Die Vorsorgeuntersuchungen – U6

Hurra, das Bobele ist ein Jahr alt! Einer der wichtigsten Geburtstage für die Eltern, dem Kinde ist es völlig egal – außer, es gibt genug Geschenkpapier, mit dem es spielen kann. Die Verwandtschaft versammelt sich, alle singen, das Kind ist verblüfft über so viel Aufmerksamkeit und gibt sich ganz dem Fremdeln hin – und dem Trotzen, weil der normale Tagesrhythmus flöten geht.

Beim Kinderarzt beginnen mit der U6 die fremdkritischen Vorsorgeuntersuchungen: Wer das Fremdeln bei der U5 noch nicht kannte, jetzt gehts ab. Was ist denn das für ein Typ, der mit meinen Eltern redet, was macht denn die Frau da, die wird mich doch wohl nicht messen…. Wäääh! …. wiegen …. Wääääh!, Mama, rette mich. Was denn, was denn, nackt muß ich auch noch sein, ich kenne die doch alle gar nicht… Ja, eine Untersuchung in fremder Umgebung mit fremden Menschen in fremden Licht kann das Bobele ganz schön aus dem Takt bringen.

Aber mißverstehen wir bitte diese Emotion nicht: Die Kinder haben keine Angst, warum auch? Woher sollen sie Angst kennen? Das Weinen ist eher ein Ausdruck der Unzufriedenheit, des Frustes. „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden“, möchte der Patient sagen. Denn dieses Alter ist der Übergang aus dem Fremdeln zum Trotzen, und letzteres (bescheuertes deutsches Wort) bedeutet die Unleidigkeit darüber, dass nicht mehr alles so geht, wie sich der kleine Mensch das so vorstellt. Und was nun anderes tun als Weinen, denn darauf haben Mama und Papa doch bisher immer so gut reagiert? Dazu kommt das Nahetreten in den Intimbereich des Kindes: Viele akzeptieren es, wenn Herr oder Frau Doktor mit den Eltern auf Abstand spricht, sogar, wenn wir auf gewisse Entfernung Augen- oder Ohrenuntersuchungen machen. Aber entsteht Kontakt durch die Hände, das Stethoskop oder vielleicht auch nur ein Blickkontakt, ist das ein Eindringen in den Nahbereich, das ist unangenehm, es wird gemotzt. Uns Kinderärzte stört das nicht, also bleibt entspannt, liebe Eltern, die meisten Kinder reagieren so.

Die Untersuchung passt sich dieser Abwehrhaltung an: Viel kann man nicht untersuchen. Hörcheck, Sehcheck, Brücknertest, Abhören, Genitale, zügig und schnell, ehe Madame oder Monsieur der Situation gewahr werden und protestieren. Gut funktioniert die U6 immer auf dem Schoß der Mutter oder des Vaters. Alleine mit dem Doc am Wickeltisch? Vergiß es.

Das Kind bewegt sich jetzt frei fort – wie es das will, robbend, krabbelnd, am Tisch entlang oder bereits laufend. Aber merke: Freies Laufen beginnt erst jetzt und darf mit achtzehn Monaten erreicht sein. Also nicht zu ehrgeizig sein. ´s Bobele greift gezielt mit der Hand, aus dem Zangengriff wird jetzt ein Pinzettengriff, es spricht deutliche Worte wie Mama Papa Gaga da da du du Gigi BoBo Ubu und versteht so einige kleinere Aufforderungen wie „kuck einmal“ oder „wo ist die Omma“ und kann so nette Spielchen wie „Ich versteck mich und du findest mich“. Idealerweise ißt Schatzi jetzt komplett am Tisch mit und nuckelt nicht mehr an der Flasche. Klappt natürlich nicht immer. Aber vor allem zeigt der liebe Säugling, dass er jetzt ganz schön groß ist – und die Familie gut im Griff hat. Stimmt’s?

Achja: Mit einem Jahr wird weiter geimpft, es folgen die Lebendimpfungen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken, außerdem die Meningokokken C Impfungen und danach die erste Wiederholungsimpfung der Säuglingsimpfungen. Ausnahmen sind die kleinen Helden, die bereits mit 12 Monaten in einer Tageseinrichtung oder bei der Tagesmutter sind, sie sollten bereits vorher, z.B. mit 10 Monaten ihre Masernimpfung erhalten. Wenn’s ansonsten gut läuft und nicht die ersten Erkältungen alles verschieben, ist das Kind mit 15 Monaten komplett geimpft. Ist doch gut, oder?

Und dann ist Pause beim Kinderarzt: Mit zwei Jahren geht es erst weiter, mit der U7.

Aus dieser Reihe:
Die Vorsorgeuntersuchungen – U1
Die Vorsorgeuntersuchungen – U2
Die Vorsorgeuntersuchungen – U3
Die Vorsorgeuntersuchungen – U4
Die Vorsorgeuntersuchungen – U5

24 Antworten auf „Die Vorsorgeuntersuchungen – U6“

  1. Eigentlich schade, dass U und Impfungen immer öfter als Bedrohung oder Prüfung wahrgenommen werden und nicht als Chance und Angebot von Arzt und Krankenkasse. Und Kinderdoc: eine kleine Erkältung ist kein Grund die wichtige Impfung zu verschieben, aber das weißt du ja.

    1. Weiß ich doch, auch wenn die Kombination Impfung und ERSTE richtige Erkältung für die Eltern oft Ängste freisetzt. Da gebe ich gerne mal eine Woche dran.

  2. Bei uns gabs eigtl noch nie Probleme bei der U. Nur der kleine Bruder, der dank Kitaschließung neulich mitmusste zur U vom Großen, der beschwerte sich, weil er nicht abgehört wurde 🙂
    Impfen geht bei uns bisher auch immer ohne Probleme. Ja, es piekst. Aber ist gleich vorbei 🙂 Wir sind aber selber auch völlig gelassen, das hilft mit Sicherheit.

  3. „es spricht deutliche Worte wie Mama Papa Gaga da da du du Gigi BoBo Ubu und versteht so einige kleinere Aufforderungen wie “kuck einmal“ oder “wo ist die Omma”“

    Hier musste ich kurz wundern, denn unsere Maus war mit einem Jahr noch weit davon entfernt, irgendwelche Worte DEUTLICH zu sprechen. Selbst mit knapp eineinhalb kommen von ihr jetzt nur „Mama“, „Papa“, „Nein“ und „Meine“. Und Aufforderungen, wie oben beschrieben, folgt sie auch erst seit etwa einem Monat. Ab wann manch man sich also sorgen bezüglich Sprache und Gehör?

    1. gab es ein Hörscreening zur U2? Bzw so in dem Alter, frisch gepresst, bei uns läuft das noch im Krankenhaus. Wenn da alles in Ordnung ist kann man erstmal beruhigt sein. Wie war denn bei euch Eltern die Sprachentwicklung? Wenn ihr (oder einer von euch) auch erst spät gesprochen habt, ist das ein weiteres Indiz für „alles in Ordnung“.
      Gibt es denn Indizien für ne Schwerhörigkeit? Erschrickt sie, wenn ne Tür knallt? Wie ist es mit dem Rascheln einer Gummibärchentüte 10m gegen den Wind?

      Beobachtet euer Kind, vertraut ihm und sprecht es bei der nächsten U ruhig mit an 🙂

      1. Ja, Hörscreening gab es, war unauffällig. Sie reagiert darauf, wenn das Telefon klingelt und geht auch zur Tür, wenn sie hört, das Papas Schlüssel draußen vor der Tür ihn ankündigen.

        Über unsere Sprachentwicklung weiß ich leider nichts mehr. Meine Eltern können sich nicht erinnern, ebenso wenig die von meinem Mann. Ich denke einfach, wir müssen abwarten… Man nimmt sich ja immer vor, sich von niemandem verrückt machen zu lassen, schon gar nicht von anderen Eltern, aber man kommt nicht darum herum, sich manchmal eben doch zu fragen, was alles im Rahmen ist. Und wenn man dann im Fragebogen der U6 liest: spricht 2 oder mehr Worte, während das eigene Kind nur da! da! ruft, kommt man halt ins Grübeln.

        Momentan brabbelt die Kleine viel unverständliches Zeugs und hat eben 5 deutliche Worte, die man versteht und die sie auch gezielt einsetzt. Aber wenn ich dann lese, dass im Alter von 18 Monaten andere Kinder sich da schon gezielt ausdrücken können, dann wird man als Erstlingsmutter ohne Vergleichsmöglichkeit etwas unsicher. Von daher wäre ich froh über eine U6a mit 18 Monaten. Da könnte man sowas ansprechen.

        Wie kann ich sonst meinen Kinderarzt klar machen, dass ich mir Sorgen mache, ohne dass er mich für eine dieser übernervösen Mütter hält, über die sich oft so gerne lustig gemacht wird.?!?

        1. > Wie kann ich sonst meinen Kinderarzt klar machen, dass ich mir Sorgen mache …

          Einfach beim nächsten Besuch (der ergibt sich bei Erstlingseltern mit Sorgen eigentlich automatisch aus einem größeren Infekt) kurz mal ganz doof fragen. Kurze „doofe“ Fragen nebenbei sind den mir bekannten Kinderärzten lieber als lange gewundene Herumstammeleien.

          Ansonsten mal einen Nichtratgeber holen, wie den Remo Largo „Babyjahre“. Da stehen dann solch Sätze wie „So wie Eltern erwarten, dass ein Kind mit einem Jahr die ersten Schritte macht, nehmen sie auch an, dass es mit zwei Jahren spricht.“ Der Satz sagt eigentlich schon alles und folgend hat man dann auch ein paar Grafiken.

          Aus anekdotischer Sicht: auch als Zweitlingseltern macht man sich immer mal wieder Gedanken. Und auch als Zweitlingseltern waren wir doch immer wieder überrascht, wie viel anders Kinder sich entwickeln. (Bei uns haben die Zwerge gern Entwicklungssprünge in zwei, drei Wochen gemacht.)

          Persönlich nervt mich dann nur, wenn diese Vergleiche (die, denke ich, viele von uns haben) allzu öffentlich ausgetragen werden. Unterhaltung mit innerem Augenverdrehen: Nein, mein Kind spricht noch keine Dreiwortsätze wie dein gleichaltriges Kind. Ja, ich seh dir die Erleichterung an, da ja dein Kind damals „erst“ nach unserem anfing zu laufen. Ja, normalerweise merke ich mir das eben nicht so genau, deshalb muss ich beim Arzt auf diese Frage hin oft einen Moment nachdenken und die Erinnerung an das erste dies und das mit anderen Ereignisse zusammenbringen um einen Zeitraum sagen zu können.

        2. Klingt doch aber erstmal völlig in Ordnung 🙂 Der Moment wo man die Augen verdreht und sich wünscht das Kind könnte wenigstens EINMAL nur 5 Minuten die Klappe halten, kommt früh genug.

    2. das „deutlich“ in meinem Text war auch eher ironisch gemeint. Kaum ein Einjähriges spricht „deutlich“. Wir nennen das Silbenverdoppelungen, eben „Mama Papa Gaga da da du du Gigi BoBo Ubu“, wenn dabei mal was Sinnvolles herauskommt: Zufall.

      1. Da sind dann einige Eltern sehr phantasievoll:“Luca-Tyrese ist sieben Monate alt und sagt schon Papa!“ 😉 Eine Freundin behauptet gar, ihr Sohn habe am ersten Geburtstag mit Oma telefoniert und dabei gesagt:“Mama hat einen Kuchen gebacken.“ Ich wage das dezent zu bezweifeln und glaube, sie vertut sich um ein Jahr *g*.

        1. Halte ich auch für ein Gerücht. Ich war nach allen Aussagen sehr früh dran mit dem Sprechen, und mein Meisterstück war mit 19 Monaten der Kommentar zum neuen Geschwisterchen: „Mama Baby kauft?“ 🙂

  4. Lieber Kinderdok, vielen Dank fürs Weiterführen der Reihe. Bei uns steht in knapp 2 Monaten die U7 an. Vielleicht schaffen Sie´s ja vorher noch, dazu Ihren Senf abzugeben 🙂

  5. Schön geschrieben, ich erinnere mich auch an diese U und war froh, als es überstanden war. Aber unser Zwerg fremdelte mit dem Kinderarzt eigentlich nicht so richtig, eher die Gehilfinnen machten ihr Angst.
    Aber warum Schluss bis zur U7? Wir hatten auch eine U6a mit 18 Monaten.

    Gruß

      1. Bei uns gabs zwar keine U6a, dafür eine U5a mit 9 Monaten. Gezahlt hat, nehme ich an, die Kasse. Unsere Kinderärztin bietet diesen Service Erstlingseltern an, denen der plötzlich so große Abstand von 6 Monaten von U5 zu U6 zu lang ist.

        1. Sowohl eine U5a oder eine U6a sind Bestandteil der Krankenkassenleistung. „Service“ der Kollegin bedeutet Service auf Kosten der Solidargemeinschaft, denn wenn die Kollegin das Kind extra wegen dieses Termines sieht (und sonst nicht im Quartal), rechnet sie eine volle Quartalspauschale ab, ohne kurativ tätig zu sein. Das verstößt gegen das Kassenarztrecht.

          Sie kann einen solchen Service anbieten, kein Problem, muß das dann aber als Individuelle Gesundheitsleistung IGEL abrechnen, also privat gegenüber den Eltern.

          So kann man sich auch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen: „Service“ anbieten, sich von der GKV bezahlen lassen, die Eltern im Unwissen belassen. Naja… solange kein Kläger,…

          1. Ich fand das Angebot wirklich sehr nett und habe es gern angenommen. Wir waren allerdings in dem Quartal auch zu einer „echten Behandlung“ noch mal da.

            Aber ja, richtig und fair wäre es, das als gesonderte Leistung mit den Eltern abzurechnen.

      2. In NRW wird die U6a mit 18 Monaten angeboten und natürlich von den privaten Kassen gezahlt, aber auch viele gesetzliche Kassen zahlen diese Untersuchung bereits. Meine Tochter ist privat und hat diesen Termin direkt bei nach der U6 erhalten. Die Tochter meiner Freundin ist gesetzlich versichert und hat von der Krankenkasse die Rückmeldung erhalten, dass die U6a bezahlt wird. Somit haben wir diese Untersuchung machen lassen.

        In das gelbe U-Heft wurde dann ein zusätzlicher Zettel rein, die Bestätigung der U6a und die Ergebnisse.

        im neuen großen grünen Heft ist diese schon drin, glaub ich jedenfalls. Ist schon etwas her.

  6. unser Zwerg(5) war da zum Glück schon von Anfang an ein liebes Kerlchen das alles über sich ergehen ließ/lässt,nur die Vorherige Kinderärztin hatte er gefressen,dort war es bei Impfungen üblich das sie eine Spritze in der Hand hatte,die Assistentin die zweite,ich den Zwerg auf dem Arm,beide Damen mit den Spritzen Links und Rechts neben dem Knaben,Ärztin zählt Eins..zwei..drei und Zeitgleich wurden die Nadeln versenkt.Das fand ich dann doch echt fies und hinterhältig und unser Zwerg hat dementsprechend laut protestiert wenn es dort hin ging.Dafür braucht die jetzige Kinderärztin ein dickes Trommelfell denn er will alles ganz genau wissen und fragt ihr etliche Löcher in den Bauch 🙂

    1. Ich fand diese Doppelimpfungsart eigentlich ganz praktisch bei unseren, dann waren die Piekser wenigstens zeitgleich vorbei. Ich glaube auch, daß es bei einer Impfung nicht mehr Geschrei gibt als bei zwei parallelen. 😉

      Was wir persönlich bevorzugten, war daß das Kind auf dem Wickeltisch liegt und ggf. der wedelnde Arm von einer Assistentin gehalten wird, damit es nicht denkt, wir Eltern wären die bösen Festhalter. So waren sie immer nur sauer auf die Mediziner und nicht auf uns… wobei die Kinder so unterschiedlich ist. Der Zweite fremdelt viel mehr und schreit schon beim Anblick des Arztes so sehr, daß es sich beim Impfen nicht mehr steigerte. Er mag einfach keine Kerle, glaube ich. Danach ist er stinksauer und will auch nicht beruhigt werden. Unser erster Sohn war immer zurückhaltend, brüllte aber erst beim Pieksen und ließ sich prompt mit Stillen bestechen und beruhigen. Unsere letzte MMR-Impfung kommt übrigens übermorgen – Wahnsinn, schon wieder 15 Monate vorbei!

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