Freiburger Erklärung zur Homöopathie

Homöopathie ist weder Naturheilkunde noch Medizin

Trotz der Förderung durch die Politik und des Schweigens derer, die es besser wissen müssten, ist und bleibt die Homöopathie ein Verfahren, das im klaren Widerspruch zu gesicherten wissenschaftlichen Grundlagen steht. Die Mitglieder und Förderer des „Informationsnetzwerks Homöopathie“ sehen in der Homöopathie eine sich hartnäckig haltende Glaubenslehre, die weder als Naturheilkunde noch als Medizin anzusehen ist. Im Netzwerk haben sich Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Biologen, Naturwissenschaftler und andere engagierte Kritiker der Homöopathie zusammengefunden, die das Ziel vereint, diese oft verschleierte Tatsache deutlicher ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken.

Kein Sonderstatus für Homöopathie

In den über 200 Jahren ihrer Existenz hat es die Homöopathie nicht geschafft, ihre spezifische Wirksamkeit nach objektiven Kriterien zu belegen. Sie überlebt vielmehr nur, weil ihr im deutschen Gesundheitssystem ein Sonderstatus zukommt, der ihr nach Ansicht der Experten des Netzwerks nicht zusteht. Während Medikamente ihre Wirksamkeit nach objektiven Kriterien nachweisen müssen, ist die Homöopathie davon befreit. Gegen ein solches Zweiklassensystem in der Medizin wehren wir uns.
Die Homöopathie hat es auch nicht geschafft, einen plausiblen Wirkmechanismus darzulegen. Stattdessen erwecken ihre Vertreter den Eindruck, es gäbe noch Unsicherheiten, die zu klären wären. Dem widersprechen wir vehement. Die Homöopathie ist keine unkonventionelle Methode, die weiterer wissenschaftlicher Prüfung bedarf. Ihr Fundament besteht aus längst widerlegten Thesen wie der „Ähnlichkeitsregel“, der „Lebenskraft“ oder des „Potenzierens durch Verdünnen“.

Selbsttäuschung von Patient und Therapeut

Wir möchten therapeutische Wirkungen, die im Rahmen einer homöopathischen Behandlung zustande kommen können, nicht in Abrede stellen. Diese haben allerdings nichts mit dem spezifisch verabreichten Homöopathikum zu tun. Vielmehr beruht die vermutete und vermeintlich erfahrene Wirksamkeit homöopathischer Präparate auf Suggestion und Autosuggestion der Patienten und Therapeuten. Die Mechanismen solcher (Selbst-)Täuschungen sind vielfältig, aber bestens bekannt und erforscht. Durch Kontexteffekte hervorgerufene Verbesserungen des Befindens können und dürfen nicht kausal dem Homöopathikum zugeschrieben werden. Wir gehen davon aus, dass viele homöopathisch arbeitende Mediziner und Heilpraktiker sich der Existenz und Vielfalt solcher Mechanismen nicht bewusst sind und in bester Absicht handeln. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Schlüsse, die sie ziehen, falsch sind und daher schädlich sein können.

Medizin und Wissenschaft

Keineswegs behaupten wir, dass die von uns vertretene wissenschaftliche Methode derzeit alles erforschen und erklären kann. Sie versetzt uns aber in die Lage zu erklären, dass die Homöopathie sich selbst nicht erklären kann. Und sie ist der beste Weg, den wir zur Verfügung haben, wirksame Behandlungen von unwirksamen zu unterscheiden. Ein in der Bevölkerung fest verankerter Glaube an Heilsversprechen, welcher von interessierter Seite, Politik und Journalismus weiter genährt wird, kann niemals Richtschnur für das Handeln in der Medizin sein.

Ziel dieser Erklärung

Ziele unserer Kritik sind nicht der heilsuchende Patient und der einzelne homöopathisch arbeitende Therapeut, sondern die aufgebaute Lehre und die Institutionen des Gesundheitswesens, welche die Widersinnigkeit der Homöopathie längst erkennen könnten, aber dennoch nicht einschreiten. Wir fordern die Akteure des wissenschaftlich begründeten Gesundheitswesens auf, sich endlich von der Homöopathie und anderen pseudomedizinischen Verfahren abzuwenden und zurückzukehren zu dem, was selbstverständlich sein sollte: Wissenschaftlich validierte, faire und allgemein nachvollziehbare Regeln für eine hochwertige Medizin, ausgerichtet am Wohlergehen der Patienten.
                                                                               

 Freiburg im Februar 2016


Verfasser
:
Dr.-Ing. Norbert Aust, Initiator Informationsnetzwerk Homöopathie
Dr. med. Natalie Grams, Leiterin Informationsnetzwerk Homöopathie
Amardeo Sarma, GWUP Vorsitzender und Fellow von CSI (Committee for Skeptical Inquiry)
Unterzeichner:
Edzard Ernst, Emeritus Professor, Universität Exeter, UK
Prof. Dr. Rudolf Happle, Verfasser der Marburger Erklärung zur Homöopathie
Prof. Dr. Wolfgang Hell, Vorsitzender des Wissenschaftsrates der GWUP
Prof. Norbert Schmacke, Institut für Public Health und Pflegeforschung, Universität Bremen
Dr. rer. nat. Christian Weymayr, freier Medizinjournalist

Wer diese Erklärung mitzeichnen möchte, kann dies über den Blog der GWUP tun, hier klicken! Teilen erwünscht.

Freiburger Erklärung als PDF.

 

13 Antworten auf „Freiburger Erklärung zur Homöopathie“

  1. Tolle Erklärung. Habe mich beim Lesen allerdings gefragt, wie die Medizin aus den bekannten Effekten der Selbsttäuschung eine wirksame Therapie entwickeln kann, ohne in die Parawissenschaften abzudriften. Damit eine solche Therapie wirkt, müsste ich ja suggerieren, dass das Mittel wirkt, was ich nicht könnte, weil ich ja wüsste, dass es nicht wirkt. Wie löst man diese Zwickmühle praktisch?

    1. Da denke ich auch schon länger drüber nach. In meinem Erkenntnisprozess, dass Homöopathie bullshit ist, bin ich auch zeitweise bei „na ja, schadet halt auch nicht und immerhin wirkt der Placebo-Effekt“ hängen geblieben. Inzwischen ist mir klar, dass das auch Mist ist.

      Aber: Praktischerweise wirkt der Placebo-Effekt ja auch bei evidenzbasierter Medizin — also ‚on the top‘ über die wissenschaftlich nachweisbare Wirkung hinaus. Und wie man den verstärkt kann man tatsächlich von der Homöopathie lernen: Mehr Zeit für Patienten, zuhören und sie in ihrem ganz persönlichem Leiden ernst nehmen (das müsste dann verdammt noch mal auch entsprechend bezahlt werden) und bei den sinnvollerweise verordneten Medikamenten genügend erklären und viel Zuversicht ausstrahlen, dass die helfen werden. Könnte gerade bei eher harmlosen Erkrankungen sicher oft dazu beitragen, dass auch etwas weniger wirksame Medikamente oder eine geringere Dosis ausreicht und trotzdem wird niemand betrogen.

      Bei Kindern (die ja noch viel stärker auf Placebos ansprechen) reichen doch die verschiedenen traditionellen Formen ritualisierter Zuwendung (pusten, singen) oft aus. Gegen harmlose Erweiterungen (Kühlpacks oder ‚Kühlis‘ sind bei Kindern von Freunden sehr beliebte Heilmittel bei kleinen Wehwehchen) oder (unschädliche) Hausmittel ist bei Bagatellen auch nichts einzuwenden — einfach weil bei all diesen Dingen den Kindern/Jugendlichen irgendwann klar wird, was Sache ist. Kein halbwegs klarer Erwachsener glaubt, das ‚heile heile Gänschen‘-Singen irgend einen Effekt hat, der über Placebos hinaus geht — ganz im Gegensatz zur Homöopathie.

  2. Die Homöopathie war tatsächlich mal eine („schul-„) medizinische Disziplin! Sie ist es nicht mehr, weil wieder und wieder bewiesen wurde, daß es nicht funktioniert. Einfach mal ein bisschen Geschichte der Medizin studieren.

    1. Und Augen auf machen!!

      Ich kenne zwei Personen, die aufgrund ihres Homöopathieglaubens – nach der Bezahlung von vielen tausend Euro Behandlungskosten – gestorben sind!!! Weil sie nicht zum Schulmediziner sind mit relativ Herzproblemen, die sie ganz lage nur „homöopathisch behandeln“ haben lassen, wo ein Schulmediziner viele anderen Möglichkeiten gehabt hätte.

      Demnach könnte ich auch sagen – analog zum „Wer heilt hat Recht“ – „Wer nicht heilt hat Unrecht!“

      ARRRRGG!

      1. Und ich kenne weit mehr Menschen die nach vielen schulmefizinischen Interventionen und sogar an diesen gestorben sind,das belegt weder die Wirksamkeit noch widerlegt es sie.

  3. Hat dies auf Ich bin, also denke ich. rebloggt und kommentierte:
    Endlich. Das war ja wirklich längst überfällig. Diese Sonderrechte erinnern mich schwer an die christlichen Privilegien in den USA. Schön, lernen und lehren wir langsam, kritischer zu denken und zu handeln 🙂

    1. @ D.Fröhlich

      Der wissenschaftliche Nachweis wird üblicherweise von den Praktizierenden erbracht, nicht von ihren Kritikern. Einfach mal die Synapsen anwerfen und selbst drauf kommen.

      1. Und dieser Nachweis kann üblicherweise auch von Nichtpraktizierenden nachgemacht werden.

        Und der fehlende Nachweis heißt ja nicht, dass es nicht in Einzelfällen wirksam ist, sondern nur, dass es nicht wirksamer ist als zuwarten und nichts tun. Denn auch das wirkt in Einzelfällen, und ist darüberhinaus billiger 😉

    2. Man kann naturwissenschaftliche Hypothesen nicht beweisen! Man kann sie nur widerlegen. Eine Hypothese die nicht prinzipiell widerlegbar ist, ist deshalb keine naturwissenschaftliche Hypothese und für die Theorienbildung ungeeignet. In der Mathematik kann man Sätze beweisen, z.B. durch Induktion. Induktion funktioniert in der Naturwissenschaft nicht, weil ein Schluss von a.n nach a.n+1 nicht möglich ist. Wenn ich einen Ball in die Luft werfe und der fällt wieder runter ist das kein Beweis, daß dies beim nächsten Wurf wieder so ist. Der Wurf widerlegt aber die Hypothese, daß geworfene Bälle immer geradeaus weiter fliegen. D.h. eine naturwissenschaftliche Hypothese wird belegt, durch wiederholtes Unvermögen die angenommene Hypothese zu widerlegen. Ein naturwissenschaftliches Experiment muss also immer der Versuch sein, die in Frage stehende Hypothese zu widerlegen. (siehe Karl Popper, Wissenschaftstheorie)

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