Dürfen Ärzte Patienten ablehnen?

Erste Antwort: Eigentlich Nein.

Aber so einfach wollen wir es uns hier nicht machen. Ärzte haben grundsätzlich eine Behandlungsverpflichtung, das besagt das Strafrecht (unterlassene Hilfeleistung) und ist ein ethischer Grundsatz allen medizinischen Handelns: Dem Hilfesuchenden wird geholfen. Im reinen Berufsrecht „steht es wiederum auch Ärztinnen und Ärzte frei, eine Behandlung abzulehnen.“ Dies wird jedoch eingeschränkt durch „besondere rechtliche Verpflichtungen“ – und diese beziehen sich auf das so genannte Vertragsarztrecht. Die meisten Ärzte sind Vertragsärzte in Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung und müssen hier uneingeschränkt an der Versorgung teilnehmen.

Dies ist der juristische Aspekt und entspricht wie üblich nicht der Realität: Lange Wartezeiten auf Termine, komplettes Ablehnen von Patienten, weil die Praxis „voll“ sei oder das „Budget erschöpft“ oder „nur Private behandelt werden“.

Unterschiede gibt es sicher in der Notfallbehandlung und bei geplanten Untersuchungen. Eine Notfallbehandlung darf niemals abgelehnt werden (außer, der Arzt begibt sich selbst in Gefahr – Autounfälle, Brände, Stromunfälle, aber das gilt bei der Ersten Hilfe im Allgemeinen). Das wiederum bedeutet für Ärzte in Notfallambulanzen und im Krankenhaus, aber auch „Versorgerpraxen“, die eine Sprechstunde anbieten, dass sie ungesehen des Alters, des Geschlechtes, des Aussehens, der Religion oder des Verhaltens des Patienten eine Versorgung übernehmen müssen. Ist der Arzt fachlich nicht befähigt (z.B. ein Kind zu entbinden, einen Infarkt zu behandeln, einen Chaissagnac einzurenken oder eine Wunde zu nähen), so wird er das in seinem Fach Mögliche tun und den Patienten weiterverweisen. Banal.

Geplante Untersuchungen wie Operationen, Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen usw. lassen sich „schieben“, hier gibt es nur bestimmte Kapazitäten, die ein Arzt, eine Praxis schaffen kann. Beispiel bei uns: Auf einen Termin für eine Jugenduntersuchung muss man bei uns im Moment fünf Monate warten, diese „Luft“ haben alle aber auch. Das Fenster für die „jüngeren“ Vorsorgen ist viel kleiner (die U3 muss zwischen dritter und sechster Woche stattfinden, die U7 zwischen 20. und 24. Monat usw.), da wird es schon schwieriger in der Planung. Ähnliche Probleme haben sicher Chirurgen oder Augenärzte – geplante Untersuchungen sind schließlich zeitaufwändiger, nehmen mehr Platz im Terminkalender ein. Irgendwann ist der voll und was soll dann das Team schon machen, als Patienten auf andere Praxen zu verweisen oder ganz abzulehnen? Schließlich wollen wir nicht vergessen: Welcher Patient möchte schon einen Termin in ein paar Monaten oder frühmorgens/spätabends oder in der Praxis stundenlang warten?

Was bedeutet das für den Kinder- und Jugendarzt? Vielleicht mal aus der Praxis geschildert: Wir sind mit der Versorgung, wie viele andere in der Region, am Limit. In der Konsequenz können wir aktuell nur Neugeborene „aufnehmen“, sowie Neuzugezogene. Wie soll man auch sonst jungen Eltern vermitteln, dass sie mit ihrem Neugeborenen nicht willkommen sind? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mit diesem Regime eine ausreichende Fluktuation zwischen Neuzugängen und Weggehern stattfindet. Unsere Praxis arbeitet mit überproportional vielen Patienten im Vergleich zur Fachgruppe, aber so haben die Patienten ein gutes Gefühl bei moderater Wartezeit auf Termine, kurzer Wartezeit in der Praxis und einen entspannten Arzt. Denn das wiederum wollen ja alle haben.

Denn was viele Eltern oft nicht sehen: Konzentrieren sich die Patienten auf einzelne Praxen, während andere noch Kapazitäten haben, leidet irgendwann auch die Qualität der jetzt übervollen Praxen. Ich habe das erlebt: Als Jungniedergelassener wechseln alle zu Dir in die Praxis, zum „Ausprobieren“, zum „Neuen Besen“, und weil die etablierten Praxen voll waren. Das geht eine Zeit gut, bis die eigene Praxis aus allen Nähten platzt, dann beginnt wieder das Wechselkarussell in die nächste Praxis. Es beschwerten sich Eltern über längere Wartezeiten, „weil wir ja jetzt soviele Patienten annehmen würden“, die waren vor nicht langer Zeit zu uns gewechselt.

Und dann das Argument mit den Privaten – die dürfen ja immer und bekommen auch schnell und immer einen Termin. Das stimmt oft. Das liegt an unserem Bezahlsystem: Privatpatienten generieren den Praxen immer gesichertes Honorar (wenn die Bonität und Zahlungsmoral stimmt), bei gesetzlich Versicherten warten wir bekanntermaßen über zwei Quartale auf das Honorar, ohne vorher zu wissen, wie hoch es ausfällt. Überschreitet das bei der Kassenärztlichen Vereinigung angeforderte Honorar den Vergleich zum Jahresvorquartal, droht sogar das komplette Abschneiden des Überschusses, d.h. der Doc hat x Patienten effektiv kostenlos behandelt. Ich kann jeden Arzt in diesem System verstehen, der am Ende des Quartals sagt, er nehme keine Patienten mehr an, die er nicht bezahlt bekommt. Handwerker dürfen auch Aufträge ablehnen, wenn die Arbeitskapazität erschöpft ist, über Aufträge, die sie annehmen müssten, sie aber nicht bezahlt bekommen, würden sie nur müde lächeln.

Ich denke, in Versorgerpraxen wie Haus- oder Kinderärzten kann das System gut funktionieren: Notfallpatienten müssen behandelt werden, ganze neue Patienten (durch Zuzug oder Geburt) werden aufgenommen. Das reicht. Ich mache die Erfahrung, dass die Hälfte der Wechselpatienten irgendwann weiterwechseln. Ganz ablehnen würde ich Gängeleien wie „Bewerbung schreiben“, um eine Praxis aufsuchen zu dürfen (ja, das gibt es!), oder seitens der Patienten das Einklagen einer Behandlung, hier dürfte das Vertrauensverhältnis bereits vor Behandlungsbeginn zerrüttet sein.

Denn auch das kann ein Grund sein, Patienten abzulehnen: Wenn sie sich ungebührlich verhalten (so habe ich eine Familie vor der die Tür gesetzt, bei der der Vater eine Mutter im Kopftuch beleidigt hat; aber es gibt auch Fälle von lautstarkem Gezeter über den Doc im Wartezimmer oder aber schlichtes x-maliges Versäumen von Terminen) oder kein Vertrauen zwischen Patienten und behandeldem Arzt herrscht. Eltern, die wiederholt Medikamente nicht geben, die vier- oder fünfmal eine zweite Meinung einholen, die sich mal in dieser Praxis, mal in jener behandeln lassen. In ein ähnliches Feld fallen die Impfgegner – auch diese finden sicher durch einen anderen Arzt eine bessere Unterstützung als mich.

 

Quellen:
(Muster-)Berufsordnung für Ärzte (siehe vor allem §7, Abs. 3)
Bundesmantelvertrag der Ärzte (d.i. Vertragsrecht, siehe vor allem §13)
Sozialgesetzbuch  (Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung)
Blogartikel zu den juristischen Hintergründen

34 Antworten auf „Dürfen Ärzte Patienten ablehnen?“

  1. Hallo,
    ich bin seit vielen Jahren mit meinen beiden Söhnen in einer sehr guten Kinderarztpraxis. Vor einem Jahr haben beide Doktoren altersbedingt die Praxis an einen jüngeren Arzt übergeben. Wir waren mit den beiden älteren Ärzten äußerst zufrieden, weil sie auch immer sehr unaufgeregt behandelt haben. Wir müssen nun seit ca 3 Jahren eine jährlich wiederholende Imunisierung durchführen. Anfangs wurde auf die 30 minütige Wartezeit nach der Impfung nicht so sehr Wert gelegt, es wurde kulanterweise auch mal auf 10 Minuten weniger verzichtet. Hauptsache dem Kind ging es gut und ich als Mutter war einverstanden früher zu gehen. Nun bin ich beim letzten Mal würde ich äußerst unfreundlich darauf hingewiesen, ohne dass die Dame am Empfang mit dabei ins Gesicht sah, dass ich doch gefälligst dir 30 Minuten einzuhalten habe. Das ging mir mit Verlaub mit dieser Art zu weit und ich habe dieser Dame ausdrücklich gesagt, dass sie mit mit mir in diesem Ton nicht sprechen sollte. Zwei Wochen später,
    spricht mich jetzt der Arzt an, ich sollte mir überlegen, wie ich mit seinen Mitarbeitern umgehe und dass er, wenn ich das nicht täte, wir uns trennen müssten. Ich habe mich natürlich erklärt und ihm gesagt, dass ich mich auch als langjährige Patient so nicht behandeln lasse. Ich finde die Reaktion des Arztes als sehr anmaßend. Frage nun: darf er mir überhaupt so etwas sagen? Die Praxis ist sehr gefragt und ich weiß auch, dass sie keine neuen Patienten mehr aufnehmen können. Kann man mir zu meiner Frage eine Antwort geben? Dankeschön

  2. Es gibt ja von fast allen Fachärzten auf dem Land zu wenige, aber bei Kinderärzten ist es in meinem bayrischen Heimatlandkreis richtig heftig.

    Es gibt für so einen riesen Landkreis eh schon zu wenige.
    Dann musste eine Praxis vor einiger Zeit überraschend geschlossen werden, da der Besitzer, bevor er einen Nachfolger für seine wohlverdiente Rente fand, leider an Krebs erkrankte und deshalb ungeplant viel früher aufhören musste.

    Bis in dem Ort eine neue Praxis aufmachte dauerte es sehr sehr lange.
    Leider hat die Kinderärztin nach höchstens einem Jahr (wenn überhaupt) die Praxis aus privaten Gründen wieder zugemacht, das war vor kurzem.

    Gleichzeitig hat sich leider die Kinderärztin im nächsten Ort umgebracht vor kurzem, auch diese Praxis ist nicht mehr besetzt.

    Von 5 Praxen sind jetzt nur noch 3 offen, natürlich hoffnungslos überlaufen und viele verzweifelte Eltern, die weder im eigenen noch im Nachbarlandkreis so einfach einen Kinderarzt-Termin kriegen 🙁

    Die nächste Kinderklinik ist knappe 40-70km weg, je nachdem, aus welcher Ecke des Landkreises man kommt 🙁

  3. Toller Beitrag, bin durch Zufall drauf gestoßen, auf der endlosen Suche nach einem Kinderarzt in Leipzig. Wir sind im letzten Monat aus München hergezogen und leider zählt bei den Kinderärzten hier der „Neu-Zugezogen-Status“ nicht um als Patient aufgenommen zu werden 🙁 Was macht man denn dann in solchen Fällen? Weiter zum Kinderarzt in München zu den U-Untersuchungen und bei Krankheiten/Notfällen ins Krankenhaus? Ich habe jetzt 20 Ärzte durch telefoniert und echt keine Lust mehr 🙁
    Die Lust auf ein zweites Kind ist mir somit auch vergangen 🙁

  4. Pingback: Zimmer 7
  5. Aber es gibt doch die freie Arztwahl, oder? Wir sind zum Beispiel innerhalb einer großen Stadt umgezogen und brauchten deshalb einen neuen Arzt für den Einjährigen. Mit der neuen Frau Doktor kommen wir aber leider nicht gut klar, menschlich und fachlich nicht. Natürlich versuchen wir von ihr weg zu wechseln… Bloß sagt uns jetzt jeder andere „volle“ Arzt: „Sie sind doch bei der! Also gehen sie doch da hin!“ – Egal ob U-Untersuchung, Impfung oder Akute Bronchitis. „Wir nehmen niemanden mehr auf!“ – Ende.

    Ich wurde heute bei -5℃ mit fieberndem Kind wieder vor die Tür gesetzt, weil meine andere Ärztin doch im Dienst sei!

    Ich habe kein Problem mit Wartezeiten, ich bin da echt geduldig – aber völlig abgewiesen zu werden bedeutet doch: wer sich in der Arztwahl einmal verwählt hat, hat halt Pech gehabt. Das kann es doch nicht sein. Oder verstehe ich irgendwas noch nicht richtig?

  6. Da ich grade das erste Mal als werdende Mutter mit dem Thema Kinderarzt in Berührung komme, war ich erstmal überrascht, wie voll die Praxen sind…
    Du schreibst, dass man bei Euch mehrere Monate auf den Termin für die Us warten muss – wann sollte man sich denn aus deiner Sicht um einen Kinderarzt bemühen und einen Termin für die U3 vereinbaren – vor Geburt finde ich das irgendwie etwas befremdlich?

  7. Moment mal, die Behandlung wird von der Kasse nur bis zu einer bestimmten Anzahl von Patienten bezahlt? Und im Kassenvertrag steht drin, dass die Behandlung auch darüber hinaus zu erfolgen hat? Wer macht denn solche Veträge? Ich gehe mal davon aus, dass die Situation vereinfacht dargestellt ist, oder was macht der Arzt in dessen Nachbarschaft ein neues Wohngebiet hochgezogen wird, oder wenn eine Infektionskrankheit ausbricht?

    Btw.: Wir (die Eltern) zahlen für unsere KV und die der Kinder im Monat fast so viel wie wir Miete zahlen und sind (auch mit Kindern) selten mehr als einmal im Monat beim Arzt. Man fragt sich schon, wie es da zu Engpässen kommen kann…

    1. Da gibt es eine Vielzahl von Gründen:

      a.) nicht jeder zahlt so viel wie Sie
      b.) es gibt auch chronisch kranke Kinder
      c.) das Geld wird ja nicht 1:1 an Ihre Ärzte überwiesen, davon werden auch Medikamente bezahlt (siehe z.B. Punkt b.), ein Gesundheitswesen aufrecht erhalten mit Notärzten, Krankenwagen, etc. die selten gebraucht werden, aber im Notfall vorhanden sein sollten, (die Liste ist lang!)
      d.) es gibt x Krankenkassen, die natürlich auch Arbeiten erledigen, aber eben auch Kosten verursachen, mit x Vorständen, Bürohäusern, und von mir aus auch Gärtnern und Hausmeistern etc.

      Ich frage mich eher, wieviel Geld von meinen Beiträgen tatsächlich bei, ich formuliere es mal laienhaft, medizinisch tätigen Personen im weiteren Sinne landen, als alle vom Arzt bis zur Krankenschwester/Rettungssanitäter/Apotheker und wieviel in reine Bürokratie fließt.

      1. Wo bleibt das Geld der GKV?

        Antwort von ihr selber zum Jahr 2015:
        https://www.gkv-spitzenverband.de/media/grafiken/gkv_kennzahlen/kennzahlen_gkv_2016_q1/160dpi/GKV-Kennzahlen_Leistungsbereiche_Euro_2015_web.jpg
        Dabei möchte ich anmerken, dass bei den „Arzneimittelausgaben“ der Salär der Apotheken bereits inbegriffen ist – siehe https://www.abda.de/uploads/tx_news/ABDA_ZDF_2015_Brosch.pdf Seite 19; der Wertschöpfungsanteil der Apoteheken beträgt dabei 2,3% der Gesamtausgaben der GKV

        Die 3,24 Milliarden € „Sonstiges“ (1,61%) sind vermutlich NICHT die Selbstverwaltungskosten der GKV (Gehälter, Mieten usw.), denn diese sind in dem Diagramm gar nicht aufgeführt, sondern solche Posten wie „Fernseh-, Radio- & Printwerbung“ und „alternative Behandlungsmethoden“. Dies erklärt auch den höheren Arzneimittelanteil bei der GKV-Statistik (17,2%) gegnüber der ABDA (14,9%).

        Die Selbstverwaltungskosten der GKV betrugen 2015 4,9% des Gesamtbudges und waren damit mehr als doppelt so hoch wie der Wertschöpfungsanteil der (ach so teuren) Apotheken mit 2,3%.

  8. Den Spass hatte ich bisher nur einmal,ist auch schon einige Jahre her da musste ich da mein Zahnarzt Urlaub hatte und seine Vertretung ein Kieferbrecher ist wg.Zahnschmerzen einen mir fremden Zahnarzt aufsuchen.Ich schilderte meine Schmerzen,ich gab meine KV Karte ab und man sagte mir beim Blick auf diese „das kann aber dauern da sind noch andere Patienten vor ihnen“.Macht nix ich habe Schmerzen und will die loswerden.Im Warteraum waren alle Stühle frei,zwei der drei Behandlungsräume waren unbesetzt,konnte man dank offener Türen sehen und im dritten Raum herrschte Stille.Keine Zeitschriften zum Zeitvertreiben vorhanden,niemand den man begucken konnte denn es kam kein weiteres Opfer,die „nette“Dame am Empfang schaute gelegentlich grimmig in meine Richtung und nach 90 Minuten hatte sie gewonnen,ich schnappte meine KVK,sagte Tschüss und suchte mir einen anderen Zahnarzt.Ich habe den Verdacht das denen meine Krankenkasse nicht zusagte aber darum jemanden Leiden lassen ist auch daneben.

  9. „Erste Antwort: Eigentlich Nein.“

    Ich würde das exakt umgekehrt formulieren wollen: grundsätzlich ja.

    Im Ausgangspunkt gilt: Auch der Arzt darf als Dienstleister die Übernahme einer Behandlung ablehnen, wenn er nicht behandeln möchte, und muss das auch nicht besonders begründen; auch für ihn gilt die Vertragsfreiheit, wie für den Klempner. Diese Ausgangslage wird (ebenfalls in alllen Fällen, nicht nur beim Arzt) eingeschränkt durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG, vulog Antidiskriminierungsgesetz) und durch die Pflicht zur Behandlung in Notfällen. Eine weitergehende Behandlungspflicht ergibt sich weder aus dem Strafrecht noch aus dem Berufsrecht, in dem es ja heißt: „Andererseits sind – von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen – auch Ärztinnen und Ärzte frei, eine Behandlung abzulehnen.“ (§ 7 Abs. 2 S. 2 MBO-Ä)

    Allerdings ist die privatrechtliche Vertragsfreiheit im Bereich der ärztlichen Behandlung faktisch dadurch weitgehend bedeutungslos, dass die privatärztliche Behandlung (d.h. Behandlung von „Privatpatienten“ oder sog. IGEL außerhalb der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung) zahlenmäßig kaum ins Gewicht fällt. Der Großteil der Patienten ist gesetzlich versichert und hat gegenüber seiner Krankenkasse einen Anspruch auf ärztliche Behandlung, den die Krankenkasse dadurch erfüllt, dass sie sich sozusagen „Ärzte hält“, die ihre Mitglieder behandeln. Diese „Vertragsärzte“ sind dazu durch Vertrag verpflichtet (die Umsetzung ist, wie oft, sehr viel komplexer) – vereinfacht gesagt berechtigt die „Kassenzulassung“ den Arzt auf der einen Seite, gesetzlich Versicherte Patienten auf Kosten der Krankenkasse zu behandeln, verpflichtet ihn aber eben auch umgekehrt dazu, das zu tun. (Fraglos bezahlt sie ihn dafür nicht eben fürstlich – andererseits neigen auch Ärzte, wie wir alle, gerne dazu, ihre Rechte als Vertragsärzte zu sehen, aber die damit verknüpften Pflichten teilweise auszublenden.)

    Doch auch im Vertragsarztrecht besteht keine umfassende Behandlungspflicht. Der Arzt – der einen „Privatpatienten“ außerhalb der Notfallbehandlung einfach so ablehnen kann, weil er das eben gerade tun möchte – braucht für den „Kassenpatienten“ „nur“ einen guten Grund: „Der Vertragsarzt darf die Behandlung eines Versicherten im Übrigen nur in begründeten Fällen ablehnen.“ (§ 13 Abs. 7 S. 3 BMV-Ä) Fraglos sind „lohnt sich finanziell nicht“ und „habe keine Lust, mich mit diesem Patienten herumzuärgern“ keine guten Gründe in diesem Sinne, ein unangemessenes Verhalten des Patienten aber schon.

    Zusammengefasst:
    Ich sehe das im einzelnen genau so, wie im Beitrag dargestellt, aber der „juristische Aspekt“ ist genau andersherum, als er dargestellt wird – Notfallpatienten dürfen nie, „Kassenpatienten“ mit gutem Grund und „Privatpatienten“ einfach so abgelehnt werden.

  10. Kein Arzt bei Verstand lehnt Neuchen oder frisch Zugezogene ab. Aber Wechselpatienten mit einer umfangreichen Arztwechselkarriere, egal ob privat versichert oder Kasse, die will keiner gerne haben und dann kann man eben auch bei Nicht – Akutfällen von seinem Terminplanungsrecht Gebrauch machen.
    Es gibt nicht nur die Ethik des Arztes, sondern auch die Ethik des Patienten ( Zitat :
    von Engelhardt )

    1. Die Betonung liegt auf „wiederholt“. Klar darf sich jeder eine Zweitmeinung einholen, aber wer das ständig macht, da darf ich mich schon fragen, welchen Stellenwert dann meine Expertise hat. Hatte bisher nur einmal einen solchen Fall, haben uns ausgesprochen, es fehlte das Vertrauen letztendlich. Darauf basiert aber das Arzt- Patienten- Verhältnis.

  11. Ich habe lange Jahre in einer KV gearbeitet – lange genug um von der überbordenen Bürokratie krank zu werden – und ich kann sagen, das Problem mit der Budgetierung / Quotierung ( Festlegung des Punktwertes für Leistungen ) ist ein politisches. Da wird um Nachkomastellen beim Punktwert gefeilscht, weil Augenärzte darüber jammern dass die Proktologen zu viel verdienen.

    Praxisabrechnungen werden nur unzureichend auf Plausibilität geprüft, den man muss die Arbeitszeit pro Arzt um das Doppelte! überschreiten um überhaupt nur als Kandidat zur Prüfung betrachtet zu werden. Sprich, dem Betrug ist Tür und Tor geöffnet, und die KV unternimmt nichts dagegen.

    Dabei könnte es so einfach sein. Betrag / Punktwert = Honorar.

  12. hm. Also ich mag meine Ärzte. Sicherlich gehen die Enkelchen weiterhin zu ihrer Kinderärztin, bei der sie bisher waren und ich werde mit ihr auch über die Impfungen sprechen, allerdings nur in so fern, was es für die meinen zu beachten gibt.Bei den Enkeln bleibt alles wie gehabt. Nur den Ohrenarzt, den ich gern mit den Mädels aufsuchen möchte, weil die Lautierung so beschissen ist und mir an Enkelchen Zwei auffällt, das ihr Schmerzempfinden so minimal ist….Ähnlichkeiten. Ich möchte da nur ausschließen, dass Flüssigkeit hinter dem Trommelfell sitzt und im Gegensatz zur Familienhilfe bin ich nicht der Meinung, dass man bis zur grundschule mit Logopädie warten sollte, so sie notwendig ist. Aber das ist nur meine Meinung, meine Erfahrung und die ist im Vergleich zum Großen und Ganzen minimal. Und auf Arztwechsel habe ich nun gar keine Lust. Weder bei meinen Kindern noch bei mir. Man hat sich doch gewöhnt.

  13. Und wie sieht es aus, wenn man sich mit Fieber, deutlich angeschlagen und dringendem Verdacht auf Mastitis mit Säugling am Urlaubsort in Deutschland als Deutsche zu einem geöffneten Gynäkologen schleppt (obwohl Bettruhe angezeigt wäre) und der dann die Patientin wegschickt mit der Begründung sie sei keine Patientin der Praxis und sie an die Notdienstpraxis verweist, die erst Stunden später geöffnet hat und zudem kein gynäkologischer Notdienst ist?

  14. Meine Eltern bekommen früher oder später von jedem Arzt einen Brief der Art „Gemäß Paragraph … der Berufsordnung lehne ich jede weitere Behandlung ab. Das Vertrauensverhältnis ist zerstört.“ Mittlerweile müssen sie ganz schön weit fahren, um zu einem Arzt zu kommen, der sie noch nicht kennt.

    1. Da würde ich mich ja fragen, warum sie diesen Brief von nahezu allen Ärzten bekommen und wer daran (jedenfalls wesentlich) Mitschuld ist.

      Ich habe so einen Brief noch nie bekommen … und ich frage durchaus nach, hole mir Zweitmeinungen ein, erlaube mir auch fachlich kritische Anmerkungen.

    2. Was machen deine Eltern denn, um so nen Brief zu bekommen? Wenn angeblich jeder Arzt und jede Ärztin irgendwann keinen Bock mehr hat, deine Eltern zu behandeln, wird es wohl eher weniger an den drölfzig Ärzten in der Umgebung liegen – nur mal so als Vermutung. ^^

      1. Was sie machen? Sie holen sich nicht nur eine Zweitmeinung sondern auch eine 3. und 4. und treten dann beim Arzt ungefähr so auf: „Der Dr. xxx hat aber gesagt, das geht so gar nicht“ .. etc. Deshalb fliegen sie irgendwann raus – zu Recht natürlich.

        1. Kürzlich ein Brief vom Optiker: „Wir verzichten auf jeden weiteren Besuch von Ihnen in unserem Hause. Die Brille geht Ihnen per Post zu.“

          Kürzlich beim Zahnarzt laut meiner Eltern: ‚Das Licht ging aus und der Stuhl hob sich. Da sprach’s: „Die Behandlung ist beendet. Meine Helferin hat gehört, dass Sie meine Praxis als Saftladen bezeichnet haben.“‚

  15. Tja, und weil alle so verfahren, und das Problem dann zu Lasten der Patienten abschieben statt es beheben (zur Erinnerung: es sind nicht die Patienten die diesbezügliche Verhandlungen führen und Vereinbarungen treffen), haben auch die Patienten keine Chance zu wechseln, die zunächst bei einem Eso-Arzt oder schlicht einem inkompetentem Kollegen gelandet sind, oder einem der chronisch kranke versucht aus der Praxis zu ekeln um dem Aufwand zu entgehen (das Budget! Die Regressforderungen!). Ist eine ganz tolle Lösung. Nicht.

  16. Einen ganz entzückenden „Notfall“ habe ich mal erlebt: hochschwangere Frau, deren behandelnder Arzt im Urlaub war und dringend einen Arzt benötigte, jedoch nicht so schlimm, um eine Klinik aufzusuchen, wurde abgelehnt: hier nur Privatpatienten- sorry.

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