drängt sich eine hochgewachsene Frau auf Stöckelschuhen an den anderen Wartenden an der Anmeldung vorbei und meldet ihren Sohn als „dringenden Notfall“ an. Die fMFA waren vorgewarnt und setzen Robert ins Untersuchungszimmer. Sie wissen, was bei Nasenbluten zu tun ist.
Da die anderen Patienten teilweise Termine haben, manch andere Ohren-, Hals- oder Bauchweh, und Nasenbluten sowieso seine Zeit braucht, lasse ich mir selbige.

Als ich gerade von einem Zimmer ins nächste wechsele, stürzt die Mutter aus dem Zimmer: „Herr Doktor Kinderdok, gut, dass Sie jetzt kommen!“
Ich: „Ich wollte eigentlich vorher noch…“ … zu dem anderen Patienten, wollte ich sagen, denke aber, wir wollen die Sache nicht unnötig ausreizen und folge ihr.
Mutter: „Das ist wirklich dringend, dringend, dringend. Hat denn mein Mann…, also mein Ex…, also Dr. Meissner nicht angerufen?“
Ich: „Dochdoch, hat er gemacht.“
Mutter: „Sehen Sie, sehen Sie, wie dringend das ist?“

Was soll ich sagen? Robert sitzt brav auf der Untersuchungsliege, das angebotene Papierhandtuch zum Auffangen der letalen Blutmenge ist …. unbenutzt. Die Nasengänge noch etwas vertrocknet. Er grinst mich in seiner allwissenden Weisheit eines Sohnes an.
Mutter, deutet auf ihren Sohn: „Sehen Sie, sehen Sie?“
Robert: „Ach, Mama…“

25 Antworten auf „Ist das mal dringend!“

  1. Ist denn das normal, dass man das Kind wegen Nasenbluten von der Schule abholen muss? Was machte denn da die arbeitende Bevölkerung? Das ist doch lange vorbei, bis ich da aufsteppe und tun kann man doch nichts, außer vielleicht ein kühles Tuch in den Nacken legen oder so. Schon seltsam alles.

  2. was heißt mitgespielt? Wenn die Schabrakke über den Doc herfällt in dem Moment als er zum nächsten Patienten will?…. Im Gang bei den Untersuchungszimmern würde ich auch keine lautstarke Diskussionen mit hysterischen Schrabschrab- Müttern führen….

    1. Ich würde auch nicht sagen, dass der Kinderdoc „mitgespielt“ hat, aber am Ende hat sie durch ihr unmögliches Verhalten doch bekommen was sie wollte, und sowas ärgert mich. Wenn die lautesten immer die ersten sind, dann ist gutes Benehmen bald nichts mehr wert.

    1. nun ja, in diesem blog geht es nunmal um die erlebnisse eines kinderarztes und nicht um greueltaten jedweder art, von denen wir den eindruck haben, dass sie zur zeit andauernd und ueberall zu passieren scheinen. aber darueber kann man sich dann woanders informieren, hier erwarte ich erlebnisse eines kinderarztes ach ja und buchtipps (kann nicht dankbar genug wegen des distelfinks sein). und schlimmer geht’s immer, aber jeder hat das recht, laut aua (oder anderes) zu bruellen, wenn er sich mit dem hammer auf den fingernagel haut und das wehtut. in anbetracht des globalen viel, viel schlimmeren elends ist das natuerlich nur ein fliegenpups, aber in dem moment tut es halt weh und da darf man auch leiden. ok, vielleicht nicht wochenlang drueber jammern. aber immer alles sofort zu relativieren, hilft keinem weiter und genussvoll essen duerften wir dann schon lange nicht mehr.

  3. Schade, dass Du kein Allgemeinmediziner bist, sonst hättest Du jetzt dringend (sofort!) eine Behandlung gegen hysterische Zustände durchführen müssen. An der Mutter. Und obwohl es die Diagnose Hysterie schon langhe nicht mehr gibt. Ausnahmen bestätigen nur die Regel, und sind den dreifachen Satz wert, mindestens. Notfälle, glaube, ich kisten noch mal extra.

      1. nee, wir sind mindestens zu dritt, mein kind hat auch bisweilen nasenbluten, alles sehr entspannt, sofern irgendwas klopapier/tempeo/kuechenrollenartiges schnell greifbar ist….

  4. Wie sie mit mir als kind erst ausgerastet wäre. Bis ich so 14 war hatte ich wöchentlich mehrfach nasenbluten. Das hörte meist auch kaum wieder auf. Mir musste man nur leicht gegen die nase kommen o.ä. und schon kam das blut.
    Einmal hats mich abends beim spielen erwischt. Ich trug ein weißes t shirt und hatte natürlich keine taschentücher dabei. Also hatte ich das blut bald überall auf den klamotten und den händen. Ich sah aus, als hätte ich jemanden geschlachtet. ^^

    1. Aber grade wenn das häufig vorkommt gewöhnt man sich doch als Mutter dran. Mein Kleiner hat da auch irgendein fragiles Blutgefäß, der muss nur mal popeln oder zu heftig niesen und kriegt Nasenbluten (und ja, *das* habe ich mit unserer Kinderärztin schon mal besprochen). Aber wenn es passiert, dann versuche ich eben nicht in Panik auszubrechen, sondern meinem Kind zu vermitteln dass es nicht so schlimm ist und was er tun kann. Inzwischen nehmen wir beide das ganz gelassen.

  5. Schade, dass diese renitenten Personen dann ja doch ihren Willen bekommen haben.

    In meiner Praxis hätten sie das Warten gelernt!

  6. Ich wundere mich immer wie diese Kinder durch ihre Kinheit kommen ohne sich mal ne heftigere Krankheit oder Verletzung einzufangen. Offenbar hilft die in-Watte-pack-Technik wirklich, oder Mama hätte schon längst einen Herzinfarkt. Oder sie hätte sich dran gewöhnt dass Kinder manchmal Nasenbluten haben.

    1. Naja… Frau und Doktore sind ja getrennt. Das wird so abgelaufen sein:

      Mama ruft beim Ex an: „ER HAT NASENBLUTEN! *kreisch* RUF KINDERDOC AN UND SAG DA KOMMT EIN NOTFALL! *brüll*

      An der Stelle gibt es dann zwei Möglichkeiten:

      a) Doktor diskutiert eine Zeit X ob das nu nötig sei oder nicht, gibt anschließend auf und ruft bei Kinderdoc an.
      b) Doktor kennt das schon, diskutiert nicht, seufzt und ruft beim Kinderdoc an.

      Meissner: “Gut.” Pause. “Dann mache ich mal hier weiter.” Pause. “Noch viel zu tun.” Pause. “Auf Wiederhören, Herr Kollege.”

      Das hört sich zumindest scharf danach an.

      1. Ja, das hatte ich mir auch gedacht – deshalb habe ich den Kollege auch nicht weiter konfrontiert. Er hätte ruhig offen mit mir reden können „Also, mir ist das jetzt etwas unangenehm, aber meine Ex… usw“ –
        aber da war die Solidarität zur Ex doch grösser als zum Kollegen. Schon ok.

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Kinderdok.blog

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen