Impfstoffe werden knapp – nicht nur bei der Grippeimpfung. Der BVKJ schlägt Alarm.

Kinder- und Jugendärzte fordern: Politik muss Versorgung mit Impfstoffen sicherstellen

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ist in großer Sorge. Niedergelassene Kinder- und Jugendärzte überall in Deutschland melden, dass sie in den Gemeinschaftsunterkünften und in ihren Praxen zahlreiche unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ohne Impfdokumente sehen, die unbedingt geimpft werden müssen. Viele von ihnen sind noch nicht in den ihnen zugewiesenen Kommunen und haben noch keinen Vormund. Ohne Vormund aber auch keine Impfung für Minderjährige. Auch bei den vielen Kindern, die mit ihren Eltern aus den Krisengebieten zu uns kommen, gibt es große Impflücken.

„Viel schlimmer aber als der fehlende Vormund ist der Mangel an Impfstoffen“, so BVKJ-Präsident Dr. Wolfram Hartmann in Köln. Bis zum Jahresende werden wir bestimmte Impfstoffe nicht bekommen, etwa den Impfstoff gegen Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung und Tetanus. Auch nicht als Reimport über eine europäische Apotheke. Auch beim Kombinationsimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken sowie beim nasalen Grippeimpfstoff für Kinder zwischen zwei und sieben Jahren gibt es große Lieferengpässe.

Mit anderen Worten: wir können die Bevölkerung, einheimische Kinder und Flüchtlinge gleichermaßen, nicht mit den Basisimpfstoffen versorgen. Der Impfstoffmangel, den die Pharmafirmen verantworten, muss jetzt dringend Chefsache des Gesundheitsministers werden! Kinder haben ein Recht auf die vom RKI empfohlenen Impfungen, vor allem für chronisch kranke Kinder sind rechtzeitige Impfungen auch gegen Grippe, insbesondere, wenn sie in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, lebenswichtig.

Die Bundesregierung muss jetzt dringend handeln und das Recht der Kinder auf Impfschutz durchsetzen. Die Impfstoffversorgung ist ebenso eine nationale Aufgabe wie die Versorgung mit Ärztinnen und Ärzten“

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Dies ist eine Pressemitteilung des BVKJ.
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Bei uns in der Praxis sieht es momentan noch sehr gut aus, da wir einen großen Patientenstamm versorgen, lagern wir einen ausreichenden Puffer an Impfstoffen ein (was auch ein Risiko darstellt – so bleiben wir auf den Kosten sitzen, wenn unser Kühlschrank mal schlappmacht). Dennoch wird es diesen Winter wohl einige Probleme geben.

Ähnlich ist es bereits jetzt mit dem Grippeimpfstoff – insbesondere beim o.g. nasalen Impfstoff. Dieser wird nur in Zehnergebinden von der Firma abgegeben, eine unverständliche Verschiebung des Kostenrisikos auf die einzelne Praxis (zumal der nasale Impfstoff in den meisten Bundesländern außerhalb der Rabattverträge über den Namen des zu impfenden Kindes besorgt werden muß). Völlig daneben für ein Land, das großspurig mit dem Solidargedanken der gesetzlichen Krankenversicherungen hausieren geht.

27 Antworten auf „Impfstoffe werden knapp – nicht nur bei der Grippeimpfung. Der BVKJ schlägt Alarm.“

  1. Super! Jetzt führt die Migrantenwelle sogar schon dazu, dass die Gesundheitsversorgung der Deutsche gefährdet wird. Ganz klasse!

    1. Es ist m.E. nicht die Welle, sondern das System.
      Weil es es nicht auf die Reihe bringt, die Hersteller zu bestimmten Produktionsmengen zu verpflichten.
      Klar ist Impfstoffherstellung etwas komplizierter als Kuchen backen. Aber solange Lieferverträge politisch gewollt sind, werden die Nichtgewinner der Ausschreibungen sich nicht ins Zeug legen und produzieren.
      Geht dann beim Gewinner (jawohl, zuerst GEWINN!) was schief, steht man ohne da.
      So ist das eben. Sonst heißts ja auch wieder: Eingriff in die unternehmerischen Freiheiten.
      Da muß man als Politiker schon abwägen, welche Hand mehr rüberreicht – das Volk oder die Lobby.

    2. … oder sie fuehrt dazu, dass eine derart grosse Menge Impfstoff benoetigt wird, dass es sich lohnt, die Produktionsmengen anzuheben (was zwar nicht bis morgen hilft, aber mittelfristig). Es ist nicht alles Schwarz/Weiss, und die moeglichen Zusammenhaenge vielfaeltig …

  2. Urgs, ich habe dieses Impfchaos befürchtet. Mein Sohn ist 5 Monate alt und kann natürlich die nächsten Monate noch nicht gegen Masern geimpft werden. Ich hab echt Schiss, dass im Winter eine Krankheitswelle umherschwappt.

  3. Oh je! Bin sehr froh, dass meine Lütten gerade gut geimpft sind, incl. Meningokokken B. Aber ich bin nächstes Jahr wieder dran – und das wo genau das passiert, was ich so lange kritisiere: Dass der Impfschutz von den vielen Flüchtlingen aus den verschiedenstens Gründen schlecht ist und schlecht bleibt.

    Allerings scheint das die Eltern nichtgeimpfter Kinder in meiner Umgebung nicht recht zu beunruhigen – Ts. Ts. – Immerhin führt das dazu, dass ich der Mangel nicht noch weiter verschärft, weil jetzt alle doch noch auf den Trichter kommen.

  4. Es ist etwas off-topic, aber ich habe gerade diesen Artikel (http://www.tagesschau.de/inland/frischzellen-101.html) gelesen und musste an den Kinderdoc denken, der sich rund um Impfung und Homöopathie den Mund fusselig redet (und dafür zu Recht mal laut und deutlich gelobt werden sollte!).
    Aber das es so absurd geht… Frischzellenkur. Ist ja wohl eher nicht Deine Kundschaft.
    Kollegiale Grüße oder so,

    der Narkosedoc

  5. Der Impfstoffmangel, den die Pharmafirmen verantworten, muss jetzt dringend Chefsache des Gesundheitsministers werden!

    Ha Ha Ha
    Beim Bundesgesundheitsministerium wird doch nur das gemacht was die Lobbyisten der Pharmaindustrie denen vorschreiben……….

    Rund um das Gesundheitsministerium sind 430 Lobbyverbände angesiedelt, die die Interessen ihrer Auftraggeber durchsetzen wollen. Die Probe aufs Exempel steht aber noch aus. Im Lauf dieses Jahres will die Große Koalition einen Entwurf für eine umfassende Reform des Gesundheitssystems vorlegen. Dies kann aber nur gelingen, wenn die Blockade- und Gestaltungsmacht der Lobbygruppen gebrochen wird.
    http://www.zeit.de/online/2006/10/lobbyismus

  6. Kühlschrankausfall ist kein zu vernachlässigendes Risiko. Ist uns gerade passiert. Man muss der AOK die gelagerten Impfstoffe bezahlen und die selbstgekauften sind auch kaputt. Das ist richtig viel Geld.
    Dazu kommt, dass die AOK einem den sogenannten „Listenpreis“ berechnet, der sehr viel höher ist als der Preis für den sie den Impfstoff über den Rabattvertrag bekommt.
    Niemand weiss so recht, wie billig die Medikamente in den Rabattverträgen wirklich sind, wir Ärzte werden gegängelt ja immer das günstige Rabattvertrag Medikament zu verschreiben und auf der anderen Seite haften wir mit unserem persönlichen Vermögen für Medikamente zu einem viel teureren Preis.
    Ein Moloch!

  7. @Kinderdoc:
    Kennst Du diese Liste? http://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoff-impfstoffe-fuer-den-menschen/lieferengpaesse/informationen-lieferengpaesse-impfstoffe-node.html

    Seit Anfang Oktober 2015 listet das Paul-Ehrlich-Institut dort aktuelle Liefengpässe auf, inkl. Handlungsempfehlung, welche Impfstoffe alternativ verfügbar sind. Es wird auch aufgelistet, wann die Impfstoffe wahrscheinlich wieder verfügbar sein werden.

    Die Liste wird regelmäßig aktualisiert.

  8. Dann war es ja gut, dass wir heute den Grippe-Rundumschlag gemacht haben und Sohn, Mama und Papa haben versorgen lassen.
    Auf der anderen Seite ist es auch merkwürdig, wenn drei Personen (ohne, dass das groß thematisiert wird) drei verschiedene Impfstoffe bekommen … Sohnemann den nasalen Impfstoff, Mama als GKV-Patienten den trivalenten Xanaflu und Papa als PKV-Patient den tetravalenten Influsplit tetra. Letztes Jahr haben wir noch alle drei Xanaflu bekommen (da war Sohnemann noch zu jung für den nasalen Impfstoff).

    1. Ja, ist das nicht ein Witz? Um es klar zu sagen: Das brocken uns die Kassen mit den Rabattverträgen ein. Dreiklassenmedizin nicht durch Ärzte, sondern durch die gesetzlichen Kranken Kassen.

  9. Das ist ja kein wirklich neues Thema. Für Kinder sieht es meistens noch ganz gut aus, aber ich hatte schon Patienten, die ungeimpft trotz monatelangem Vorlauf verreisen mussten (konkret war das eine Tollwutimpfung). Grippeimpfstoffe sind jedes Jahr wieder ein Problem – immer mal wieder fällt einer nicht so gut organisierten Praxis auf, dass sie zu wenig geordert hat. Nicht immer gibts dann noch Nachschub. Und auch sonst sieht es zT. ziemlich mau aus – Havrix für Erwachsene ist schon ewig nicht lieferbar und wird wohl erst im nächsten Jahr wieder lieferbar sein. Die Lieferschwierigkeiten sind ein sehr, sehr peinliches Thema.

    1. Oh jaaa, der viel geliebte Tollwut-Impfstoff.
      Seit Ewigkeiten ein Problem – als ich vor gut sechs Jahren die Impfung brauchte, bin ich nach zwei Monaten „wir versuchen den Impfstoff zu bekommen“ extra zwei Stunden weit zur einer anderen Niederlassung gefahren, weil die noch Impfstoff hatten. Und das war beim Betriebsarzt und als Risikogruppe Tierarzt. Sonst hatte man überhaupt keine Chance, an den Impfstoff zu kommen.
      Seitdem habe ich regelmäßig gehört, dass mal wieder gerade kein Impfstoff verfügbar ist. Eine verhängnisvolle Kombi aus wohl recht aufwändiger Herstellung und immer mehr Leuten, die in Risikogebieten Urlaub machen müssen.
      Auch ein Grund, warum ich mir die Auffrischung bislang gespart habe.

    2. Zu wenig geordert weil schlecht organisiert muss nicht mal sein. Impfstoffe gehören in die Kühlschränke – und wenn die voll sind, dann sind die voll.
      Unsere Impfstoffe gehen jetzt auch zur Neige und wir haben nicht mal die Hälfte aller Patienten geimpft – aber wir hatten aber auch nicht genug Lagermöglichkeiten, um mehr zu bestellen.

      Immerhin bekommen wir nun einen dritten Kühlschrank, um dem entgegen zu wirken – was auch bitter nötig ist, da unser aktueller Kühlschrank vor kühlungspflichtigen Medikamenten fast überläuft (und unser zweiter als Notlagerungsmittel herhält, obwohl das eigentlich der Gesellschaftskühlschrank ist und dieser als solches gar nicht herhalten darf.)

    3. Die Aussage, der Tollwut-Impfstoff sei gerade nicht verfügbar, gibt wenigstens noch Hoffnung, daß es ihn irgendwann wieder gibt. Mir hatte die Arzhelferin erklärt, der Tollwut-Impfstoff würde überhaupt nicht mehr hergestellt, denn die Impfung sei sowieso unnötig. Als Wildbiologin freut man sich über eine solche Aussage…

      1. Und was wollen die machen wenn jemand von einer tollwutverdächtigen Fledermaus gebissen wurde? Auf die Tierimpfstoff zurück greifen?

        1. Kommentar einer Ärztin zu meiner Kollegin: „Ich habe noch nie gehört, daß sich ein Waldarbeiter bei einem Siebenschläfer mit Tollwut infiziert hätte.“ Klar, Waldarbeiter fangen die kleinen Biester auch nicht.

          Kommentar eines australischen Krankenhauses zu einer von einem Flughund gebissenen Biologin: „Wir impfen nicht gegen Tollwut, die Nebenwirkungen sind zu hoch.“

          Manches medizinisches Personal hat schon seltsame Vostellungen…

      2. da hat die Arzthelferin wieder ihr ganzes (Nicht)Wissen demonstriert…hoffentlich nur zu diesem Bereich unwissend, die Dame.

      3. Bei so speziellen Sachen würde ich der Arzthelferin (leider) kein Wort glauben, solange sie nicht gerade in einer Praxis für Tropenmedizin oder ähnlichem arbeitet. Tollwut ist ja zum Glück in Deutschland sehr selten und hat eine so lange Inkubationszeit, dass auch die Postexpositionsprophylaxe noch gut funktioniert. Aber Hausärzte und Zoonosen sind keine gute Kombi – uns hat man in Mibi erzählt „geht erst zum Arzt, wenn ihr wisst, was ihr habt“ und das ist in diesem Zusammenhang eine sinnvolle Idee.

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