Gelesen im Oktober

Books HD
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Natchez Burning von Greg Iles
(Übersetzt von Ulrike Seeberger)
Wenn ich bei einem 1000-Seiten-Roman nach 600 Seiten auf die Idee komme, dass dies wohl ein Buch einer Reihe ist (nämlich schon der vierte Band?) und ich dann beim Recherchieren erfahre, dass es sich bei dem Buch zudem um „den Auftakt einer Trilogie handelt“, ich also damit rechnen muß, dass am Ende der laaangen 1000 Seiten keine komplette Auflösung auf mich wartet, und dann der Roman im ganzen zwar spannende Momente hat, aber zuviele „lose ends“, zuviele Wiederholungen, zuviele überflüssigen Erklärungen und eine Unmengen an Personen: Dann höre ich auf. Schade eigentlich um das Thema (Aufklärung von Morden an Schwarzen in den Sechzigern, Verstrickung in den JFK- und RFK-Mord). Die Hälfte der Seiten hätte auch gereicht, außerdem ertrage ich nicht die Perspektivenwechsel bei jedem Kapitel (vor allem, wenn eine davon in der 1.Person geschrieben ist). Abgebrochen. (2/5)

Wenn der Wind singt – Pinball 1973 von Haruki Murakami
(Übersetzt von Ursula Gräfe)
Als Murakami-Fan mehrmals hier offenbart, habe ich diesen Monat auch seine ersten beiden Romane gelesen, die nun laut Werbung „sensationell spektakulär“ ins Deutsche übersetzt wurden (ganz ehrlich: Olle Schinken werden immer dann auf den Markt geworfen, wenn der Meister eine Schaffenspause hat, aber egal). Für Murakami-Novizen sind diese beiden Kurzromane in einem Buch nichts: Sie wirken noch sehr experimentell (bösen Zungen sagen, Murakami habe dieses Experimentieren nie ganz verlassen), manche Abschnitten verleiten zum Seufzen wegen des Unzusammenhangs mit der fehlenden Handlung. Die klassischen Murakami-Figuren treten bereits jetzt auf, das traumhafte Geschichtenerzählen, das poetische im Alltag. Keine leichte Lektüre, für Fans aber eine Selbstverständlichkeit. (4/5)

Leben von David Wagner
Ich dachte eine Zeit lang, David Wagner sei Amerikaner. Wie lustig. Unwichtig. Das Buch war vor ein paar Jahren recht gehyped durch die Feuilletons gegeistert, erst jetzt habe ich es auf dem Flohmarkt erstanden. Tolle kurze Schreibe, ganz in meinem medizinischen Sujet angesiedelt, das kommt mir ja entgegen. Dass David Wagner sein eigenes Erleben erschreibt, macht das Buch automatisch sympathisch, für Betroffene (Transplantierte) kann es bei der eigenen Aufarbeitung hilfreich sein. Manchmal dachte ich, es ist ein Transkript des Wagnerschen Tagebuchs, und vielleicht ist es das ja auch – Tagebucheinträge von fünf Zeilen oder Abschriften von Todesanzeigen können auch die Seiten füllen. (4/5)
P.S. Herr Wagner: Im Krankenhaus wird man nicht von der Radiologin geröntgt, sondern von der Medizintechnischen Radiologieassistentin.

Auerhaus von Bov Bjerg
Auch dieses Buch geistert durch die Feuilletons, wird als Geheimtipp gehandelt, vor allem im Hamburger Raum. Ich fand die Geschichte um sechs Jugendliche, die in ein Haus ziehen, um den Kumpel vor der Suizidalität zu bewahren, ganz nett, die story plätscherte schön durch bis zum Ende, ein wenig Rebellion hier, ein wenig Spießertum da – aber alles irgendwie schon einmal gelesen, vielleicht bei Herrndorf, vielleicht bei jedem anderen Jugendroman. Das vorhersehbare Ende verdampft dabei leider zur Unwichtigkeit. (3/5)

Das Glück der anderen von Stewart O´Nan
(Übersetzt von Thomas Gunkel).
Gibt es bessere Leseerlebnisse als Bücher, von denen Du noch nie gehört hast, wo Du keine Meinungen oder Rezensionen kennst, Bücher, die Du zufällig in der Bücherei oder der Buchhandlung mitnimmst, weil Dich der Klappentext interessiert oder die Bildsprache der ersten Worte? Dieses ist so eines. Du liest in die ersten Sätze hinein, blätterst weiter, hängst an einem Absatz und mußt es sofort zu Ende lesen. Stewart O´Nan wird vom Verlag gerne mit Stephen King in Verbindung gebracht, Du hast keine Ahnung, warum. Die Sprache ist eine andere, die Themen sind anders, Du liest einen kurzen, überwältigenden, sprachlich raffinierten Roman, der Dich nachdenklich hinterlässt. Lass Dich nicht von der zweiten Person Singular irritieren, Du gewöhnst Dich dran und verstehst. Unbedingt wieder entdecken (der Roman ist von 1999). (5/5)

Faust von Flix
Flix hat sich früher ™ gerne an Klassikern versucht, hier der „Faust“, es gibt auch eine verflixte Adaption von „Don Quijote“, beide sind verschlungen zeitadaptiert aufgefrischt gezeichnet, den „Don“ fand ich besser, aber der „Faust“ hat auch was. Die großen Stars: Gott und Teufel.  Was ein bisschen nervt bei diesen recalm-gestylten Ausgaben des Carlsenverlages ist die Mini-Type, die man kaum lesen kann. Liegt bestimmt an meiner Alterssichtigkeit. (4/5)

Der Papyrus des Cäsar von Jean-Yves Ferri und Didier Conrad
(Übersetzt von Klaus Jöken)
Jeder neue Asterix wird an Uderzo und Goscinni gemessen, lassen wir das. Jeder neue Asterix ist für den dauerhaften Fan-Leser, der „sie alle kennt“ ein Rückbesinnen auf die Kindheit, Jugend, das ganze Leben. Ich bin damit groß geworden, Du vielleicht auch, also werden sie alle weiter verschlungen, nochmal und nochmal, denn jede Lektüre findet neue Namen, neue versteckte Zeichnungen und Anspielungen. Die Story ist gut, die Nebenhandlungen lustig, der Anspruch hoch. (4/5)
Zitat Sohn: „Na, gehts mal wieder ums Verkloppen der Römer?“ Ja! Unbedingt!

Das Attentat von Dauvillier und Chapron, nach Yasmina Khadra
(übersetzt von Ulrich Pröfrock)
Diese graphic novel verführt den Leser nach Israel, mittenrein in den palästinensisch-israelischen Konflikt. Der Protagonist lebt als muslimischer Arzt in einem israelischen Krankenhaus, seine Frau entlarvt sich als Selbstmordattentäterin, die Geschichte enthüllt die Hintergründe, die der Arzt nicht kannte. Ganz stark die Szenen „zwischen allen Stühlen“, der Kontakt mit dem israelischen Geheimdienst und dem palästinensischen Untergrund. Die Rettung kann nur die Familie sein. (4/5)

Finderlohn von Stephen King
(Hörbuch von David Nathan, übersetzt von Bernhard Kleinschmidt)
Stephen King setzt seine Geschichte um den alten Polizisten Hodges fort, aber dieser erscheint erst im zweiten Drittel des Buches. Vordergründig geht es um die gestohlenen Notizbücher der Schriftstellerikone John Rothstein, der vor dreißig Jahren in seinem Haus ermordet wurde. Ein Jugendlicher findet die Bücher und viel Geld und gerät in den Konflikt, seine Familie zu retten oder die gestohlene Ware zurückzugeben. Der Mörder, nach dreißig Jahren aus dem Gefängnis entlassen, sucht ebenfalls nach den Manuskripten. Spannend sind alle Bücher Kings, das ist banal, man darf Fan sein, darf ihn auch testen, sollte sich bei seinen Büchern aber nicht von den Schockeffekten abschrecken lassen. Vielleicht wäre hier weniger davon besser gewesen, aber wenn Du Stephen King heißt, musst Du konsequent bleiben. Nebenbei ist „Finderlohn“ eine Variation über die Liebe zu Büchern, über den Wunsch, Geschichten weiterzuerzählen, auch eine Variation über Kings eigenes Werk „Misery“. David Nathan als Vorleser: Unübertroffen. (5/5)

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4 Antworten auf „Gelesen im Oktober“

  1. Ich fand „Leben“ mitreißend, da es authentisch, tiefsinnig und mitunter auch witzig geschrieben ist. Die kurzen Absätze haben mich noch lange nachdenken lassen.

  2. Ich persönlich fand „Leben“ ziemlich langweilig. Ich weiß nicht warum, das Thema Transplantation finde ich wichtig und es sollte darüber Bücher geben. Aber dieses spezielle Buch – hat mich einfach nicht angesprochen. Ich hatte es mir mit großen Hoffnungen gekauft – hat schließlich den Preis der Leipziger Buchmesse 2013 bekommen (meine Lieblingsbuchmesse, um Längen besser als Frankfurt). Für mich wurden sie leider enttäuscht. Vielleicht auch weil Klinikalltag für mich nun mal einfach – Alltag ist.

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