Nachfragen

Liebe Frau Guney,
ich kann verstehen, dass Sie mit Ihrem Anderthalbjährigen nachts um zwei in die Notambulanz am Klinikum fahren, weil er zweimal gespuckt hat. Das kann einen nachts wirklich irritieren, und Ihrem Sohn ging es bestimmt auch nicht so gut dabei.
Ich kann auch noch verstehen, dass Sie in der nächsten Nacht um die gleiche Zeit – ach, nein, ich sehe gerade, es war eine Stunde später – nochmals in die Klinik gefahren sind, weil Ihr Mehmet wieder gespuckt hat, am Tag hatte er ja auch zweimal Durchfall, wie ich sehe.
Etwas unklar ist mir dann aber die Vorstellung in der dritten Nacht um 23 Uhr. Ok, der Durchfall ist nicht besser geworden, und, wie Sie sagen, war der Kollege in der Klinik etwas „unfreundlich und ungeduldig“. Trotzdem hat er Ihnen eine Elektrolytlösung rezeptiert. Die haben Sie aber in der Nachtapotheke nicht besorgen wollen, weil die Apotheke im Nachbarort ist. Gut, manchmal muß man weitere Wege fahren, wenn man möchte, dass das Kind wieder gesund wird.

Darf ich die Frage stellen, warum Sie heute morgen um neun Uhr ohne Termin in meiner Praxis stehen, in der Hoffnung, ich könnte Ihr Kind gesund machen? Ach, er hat gar nicht mehr gespuckt? Und seit gestern nacht – ja, da waren Sie im Krankenhaus, das habe ich verstanden – auch keinen Durchfall mehr gehabt? Klingt doch gut. Aber jetzt isst er nicht mehr richtig, soso. Nur die Hälfte des Keksbreis. Aha.

Doch doch, jeder macht sich Sorgen, wenn´s Kind spuckt und Durchfall hat. Das verstehe ich. Es macht auch Sinn, einen Anderthalbjährigen mal dem Arzt vorzustellen, damit der Schlimmeres ausschließen kann. Aber muß das zweimal nachts nach Mitternacht sein? Wissen Sie, Sie haben auch immer die Möglichkeit, im Laufe des Tages bei uns einen Termin zu machen. Tags war immer alles ok? Ja. Ich verstehe. Nachts ist ein spuckendes Kind anstrengender als am Tag.

29 Antworten auf „Nachfragen“

  1. Ja ja, ist nicht anders als bei den Tierdocs. Da kann der Schnupfen schon vier Wochen gehen und in der einen Nacht kann dann der Besitzer nicht schlafen und man muss Montag morgens 2.05 Uhr im Notdienst anrufen und unbedingt kommen müssen – Impfung und sonstige vorherige Prophylaxe gab es natürlich nicht…und wenn der Teppich vollgekackt wird, dann ist auch der Durchfall nach fünf Tagen soo viel schlimmer geworden…

  2. Seit wann sagt man eigentlich „spucken“? Ich lese das in letzter Zeit immer öfter. Zu meiner Zeit hat man das noch Kotzen genannt, oder wenn man´s „fein“ sagen wollte, Brechen. Aber spucken? Wer hat das eingeführt und vor allem, was soll das? Zumindest für mich ist Spucken was ganz anderes, als das, wofür es heutzutage genutzt wird. *grübel*

    1. Der Duden schreibt dazu „landschaftlich“. Es wird also — wie Gwen schon schreibt – regional verwendet.

      Es dürfte sich um einen Euphemismus handeln.
      Aus Kotzen wurde Speien. Aus Speien wurde Erbrechen. Aus Erbrechen wurde Spucken.

      Ähnliche Beispiele:
      * Aus Selbstmord wurde Suizid. Heutzutage begeht niemand mehr Suizid, sondern „scheidet freiwillig aus dem Leben aus“.
      * Aus Krieg wurde in den Nachrichten mittlerweile Konflikt.
      * Aus Krüppel wurde Invalide. Aus Invalide wurde Behinderter. Aus Behinderter wurde „Mensch mit Behinderung“. Daraus wird gerade „Mensch mit besonderen Bedürfnissen“.

    2. Bei uns (Raum Augsburg) hieß das schon immer Spucken. Hat nichts mit irgendwelchen Euphemismen zu tun. „Kotzen“ finde ich zu vulgär, für diesen Ausdruck wäre ich als Kind geschimpft worden. Auch heute verwende ich es nur, wenn ich mich über etwas aufregen muss, z. B. „das ist ja zum Kotzen“.

  3. Für das erste Mal habe ich vollstes Verständnis. Bei spuckenden Babies / Kleinkindern war ich auch immer ziemlich vorsichtig und ängstlich (bin allerdings immer tagsüber zum Arzt, wenn überhaupt. Irgendwann weiß man ja, was man tun muss und mit ein bisschen Erfahrung zerre ich kein Kind zum Arzt, das zweimal gespuckt hat…). Dass die Frau dann aber noch zwei mal NACHTS und dann auch nochmal um 9 Uhr morgens beim Arzt steht, ist schräg.

  4. Den jungen leuten bringt heutzutage niemand mehr etwas bei und die meisten kommunen betreiben keine säuglingssprechstunden mehr in denen junge familien von erfahrenen kinderkrankenschwestern mit rat und tat bei derartigen normalen problemen beraten werden, da wird lieber gespart. Also gehen die besorgteren eltern zum arzt. Oder nachts in die notfallambulanz, weil man nicht warten muss, endlich das auto zurück ist und weil meistens in der nacht die kinder mehr leiden. Vielleicht kennt die junge frau auch die hiesigen gepflogenheiten nicht, denn wenn angebote da sind, kann man sie auch nutzen, oder nicht?

    1. Das sehe ich anders. „Den jungen Leuten“ stehen heute mehr Informationen frei zu Verfügung als jemals zuvor. Ich hätte mit den Informationsbroschüren, die mir im Krankenhaus, von meiner Hebamme, vom Jugendamt und beim Kinderarzt gegeben wurde ganze Wohnzimmer auskleiden können. Ich bin im Krankenhaus beraten worden und konnte dort jede noch so blöde Frage stellen, sie wurde mir geduldigst beantwortet. Selbst wenn ich dort blind und taub durch die Gegend gerannt wäre, hätte es noch das Internet gegeben. An einen Stuhl gekettet und mir das alles vorgelesen hat mich keiner, das ist richtig.

      Einmal als Erstlingsmutter aus Panik zur Notfallambulanz, das verstehe ich zu gut, man weiß es einfach nicht besser und hat schnell Angst. Hatten wir auch. Und was wurde uns gesagt; baldmöglichst nochmal zum eigenen Kinderarzt gehen. Das wird auch der Mutter oben gesagt worden sein, beim ersten Mal, beim zweiten Mal. Und beim dritten Mal erst recht. In der Zeit hätte man ganz entspannt einen Termin machen können.

      Warten muss man auch in der Notfallambulanz, wenn das Kind nicht offensichtlich wirklich ein Notfall ist. Dafür sind solche Ambulanzen nämlich da und nicht als Extraservice.

      1. Das unterschreibe ich fast alles – bis auf die Ergänzung: Das Internet ist in dieser Beziehung eher Fluch als Segen. Man sollte echt niemals eine Kinderkrankheit bzw. deren Symptome googlen, sofort wird man mit Horrorgeschichten bombardiert und steht dann wahrscheinlich erst recht panisch in der Notaufnahme. Aktuelles Beispiel (in Ermangelung von Kleinkindern nehme ich Katzen ;)): Kater bekam seinen Schwanz nicht mehr hoch, ich habe gegooglet: Schwanzbruch hier, Schwanzbruch da, alles voller Horrorgeschichten. Dann zum Tierarzt, der tastet ab, gibt ’ne Spritze, sagt: „Das kann schon mal passieren, vielleicht gebissen worden, kann man jetzt nur abwarten.“, dann fragte ich, ob er vielleicht gebrochen sein kann. Darauf sagte er mir, dass er in seinen bestimmt 30 Berufsjahren quasi nie einen gebrochenen Schwanz gesehen hat –> extrem selten und unwahrscheinlich, aber beim Googlen meint man, das käme ständig vor…

        1. Internet als generelle Antwort auf alles ist natürlich nicht, das was ich meinte. Man sollte sowieso keine Krankheiten googlen, weder von Mensch noch Tier. 😉

          Aber wenn man weiß WO man guckt, findet man wirklich haufenweise brauchbare, solide Info. Die Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Beispiel – mehr braucht man fast nicht!

          Wer sich natürlich dann lieber in Elternforum Panik macht, dem schadet das Internet tatsächlich mehr. Von Tierforen fang ich lieber erst GAR nicht an, ich bin in einem einzigen geschlossenen von einer Tierschutzorganisation. Über all anders bekommt man, wie du ja richtig schriebst, nur Angst eingeflößt oder Ratschläge bei denen der zweite Teil des Wortes maßgebend ist (gerade bei Kleinnagern, die sind ja so niedlich und brauchen keinen Platz usw…)

  5. Hm, wir schlugen mit Lippe zum nähen, Hirnerschütterung und gebrochener Elle und Speiche abends im Notfall auf.
    Durchfall, bis in die Socken ;-( , gabs beim, jüngsten mit 18 Monaten auch, aber damit ging ich tagsüber zum Arzt.
    Elektolytlösung machte ich selber aus Orangensaft, Zucker und etwas Salz, mein Arzt sagte immer die reiche und sei WHO tauglich.

  6. Für die Vorstellung beim KinderDok kann es dann eine ganz einfache Lösung geben: auch auf unserem Diagnosebogen des Kinderkrankenhauses für einen fiesen Brechdurchfall stand eine Standardfloskel im Sinne von „Vorstellung beim Kinderarzt wird empfohlen“.

    Haben wir dann gelassen, weil alles fit war, stand aber eben pauschal drauf.

    (Und ich habe auch am zweiten Abend in diesem Krankenhaus angerufen und sicherlich genervt, bis mir selbst während des Gespräches einfiel, dass Diagnosen telefonisch nicht erlaubt sind und die Entscheidung, ob das Kind doch zur stationären Aufnahme muss ganz in unserer Hand liegt.)

  7. „sämtliches Elternverhalten“ war auch eher ein Eindruck, der aus der Summe seiner Posts entstand.
    Ich arbeite selbst in der Gemeindepsychiatrie und bin verrücktes Verhalten gewohnt. Finde aber, wer sich für einen Beruf entscheidet, der überwiegend auf der Interaktion mit anderen Menschen beruht, der darf sich nicht ständig über menschliches Verhalten mokieren.

    1. Kinderdok gibt authentisch den Alltag wieder. Viele Menschen sind einfach nicht mehr in der Lage, sich selbst zu kümmern. Das fängt beim Besitz eines Fieberthermometers an, spätestens wenn ein Kind ins Haus flattert.
      Wenn du in einem Nacht- oder Wochenenddienst das X-te Kind (über einem Jahr) von „hat vor 3 Stunden 2 mal gespuckt“ vor dir hast, die Eltern sich dann noch über Wartezeit von 2 Stunden oder evtl. kurz angebundenes Personal beschweren, dann änderst du deine Haltung sehr schnell.
      Es macht trotzdem Spass und – so wie ich die Posts hier seit einige Zeit lese – bleibt kinderdok sicher auch in solchen Fällen professionell. Aber etwas Spott hier kann ich absolut verstehen, finde ich sogar gut. Wir sind hier ja nicht bei der Apotheken-Unschau…

  8. …vielleicht erscheint ein krankes Kind einer jungen Mutter nachts auch erschreckender als tags.
    Ich mein, mein Gott, sie geht zum Arzt. Villeicht auch einmal zu viel. Ginge sie nicht, obwohl ihr Kind sichtlich krank ist, könnte man lästern…aber so. Sie zieht ganz sicher nicht aus verurteilenswerten Gründen mehrfach einen Arztbesuch ihrem eigenem Nachtschlaf und dem ihres Kindes vor.
    Ich weiß ja nicht, was hinter den Kulissen abgeht…aber diese Überheblichkeit, fast sämtlichem möglichen Elternverhaltens gegenüber, die ich bei Ihnen öfter lese, spüre ich bei unserer Kinderärztin nicht.

    1. Deine Kinderärztin schreibt aber auch keinen Blog. „Sämtliches mögliches Elternverhalten“ ist wohl etwas hochgegriffen, oder? Im obigen Scenario könnte ich mir einiges mögliches Elternverhalten vorstellen, über das man sich nicht beklagen könnte (und was kinderdok dann auch nicht täte tute).

      Ganz im Gegenteil: Kinderdok hat recht verständnisvoll reagiert und trotzdem am Ende angedeutet, dass eine Vorstellung eines Kindes dreimal (3x!) des nachts fürs Genesen nicht so gut ist.

      Wer mal in einer Ambulanz gearbeitet hat, weiß, dass es sehr wohl Eltern gibt, die diese bequem nutzen, um Wartezeiten zu vermeiden (oder weil tagsüber das Auto nicht verfügbar war).

    2. Was hinter den Kulissen abgeht ist folgendes: Kinder UND Erwachsene stürmen mit banalen Krankheiten wie Husten, Kopfschmerzen oder eben Durchfall die Notaufnahmen des Landes die eigentlich für schwere Unfälle, Herzinfaktpatienten, Schlaganfallpatienten, Vergiftungen usw. gedacht sind. So landen viele Fälle die der Hausarzt zu einer normalen Tageszeit versorgen könnte in der Klinik die dafür vom Personal und Ausrüstung her gar nicht vorbereitet ist. Ja und da kann man Ärger und Überheblichkeit des Personals schon verstehen. Und nebenbei gesagt: es gibt sicher dramatisch verlaufende Krankheiten aber bei Kindern sind zum Glück die meisten Dinge harmlos und bedürfen wirklich nur geduldigem Abwarten zu Hause.

  9. Ohjee.
    Ich hatte tagsüber schon Skrupel die Notfallambulanz mit meinem gebrochenen Arm zu belasten. 😀
    Wollen wir mal die Daumen drücken, dass ich später mit meinen eigenen Kindern nicht so überreagiere, wie einige Eltern das zu tun scheinen. Wobei man natürlich froh sein kann, dass sich diese Eltern überhaupt kümmern und sich auch zu nachtschlafender Zeit um die Gesundheit ihres Kindes sorgen. Da habe ich leider schon ganz andere Kaliber kennengelernt.
    Mit besten Grüßen und danke für die unterhaltsamen Beiträge, lieber Herr Kinderdok!
    Fräulein Fiete
    http://www.fraeuleinfiete.wordpress.com

  10. Was ist bloss an dieser nächtlichen Notfallambulanz-Nummer so toll?! Ok, liegt wahrscheinlich am Wohnort, bei mir ist eine Apotheke in der gleichen Strasse und die nächste Kinderklinik eine halbe Stunde Fahrt entfernt. Da besuche ich doch lieber tagsüber die Apotheke 😉

  11. oh yeah, i know that! gerne auch: „ich komme weil mein kind (5 jahre alt) 40 fieber hat.“ haben sie schon was gegen das fieber gegeben? „natürlich nicht, wir sind SOFORT hierher gefahren….“ tbc…

    1. Kann ich sogar verstehen – wenn man ein, zweimal Ärger bekommen hat, weil man sich selbst (oder dem Kind) ein Mittel gegeben hat, OHNE vorher den Arzt zu fragen, dann fährt man beim dritten Mal lieber direkt zum Arzt …

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