Säuglinge haben keinen Schnupfen

… ok, diese Aussage dürfte etwas übertrieben sein, weil hie und da – vor allem bei älteren Geschwistern in der Familie, oder wenn Mama selbst dick erkältet ist – kann sich auch mal ein Säugling einen Schnupfen einfangen, aber zumindest für Neugeborene (noch eine Einschränkung) gilt: Säuglinge haben keinen Schnupfen.

Trotzdem machen die ständig Krach. Wer das erste Mal als frische Elter einem Neugeborenen beim Atmen zugehört hat, kann es mit der Angst bekommen: Da knarzt und knorzelt es, da hechelt und seufzt es, da wird geschluckauft und gespuckelt, gehüstelt und geräuspert, dass es eine Freude ist. Das Problem ist Anatomie. Die Nasengänge sind recht eng, der Kehlkopfdeckel noch locker und „weich“, außerdem muß Kleinbobele erst einmal lernen, Luft zu atmen, vorher gab´s ja nur Fruchtwasser.

Neugeborene können gut atmen und dabei trinken, uns fällt das schwer, weil sich unser Kehldeckel fest verschließen muß, sonst würden wir uns beim Trinken ständig verschlucken, also Flüssigkeit in die Luftröhre aspirieren. Dass dies trotzdem mal beim Baby passieren kann, muß Eltern nicht beunruhigen: Getrunkene Milch kann am Kehlkopf reizen, das Baby muß husten, um die Fremdflüssigkeit wieder nach oben Richtung Speiseröhre zu befördern. Manchmal bleibt – nach dem Aufstoßen, oder auch Stunden nach dem Trinken – Milch im Nasen-Rachen-Raum zurück, was verspätet zu Hustenreiz führt. Da kommt mitunter auch Milch aus der Nase.

Niesen und Husten sind Schutzreflexe des Körpers. Es juckt ein Staubkorn oder das Rasierwasser des Vaters, da ist ein Kältereiz der Luft draußen oder ein Reiz der trockenen Heizungsluft drinnen – die Schleimhäute der Luftwege müssen ständig reagieren, ihre Durchblutung schwankt, die Sekretion wechselt, Fremdstoffe wie Stäube oder Düfte sollen vom Körper hinausbefördert werden, das Baby niest. Geht´s eine Etage tiefer, wird gehustet. Nochmal: Das ist noch lange kein Schnupfen. Auch ein „Rasseln“ ist vielfach nur Schleim oder der Kehlkopfdeckel, der beim Atmen vibriert.

Dennoch gibt es Dinge zu beachten: Hat ein Neugeborenes Probleme beim Trinken, ist die Koordination des Atmens und Trinkens gestört, sollte man der betreuenden Hebamme oder dem Kinderarzt Bescheid geben. Mitunter helfen Kochsalznasentropfen, um die Nasenschleimhäute etwas anzufeuchten oder vertrockneten Schleim (= Popel) zu entfernen. Muttermilch soll auch immer helfen, klar, ist auch Flüssigkeit. Manch sämig-dicke Muttermilch kann aber auch die kleinen Nasengänge verstopfen.

Säuglinge haben keinen Schnupfen.
Das ist übertrieben, aber in der Mehrzahl der Fälle sind verstopfte Nasen durch die Umwelt bedingt. Kränkelt das Kind wirklich, kommt in aller Regel ein schlechter Appetit oder Fieber hinzu. Ändert sich der Husten, ist das Baby sehr blaß oder bekommt ein bläulich-violettes Gesicht – Bitte umgehend einen Arzt aufsuchen. Das gilt natürlich auch bei jedem Verdachtsmoment, oder wenn man sich unsicher ist. Da muß niemand den Kinderarzt schonen 🙂  – auch in der Praxis beruhige ich lieber die Eltern, das alles ganz normal ist, als dass ich mich sorge, dass Eltern zu lange gewartet haben. Spätestens beim zweiten Kind kennen die Eltern dann den „Säuglingsschnupfen“.

15 Antworten auf „Säuglinge haben keinen Schnupfen“

  1. Tja. Dachte ich auch. Sagte der kinderarzt. Ende vom lied waren 8 tage aufenthalt in der Klinik mit iv antibiotikagabe, zweifachem röntgen, div. Zugängen und ganz viel stress für mich und meinen damals 8 wochen alten zweitgeborenen…

    1. Antibiotikagabe bedeutet aber bakterieller Infekt und eben nicht Schnupfen (= viral). Bakterielle Infektionen sind bei Säuglingen sehr wohl möglich und dann auch krankenhauspflichtig.

  2. Wir haben da gute Erfahrung mit Allium Globuli gemacht – unsere Neugeborenen waren nach vier fünf tagen wieder fit. Die erste Impfung auf den fünften Monat rauszögern (ohne Rota) war auch sinnvoll.

  3. Gerade gestern im Notdienst… seit 4 Monaten schnieft die Nase beim 4 Monate alten Säugling. Kind ist fröhlich und lacht mit Untersucher…wir weißen alle was das für das Kinderarzt-Herz bedeutet. Dennoch sehr Renitenz das Verlangen der Eltern nach sogar ein Antibiotikum. Manche Eltern sind manchmal schwer abzuschütteln!!! Sie wären deswegen mehrmals auch schon im Notdienst (andere Diskussion) gewesen, und siehe da die anderen Kollegen hätten genau dasselbe gesagt…hab sie noch vertröstet, der Frühling kommt bald !!!

      1. Gemäß des „Simile-Prinzips“ würde Penicillinum D8 aber eine leichte bis mittelschwere bakterielle Infektion, ausgelöst durch Phenoxymethylpenicillin-sensible Erreger, die einer oralen Penicillin-Therapie zugänglich sind, geradezu auslösen. Gemäß Zulassungsstatus von Penicillin kommen da derzeit in Frage:
        Infektionen des Hals-Nasen-Ohren-Bereiches (Pharyngitis, Tonsillitis, Sinusitis, Otitis media)
        Infektionen der tiefen Atemwege (Bronchitis, Bronchopneumonie, Pneumonie)
        Infektionen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich
        Endokarditis [-prophylaxe bei Eingriffen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich oder am oberen Respirationstrakt]
        Infektionen der Haut (Pyodermie, Furunkulose, Phlegmone)
        Lymphadenitis und Lymphangitis
        Infektionen verursacht durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, z.B. Scharlach, Erysipel, [Rezidivprophylaxe bei] rheumatischem Fieber.

        Also ich wäre da mit der Gabe vorsichtig… 😉

        1. Ja, aber…..
          Für die Eltern: Nur wo Penicillin drauf steht ist auch Penicillin = Antibiotika drin.
          Und dem Placeboeffect ist es reichlich wurscht gegen was es helfen soll 😀

  4. Ich bin nur stiller Mitleser und heute muss ich mal intervenieren. Denn wie auch Sie wissen, bestätigen immer Ausnahmen die Regel.
    Prinzipiell stimme ich dem hier Geschriebenen voll und ganz zu, stehe ich ja auch alltäglich bereit aufzuklären, dass das, was das Kind gerade „plagt“, kein Schnupfen ist und es sich nicht lohnt, dafür noch ein paar Viren im Kinderarztwartezimmer mitzunehmen. Aber gut, mehr als Reden kann ich ja auch nicht.
    Ich hatte in meiner jahrelangen Praxis allerdings ein mal ein Kind, welches sich wirklich und wahrhaftig am Tag 2 seines jungen Lebens bei seiner 2jährigen Schwester ansteckte und einen fetten fetten Schnupfen einhandelte. Mit Schnodder und Nase zu und und und. Nicht schön und wirklich anstrengend, weil der auch wirklich hartnäckig eine ganze Woche brauchte, bis er endlich wieder verschwand.
    Die Eltern waren entspannt, mit Kochsalz, Muttermilch (da bin ich mir allerdings gar nicht mal so sicher, ob die damals auch noch in die Nase kam) und regelmäßigem Absaugen der Babynase wurde die ganze Sache gut überstanden. Und dabei ganz ohne Kinderarztbesuch. Denn bis das Kind am 9. oder 10. Lebenstag bei der U2 vorgestellt wurde, war es nur noch ein winziges Schniefen.
    Ich fand das für mich damals sehr eindrücklich, denn eigentlich bin ich wie Sie der Meinung: Säuglinge haben keinen Schnupfen und Neugeborene schon gleich gar nicht.

  5. “ das Baby … bekommt ein bläulich-violettes Gesicht – Bitte umgehend einen Arzt aufsuchen. “
    😀
    Die meisten Eltern sind schon beim Kinderarzt wenn sich das Bobbele sich heute „irgendwie anders obwohl ich ihm alle 30 min die Glaubuli gegeben habe“ anhört

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