Bad Orb II

Highlight des Tages: Dass ich Zeit hatte für einen ausgiebigen Spaziergang. Denn schließlich bist Du in Bad Orb, um die Natur zu genießen. Was auch sonst? Heraussprang ein dreistündiges Wandern ins Tal hinein, den Berg hinauf und in weitem Bogen zurück. Es befreit den Kopf. Danke dafür. Affirmation für den Tag.

Die Vorträge davor deckten von sensationell bis mehr als bescheiden das gesamte Notenspektrum ab – der Aufruf von Professor Müller aus Kiel, endlich zu beginnen, das Übergewichtsproblem unserer Bevölkerung politisch und gesamtgesellschaftlich anzugehen, wie das uns die WHO schon wiederholt auf den Weg gab, wird wohl verhallen. Denn Politiker waren keine anwesend, und ich glaube nicht, dass die Presseerklärung des BVKJ das aufgreifen wird.

Die anderen Vorträge lassen wir mal lieber im Gedächtnis verhallen – der Adipositas-Vortrag überstrahlte alles andere.

Schlüsselmomente des heutigen Tages:

– Eine Therapie einer Adipositas im Kindes- und Jugendalter ist nach Studienlage nicht möglich. Es geht nur noch um Vermeidung oder die Behandlung der gesundheitlichen Folgen.

– Prävention von Übergewicht kann nicht alleine eine Verhaltensstrategie sein, sondern muss eine Verhältnisstrategie sein. Bedeutet: Nur wenn auf kommunaler und staatlicher Ebene Anstrengungen erfolgen, können die Zahlen der Übergewichtigen reduziert werden. Bedeutet: Wann kommt endlich die Steuer auf zuckerhaltige Getränke und fastfood?

MJ Müller: Prävention von Übergewicht

14 Antworten auf „Bad Orb II“

  1. Hoffentlich war ein Arzt unseres örtlichen Kinderkrankenhauses auf der Fortbildung, besser noch jemand aus der Verwaltung (naja, unrealistisch). Als ich da mit dem Knirps stationär war, gab es nur gezuckerte Milchbreie. Verteidigung der Stationsleitung: Das muss so sein, sie müssen abwechselnd von allen Firmen etwas anbieten, damit das Ganze rechtssicher ist. Auf den Zuckergehalt können sie da nicht achten. Ich habe gedacht, ich höre nicht richtig.

  2. Kann man Adipositas bei Kindern tatsächlich nicht therapieren? Das mag ich nicht glauben. Das ist ja grauenvoll. Woran liegt das? Aber natürlich sollte vorne weg ganz viel passieren, dass es gar nicht erst dazu kommt… Neben der Steuer vielleicht auch ein dreistündiger regelmäßiger Spaziergang durchs Tal 😉 Oder ist das aus ärztlicher und gesundheitlicher Sicht zu einfach gedacht?

  3. Man sollte die Mediziner auch mal dazu bekommen darüber nachzudenken das es auch Menschen gibt die überspitzt dargestellt nur von einem Salatblatt am Tag leben und trotzdem Kugelrund sind ,da muss der Doc dann nicht zweifelnd gucken sondern sich mal überlegen warum der Mensch nun Rund ist und nicht zu der Überzeugung gelangen der Patient lügt weil das so für ihn einfacher ist.

    1. Das System Mensch ist da recht einfach gestrickt … mehr Kalorien rein als es braucht -> zunehmen. Weniger Kalorien rein als es braucht -> abnehmen.

      Was viele Leute völlig überschätzen ist aber eben, dass ein 65-Jähriger, der sich maximal vom Wohnzimmer zum Bad und Schlafzimmer bewegt eben mit „einem Salatblatt“ schon überfressen ist. Da ists zum Frühstück das Brötchen mit Butter und Wurst .. die andere Hälfte mit Marmelade -> zack 600 Kalorien. Mittag kocht Mutti dann ein kleines Schnitzel mit Buttererbsen und Kartoffeln. Dazu die gute Sauce, die schon Oma immer gekocht hat … -> zack 800 Kalorien. … Abends gibt es dann noch ein Brot mit Wurst und einen Apfel. Noch ein Vierteil Wein oder ein Bier dazu. -> zack 800 Kalorien. … nicht viel gegessen bedeutet eben nicht immer, dass man das auch auch alles braucht. Der gute Herr im Beispiel ist .. so er denn 65, 175 cm und ca 90 kg schwer ist …. dezente 400 Kalorien davon entfernt abnehmen zu können.

  4. Hält denn die Tabaksteuer die Raucher vom rauchen ab? Ich bin stark übergewichtig, obwohl es in meiner Kindheit zuckerhaltige Getränke nur zu ganz besonderen Anlässen und so gut wie nie Fast Food gab.

    Wenn mir mal jemand beigebracht hätte, dass ich gut bin, genau so wie ich bin, statt mir ständig zu sagen ich sei zu dick (Ärzte, Lehrer, Verwandte) dann wäre ich heute vermutlich nicht wo ich bin…

    Selffulfilling prophecy…maybe?

    Wenn man die Dicken schon nicht schlank kriegt, dann könnte man doch wenigstens versuchen sie glücklich zu machen…Glückliche Menschen sind auch weniger krank… (was nicht heißt das automatisch jeder Dicke unglücklich ist, nur halt viele)

    1. Korrekt. Und hier gibt es auch ein Umdenken. Weg vom individualisierten Handeln zu mehr globalen Strategien.
      Zuckerhaltige Getränke sind nicht die alleinigen Faktoren, aber Studien zeigen eben in Stadtteilen, in denen Fast Food Lokale und Cola-Verkäufe verschwanden, nachweislich die Zahl dicker Menschen reduziert werden konnte.

      1. Die Dicken sind halt einfach weggezogen in Stadtteile, wo es Fastfood und Limo gibt 😛

        Ich finde den Ansatz zu kurz gedacht…

      2. Ist das nicht ein wenig wie mit den „zuckerfreien bio vollwert Kindern“ die
        nie auch nur ein Gummibärchen haben dürfen aber wehe sie sind irgendwo auf nem Geburtstag dann schieben sie alles an Zucker in sich rein was sie in die Finger bekommen. Nimms den Leuten weg dann weckt es erst recht Begehrlichkeit. Ist es nicht sinniger beizubringen dass die Dosis das Gift macht anstatt zu reglementieren? Klar es ist mühsamer die Menschen tatsächlich zum Umdenken zu bewegen. Trotzdem halte ich es für nachhaltiger den Menschen bewusster zu machen dass die Bonbons mit der extraportion Vitamine eben doch die gleiche Zuckerbombe ist wie das Bonbon ohne und keinesfalls „gesund“. Und auch wenn Studien und bestimmt auch die Kinderdoc Erfahrung etwas anderes sagen, stelle ich in meinem Umfeld täglich fest, dass die Eltern von heute ihre Kinder besser und vollwertiger ernähren als unsere Eltern das getan haben und das die Kinder heute in einem sehr jungen Alter schon wesentlich mehr über Ernährung wissen als wir früher.

        1. In meinem engeren Umfeld ist das auch so. Trotzdem bin ich der Meinung, eine Zuckersteuer und Ähnliches würden helfen. Ganz einfache Beobachtung: Gehe ich mit meinen Kindern in den Bioladen, gibt es den Wunsch nach dem Lieblingskäse und nach Weintrauben. Gehe ich in den Supermarkt, wollen sie Fruchtzwerge, Kinderpudding, Schokokekse, Gummibärchen und Eis. Warum? Weil es da ist. Meist habe ich die Nerven und halte das Geschrei aus. An sehr stressigen Tagen gebe ich auch mal nach. Andere Eltern haben aufgrund ihrer Lebenssituation immer stressige Tage. Ich kann ihnen nicht verdenken, dass sie sich das Leben manchmal leichter machen und das Zuckerzeug kaufen. Die Lebensmittelindustrie weiß das sehr genau, deswegen gibt es ja Quengelware an der Kasse. Und Softdrinks. Und Kinderlebensmittel. Und Knusperjoghurts mit bis zu 20% Zucker.

          Deswegen führt der erfolgreichste Weg auch aus meiner Sicht über die Regulierung des Angebots.

  5. Was das Thema übergewichtiger Kinder angeht, muss ich diesem Schreiben der Adipositas-Gesellschaft, auf welches Du verlinkt hast, Recht geben: Welchen Sinn macht es, wenn einem Kind von allen Seiten etwas über gesunde, ausgewogene Ernährung und genügend Bewegung erzählt wird, wenn dies aus dem Mund einer übergewichtigen Lehrerin, eines übergewichtigen Kinderarztes, beschlossen von übergewichtigen Politikern und natürlich an allererster Stelle aus dem Mund der selbst übergewichtigen Eltern geschieht? Ich fürchte, so lange sich auf dieser Vorbildebene nichts ändert, schlagen viele auf KInder und Jugendliche zugeschnittene Präventionsmaßnahmen fehl, es sei denn natürlich, man betrachtet das Abspecken des erwachsenen Umfeldes als Präventionsmaßnahme.

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