Einmal tief durchatmen

Ich wollte noch von dem Vertretungskind erzählen, dass still japsend (Giemen und Brummen, die Insider wissen) auf meinem Untersuchungstisch lag, neunmonatig, ein wenig subfebril seit ein paar Tagen, trinke gut, esse Breichen und erbreche nicht. Die Nächte seien erträglich, aber der Husten, Herr Doktor, der Husten, hört und hört nicht auf.

Wenn ich die Kinder nicht kenne, kenne ich auch die Therapie nicht, jede/r Kollege/in hat da ein anderes Regime. Das Bobele hier kommt von jot-we-de, die Vertretung der Vertretung der Vertretung, also nun die Frage: „Was kriegt er denn an Medikamenten?“

„Da haben wir das.“ Die Mutter präsentiert mir ein Röhrchen Bryonia C5. Ich muss erst einmal mit Lesebrille lesen, so klein war das geschrieben.

„Ok, noch etwas?“ – „Ja, da ist dann noch dies.“ Noch ein Röhrchen, hier die Beschriftung „Bei zusätzlichem Erbrechen.“ Sanguinaria canadensis – diesmal in C200. „Die sollen wir aber nur geben, wenn´s gaanz schlimm ist. Und nur ein Kügelchen.“

Ich staune. „Haben Sie das denn gegeben?“, frage ich. Nein, haben sie nicht, so schlimm war es dann nicht. Aber besser wurde es genauso wenig, deshalb sind sie dann hier zu mir. „Haben Sie das direkt vom Kollegen bekommen?“ – „Ja, die hat er aus seinem Schrank mitgegeben. Aber von der Apotheke haben wir noch das hier gekriegt.“ Die Mutter reicht mir noch eine Schachtel …na klar, ohja, das beliebte viel umworbene Komplexpräparat der Firma He.el.

„Und das ist, was Sie Ihrem Sohn jetzt geben sollen?“, frage ich. Ist denn nichts wirklich Wirksames dabei?
„Achso,“ sagt die Mutter. „Doch, das hier noch.“ Sie holt aus dem Medikamentenbeutel ein Dosieraerosol hervor nebst einer Inhalationshilfe. „Das benutzen wir auch noch ein paar mal täglich, wenn´s gar nicht wird.“
„Da bin ich aber froh,“ rutscht es mir heraus.

Der kleine Held konnte schließlich besser durchatmen, nachdem wir ihn in der Praxis mit Salbutamol inhalieren liessen. Wir besprachen, die Inhalationen zu intensivieren, sich wieder zu melden, wenn Fieber auftritt und ihn in ein paar Tagen nochmals abzuhören.
„Dann sind Sie wohl nicht so begeistert von den Globuli, was?“, fragt mich die Mutter beim Verabschieden. Ob das so offensichtlich war? „Und was halten Sie davon? Das hat uns unser Hausarzt noch zu alledem dazu gegeben. Das löse den Schleim am besten, sagt er.“ Sie greift noch einmal in den Beutel und zieht eine Schachtel Ambro.x.ol hervor.

Himmel hilf. Das gute alte überflüssige Ambro.x.ol dürfte bei einem Kind mit Bronchitis eher zu einer Verschlimmerung des Befundes führen, schließlich kämpft der Organismus da schon genug mit Schleim in den engen Luftwegen. Ganz abgesehen davon finde ich jedoch das Riesenarsenal an Mittelchen höchst problematisch. Geht es nicht auch einfacher? Dass ich von der Nichtwirksamkeit von Glaubuli überzeugt bin, dürfte inzwischen bekannt sein, geschenkt.

Kollegenbashing ist verpönt. Das tut man nicht, ich auch nicht (außer hier). Ich habe daher auch lediglich bemerkt, dass ich das inhalieren für die sinnvollste Variante all dieser Medikamentenoptionen halte.

31 Antworten auf „Einmal tief durchatmen“

  1. Am besten man macht sich gleich sackweise Plazentaglobuli und die helfen dann gegen einfach alles 😀 Kenne Mütter, die das tatsächlich so handhaben! Ich frage mich immer, ob die einfach nur blöd sind oder manipuliert werden.

  2. Pariboy ist out?

    Mal doof gefragt: Muss man überhaupt etwas geben? Oder wie unterscheidet sich eine Bronchitis von einer normalen Erkältung (darunter fällt für mich irgendwie alles)?

    Unsere Kinderärztin verschreibt bei „Erkältung“ Salbubronch (wird das nur bei Bronchitis verschrieben?) oder Capval (für die Nacht bei trockenem Husten) oder halt Nasentropfen (von meinen Kindern verabscheut).

    1. Also ich bin keine Ärztin, gebe daher nur wieder wann unser Kinderarzt was verschreibt:
      Salbubronch nur bei Bronchitis, wenn die Bronchien zu sind (stellt er ganz einfach übers Abhören fest), da es Bronchien erweiternd wirkt. War bei uns bisher erst ein oder zweimal der Fall. Beide Male hat er zusätzlich einen Schnelltest (Blutstropfen aus dem Finger) auf Bakterieninfektion gemacht. Beide Male negativ, also Vireninfekt, also kein Antibiotikum. Salbubronch als Tropfen, weil der Inhalator zu lange Wartezeit hätte und bei einer Anwendung von unter 1x im Jahr auch nicht sooo wichtig ist.
      Capval bei schlimmen Fällen von Reizhusten, wenn dat Kindlein gar nicht einschlafen kann. Reizhusten haben wir gefühlte 100 Mal jeden Winter, Hustenstiller verwenden wir dabei kaum noch, meistens kann das Kind ohne Schlafen.
      Nasentropfen helfen auch prima bei Reizhusten, weil dann nicht ständig Schleim den Rachen runter läuft. Wird vom Arzt bei jeder Erkältung empfohlen, mit dem Hinweis auf die Anwendungsdauer zu achten. Da die meisten Kinder Nasentropfen oder -spray blöd finden, ist die Gefahr einer Abhängigkeit aber relativ gering (nach dem Motto „lieber Nase zu ertragen als das Spray nehmen müssen“).

  3. Und so richtig sinnvoll wirds, wenn das Salbutamol-Dosieraerosol sofort beliefert werden darf (weil Arzneimittel), der Spacer aber erst 4 Wochen lang beantragt werden muss oder gar überhaupt nicht beliefert werden darf durch den Leistungserbringer vor Ort (weil Hilfsmittel).

    Gibt es eigentlich einen Grund, von den Kontraindikationen mal angesehen, warum man Salbutamol nicht systemisch peroral appliziert – gerade bei kleinen Kindern in Zusammenhang mit kurzfristiger Anwendung (Bronchitis) bei kurzfristiger aber regelmäßiger Anwendung? Zugelassen wäre das fragliche Produkt ab dem vollendeten 2. Lebensmonat. Zugegeben, die Anflutungszeit dürfte etwas länger sein, aber dafür wirkt es dann auch… (Und man umgeht die ganzen potentiellen Fehlermöglichkeiten beim Inhalieren.)

    1. Hatten Salbutamol (und auch in Kombi mit Atrovent) schon in jeder Form. Und Inhalation war von dem Nebenwirkungen (Herzrasen, aufgedreht) immer noch am wenigsten. Zumindest bei öfteren Bronchitiden lohnt doch der Spacer! Die lange Lieferdauer ist ein Ärger!

      1. Die Sonder-Einzel-Ausschreibungs-Leistungserbringerveralberungs-Kassenhilfsmittelverträge sind insgesamt ein Ärgernis. Für Leistungserbringer UND für Versicherte. Aber die Kassen können ja SO VIEL SPAREN! …

    2. In Tablettenform dürfte doch eine erheblich höhere Dosis nötig sein als inhalativ? Mein Dosieraerosol hat 0,1 mg pro Hub, zu Tabletten finde ich Dosierungen von 4-8 mg. Das dürfte auch erheblich höhere Nebenwirkungen mit sich bringen, genau wie beim Cortison — die 0,8 mg/Tag, die ich meiner Lunge zuführe, dürften geschluckt so rein gar nichts bewirken. Inhalativ landet (richtige Anwendung vorausgesetzt) der Großteil halt exakt da wo er wirken soll und nur ein Bruchteil geht ins Blut.
      Und die Nebenwirkungen beim Inhalieren von Salbutamol finde ich zwar erträglich aber auch nicht so witzig. Gesteigert möchte ich das wirklich nicht haben und ich wüsste auch nicht, wie ich einem Kleinkind erklären soll, was da gerade abläuft und warum es ungefährlich ist (die Nebenwirkungen lassen sich ja durchaus als Angst fehlinterpretieren ).

      1. Es gibt eine flüssige Darreichungsform (auch) zugelassen für Säuglinge und Kleinkinder. Dosierung wären 0,1-0,2mg Salbutamol / kg Körpergewicht; Tageshöchstdosis 0,3-0,6mg / kg Körpergewicht.

        Bei 6kg Körpergewicht wären das dann z.B. 2-3x täglich 0,6-1,2mg Salbutamol. Das ganze wird natürlich in Tropfenform berechnet und abgezählt/dosiert.

        Es soll außerdem ja keinen Ersatz für den langfristigen Einsatz von Salbutamol-DOS sowie für den Akuteinsatz bei einem asthmatischen Anfall sein, sondern für kurzfristigen Einsatz bei z.B. akuter Bronchitis.

        Ich hoffe, ich habe meine unklare Ausdrucksweise präzisieren können… 😉

        1. Na, Hauptpunkt meiner Überlegung war ja der Punkt, dass die Gesamtdosis inhalativ deutlich geringer ist als oral (geht auch glaube ich nicht anders, der Stoff verteilt sich ganz anders) und zudem beim Inhalieren auch ein verhältnismäßig kleiner Teil im Blut landet und entsprechend weniger lästige Nebenwirkungen bewirkt.
          Also wird Inhalieren immer vorzuziehen zu sein, solange das Zeug irgendwie dort ankommt wo es hin soll und die maximal mögliche Dosis die inhalativ möglich ist noch eine ausreichende Wirkung erzielt.
          Auch 0,6-1,2mg sind halt mehr als die Dosieraerosole hergeben (wobei ich tatsächlich keinerlei Ahnung habe, mit welchen Dosierungen da bei Kleinkindern gearbeitet wird, habe ja erst Asthma, seit ich groß bin). Wahrscheinlich aber dann sinnvoll, wenn der Zwerg partout nicht zum sinnvollen Einatmen zu bewegen ist.

        2. Nachtrag: Ich habe bei den Nebenwirkungen vor allem an die direkten kurzfristigen gedacht, wie Händezittern und Herzrasen (die werden bei Dauergebrauch übrigens weniger!). Die fand ich am Anfang durchaus unangenehm bis erschreckend, obwohl ich ja wusste, dass das vorbei geht und nicht schlimm ist.

  4. Ach ja, die liebe Winterzeit. Zweidrittel der Station inhaliert jetzt wieder. 😉
    Manche Eltern wissen zB gar nicht, dass sie ein homöopathisches Medikament verschrieben bekommen haben. Packung und Name geben dass nicht immer auf einen Blick her.
    Auch schon oft gesehen: Salbutamol wurde zwar ambulant verordnet, aber in „homöopathischen“ Dosen gegeben, die ähnlich effektiv sind, als würde man das Fläschchen offen neben dem Kind stehen lassen und wartet, bis was verdunstet.

    1. Dank der Spacer wird dtl intensiver inhaliert. Zum Glück sind die Zeiten der Dauervernebler vorbei – „früher“ wurde da Salbutamol u NaCl via P.ari.bo.y auf zwei Meter Distanz verteilt (stationär!).

      1. Hm, haben beides da, Spacer und Pari, und ich möchte keins missen. Wenn er (2 Jahre) komplett dicht ist, bin ich super froh über den PariBoy. Unsere KiÄ hört ihn meist vor und nach dem inhalieren ab und bei schlimmer Obstruktive tätig hilft der Pari über den längeren Zeitraum definitiv besser. Auch wenn deutlich zeitintensiver. Und genau darum liebe ich den Spacer 🙂

  5. Was mich prinzipiell interessieren würde: nach welchen Kriterien verschreibst du bei Infekten (Bronchitis, Otitis etc.) Antibiotika? Die allermeisten sind ja viral bedingt, aber hin und wieder ist´s halt doch nötig. Aber bei jedem Kind ein Blutbild/CRP machen ? Und auch dann ist´s ja nicht immer eindeutig…. Aber was dann? Fieber, Dauer, Klinik ?
    Vielen Dank für eine Antwort!
    LG

  6. Eines Tages werden einige Mediziner wieder ums Lagerfeuer hopsen und Kräuter verbrennen um ihre Patienten genesen zu lassen….

      1. Tja die Kunst ist nur, die “Heilung“ so lange interessant zu gestalten, bis der Patient von alleine gesund wurde und nach Genesung laut genug zu posaunen, wie erfolgreich die Therapien immer sind, wenn man erst das richtige Kügelchen/Sälzchen gefunden hat …

  7. Moin Moin,
    Salbutamol doch aber hoffentlich nicht als Dauertherapie, oder?
    Nach 14 Tagen bringt das gar nichts mehr.
    Standard ist hier (Chronisch obstruktive Bronchitis + Asthma) neben der Cortisoninhalation Atrovent gegen den Husten und Salbutamol nur, wenn es ganz arg wird.
    Atrovent macht auch nicht so wibbelig.
    LG

  8. Mir als Schon-immer-Asthmatikerin hat Salbutamol leider nie so richtig geholfen. Ein bisschen ja. Erst als ich Formolich bekam, konnte ich endlich wieder mal richtig normal atmen nach einem Anfall. Aber klar, mit Salbutamol anfangen, war schliesslich noch ein winziges Kindlein.

    Ich persönlich hätte mir an der Mutter Stelle eine klare Ansange gewünscht, aber ich verstehe, dass das aus Doc-Sicht problematisch ist. Andererseits weiss ich auch so, dass Glaubuli so hilfreich sind wie dreimal auf einem Bein im Kreis hüpfen, wenn der Mond halbvoll ist. Aber gerade beim vielleicht ersten Kind will man eben nix falsch machen und verttraut auf den Arzt, selbst wenn man dies oder jenes vielleicht komisch findet – der wird schon Ahnung haben, der hat das studiert. Aber dann wieder, dann würde ich eine zweite Meinung einholen. Ach ich bin so ambivalent in meinen Gedanken. ^^

  9. Lieber Kinderdok,
    Salbutamol: wann wird das verschrieben? Ginge ich jetzt mit meinem hustenden Kind zum Arzt: auch irgendwas mit Ambrox..dingsda.
    Und: gar nichts geben, ist das auch eine Option?

    LG Silke

    1. Na klar ist das eine Option. Schleimlöser sind nicht nötig, bei manchen sogar kontraproduktiv (s.o.).
      Salbutamol wiederum gibt man aber nur bei einer echten Bronchitis.

      1. Unser kinderdoc meinte irgendwann mal er könne jetzt Hustensaft aufschreiben…
        Meine Frage ob der den mehr kann als viel trinken und frische Luft wurde lachend verneint und wir waren entlassen. 😜

        1. Sehr gut
          Problem ist all zu oft bei Verschreibung von Ruhe und selbstheilung : wie und sie machen garnichts ?? Sie verschreiben nicht mal was ?? Und ich dachte sie hatten studiert ?

  10. Aha, Kollegenbashing ist verpönt, ja und? Ich wünschte mir mutigere, direktere, ehrlichere Ärzte, die auch mal Unbequemes riskieren, statt zu klüngeln. Himmel, man wird die Wahrheit doch wohl noch sagen dürfen, und wenn einer Unsinn verschreibt, gehört das auch so bezeichnet. Eine Hand wäscht die andere in der Ärzteschaft …?

    1. Das Problem als Vertretungsarzt ist, dass man mit allzu harrscher Kritik das Vertrauensverhältnis stark belasten kann. Das hat durchaus negative Konsequenzen, selbst wenn der ursprüngliche Arzt – soweit man das einschätzen kann – völlig falsch liegt.

      kann man damit ein Eigentor schiessen, weil der Patient oft eher dem bestehenden Arzt traut als dem „Neuen“
      kann es passieren, dass das Vertrauen in die Medizin allgemein untergraben wird

      Das sind nur die Punkte, die mir spontan einfallen. Deshalb vermute ich mal, dass es eher sinnvoll ist, die eigene Einschätzung/ Medikamentation zu betonen – und im Idealfall den dahinter stehenden Zweck zu erklären.

      Letztlich geht es oft darum, dass eine Therapie überhaupt akzeptiert wird.

  11. Salbutamol ist hier ebenfalls Standard – haben wir grundsätzlich verschrieben zu Hause und die Freigabe unseres Kinderarztes, das nach eigenem Ermessen zu geben … wenn das Kind zur Bronchitis/ den Atemwegsinfekten neigt, ist das ein echter Segen!

  12. Wir hatten leider das gleiche Problem mit unserem Kleinen (sieben Monate alt) – wie haben auch Salbutamol zum Inhalieren bekommen.
    In der Apotheke wurde uns jedoch empfohlen auch etwas zum Schleimlösen zu nehmem. Haben wir dann nicht gemacht, wir haben dem Arzt vertraut.

  13. Aus Erfahrung dank Asthmatiker-Ehemann und zu Bronchitis neigender Tochter stimme ich aus tiefstem Herzen zu. Nichts hilft so gut wie Salbutamol. Da können Mucosolvan- und Prospansaft nicht mithalten. Dazu noch die Zwiebel nachts ans Bett gestellt und das reicht.

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