Der Kollege und der Arbeitsschutz

Lieber Kollege der Allgemeinmedizin,
ich führe gerne, wie viele meiner kinderärztlichen Kollegen, die Arbeitsschutzuntersuchungen für die Jugendlichen durch, bevor diese mit ihren Ausbildungen beginnen. Das ist gesetzlich vorgeschrieben und wird fürstlich (ca. zwanzig Euro) entlohnt. Oft sind auch Untersuchungen junger Frauen dabei, die in einer Arztpraxis als Medizinische Fachangestellte lernen möchten.

Berücksichtigen muß ich dabei die Infektionsgefahr im gesundheitlichen Bereich, nehme eventuell Blut ab, um durchgemachte Erkrankungen zu checken (z.B. Zytomegalie oder Parvovirus), die sich Angestellte in Arztpraxen gerne mal „holen“ und überprüfe immer den Impfstatus der angehenden Auszubildenden. Klassisch empfohlene Impfungen (neben der üblichen STIKO-Empfehlung) sind dabei Hepatitis A und B, letztere in der Regel Teil des Impfschemas beim ehemaligen Säugling (jetzt angehender Azubi), erstere nur Empfehlung bei Reisen oder eben bei Kontakt mit Patienten.

Jetzt geht´s also um Melanie, bei der ich die Jugendarbeitsschutzuntersuchung gemacht habe. Ihre Blutwerte ergaben einen guten Schutz gegen alle möglichen Erkrankungen und ihr Impfschutz ist komplett (kein Wunder, ich kenne Melanie seit der Geburt). Was fehlt, ist die Hepatitis-A-Impfung, ein Titer ist auch nicht zufällig vorhanden.

Achja, da fällt mir nochwas ein, aber das wissen Sie bestimmt: Die Hepatitis-A-Impfung Ihrer Mitarbeiter, also auch Ihrer zukünftigen Auszubildenden, ist Sache des Arbeitgebers. Nicht Sache der Jugendlichen, nicht Sache des betreuenden Arztes und schon gar nicht Sache der Krankenkasse. Ihre Auszubildende, Ihre Verantwortung, Ihre Impfung, Ihre Spritze, Ihr Geld! Hepatitis A muß man übrigens zweimal impfen, um einen guten Schutz zu erreichen – das kostet Sie einen guten Hunderter aus der Portokasse, das sollte Ihnen der Schutz Ihrer Auszubildenden wert sein.

Nun zu Ihrem Anliegen: Nein, tut mir leid, ich kann das nicht auf Krankenkassenkarte abrechnen und damit die Gesetzliche Krankenkasse belasten, denn das schließt die KBV grundsätzlich aus. Sie meinen, ich könne ja so tun, als ob Melanie einen Urlaub in Südostasien plane? Naja. Ganz abgesehen davon, dass das gar nicht wahr ist, wäre es eine Reiseimpfung, die dann die Patientin selbst tragen muß. Die Krankenkasse würde das dann ja vielleicht aus Kulanzgründen ersetzen? Mag sein. Trotzdem Betrug.
Hübsch auch Ihr Vorschlag, wir könnten doch einfach Tw.in.rix impfen, also die Kombi aus Hepatitis A und Hepatitis B. Das wird ja in manchen Bundesländern (so auch unserem) von den Krankenkassen bezahlt…
Sie hatten aber schon gesehen, dass Melanie bereits gegen Hepatitis B geimpft ist? Ja? Macht nichts? Viel hilft viel? Naja, nochmal: Ich bin ja ein fleißiger Impfer, aber etwas zu impfen, was bereits geimpft wurde und einen Antikörpertiter von fetten 1000 IE/L produziert hat … Och nö.

Ich fürchte, das müssen Sie wohl selbst berappen.
Das finden Sie jetzt unkollegial? So sehr, dass Sie den Hörer auflegen?
Hallo? Halloo?

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (siehe Punkt 5.)

„Impfungen nach den Vorschriften des Arbeitsschutzes fallen in die Zuständigkeit des Arbeitgebers.“ (Statement beispielhaft der Barmer GEK)

22 Antworten auf „Der Kollege und der Arbeitsschutz“

  1. Was der Allgemeinmediziner hier formuliert, ist sicher nicht korrekt und ich möchte das auch wirklich nicht unterstützen.

    Aber vielleicht hättest Du Dir den Anruf beim Arbeitgeber trotzdem verkneifen sollen oder sie zumindest erst mal fragen sollen, ob sie mit dem Anruf einverstanden ist.
    Grund: Es ist ihre erste Arbeitsstelle, es ist ihr Ausbildungsplatz. So einen Ausbildungsplatz zu finden, ist sicherlich auch als MFA nicht einfach. Wenn ihr Arbeitgeber da schon so ein Knauser ist, kommt der Anruf wahrscheinlich bei ihm nicht sonderlich gut an. Melanie kann bei einer Berufsausbildung innerhalb der Probezeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Sie steht aufgrund des Anrufs jetzt halt schon gleich am Anfang bei ihrem Arbeitgeber nicht gerade gut da.

    Je nach Sachlage wäre es vielleicht besser gewesen, Melanie die Kosten zu berechnen und ihr den Ratschlag zu geben, die Rechnung dem Arbeitgeber zu geben. Dann kann sie selbst das machen, was sie für richtig hält.

    Unabhängig davon muss sich Melanie selbst fragen, ob dieser Ausbildungsplatz wirklich der richtige für sie ist und gegebenenfalls eigene Konsequenzen ziehen. Ich selbst möchte eigentlich nicht für einen derartigen Arbeitgeber arbeiten. Aber man weiß nie wie die Arbeitsplatzsituation gerade ist.

      1. Es sind doch alles nur Menschen. Und eine Gefälligkeit oder eine schnelle unkomlizierte Hilfe unter Kollegen, die brauchst vielleicht auch einmal du.

      2. @kinderdok: Ich habe den Kommentar von Dir in den Antworten leider erst gelesen, nachdem ich meinen Kommentar schon geschrieben und abgesendet hatte. Mir ging es hauptsächlich darum, als Kinderarzt bitte den Punkt auch zu berücksichtigen, dass Deine Patientin Melanie hier einen Ausbildungsplatz angetreten hat, bei dem sie in einem guten Licht erscheinen will. Gerade als Berufsanfänger baut man eh noch genug Mist, weil man einfach unerfahren ist. Da ich bei dem Anruf nicht dabei war, habe ich zu dem Gespräch selbst keine Meinung.
        „Anonym“ hat oben formuliert, dass sich auch ihr Arbeitgeber während ihrer Ausbildung als MFA geweigert hätte, derartige Schutzimpfungen zu bezahlen. Ich denke, dass man frisch von der Realschule bei solchen Dingen seinem Arbeitgeber eher hilflos ausgeliefert ist.

        @keinVerständnis: Deine gesamte oben aufgeführte Argumentation verstehe ich als in der Industrie tätiger Apotheker überhaupt nicht. Es ist die rechtliche Pflicht eines Arbeitgebers, für seine Arbeitnehmer zu sorgen und zumindest rechtliche Vorschriften einzuhalten. Wenn eine MFA Blut abnehmen soll, dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, dafür die notwendigen Schutzimpfungen zu bezahlen.
        Du verlangst, dass diese rechtlich vorgeschriebene Schutzimpfung die Kasse übernehmen solle und Kinderdok angeben solle, dass es sich dabei um eine Reiseschutzimpfung handeln würde. Das nennt man juristisch „Aufforderung zum Betrug“. Die Nummer ist strafbar.
        Neben der juristischen Nummer finde ich es auch – nach meinem Kompass – moralisch verwerflich, wenn ein Arbeitgeber sich weigert, notwendige Vorsorgemaßnahmen zu bezahlen, die seine Mitarbeiter vor vermeidbaren Erkrankungen schützt.

  2. Na ja, Charite Berlin, Unimedizin. Noch vor ca. 7 Jahren hieß es beim Arbeitsmediziner (Pflichtbesuch), man solle sich gegen Hepatitis B und, wenn möglich, auch A impfen lassen. Vor dem Physikum, der Ärztlichen Vorprüfung, wurde das aber nicht bezahlt, intensives Nachfragen und Recherchieren ergab, daß der Grund sei, daß „viele sich um das Physikum herum ja noch umentscheiden würden“, so daß die Investition noch nicht sicher genug wäre. Halloo?! In meinen Pflichtkrankenpflegepraktika war ich trotzdem allem möglichen ausgesetzt, unabhängig von einem späteren theoretischen Kurswechsel. Ich habe die Twin Impfung dann über meine Kasse selbst impfen lassen. Auch vor zwei Jahren, diemal vor dem PJ/Praktischen Jahr, hieß es bei der Arbeitsmedizinischen Untersuchung und Anamnese, Hep. B müsse aufgefrischt werden. Nee, das AMZ könne das nicht, das müsse der Hausarzt schon machen. Grundlage war übrigens der Impfausweis. Ich habe auf eigene Kosten meine Titer bestimmen lassen und voila, alles im guten Titerbereich, also keine Impfung notwendig. Sonst hätte ich mich schon wieder privat impfen lassen müssen. Das Problem ist, daß Studenten an der Charite, auch im klinischsten aller Studienabschnitte, nur Studenten sind, keine Praktikanten. Auch nicht, wenn man ein Jahr lang 8-h-Schichten unbezahlt im Krankenhaus auf der Station wie ein Assistenzarzt arbeitet. Daher haben Studenten offiziell ja auch kein Anrecht auf Mutterschutz (ich habe meinen trotzdem durchgesetzt). Es ist disaströs, daß die Kostenübernahme in medizinischen Bereichen für so wichtige Impfungen immer noch ein Eiertanz ist. Lächerlich nahezu.

  3. ich hab auch MFA gelernt……und mein ehemaliger Chef hätte sich auch geweigert das zu zahlen (wie so vieles andere…)…
    hoffentlich darf das jetzt nicht Melanie ausbaden…

  4. Ich brauchte vor Jahren für mein Studium eine HepA-Impfung, ohne die ich nicht hätte weiterstudieren dürfen. Sie war also von der Uni vorgeschrieben und wurde daher nicht von meiner Krankenkasse bezahlt (bei Reise wäre sie bezahlt worden). Die Uni widerum weigerte sich die Kosten zu übernehmen mit dem Hinweis, das würde die KK zahlen. Was war also: Ich habe alles aus eigener Tasche bezahlt. Ein Jahr später hat dann die Uni die Impfungen und damit die Kosten übernommen…

    1. Ich habe den Arzt auch gefragt, warum er sie nicht übernehmen würde, und er meinte, das ginge nur bei Schutz im Inland. Daraufhin meinte ich, daß ich genau das bräuchte und wir haben es dann so gemacht. Ich weiß, daß das letzendlich für die Kasse beschissen ist, wollte aber auch nicht für die Unvernunft der Uni bezahlen. Wenn man für Pflichtpraktika Impfungen braucht, sollten die zumindest anteilig übernommen werden. Das wäre zumindest nett.

  5. Die Zeit, die er für den Anruf bei Kinderdoc gebraucht hat und um sich die Möglichkeiten zu überlegen, kostet bestimmt mehr als wenn er eben mal schnell selbst gemimpft hätte, oder???

  6. Bei der Impfung gegen Hepatitis B gibt es entsprechende Gesetzestexte über die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber, aber bei der Hepatitis A finde ich leider keinen Beleg für die Pflicht der Kostenübernahme. Die Stiko -Empfehlung alleine beinhaltet das ja leider noch nicht. Können Sie mir eine Quelle nennen? Als Ausbilderin von MFA habe ich öfter mit Chefs zu tun, die sich weigern, Kosten für Impfungen zu übernehmen.

  7. Man kann es sich auch schwerer machen als nötig. In manchen Bundesländern werden HepB UND A Impfg. von der Krankenkasse bezahlt oder man nimmt sie halt als Reiseimpfung, wenn man mal FSME- Impfung betrachtet, da weiß hinterher auch keiner, ob der Patient in diesen Gebiten unterwegs ist. Wer sich als Oberlehrer aufspielt, kommt bei Patienten und Kollegen erfahrungsgemäß weniger gut an.

    1. … und das, liebe Mitbürger, ist nur eines der täglichen Beispiele, weshalb wir eigentlich nicht viel anders als das vielgescholtene Griechenland funktionieren. Schnell die eindeutig beim Arbeitgeber liegenden Kosten der Allgemeinheit überhelfen, Amigo-System, kannmanjamalmachen, hierhast’nHunniunterderHand.

      1. Solche Leute gibt es überall. Irgendwas hast du da falsch verstanden. Das Problem ist nicht, dass es sowas in Deutschland nie gäben täte, das Problem ist, dass sowas in Griechenland der Normalfall ist.

      1. Mal abgesehn, dass die Kombi- Impfung nicht schaden würde (aber das weißt du sicher auch) wundere ich mich nur darüber, wie viel Kraft du für solche Kleinigkeiten investierst. Da kann man dich nur bewundern oder eher sagen, willkommen im Burn-out?

    2. Mit anderen Worten:
      Kinderdoc soll einen Betrug begehen. Denn genau DAS wird hier ja (auch von seitens des arbeitgebenden Arztes) vorgeschlagen. Ich verweise hier mal freundlihc auf das Strafgesetzbuch § 263.
      Und dann nicht mal gut. Denn die Azubi müsste in Vorkasse gehen (100€ beim MFA-Azubi-Gehalt sind VERDAMMT viel Geld – Absatz 3 im § 263 könnte hier sehr interessant sein, wenn die Familie nicht in der Lage ist, die Azubi ausreichend zu unterstützen… nur mal so nebenbei) und wenn sie Pech hat, bleibt sie auf den Kosten sitzen, weil die Krankenkasse eben nicht kulant ist.

  8. Versuchen kann man es ja mal. Aber das dann ausdiskutieren zu wollen, das ist schon mehr als frech! Und das alles für, wie geschrieben, 100 Euro. Scheint wirklich schlecht zu gehen, die Praxis.

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