Zauberei

Jeder Notdienst, der mir einen „Chassaignac“ präsentiert, also die Subluxatio dolorosa, das Herausrutschen des Radiusköpfchens aus seinem Halteband am Ellenbogen – ein Trauma, das zu einer sehr schmerzhaften Schonhaltung des enstprechenden Armes führt -, lässt mich zum Zauberer werden: Durch ein kurzes Repositionsmanöver ist das Kind plötzlich beschwerdefrei und glücklich. Eine klassische Art von gelernter und erklärbarer Medizin: Etwas ist kaputt und wird repariert. So einfach funktioniert Medizin nicht immer, aber die versteckte, weil übersehbare Aktion der Reposition wirkt wie Zauber, als ob der Arzt heilende Hände hätte.

Warum haben Heilpraktiker ein so großen Zulauf? Warum finden Patienten bei den etablierten Ärzten keine ausreichende Hilfe und Unterstützung? Warum wenden sich viele seltsamen Heilversprechen zu und glauben an geisterhaft kryptische Therapien? Warum spaltet die Zuwendung zu Alternativverfahren die Kommentare in Internetforen, warum nehmen die Diskussionen darüber immer religiös-fanatische Züge an, die keine friedliche Koexistenz der Systeme gewährleistet?

Anousch Müller hat ein Buch geschrieben, das es bisher in dieser Weise noch nicht auf dem deutschen Sachbuchmarkt gab, aber das schon lange geschrieben gehörte. Wohl strukturiert und m.E. sehr unaufgeregt sammelt sie die verschiedenen Facetten des Heilpraktikertums ein. Ausgangspunkt war das eigene Erleben an einer Heilpraktikerschule. Beim genaueren objektiven Beschäftigen mit den Quellen der einzelnen Verfahren stieß die Autorin auf seltsam rückwärtsgewandte Pseudomedizin, die sich nicht weiterentwickelt, sondern mit abenteuerlichsten Nischentherapien stets Heilung versprechen.

Die einzelnen Verfahren werden dargestellt, ihr Ursprung, ihre „Erklärungsmodelle“. Jedes Verfahren beansprucht für sich eine rationale Ebene, damit die denkende Vernunft den Einstieg findet, um letztendlich aber stets auf einer unerklärlichen Ebene zu landen, die „geisterhaft“ oder „noch nicht erklärbar“ erscheint, seien es die Meridiane der Akupunktur oder das Wassergedächtnis der Homöopathie. Dabei findet Anousch Müller auch Gutes an Verfahren, so den Entspannungstechniken, an Massagen, an Qigong. Die Osteopathie kommt dabei im meinen Augen zu gut weg, sie wird in einem Nebensatz gestreift. Alleine der Anspruch der Heilsversprechen dieser „wohltuenden Berührungstherapie“ entlarvt die Osteopathie als Schwurbelverfahren (Punkt 8 der Checkliste der Indizien für Quacksalberei).

Wir erfahren viel über das Weltbild der Heilpraktiker, über den Ursprung des Heilpraktikergesetzes im Dritten Reich, den seltsamen Umgang mit der Wissenschaft, das Problem der confirmation bias, der Cochrane Collaboration und die üblichen Phrasen „Wer heilt, hat recht“, „die Pharmaindustrie will nur Geld machen“ oder „die Wissenschaft sperrt sich gegen alternative Medizin“. Sicher ist Frau Müller in ihrem Buch dabei nicht objektiv und unterliegt selbst dem „Bestätigungsfehler“, wie sie unumwunden zugibt, aber den Anspruch einer cochranesken Korrektheit muß sie auch gar nicht erfüllen. Wer den Titel in der Buchhandlung sieht, weiß, worauf er sich einlässt.

Auch Ärzte beschäftigen sich mit Alternativverfahren, die Zusatzweiterbildung „Naturheilverfahren“, die jeder Mediziner ablegen kann, dürfte in ihrer Schwurbelvielfalt den Heilpraktikern in nichts nachstehen: Auch hier wird neuraltherapiert, geschröpft, akupunktiert und globulisiert. Für viele Ärzte ist dies im übrigen ein gutes Zusatzeinkommen, denn Abrechnen via Gesetzlicher Krankenversicherungskarte geht nicht. Hier folgen viele Kollegen dem Trend: „Natürliches“ wird verlangt, da bietet man gerne Entsprechendes an. Der Patient darf aber nicht denken, dass das die Verfahren wirksamer macht, vielleicht ist der Placeboeffekt nur ein größerer, da aus ärztlicher Hand. Und wenn dann die Krankenkasse freundlicherweise die Kosten übernimmt (weil die sich auf dem Markt behaupten muß), wird das Verfahren zudem geadelt.

Dieser Aspekt kam mir etwas zu kurz: Das Wirtschaftsunternehmen „Heilversprechungspraktik“. Die Stundenlöhne, die der Heilpraktiker kassiert (ohne Personal, ohne großartigen Verschleiss von Verbrauchsmaterialien), die Kostenübernahme durch viele viele Gesetzliche Krankenkassen. Wer unwissenschaftlichen Methoden folgen möchte, darf diese gerne selbst bezahlen.

Bleibt die Frage, warum Heilpraktikanten einen solchen Zulauf haben? Wir vermuten die üblichen Verdächtigen: Die böse Schulmedizin, die nur schaden will, ganz wie zu Hahnemanns Zeiten, dagegen die Gesprächs- und Berührungsbereitschaft der Heilpraktiker. Aber vielleicht ist ein Grund der Luxus unserer modernen Medizin, der sichere Schoß, in dem wir uns eingenistet haben, die dank der vielfältigen Informationsquellen so erklärlich geworden ist, dass ihr ein wenig der Zauber fehlt. Viele Menschen wollen irrational behandelt werden, sie pfeifen auf wissenschaftliche Erklärungen, sie wollen Mystik atmen und Alternatives, sie wollen „anders“ behandelt werden, weil alles schon zu etabliert ist. Leider wird diesem „Anders“-Wunsch alles subsummiert: Also wird sich auch noch anders ernährt und gegen Impfungen gewettert. Ihnen ist vielleicht auch nicht zu helfen. Schade nur um die Hoffnungsvollen mit chronischen Krankheiten, die auf die Versprechen der Heilpraktiker mit ihren (un)durchsichtigen Therapien hereinfallen. Vielleicht kann hier das vorliegende Buch neue kritische Denkansätze bieten, die nicht sofort in Glaubensdiskussionen untergehen.

Anousch Müller: „Unheilpraktiker“, Wie Heilpraktiker mit unserer Gesundheit spielen, Riemann Verlag.


[Dieser Text enthält so genannte Affiliate Links – siehe Impressum. Das Buch wurde uns als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Vielen Dank.]

21 Antworten auf „Zauberei“

  1. „…. HP haben die Möglichkeit, sich Zeit für den Patienten zu nehmen, mal „um die Ecke zu denken….“
    Das kann auch jeder Kneipenwirt
    Und tatsächlich sehe ich es auch so, warum sollte ich eine Ko-Existenz anstreben mit einer Pseudo-Wissenschaft, Heilern und Schamanen
    Unter Umständen weiß man noch nicht einmal ob der praktizierende HP auch wirklich und überhaupt irgendeine Ausbildung hat
    Die Gesundheitsämter handhaben die Erteilung der Berufszulassung nach dem HPG unterschiedlich.
    Und einheitliche Standards in Ausbildung und Prüfung gibt es auch nicht
    Wobei ich aber fairerweise sagen muss, dass ich auch schon HP erlebt habe, die sich von Homöopathie ablehnen

    Ginge es nicht um die Gesundheit oder gar das Leben von Menschen, wär das Ganze eine Posse, ist es aber nicht (schon lange nicht mehr)

    Aber evtl. bin ich auch nur neidisch, weil ich so lange studiert habe, soviel Zeit und Geld investiert habe, permanente Weiterbildung und jetzt schon wieder………….
    Wo es doch so einfach ist
    Man(n) weiß es nicht

  2. Ich glaube, ich kauf mir das Buch und lass es dann „zufällig“ aufm Wohnzimmertisch liegen, wenn Monsieurs Mutter vorbeikommt. Die müsste so was mal lesen.

    Mit Akupunktur hab ich auch so meine Erfahrungen. Man hat damit versucht, meine Skoliose zu lindern. Hat natürlich nicht funktioniert.

  3. Warum sollte man sich auch eine friedliche Koexistenz wünschen mit einer Pseudowissenschaft, die Menschen mit abstrusen Heilsversprechen viel, viel Geld aus der Tasche zieht?

    Mein gesunder Menschenverstand kann das nicht zulassen.

  4. „Die Psycho- Szene“ von Colin Goldner stellt eine sinnvolle Ergänzung dar: Zwar schon etwa zehn Jahre alt, aber sehr informativ und pointiert geschrieben.

  5. Die ganz grosse Zauberei ist, wenn der Doktor dir den Chassaignac als teureren Chaissaignac verkaufen möchte 🙂 (oder hat er es sich nur auf einem Stuhl bequem gemacht?)

    (Magisch auch das Gefühl beim schlauen Medizinstudenten, der das erkannt hat, haha)

  6. Das, was in D für eine Heilpraktikerzulassung reicht ist echt ein Witz. Ja, man muss dafür viel lernen und es kommt absolut nicht jeder durch. Aber es reicht die Begabung zum Auswendiglernen – mehr wird in der Prüfung nicht abgefragt und man muss keinerlei Praxis/Ausbildung nachweisen um nach bestandener Prüfung die Zulassung zu bekommen.
    In der Prüfung zum HP geht es aber (immerhin) an keiner Stelle um Phytotherapeutika, Homöopathie, Schüsslersalze, TCM oder ähnliches.
    Geprüft wird ausschließlich Wissen über Anatomie, gängige Krankheiten, Infektionskrankheiten und Gesetze (= was darf der HP, was darf er nicht) und „Seuchenschutz“.
    Leider weiß das kaum einer der zum Heilpraktiker geht, die meisten Patienten denken wirklich, einem Heilkundigen mit mehrjähriger Ausbildung gegenüberzusitzen. Das heißt nicht, dass alle HP von nix ne Ahnung haben – viele haben ja dann doch ausführliche Zusatzausbildungen gemacht (und das nicht nur im Globulikullern) – aber sie müssen es halt nicht, eine Praxis kann man auch ohne aufmachen.
    Gestern war ein guter Bericht in „Volle Kanne“ (krank zuhause rumhängen bringt einen an die merkwürdigsten Sendungen *gg*). Leider hat das, was in dem zugehörigen Bericht auf der Homepage steht überhaupt nichts mit dem zu tun, was im Beitrag vorkam – z.B. sehr interessante Aussagen einer Homöopathin die ihre Praxis zugemacht hat, weil ihr der Dogmatismus in ihrem Berufsstand zuviel war.
    Sie sagte auch, dass für sie die Homöopathie eigentlich nichts mit den Glaubulis zu tun hat, sondern in erster Linie „Gesprächstherapie“ ist. Diese Meinung vertrete ich ja schon lange. HP haben die Möglichkeit, sich Zeit für den Patienten zu nehmen, mal „um die Ecke zu denken“ etc.. Wenn sie gut sind, bringt das oft den Ausweg aus langen Krankheitsgeschichten. Der Ausweg kann durchaus auch darin bestehen dem Patienten zu sagen „sie sollten zum Facharzt Bereich xy gehen und sich mal auf Krankheit z untersuchen lassen.
    Die Möglichkeit sich so intensiv mit dem Patienten zu bafassen hat der niedergelassene Arzt nicht, da kann er noch so gut sein – er muss nach GOÄ abrechnen. Wenn er sich mit diesem Abrechnungssystem die Zeit für Patienten nimmt, die der HP hat kann er leider schon nach einem Monat seine Miete/seine Angestellten nicht mehr bezahlen…

  7. Richtig schlimme finde ich, dass hilfesuchende Menschen oft gar nicht wissen, wie inexistent die medizinische Vorbildung von HeilpraktikerInnen ist. Da sitzt jemand in einer „Praxis“ mit schickem Emailleschild außen an der Tür und kümmert sich um Menschen, die an etwas leiden. Das klingt gut, das macht Hoffnung. Dass da vielfach nicht mal Halbwissen, sondern oftmals gar kein Fachwissen zugrunde liegt und die angebotenen „Behandlungen“ an esoterischem Nonsens ihresgleichen suchen, fehlt an Information.
    Wer sich Homepages von HeilpraktikerInnen im Netz auch nur mit minimal kritischem Blick anschaut, kann eigentlich nur fassungslos den Kopf schütteln. Das Angebot reicht von irgendwelchen Engelkristall-Meditationen über im Mondschein besungenen Heilwässerchen bis hin zu spiritueller Traumatherapie. Und die vermeintlich behandelten Krankheiten decken in etwa das gesamte medizinische Spektrum ab.
    Was für ein Irrwitz. Und was für eine Anmaßung, sich ohne jede Vorbildung Menschen zuzuwenden, die vermutlich auf Hilfe angewiesen sind.

  8. Es gab DEN einen Moment, also ich (überzeugte langjährige HP-Patientin) ins Zweifeln kam: Als ich las, wie die Ausbildung und Prüfung für HP aussieht. Wir schicken alle Azubis in eine mind. 2jährige Ausbildung: FriserInnen, AutomechanikerInnen, GebäudereinigerInnen; ganz zu schweigen von Gesundheitsberufen wie MFA und PhysiotherapeutInnen.
    Aber für eineN HP (also einen Beruf, in dem ich eigenverantwortlich kranke, sogar schwerkranke PatientInnen vor mir habe), brauche ich nichts außer einer Prüfung beim Gesundheitsamt, in der mir in 2 Stunden 60 MC-Fragen gestellt werden! Ich muss noch nicht mal vorher irgendeine Art von Schule besuchen, geschweige einmal in meinem Leben PatientInnen sehen – ich kann mir das mit Auswendiglernen alles selber aneignen und muss dann nur durch die mündliche und schriftliche Prüfung kommen.
    Seit ich das weiß (wer von uns hat sich das denn schonmal klargemacht?), ist das Thema für mich weitgehend durch.

    Wir lassen unsere Gasthermen nur von zertifizierten Facharbeitern warten, wir bestehen darauf daß die GrundschullehrerInnen unserer Kinder studiert haben – aber wir haben kein Problem damit, unseren Krebs und andere schwere Krankheiten durch Menschen ohne eine Art von einheitlicher Ausbildung behandeln zu lassen? DAS halte ich für den Skandal; nicht die Streitigkeiten, ob etwas hilft oder nicht.

    1. In Österreich gibt es für Heilpraktiker übrigens keine Berufserlaubnis und somit auch keine Möglichkeit zu praktizieren. Unsere Gesundheitsberufe sind wie alle Ausbildungsberufe mindestens 3jährig, manche 3,5 jährig oder sogar mittlerweile FH-Niveau.
      Hindert aber kaum einen grenznah Wohnenden, nach Bayern zu Heilpraktikerinnen auszupendeln, wenn er oder sie meinen es zu brauchen. Ist also offensichtlich etwas, das nicht mit Verstand „behirnt“ wird, sondern Ausdruck magischen Glaubens ist.
      Mich wundert eher auch, wie die HPs das vor sich selbst rechtfertigen, was sie da tun. Und wie der Gesetzgeber die strengen Auflagen für frei praktizierende KrankenpflegerInnen oder Hebammen begründen kann, wenn er zeitgleich auswendig-gelernte Unheil-Praktizierende ermöglicht.
      Einfach nicht mehr hingehen, vielleicht sterben sie aus 🙂
      Gruß aus dem Osten,
      Anna

  9. Ich denke, dass alternative Heilmethoden so einen Zulauf haben, weil der kranke Mensch dort als Mensch ernst genommen wird.
    Ich arbeite auf einer Intensivstation, wo die Patienten ihre Ärzte weder kennen noch jemals zu Gesicht bekommen. Und wenn doch, und der Patient möchte Auskunft oder kurz seine Sorgen loswerden, wird er übergangen, voreilig „abgeschasselt“ oder seine Aussagen ins Lächerliche gezogen. Ein Großteil der Ärzte kriegt es einfach nicht hin, das Ding mit der Kommunikation.
    Mein Vater hatte Krebs und wurde schon 7 Jahre vor seinem Tod von der Schulmedizin als Palliativpatient bezeichnet, bei dem überhaupt alles eh nicht viel Sinn hat. Prinzipiell und theoretisch hatten seine Ärzte recht. Aber es ihm so knallhart ins Gesicht zu sagen um im nächsten Moment aus dem Zimmer zu stürmen und ihn mit dieser Prognose sich selbst zu überlassen, hat ihn wiederum veranlasst, sich an Menschen zu wenden, die Interesse an seinen Sorgen zeigten. Oder die ihm sagten, dass alles nicht so schlimm ist und er wohl noch ein paar schöne Jahre haben dürfe (was dann ja auch so war). Oder die mal eine Stunde lang seine Wehwehchen in den Mittelpunkt stellten und ihn ernst nahmen.
    Da hilft dann einmal Schwurbelfingerauflegen besser als eine Chemo.
    Und wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, ist einem dann auch ziemlich wurscht, ob der Topfen evidenzbasiert ist oder nicht.
    Das hat sich die tolle Schulmedizin selbst zuzuschreiben – sie versagt viel zu oft bei chronisch Kranken.

    1. Sie haben absolut recht, und leider nicht nur was chronisch kranke Menschen angeht. Ich habe da eine besonders herzige Erinnerung an einen Oberarzt auf der Kinderstation, Marke Halbgott in weiß. Lag mit seiner Diagnose, die er mal eben so als selbstverständliche Tatsache in den Raum schmiss, voll daneben und peinlicherweise behielt auch noch der junge Assistenzarzt recht. Aber bloss kein freundliches Wort an den Patienten! Ich frage mich seitdem: der Mann ist doch freiwillig Kinderarzt geworden, wieso waren ihm seine kleinen Patienten dann irgendwann nicht mehr wichtig? Oder wurden nur noch als Gegenstände, bestenfalls Forschungsobjekte gesehen? Muss man so sein, um im Krankenhaus Karriere zu machen oder wird man so, während man im Krankenhaus Karriere macht?
      Allerdings ändert das nichts daran, dass Heilpraktiker als Alternative ein Irrweg sind. Die mögen zum Teil besser zuhören und besser auf den Patienten eingehen (klar, sonst kommt der Patient nicht wieder und damit auch sein Geldbeutel nicht!), aber es fehlt Ihnen häufig eben das notwendige Wissen, um wirklich helfen zu können. Oder auch beurteilen zu können, wann die eigene Grenze erreicht ist. Und in letzterem Fall, selbst wenn der Heilpraktiker gar nicht aus Gewinnorientierung falsch handelt, sondern aus wohlmeinender Unkenntnis, kann das Ergebnis mehr als nur ein wenig fatal für den Patienten ausfallen.

      Meine Krankenkasse interessiert sich nur leider nicht dafür, dass ich keinen Wert darauf lege, dass die Kosten für bestimmte homöopathische Behandlungen bei bestimmten Heilpraktikern nun von ihnen übernommen werden, sondern dass ich es bevorzugen würde, wenn Ärzte so bezahlt werden würden, dass sie für die einzelnen Patienten wirklich Zeit hätten.

      1. kurzvor2 und aucheinemama sprechen mir aus der Seele… Ich ergänze nur: Wenn es genug Ärzte gäbe und sie nicht gezwungen wären, Patienten wie am Fließband kurztaktig abzuhandeln, dann hätte die eso-Medizin auch weniger Zulauf.

      2. Sie sollten sich mal mehr mit dem Berufsbild und der Ausbildung von Heilpraktikern auseinandersetzen, bevor sie hier pauschal „Unwissenheit“ unterstellen!

  10. @Caroline: in all den jahren, die ich hier beim kinderdoc lese, habe ich nie den eindruck gewonnen dass er was gegen naturheilkunde einzuwenden hat – eher im gegenteil. und schon gar nicht ist er ein fanatiker.

    das problem sind doch nicht naturheilkunde oder -kundige, sondern der hype, der vielfach darum gemacht wird, in kombination mit der ablehnung der schulmedizin. und natürlich gibt es scharlatane – aber die gibt es überall, das wissen wir sowieso schon lange.

    die idealform ist immer die kooperation der verschiedenen methoden und fachleute, zum wohl der patienten, der behandelnden und der kranken kassen (auch denen der patienten).

    die roßböck/schwarzwallner familien habe ich selber kennengelernt, und in meiner familie ein paar offene brüche (elle und speiche durch und gesplittert), etc., bei meiner 84-jährigen grossmutter drei gebrochene handwurzelknochen, gebrochene schlüsselbeine und ähnliches, wie das halt auf dem land ist, erlebt: alles makellos wieder verheilt und funktionsfähig ohne einschränkungen. aber es gab einfach krankheiten und zustände, da schickten die roßböcks und schwarzwallners die leute „zum doktor“ oder ins spital, weil „das kann ich nicht“. und die landärzte der umgebung sagten vielfach, gerade bei knochenbrüchen: „geht’s besser zum rossböck, und nicht ins spital“. eine kleine einführung in die geschichte der herrschaften – die das interfamiliär jahrhundertelang weitergegeben haben, aber nicht an jeden, weil nicht nur die kenntnisse sondern auch „das g’spür“ ganz dringend notwendig sind – kann man hier lesen: http://www.zobodat.at/pdf/WM_5_0007-0012.pdf.

    fun fact: der alte roßböck hat immer betont, wie gut er es findet dass es impfungen gibt, und antibiotika, und überhaupt so viele medikamente, mit denen man den menschen helfen kann, denen man mit der naturheilkunde halt nicht helfen kann.

  11. Ich kann nur aus persönlicher Erfahrung sprechen.
    Es gab eine Zeit, da war mir jeden Tag ständig schwindelig. Alle Untersuchungen brachten nichts, es wurde auf die Psyche geschoben, die Ansätze da waren aber eher Kontraproduktiv, entdeckt wurde zumindest auch dort nichts sinnvolles.
    Letzte Möglichkeit… Heilpraktikerin. Eine ältere Dame, die einen guten Ruf hatte.
    Sie nahm mich unter Beschuss (mit Fragen), schaute mir letztendlich in die Augen mit einer Lupe und stellte dort irgendwie fest, dass ich Wasser hinter dem Trommelfell sitzen hatte, dass auf den Gleichgewichtssinn drücken würde. Mir wurden Tropfen aufgeschrieben, es kam auch ordentlich Flüssigkeit aus den Ohren, danach wurde es besser.

    Ob das nun alles der Placebo-Effekt war, oder ob sie etwas sah, was Schulmedizinern abhanden gekommen ist (ich glaube schon, dass früher auch sinnvoller natürliche Produkte eingesetzt wurden, irgendwas müssen die ja auch geholfen haben, sonst wäre das nicht Jahrhunderte so angewendet worden), kann ich nicht sagen.
    Ich glaube allerdings schon, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die der Mensch sich nicht erklären kann.

    Hier in der Nähe gibt es eine Warzen“beschwörerin“. Warzen, die medizinisch behandelt wurden und Vereisung und Co widerstanden, bespricht sie und die gehen tatsächlich bei den meisten weg. Selbst bei Skeptikern. Es gibt nichts, dass man messen kann, nur das Ergebnis.
    Diese Frau nimmt – jaja, im Gegensatz zu vielen anderen, ich weiß – auch kein festes Honorar, sondern lässt die Patienten bezahlen, was es ihnen Wert ist.

    Meine Ärztin haut netterweise auch nicht immer gleich mit der Chemiekeule zu, sondern schaut auch erst, ob sie alternativ unterstützen kann (mit alten Hausmitteln oder mit lösenden Mitteln auf pflanzlicher Basis…). Ich finde es sinnvoll, gerade wenn man ansonsten schon bei Ärzten war, die einfach gegen alles ein Antibiotikum verschrieben haben.

    Natürlich muss jeder schauen, wann es sinnvoll ist, natürlicher zu unterstützen. Bei einer heftigen Grippe oder bei lebensbedrohlichen Krankheiten bin ich auch froh um die Fortschritte der Schulmedizin. Wer glaubt, dass Krebs nur mit Beschwörung weg geht, der wird bitter enttäuscht werden. Auch deswegen ist es wichtig, keinen Glaubenskrieg aus der Wahl der Methode schon bei den kleinen Dingen zu machen.

  12. Warum die Diskussionen fanatisch werden und die Systeme nicht in friedlicher Koexistenz bestehen können?
    50% der Antwort finden Sie in Ihren Formulierungen. Und das sage ich nicht als Anhängerin „verschwurbelter“ Heilungstheorien, die Sie vermutlich sofort vermuten. Ich nutze tatsächlich fast ausschließlich „normale“ Medizin. Aber Ihre Haltung zu dem Thema lässt in keinem Satz spüren, dass Sie tatsächlich eine friedliche Koexistenz wünschen. Die andere Seite steht Ihnen da möglicherweise in nichts nach, aber an Ihre eigene Nase können nur Sie sich packen.

    1. Eine friedliche Koexistenz ist eben nur mit jenen Bereichen der Paramedizin möglich, von denen keine Gefahr ausgeht, weil sie sich auf komplementäre Behandlung beschränkt und sich der Überprüfbarkeit nicht prinzipiell widersetzt. (Ja, Teile der etablierten Medizin tun sich mit der Überprüfbarkeit auch schwer, aber da ist es zumindest nicht Teil des Programms.)

      Es können auch nicht in einem Staat Anhänger der Demokratie und der Diktatur völlig friedlich nebeneinander existieren, weil die Anhänger der Diktatur eben eine Gefahr für die Demokratie darstellen.

      1. Der Vergleich hinkt, denn in diesem Falle stellt eigentlich keine Art der Medizin eine Gefahr für die andere da, wenn man das Heilpraktikertum als Ergänzung ansieht.
        Es sollten ja nicht zwei Systeme gegeneinander kämpfen, sondern miteinander den Patienten helfen wollen.

    2. .. ist auch ziemlich schwierig das auszuhalten, was da praktiziert wird, wenn man sich von Berufs wegen vorgenommen hat, seinen PatientInnen wirklich zu helfen und sie möglichst zu heilen, und dann akzeptieren soll, dass Schindluder getrieben wird… Du würdest wohl auch nicht akzeptieren, wenn jemand im lecken Tank deines Autos für teures Geld Notfalltropfen verteilen würde…frei nach dem Motto: vielleicht bildet der Tank dann Rost, und Rost hält viele Autos zusammen….
      *lach*
      Edith

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