Kinder und die Homöopathie (Ein Gastbeitrag)

„Kinder kennen doch keinen Placebo-Effekt“

…deshalb ist das doch wohl der Beweis, dass Homöopathie funktioniert! Kinder können doch nicht denken: Ach so, ich bekomm jetzt Globuli, und deshalb soll es mir jetzt besser gehen. Kinder glauben doch noch nicht an die Homöopathie!
So oder ähnlich wird gerne gesprochen, wenn es darum geht, ob Homöopathie denn nun bei Kindern wirksam ist oder nicht.

Doch was bedeutet der Placbeo-Effekt eigentlich genau?

Ursprünglich bedeutet Placebo wörtlich so etwas wie „Ich werde gefallen“, etwas salopper übersetzt „Ich werde dir helfen“. Zum einen ist damit das Placebo gemeint, also das Scheinmedikament, das keinen Wirkstoff enthält, aber dennoch eine Reaktion im Patienten auslösen kann, da er meint Hilfe zu bekommen. Die Wirkung wird also nicht etwa durch einen pharmakologischen Inhaltsstoff möglich, sondern durch die Bedeutung, die der Tablette (dem Globulum) zugeschrieben wird. Dennoch kann diese Reaktion durchaus messbar und objektiv nachvollziehbar ausfallen.

Zum andern ist damit aber auch der Akt der Zuwendung gemeint. Jede Mutter vollbringt Placebo-Therapie, wenn sie ihrem Kind liebevoll auf ein „Aua“ pustet, ein Trostpflaster aufklebt oder wenn sie es in den Armen wiegt. Tatsächlich „wirkt“ eine solche Handlung nicht, praktisch weiß jeder, dass das Kind nach ein paar Minuten des Tröstens wieder munter davonspringt oder beruhigt einschläft (gut, nicht immer 😉 ). Es hat also geholfen.
Die Homöopathie ist nun besonders geschickt darin, diese beiden Mechanismen zu benutzen. Sie verabreicht einerseits wirkstofflose Tablettchen und sie verbindet dies oft mit einem Ritual an Zuwendung, Empathie und mit der Kraft guter Erfahrungen. Die Globuli tragen somit die Bedeutung „ich lasse Dir Hilfe zuteil werden, liebes Kind“ und zwar ohne, dass dies unbedingt in Worte gefasst wird. Die Mutter strahlt aus, dass sie helfen kann, dass sie etwas tun kann, dass sie sich von den Globuli Hilfe verspricht, das Kind bekommt etwas, das ihm helfen soll, es nimmt wahr, dass es mit seinem Problem nicht allein gelassen wird. Das tut gut. Beiden. Die Mutter (der Vater) beruhigt sich, und auch das tut beiden gut. Und das müssen keine krassen Verhaltensänderungen sein, Kinder und Babys spüren intuitiv kleinste Veränderungen. Sie sind so abhängig von uns, dass sie mit feinsten Antennen ausgestattet sind.

Natürlich helfen auch andere Rituale (warmer Tee, Vorlesen, etc.), doch die ausdrücklich medizinische Ausrichtung der Homöopathie verstärkt den „Ich kann und werde dir helfen“ Effekt sehr positiv. Man tut nicht irgendwas, sondern etwas, das (vermeintlich) medizinisch Sinn macht.

Auch das anschließende Warten auf die Genesung ist nun nicht mehr ein bloßes Ausharren, sondern ein „Lass uns schauen, wie die Globuli wirken“. Es besteht Hoffnung, dass sich etwas zum Positiven verändert – und siehe da, es verändert sich tatsächlich. Gefühlt auch schneller, also ohne die Möglichkeit, etwas Gutes getan zu haben. „Wirken“ die ersten Globuli nicht, so schlagen wir noch einmal in unseren Repertorien nach, geben andere Globuli und das Abwarten fällt wiederum leichter. Schließlich aber heilt die Krankheit von alleine aus, vergehen die Beschwerden von selbst und wir sind überzeugt, die Globuli haben ein kleines Wunder vollbracht – und geben sie deshalb beim nächsten Mal mit neuer Überzeugung. Die Male, bei denen die Globuli nicht geholfen haben, vergessen wir rasch oder entschuldigen sie mit „da haben wir eben das richtige Mittel nicht rechtzeitig gefunden“.

Ein praktisches und hilfreiches System. Aber wir unterliegen da einem heimtückischen Bestätigungsfehler.

Problematisch wird es dann, wenn wir so sehr von der Homöopathie überzeugt sind, dass wir nicht mehr die obigen Erklärungen für die Wirkung verantwortlich machen, sondern eine Information oder Energie in den Globuli. Natürlich könnte man sagen, dass die Globuli tatsächlich eine Information beinhalten: die Information „Ich werde dir helfen“. Aber das ist ja nicht das, was die Homöopathen meinen. Die meinen eine nicht nachvollziehbare oder erklärbare Information, die sich weder bislang finden ließ noch in Zukunft gefunden werden kann. Problematisch wird es auch dann, wenn sich durch solche vermeintlich positiven Erfahrungen der Glaube an die Globuli etabliert und man denkt, auch schwer Erkrankungen könnten so „natürlich“ behandelt werden. Nein, schwere Erkrankungen können schwere Folgen haben und diese lassen sich durch die genannten Effekte zwar vielleicht leichter ertragen, aber geheilt werden sie dadurch nicht. Und das, finde ich, dürfen wir unseren Kindern nicht zumuten.

Ich bin auch kein Fan davon, jedem Kind bei einem kleinen Schnupfen sofort ein Antibiotikum zu verschreiben und ich gebe auch zu, dass mir das Abwarten bei banalen viralen Infekten bis zur Besserung mit der Möglichkeit von homöopathischer „Therapie“ leichter fiel bei meinen Kindern, aber es ist dennoch ein Glück, dass wir für schwere Fälle die normale Medizin und wirkliche Medikament haben. Für die leichteren Fälle dürfen es dann auch mal die „Zauberkügelchen“ sein – wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass wir damit eigentlich nur ein erweitertes „Heile, heile Segen“ singen.

Zum Weiterlesen:
Placebo = Einbildung?
Was ist ein Placebo?
Kinderdok

(c) Natalie Grams


Ein Gastbeitrag von (… ja, und damit auch Werbung für) Frau Dr. med. Natalie Grams, einer Kollegin aus Heidelberg, die jahrelang Homöopathie in der Praxis praktizierte und nun den Glaubuli abschwor.
Über ihre Beweggründe und Überzeugung hat sie ein sehr lesenswertes Buch geschrieben.


Natalie Grams, Homöopathie neu gedacht: Was Patienten wirklich hilft, 225 Seiten, 2015, Springer Spektrum, ISBN 978-3-662-45336-0
[Affiliate Link zu Amazon]

32 Antworten auf „Kinder und die Homöopathie (Ein Gastbeitrag)“

  1. Ich kann den Placebo-Effekt bezüglich homöopathischer Mittel bei Kinder noch steigern!
    Die Oma hat mal (ohne mich zu fragen, das passierte aber auch nur einmal, nach deutlicher Ansage nie wieder) meinem Sohn einen homöopathischen Hustensaft verabreicht. Den (vermutlich weil sehr süß) wollte er ab dann immer haben. Da ich nicht bereit war, für süßen Saft ohne Wirkstoff teuer Geld zu bezahlen, habe ich den eine zeitlang aus rotem Traubensaft, Honig und warmen Wasser „nachgebaut“. Und dieses Placebo eines Placebos hat angeblich wirklich geholfen! Er könne besser einschlafen, weil er weniger Husten müsse!
    Er ist aber sehr empfänglich für nicht nur „Medikamente“, sondern Rituale jeder Art, wie Wärmflasche unter der Bettdecke bei Erkältungen oder ausnahmsweise Einschlafen auf dem Elternbett bei Fieber. Hilft alles (natürlich nur bei harmlosen Erkrankungen) prima.

  2. Ich habe drei Söhne.
    Der Älteste, inzwischen erwachsen und keineswegs irgendwie tablettensüchtig, war als Kleinkind, wenn irgendetwas war, immer sofort gesund, wenn ich ihm eine Tablette (Traubenzucker) gegeben habe.
    Der Zweite war ein Pflasterkind. Selbst bei Prellungen half ein Pflaster sofort.
    Der dritte hasst Pflaster und kann (mag) keine Tabletten schlucken. Bei ihm helfen Kühlpads.
    Jedes Kind ist anders. Wichtig ist, dass sie Zuwendung erfahren und merken, dass ihre Wehwehchen ernst genommen werden. Ob ich nun Glaubuli (habe ich nie benutzt) oder Traubenzucker oder Pflaster verwende, Hauptsache, das Kind merkt, dass ich es in seiner Notsituation wahrnehme und ihm helfe. Egal womit. Eltern sollten sich bewusst sein, dass Pflaster, Fieberthermometer und „Medizin“ den Kindern vermitteln, dass sie geborgen sind, dass sich jemand kümmert.
    Langzeitfolgen der individuellen Therapien konnte ich bei meinen Kindern nicht beobachten.
    Weder schluckt der Älteste ständig Tabletten, noch ist der Zweite (inzwischen 18-Jährig) pflastersüchtig geworden.
    Jedes Kind tickt anders.
    Wenn wir unseren Kindern zeigen, dass wir für sie da sind, sie ernst nehmen, dann ist das die Grundlage für gesunde Erwachsene. Sie lassen die Aua-Weh-Hilfen genauso hinter sich, wie das Schmusetuch.
    Vielleicht gehören Traubenzucker, Pflaster und Kühlpacks ja auch zu den homöopathischen Heilmitteln. Dann sind meine Kinder homöopatisch gesund aufgewachsen.
    Zumindest, was die kleinen Wehwechen betrifft. Bei ernsteren Dingen haben wir immer auf unseren Kinderarzt vertraut.

  3. Der Artikel gefiel mir sehr gut. Ein kleiner Aspekt fehlte mir allerdings:
    Mir gefällt nicht, wenn wir unseren Kindern beibringen, dass sie bei kleinsten Zipperlein etwas einwerfen sollen.
    Unser Körper ist ein wahres Wunderwerk; die Kinder sollten Vertrauen in ihn haben und lernen, dass viele Sachen ganz von allein wieder weggehen. Wenn ich mein Kind lehre, dass es bei einem leichten „Schnüpflein“ Zuckerperlen bekommt, habe ich Sorgen, dass es bei jeder kleinsten vermeintlichen Dysfunktion im Verlauf der weiteren Lebens etwas einwerfen wird: seien das nun Globuli oder – wenn die nicht mehr helfen – sonstige Medikamente.

  4. „…lassen sie sich da vom Apotheker nichts einreden..”

    Von 0 auf 180 in drei Sekunden.
    Klar, es gibt sonne und solche Ärzte. Die „Nee, zur Dosierung vom Antibiotikum fürs Kleinkind hat er nix gesagt, ich soll in der Apotheke fragen!“ mag ich ja genauso wenig.
    Ganz grob zusammengefasst: Mediziner studieren Krankheiten, Pharmazeuten studieren Medikamente.
    Und so wie ich jedem Kunden mit Ausschlag erkläre, dass ich es nicht diagnostizieren _kann_ und auch gar nicht _darf_, finde ich solche Aussagen wie oben einfach unverschämt.
    Zusammenarbeit, Ärzte und Apotheker, jeder das was er gelernt hat und gemeinsam zum Wohle des Patienten. Manchmal ist das leider schon zu viel verlangt.

    Bitte entschuldigen Sie, Herr Kinderdok, ich möchte nicht pauschal gegen Ihre Zunft wettern, schon gar nicht in Ihrem Hoheitsgebiet. Die negativen Beispiele fallen einfach mehr auf und versauen einem den ganzen Tag. *seufz*

  5. Bei Flüssigkeit/Schleim usw. im Mittelohr (also hinter dem Trommelfell) ebeso wie bei Mittelorhinfekten nützten Tropfen in den Gehörgang leider wirklich nichts.
    Um das Mittelohr zu erreichen müssen die Wirkstoffe, welcher Art auch immer sie sein mögen, über den Nasen/Rachen raum und dadurch durch die Eustachsche Röhre (Tube genannt) gegeben werden.
    Ausnahme: Wenn jemand ein Loch im Trommelfell oder ein sogenantes Paukenröhrchen hat, vorausgesetzt es ist nicht verstopft.

  6. Wir konnten vor einiger Zeit selbst den „lebenden Beweis, dass Homöopathie wirkt“ erleben. Unserem Sohn wurde wegen Flüssigkeit im Ohr Otovowen verschrieben. Da ich nicht wußte, dass es sich um ein homöopathisches Mittel handelt (und auch nie auf die Idee gekommen wäre, dass ein Arzt sowas ohne Aufklärung verschreibt), hat mein Mann es in der Apotheke geholt. Zuhause habe ich es stinksauer in den Schrank gestellt.

    Drei Woche später waren wir beim HNO und die Flüssigkeit im Ohr war weg. O-Ton des HNO: „Ich bin ja froh, dass das Medikament, das ich verschrieben habe, gewirkt hat.“ Ich bin dann ein paar klare Worte losgeworden und bekam mit einem verschämten Lächeln erklärt, ich sei eine Ausnahme, 9 von 10 Müttern wollten was Homöopathisches. Ich finde das alamierend.

    Der Hersteller von Otovowen hat übrigens eine Studie zur Wirksamkeit seines „Medikamentes“ im Vergleich zu Anibiotika bei leichten Mittelohrentzündungen durchgeführt. Auf der Produkt-Website heißt es, Otovowen sei genausogut wie Antibiotika, aber mit weniger Nebenwirkungen. Wer die Studie liest, findet jedoch heraus, dass Antibiotika bei 80% der Patienten sowieso nicht wirken und deshalb in Dänemark auch erstmal gar nicht eingesetzt werden. Das Paper lohnt sich zu lesen, denn es ist ein schönes Beispiel dafür, wie man mit Versuchsdesign und Statistik mogelt und die Worte für den Laien dann noch so verdreht, dass es nach einem wirkungsvollen Medikament klingt. Ein besonders schönes Beispiel für die Homöopathie-Anhänger, die der Pharmaindustrie gerne unlautere Mittel vorwerfen, denn genau solche finden sich in dieser Studie. Hier der Link: http://www.otovowen.de/fileadmin/user_upload/otovowen/Fachkreise/Wustrow__Publ._Otovw.Studie_englisch_Stand_2-2004.pdf

    1. Hm… ich meine mich zu erinnern, dass es namentlich ähnliche (drei Silben, o als ersten Buchstaben) Ohrentropfen gab, die zumindest schmerzlindernd waren (irgendein -cain drin)… hab als ich deine Post glesen, war entsprechend verwirrt, habe erstmal daran gedacht, Seite aufgerufen und UHRRGH? gedacht… Klasse Beispiel für traue nur einer Statistik, die du selbst gefälscht hast. Danke fürs Teilen!
      Nur wie hießen jetzt die Tropfen die ich meine? Orowen? Orogan? Hm…

      LG
      Kathi

      PS Vielleicht sind die namentlich auch nicht so ähnlich…Ist schon länger her, dass ich die gebraucht habe. Ca. 10-14 Jahre? So in etwa…

        1. Da habe ich aber schon andere Meinungen von Kollegen von dir gehört 😀
          „Neinein, das sind schon Ohrentropfen, lassen sie sich da vom Apotheker nichts einreden..“

            1. Naja ganz so wurscht ist das nicht. Kein Wirkstoff heißt ja nicht keine Substanz. Soweit ich mich erinnere sollten bei einem Trommelfellriss (mögliche Komplikation einer Mittelohrentzündung) keine Ohrentrofen gegeben werden.

    2. Danke fürs Aufklären des Unterschiedes. Ich hätt jetzt gedacht, dass die Homöopathie-Tropfen auch ins Ohr sollen.. naja – in meinem wären sie eh nicht gelandet. Ich halte viel von Bettruhe + günstigen Placebos (= Kamillen-Tee mit Honig gegen ALLES, nicht nur für die empfohlenen Anwendungsgebiete) oder wenn das nicht mehr reicht = richtig böse krank, dann bitte danke die chemische Keule.
      Ach ja, was ich beim letzten Post vergessen habe zu schreiben: Saudreist von dem Arzt. Wenn mir ein Arzt sagt: Da brauchen se nix außer Bettruhe, bin ich beruhigt. Wenn mich ein Arzt dermaßen verscheißert, dann trau ich dem doch nicht mehr.

      LG
      Kathi

  7. Befreundete Kinderaufzuchtler so zu ihrem heulenden Blag, dass sich arg den Zeh gestoßen hatte: „Möchtest du vielleicht ein kleines Placebuli?“ zwinker, zwinker … Kind: „Jaaah, Mamaaa“ schluchz

    In 10 Jahren wird es die Bedeutung von „Placebuli“ verstehen und begreifen dass es über die Jahre liebevoll verscheißert wurde.

  8. Für leichte Fälle benötige ich aber nicht umbedingt teure Glaubolie.
    „Zahnpasta hilft z.B. wunderbar gegen den Juckreitz bei Insektenstiche“ 😉

  9. Meine Globulis bei aufgeschlagenen Knien sind bunt und werden von einem gold-gelockten älteren Herren mit TV-Show-Vergangenheit beworben.
    Vielen Dand für diesen Artikel, ich muss mich auch immer gegen Globulie-Kamelle-Werfer verteidigen. Was meiner Meinung vollkommen unterschätzt wird ist das Kinder nicht unterscheiden können ob Sie Kügelchen oder Tabletten zu sich nehmen. Das führt später auch zu einem unreflektierten Medikamenten Konsum. „Mama hat mir immer 5 Kügelchen gegeben, dann nehm ich doch jetzt mal 5 Tabletten wenn ich Kopfschmerzen hab“
    Schöne Grüße Kathrin – die bei Erkältungen zu 80% mit Hausmitteln und Kräutern klarkommt und darauf schwört –

    1. Ein sehr guter Einwurf. Ich sehe immer wieder mit Entsetzen, wieviele Globuli in Babies und Kinder reingesteckt werden, wiel sie weinen, unruhig sind, schlechte Laune haben, sich nicht konzentreiren können, etc. Statt sich mit den Kinder auseinanderzusetzen, wird Zucker reingeschmissen. Das ist eine tolle Lektion für so einen kleinen Wurm: wenn ich quengle, gibt’s Süßes. Und wenn der Zucker später nicht mehr reicht, na, die Pharmaindustrie hat da schon was Nettes für mich. Ich kenne übrigens Mütter, die ohne Kamille-Globuli nicht mehr das Haus verlassen, weil sie ihr Kind sonst nicht ruhig bekommen. So was nennt man dann wohl psychische Abhängigkeit.

        1. Also ich finde die Dinger ziemlich süß. Zumindest die Globuli, die ich während der Schwangerschaft im Krankenhaus bekommen habe. Kommentar der Ärztin, als ich meinte ich hielte nichts davon, war übrigens: „Naja, die kosten ja nicht viel und es beruhigt die Hebammen.“

  10. Hallo susepedia,

    jetzt noch zu den Hunden.

    Also erst einmal: Ja, doch, auch Haustiere unterliegen Placeboeffekten – oder besser gesagt Kontexteffekten. Im „Kontexteffekt“ zählt z.B. auch noch mit, dass natürlich manche Beschwerden auch einfach durch den Faktor „Zeit“ besser werden. Beobachte ich also eine Gruppe kranker Hunde, dann wird es einem gewissen Teil davon mit der Zeit einfach besser gehen. Solche natürlichen Genesungen können beim Besitzer, der inzwischen ein Placebo gegeben hat, natürlich fälschlich den Eindruck einer Wirksamkeit erzeugen.

    Darüber hinaus gibt es bei Haustieren aber auch Placeboeffekte, ja, doch. Es ist eine falsche von der Alternativmedizin verbreitete Mär, dass dem nicht so ist.

    Einer der unbewussten Anteile des Placeboeffektes, die sogenannte Konditionierung, wurde sogar am Hund entdeckt.

    Eine Hauptkomponente des Placeboeffektes beim Tier setzt aber beim Besitzer an. Man nennt ihn den „Placebo by Proxy“. Denn der Besitzer glaubt ja, dass sein Tier behandelt ist – und erlebt insofern die volle Bandbreite des Placeboeffektes. Das führt sowohl zu einer anderen subjektiven Bewertung des Verhaltens des Vierbeiners, als auch zu einem entspannteren Umgang mit der Situation (man durfte ja Verantwortung abgeben, ist nicht mehr hilflos, sondern kann „etwas tun“). Und dass der Besitzer nun entspannter ist – das spürt das Tier sehr wohl. Hunde, Katzen und andere Haustiere sind sehr feinfühlig gegenüber Stimmungsschwankungen beim Besitzer; das wird jeder Hundebesitzer kennen.

    Und zu guter letzt: Ja, natürlich hat man auch das in Studien untersucht.

    Ein Beispiel:

    Cracknell NR, Mills DS: A double-blind placebo-controlled study into the efficacy of a homeopathic remedy for fear of firework noises in the dog (Canis familiaris)’ in: The Veterinary Journal 177 (2008) 80 – 88

    Seventy-five dogs that showed a fear response to fireworks participated in a double-blinded, placebo-controlled clinical trial to assess the efficacy of a homeopathic remedy for the alleviation of their behavioural signs. Dogs were randomly assigned to one of two treatments; the homeopathic treatment or the placebo treatment. (…) There were significant improvements in the owners’ rating of 14/15 behavioural signs of fear in the placebo treatment group and all 15 behavioural signs in the homeopathic treatment group. Both treatment groups also showed significant improvement in the owners’ rating of the global severity of their dog’s responses. However, there was no significant difference in the response seen between the two treatment groups

    Oder auch ein Beispiel, das die Behandlungsmethoden vieler Tierheilpraktiker testet:

    Verdier de K, Öhagen P, Alenius S: No effect of a homeopathic preparation on neonatal calf diarrhoea in a randomised double-blind placebo-controlled clinical trial. Acta vet. scand. 2003, 44, 97-101.

    A double-blind, placebo-controlled clinical trial of a homeopathic treatment of neonatal calf diarrhoea was performed using 44 calves in 12 dairy herds. Calves with spontaneously derived diarrhoea were treated with either the homeopathic remedy Podophyllum (D30) (n=24) or a placebo (n=20). No clinically or statistically significant difference between the 2 groups was demonstrated. Calves treated with Podophyllum had an average of 3.1 days of diarrhoea compared with 2.9 days for the placebo group. Depression, inappetence and fever were presented equally in the 2 groups. These results support the widely held opinion that scientific proof for the efficacy of veterinary homeopathy is lacking. In the European Union this implies a considerable risk for animal welfare, since in some countries priority is given to homeopathic treatments in organic farming

    Grüße

    1. Wow, danke für die ausführlichen Infos! Das mit den Ergebnissen bei den Wasserlinsen überrascht mich nicht besonders…. aber gut, es nochmal gelesen zu haben, das kann ich im Zweifel mal bei einer freundin anbringen, die ganz plötzlich, seit sie Mama ist, zu Globoli greift (was sie vorher nie gemacht hat, eher mal zu Hausmittelchen oder Naturpräparaten. und dann kam sie ausm Krankenhaus mit Kind wieder und zack – Globuliglauben. Wird das da irgendwie unter der Geburt eindoktriniert?

  11. Hallo susepedia,
    zu Ihrer Frage mit den Hunden und den Algen…

    Ich fange mit den Algen an.
    Das sind die Arbeiten von Stefan Baumgartner mit Wasserlinsen. Er vergiftet die Pflänzchen zuerst, so dass ein verkümmertes Wachstum zu erwarten ist. Dann behandelt er teils mit Wasser, teils mit verschiedenen Homöopathika und schaut dann, welche Pflänzchen am besten wachsen – also am besten „genesen“ sind.

    Dazu ist folgendes zu sagen:

    1) Die Ergebnisse passen keinesfalls so 100% zu den Aussagen der Homöopathie. In einigen Arbeiten ist es nämlich keineswegs das Simile, das die Pflänzchen am besten wachsen lässt. Baumgartner blendet das im Diskussionsteil der Arbeiten aus.

    2) Ebenfalls nicht zu den Aussagen der Homöopathie passt, dass die Wirksamkeit keineswegs mit der Potenz zunimmt. Höhere Potenzen helfen den Pflänzchen eben nicht besser wieder auf die Beine. Auch dieser Aspekt der Ergebnisse wird einfach von Baumgartner ausgeblendet.

    3) Und das vor allen Dingen: Baumgartner kann die Ergebnisse nicht stabil reproduzieren. In einer jüngeren Arbeit schreibt Baumgartner selbst:

    „Reproducibility of basic research investigations in homeopathy is challenging. This study investigated if formerly observed effects of homeopathically potentised gibberellic acid (GA3) on growth of duckweed (Lemna gibba L.) were reproducible. (…) Only in the third series with gibbous L. gibba L. we observed a significant effect (p = 0.009, F-test) of the homeopathic treatment. However, growth rate increased in contrast to the former study, and most biologically active potency levels differed.”

    Also: Mal keine Abweichungen zwischen den Gruppen, mal schon, aber in die andere Richtung. Nicht reproduzierbar, kurz gesagt – und damit kein Beleg für irgendwas.

  12. Was ich an der Homöopathie am lustigsten finde: Niemand kann nachweisen, ob sich in einem Fläschchen nun Belladonna C200 oder Excrementum caninum C30 befindet. Niemand. Was sich darin befindet, kann nur das Etikett sagen. Oder die Herstellungsdokumentation. Aber diese kann auch gefälscht sein.

    Homöopathische „Heil“-Mittel werden längst gefälscht. Ursubstanzen finden und potenzieren ist ein bloßes Verlustgeschäft.

    1. @Turtle
      hat sich eigentlich schon mal jemand Gedanken gemacht, dass als Hildegard von Bingen am 17.08.1152 versehentlich eine Tollkirsche in den Main gefallen ist, sie damit unabsichtlich alles Wasser das heute außerhalb der Polkappen zirkuliert in Belladonna D30 verwandelt :-O

  13. In der Kita von meinem Sohn dürfen die Erzieherinnen den Kindern keine Medikamente geben, auch nicht, wenn sie vom Arzt verschrieben wurden, auch nicht, von der ehemaligen Kinderkrankenschwester, die jetzt als Erzieherin arbeitet, nicht einmal Meerwassernasentropfen o.ä. sind erlaubt. Aber Rescuetropfen und diverse Globuli für alle möglichen Zipperlein werden gerne ausgegeben. Kommentar: die helfen ja auch ganz toll . Der Widerspruch fällt den Damen irgendwie nicht auf 😀
    Vielen Dank für den schönen Beitrag und die nette Buchwerbung 🙂

  14. Ic finde den Artikel super fundiert und auch sehr einleuchtend. Aber eine Frage habe ich: Eine Freundin (Mutter) erzählte mir beim Thema Homöopathie, es gäbe Tests bezüglich der Wirksamkeit mit Hunden (wo sicher das „ich helfe dir“ ebenfalls zum Tragen kommt) und auch eine mit Algen, bei denen die ins Wasser gegebenen homöopathischen Mittel angeblich eine Reaktion hervorgerufen hätten… weiß da jemand was drüber? Ehe ich so einer Studie glaube, würde ich die gerne selbst lesen.

    1. Dieser Effekt nennt sich „Placebo by Proxy“ und besagt, dass der Placebo-Effekt dann quasi beim Beobachter liegt: Weil er/sie Globuli gegeben hat, geht es dem Hund/ der Pflanze besser. Davon abgesehen könnten Hunde ja durchaus auch positiv auf die Zuwendung reagieren.

    2. „super fundiert?“ fundiert ist etwas, das mit Fakten hinterlegt ist.

      Davon abgesehen öffnet der Artikel vielleicht dem ein oder anderen die Augen, weil die Wirkung schlüssig dargelegt wurde.

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