Notdienstzecke 2*

Your average tickNeulich im Notdienst, so gegen 21.30 Uhr.

Vater: „Wir sind hier, weil der Hinnerk-Miro hatte eine Zecke.“
Ich: „Alles klar. Und jetzt hat er sie nicht mehr?“
Vater: „Nein, die haben wir entfernt.“
Ich: „Das ist toll von Ihnen. Und was kann ich nun für Sie tun?“
Vater: „Na, sich das mal anschauen.“
Ich: „Die Stichstelle?“
Vater: „Da, wo sie gebissen hat, ja.“
Ich: „Zecken stech … ach egal, zeigen Sie mal.“
Wir begutachten voll Hingabe eine kleine Stelle oberhalb des distalen Endes der rechten Clavikula, vulgo rechte Schulter. Also, ich sehe nichts.
Ich: „Das da?“ Ich zeige auf eine vage Rötung.
Vater: „Nee. Das ist doch ein Mückenstich. Da…“ Er zeigt auf eine diskrete Veränderung der Hauttextur und -färbung.
Ich: „Sieht gut aus. Prima. Merken und abwarten.“
Vater: „Worauf?“
Ich: „Ob´s rot wird.“
Vater: „Ist es doch schon.“
Ich: „Also, mehr rot. So richtig rot. Und größer.“ Ich mache eine gewichtige Bewegung mit Daumen und Zeigefinger beider Hände, umschließend eines virtuellen kreisförmigen Gebildes. „Das ist dann eine Wanderröte.“ Ich erläutere in einer Kurzvorlesung die Segnungen einer Borrelienfrühinfektion.
Vater: „Kommt das noch?“
Ich: „Ja. Kann aber dauern. Manchmal drei bis vier Wochen.“
Vater: „Dann hätte man heute nicht kommen müssen.“
Ich: „Nein, hätte man nicht. Auch um diese Uhrzeit nicht.“ Hinnerk-Miro hat inzwischen den Kopf auf die Hände gebettet und ist eingenickt. „Aber – ich bin ja da.“
Vater: „Und warum heißt es dann immer: Nach einem Zeckenbiß sofort den Arzt aufsuchen.“
Ich: „Heißt es das? Übrigens, Zecken stech … ach, egal.“
Vater: „Ja, ich habe den ganzen Nachmittag damit verbracht, im Internet zu suchen, was man jetzt machen kann. Die einen sagen so, die anderen sagen so. Am Ende überwog aber die Meinung, zu Sicherheit einen Arzt aufzusuchen.“
Ich: „Und wann hatten Sie die Zecke nochmal entfernt?“
Vater: „Nach dem Spielplatz, da schauen wir immer alles durch. So nach´m Mittag.“

*Stammleser erinnern sich vielleicht.

(c) Foto bei Flickr/Ragnhild Brosvik

41 Antworten auf „Notdienstzecke 2*“

  1. Als wir ca. in den 90ern im Jugendzeltlager im FSME-Risikogebiet waren, hat der örtliche Arzt einem frisch Zecken-gestochenen, nicht-geimpften Mitschüler „prophylaktisch“ eine FSME-Spritze gegeben.

    Das ist aber nach heutigem Wissen nicht empfehlenswert? U .a. auch deshalb, weil die Impfreaktion die Diagnose bei einer tatsächlichen Infektion schwierig machen könnte, wenn ich die RKI-Infos recht verstehe.

  2. Borreliose kann man nur behandeln, nicht vorbeugen und die FSME Impfung braucht auch nur, wer in Risikogebieten lebt oder dorthin reist und nicht „weil im Garten öfter Zecken sind“.

  3. Und soll man nun impfen lassen? Also gegen Borreliose. Meine Mutter (Krankenschwester seid 40 Jahren) war immer strikt dagegen, weil die Nebenwirkungen wohl auch beachtlich sein soll & die Viren so vielfältig. Und nur impfen, wenn man im Risikogebiet lebt – man reist doch auch viel???

    1. Kann auf jeden Fall die Mutter schonmal in dem Punkt korrigieren, dass die Erreger keine Viren, sondern Bakterien sind.

    2. Aber da kann man doch gar nicht gegen Impfen!? Nur gegen FSME, oder?
      Sorry, aber dass sollte man doch als med. Fachpersonal wissen… (und auch die Erreger unterscheiden können).

    3. Borreliose kann man nicht impfen lassen, deine Mutter meint sicher FSME.

      Gegen FSME sollte man sich impfen lassen, wenn man in einem FSME-Risikogebiet lebt oder reist und viel draußen unterwegs ist. Wer im FSME-Gebiet wohnt und um Grünanlagen jeglicher Art einen großen Bogen macht, ist deutlich weniger Zeckenanfällig als Leute, die jeden Tag in den Garten, Park oder gar in die wilde Natur gehen.

      Hier findest du eine Karte, wo du ersehen kannst, wo in Deutschland entsprechende „Hochburgen“ sind: http://www.zecken.de/de/fsme/fsme-deutschland
      Rot = FSME-Risikogebiet
      Gelb = eigentlich kein Risikogebiet, ist aber vereinzelt aufgetreten.

      Was die Nebenwirkung angeht:
      Jede Impfung hat seine Nebenwirkungen – die Frage ist die Häufigkeit. Eine Rötung an der Impfstelle ist schon eine Nebenwirkung, aber kein Grund nicht zu impfen. Allergien gegen die Stoffe im Impfstoff dagegen schon (logischer Weise). Das es auch dazu kommen kann, dass man nach der Impfung fiebern kann – Abwägungssache. Es gibt natürlich noch mehr Nebenwirkung – aber ich vergleiche dann immer gerne die Nebenwirkungen der Impfung mit denen von Ibuprofen und denke daran, wie viel Ibu ich schon nehmen musste ohne das es zu Nebenwirkungen kam. Oder halt jeden beliebigen, anderen Präparat, dass man so vom eigenen Haushalt kennt. Natürlich heißt das nicht, dass dann die Nebenwirkungen bei der Impfung >nicht< auftreten, aber ich finde das immer beängstigend, wenn man nur liest "verursacht folgende Nebenwirkungen [Liste mit zwanzig Nebenwirkungen]". Aber wenn man dann bei anderen Medis schaut und eine Liste mit deutlich mehr Nebenwirkungen sieht, hat man schon wieder einen völlig anderen Kontext. Man darf ja auch nicht vergessen, dass die Pharmafirmen Sicherhaltshalber alle Auffälligkeiten angeben, die beim Produkttest so angefallen sind – und wenn unter 1.000 Blind-Testpersonen dann zufällig (!) einen leichten, grippalen Infekt hatte, dann geben sie es lieber mit an. Darum steht bei Schmerzmitteln gegen Kopfschmerzen auch oft "verursacht Kopfschmerzen" mit dabei. 😉
      Man sollte nur möglichst keine Glaubuli als Vergleichsobjekt heran ziehen. 😀

      So oder so:
      Wenn man Zweifel wegen der Impfung hat – mit den Arzt drüber sprechen. Der kann etwas besser an Sorgen und Bedenken herangehen als in einem anonymen Blog, wo eh jeder seine eigene Meinung hat, kann aus seinen eigenen Erfahrungsschatz beraten, weiß in der Regel ob er selbst (und damit seine Patienten) im Gefahrengebiet lebt usw.

  4. Internetzugang aber keinen Telefonanschluss?! Warum nicht einfach mal direkt beim Kinderarzt anrufen?! Da melden sich ganz oft sehr nette, freundliche Helferinnen oder Helfer, die einem ziemlich genau sagen können, wann man noch ein bisschen warten kann oder besser sofort kommt oder auch wann man lieber gleich die nächste Kinderklinik beehrt. Funktioniert bei uns auch beim ärztlichen Notdienst. Und in der Kinderklinik Nicht-gerade-in-der-Nähe am späten Abend. Bevor ich mein Kind irgendwohin schleife, frage ich bei Unsicherheit doch lieber erst einmal telefonisch an. Ja,natürlich nicht in eindeutigen Notfällen, wie schwere Stürze, Verbrennungen oder so. Aber da würde ich dann auch nicht mehr selber fahren, sondern mir jemand zur Erstversorgung rufen.

    1. Hmja. Deutschland. Da darf der aktive Arzt in eigenem Interesse keine medizinische Tipps am Telefon geben (und gibt sie meiner Erfahrung nach auch nicht: „sie müssen selbst entscheiden, ob sie das Kind wegen […] vorbeibringen. Wir sind auf jeden Fall da.“)

      Denn: kann ja sein, dass der Beschreibende die Zecke mit einem Dobermann verwechselt hat. Und das Schlüsselbein mit einer Aorta. Dann murmelt der Arzt was von Wanderröte und am nächsten Tag wundern sich alle, wieso man schwere Blutungen nicht mit Antibiotika gestoppt bekommt.

  5. *DAS INTERNET* ist aber auch ein gruseliger Ort um nach Infos zu suchen 😉 Bei meiner ersten Zecke, da war ich so 20, habe ich im Internet gesucht, weil ich so seltsame Sachen im Hinterkopf hatte-Zecken nur rechtsherum drehen, sonst spucken sie Gift o.O Oder war es linksherum? Ich war furchtbar aufgeregt vor Angst- und habe dann natürlich von google nur gezeigt bekommen, welche Krankheiten meine Zecke bei mir DEFINITIV auslösen *wird*, mit Bildern dazu. Alles natürlich nur der schlimmstmögliche Fall.
    Hat nicht sonderlich beruhigt…

    Mittlerweile ekele ich mich nur noch, weil die Viehcher nicht meine liebsten sind, das wars dann auch. Hab genug der Krabbler entfernen „dürfen“. Wir hatten aber auch Glück und haben uns bisher mit nichts infiziert.

    Ich kanns aber schon nachvollziehen, wenn ängstliche Eltern wegen so etwas zum Arzt wollen. Wenn das Internet das sagt…

  6. na ja, das dauert doch, bis so ein Entscheidungsprozess qualifiziert gereift ist… Mindestens von Nachmittags-Spielende bis 21.30! Sei froh, dass er DA kam und nicht um die Zeit, in der dann endgültig die irrationalen Ängste überhandnehmen, also gegen 3.30 morgens

  7. selbst mein tierarzt wurde schon mal nachts am wochenende aus dem schlaf geklingelt, um einem pferd eine zecke zu entfernen… die panik ist wirklich allgegenwärtig. bei mir passiert es bisweilen, dass etwas von der zecke gerade gerne im hund stecken bleibt, hat sich bis jetzt noch nie etwas entzündet. aber es sind schon mistviecher und von mir aus durchaus überflüssig…

  8. Ich habe mir das Vieh Anno Tobak,muss so zwischen 16 und 18 Jahre alt gewesen sein,selbst mit einer Schere aus dem Schienbein geschnitten.Auf die Idee einen Notdienst aufzusuchen kam ich nicht und der Hilflose Mensch vom DLRG den ich aufsuchte,es geschah am Badesee,konnte mir ja auch nicht Helfen.Gut wenn man einen Feldscher als Mami hatte 😉

  9. Wieder einmal beste Unterhaltung 🙂 Und – oh ja…. das Thema hatte ich auch gerade 🙂 Ist wirklich super, was man zu Zecken (gerne im Notdienst) so alles zu hören bekommt… Mein Blog „Mama ist Kinderärztin“ ist noch ziemlich frisch, daher freue ich mich, wenn ich ein bisschen Feedback bekomme. Wenn es ok ist, gebe ich hier mal den Link zum meinem Zecken-Artikel an: http://johannahavran.de/achtung-zecken-die-haeufigsten-irrtuemer/ Wenn nicht, dann einfach löschen…

    1. Tipp:
      Klicke mal, bevor du den nächsten Kommentar abschickst, auf „Ändern“, dann kannst du dort die Blog-Webadresse eingeben. Der Link ist dann hinter den eigenen Namen hinterlegt. Gibt genug neugierige Leute, die dann drauf klicken. Und ist die beste Werbungsart in anderen Blogs ohne jedes Mal einen neuen Link dazulassen (was mit unter durchaus auch negativ wirken kann,da Spambots gerne den Link im Beitrag bringen 😉 ). 🙂

      Beim ersten Überfliegen ist der Beitrag nebenbei sehr interessant geschrieben. Ich glaub ich schau mir den Blog mal bei Gelegenheit weiter an. 😀

  10. Wir wurden am Freitag Nachmittag von der Kita angerufen, unser Kind wegen einer Zecke abzuholen. Getan, aber Knopf weigerte sich mit Händen und Füßen gegen Selbstentfernung. Kinderärzte natürlich alle schon im Wochenende 😳
    Ich hab mich schon etwas deplatziert auf der Rettungsstelle gefühlt und Kindchen ließ sich ohne Probleme entzecken 😭

    1. Vielleicht warst du dass dann in Kinderdocs Geschichte?
      Ist doch nichts verwerfliches dran wegen einer Zecke zum NOTarzt zu gehen, oder? 😉

  11. Wir haben letztes Jahr tatsächlich ein Zeckenschnelltest angeschafft. Läuft ähnlich ab wie ein CRP-Schnelltest, nur mit mehr Arbeit.

    Zecke erst Einweichen, dann Zecke in der Matsche verkleinern und umrühren (die Viecher sind scheiße stabil!), stehen lassen und dann ein paar Matschetröpfen (ohne Zeckenanteile) auf den Teststreifen, warten, ablesen.
    Habs bisher selber nur bei WINIZIGEN Zecken gemacht – so Marke: gerade erst festgesaugt, schon wieder entfernt. Bei vollgezogenen Viechern, kurz bevor sie loslassen, wahrscheinlich deutlicher einfacher (zumindest bei Schritt „zermatschen“).

    Habs nebenbei bisher noch nie positiv gesehen. Was eventuell auch daran liegt, dass man da 30 Minuten+ an den Zecken rumquetscht und sie immer noch heile sind. -.-

    PS:
    Grad beim Googlen auf eine Zecke gestoßen, die sich scheinbar im Augapfel festgebissen hat. Brrr! War nebenbei „nur“ das Augenlid – aber die Zecke selbst saß auf dem Augapfel. Armer Hund!

          1. Zugegeben, das klingt in dem ersten Kommentar nicht danach, aber ich bin davon auch alles andere als begeistert gewesen (zumal ich immer Zeckenmantschen spielen durfte) und wollte eigentlich nur erwähnen, dass es das gibt und wie es funktioniert.
            In einer Zeckenhochburg mit besonders ängstlichen Eltern eventuell als „Beruhigungsplacebo“ zu gebrauchen, das wars aber auch schon.

    1. Bei einem Hund? Letzten Urlaub hatte mein Sohn eine Zecke im unteren Augenlid. So von oben, also innerhalb des Wimpernkranzes. Er hatte es gar nicht gemerkt, aber das Theater, bis ich da mit der Pinzette randurfte … Letztendlich war er aber tapfer. Und rot geworden ist nix.

  12. Irgendwo hab ich gehört man solle Zecken mit einem Tesa im kalender einkleben und wenn es zur Wanderrötung kommt, könne man die noch einschicken. Macht das Sinn? Ich hab die Überlebenskünstler bisher ja immer nur abgefackelt.

  13. Die Wanderröte kann auch schnell verblassen. Wir sahen sie vor Jahren abends beim Sohn und am Morgen beim Hausarzt war sie fast verblasst. Dem Arzt reichte aber schon das zur Diagnose, das Foto welches wir abends gemacht hatten brauchte er nicht zu sehen.

  14. Hehe, immer diese Zeckenpanik. Nicht ganz unbegründet, aber also mein Kenntnisstand ist, dass es nicht zwangsläufig schlimm ist, wenn ein Teil drin stecken bleibt. Könnte sich entzünden wie ein Splitter und sollte daher raus, aber selbst, wenn der Zeckenkopf drin stecken bleibt, ist es kein Fall für den Notdienst, oder bin ich da falsch informiert, Doc?

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