Shitstorm gegen globuligläubige Krankenkasse

Auslöser war eine Studie – in Auftrag gegeben durch die Techniker Krankenkasse – , inwieweit eine homöopathische Behandlung den Krankenkassen höhere Kosten verursacht oder nicht. Die Antwort ist: Ja. Mehr Kosten. Siehe Studie.

Ein schlichtes Nachfragen per Twitter durch Dr. C. Lübbers, was denn nun die TKK mit dieser Studie anfängt, …

… führte im Nachgang zu dem verhängnisvollen Tweet eines TKK-Mitarbeiters nachts um 1 Uhr – hier im Wortlaut:

Nachts noch wenig beachtet, brach dann am heutigen Tag ein Shitstorm über die Kasse hinein, mit verzweifelten Kontratweets der TKK, in denen sie sich noch mehr ins Abseits argumentierte:

Der Rest ist Legende – hier Stern Online zum Shitstorm

Hier der gesammelte Tweet-Thread.

Im Laufe des Tages ruderte die TKK zurück und bedauerte, dass die Wogen so hochgeschwappt seien. Eins zeigt die Twitterhaltung jedoch deutlich:
– Krankenkasse übernehmen Kosten für Behandlungen, die ohne Wirksamkeitsnachweis arbeiten.
– Sie profilieren sich damit auf dem Markt gegenüber anderen Krankenkassen, es geht um Kundenacquise.
– Für viele Patienten bedeutet das eine Adelung der Glaubuli: „Meine Krankenkasse übernimmt das, dann wird es wohl auch wirken.“

Wer etwas anderes von der Krankenkasse erwartet – evidence based medicine – , sollte sich aktiv mit seinem Kundenberater auseinandersetzen.

18 Antworten auf „Shitstorm gegen globuligläubige Krankenkasse“

  1. Ich wurde einmal bei einem Anruf nach meiner Zufriedenheit mit der TK befragt (prinzipiell gut), und zwar unter besonderer Erwähnung der freiwilligen Kostenübernahme von Glaubuli und co. Ich so: Was soll ich als Wissenschaftlerin dazu sagen? Ich bin trotzdem in der TK, nicht deswegen.

    Andererseits ist die TK eine der wenigen großen Kassen, die sündhaft teure Off-label-Therapien übernehmen, was sie gleichfalls nicht müssten und womit sie auch keine Werbung machen. Daher, wegen des guten Services und weil offensichtlich die meisten anderen Kassen eh auch Glaubuli bezahlen, bleib ich drin.

  2. @heutmalanonym:
    Die „Sozialwahlen“ sind eine Farce – gern kann man da wählen, ob man vom Teufel oder vom Belzebub vera….lbert werden möchte in den nächsten 5 Jahren. Man schaue sich alleine mal die Aussagen vom Chef der AOK BW (Herrn Dr. Herrman), dem Ex-Chef der DAK (Herrn Prof. Rebscher) oder der Chefin des Spitzenverbands der GKV ( Frau Dr. Pfeiffer mit 3 f) an. Das System ist eingefahren wie eine U-Bahn. Die verläßt auch nicht eben mal ihren Tunnel und fährt im Flussbett daneben…

    @Problem:
    Um das deutsche Krankenkassensystem zu verstehen, und auch die Vielzahl an BKKs und Ersatzkassen, muss man sich mit der Geschichte der Sozialversicherungen von Bismarcks Zeiten an beschäftigen. Langer Rede kurze Zusammenfassung – das System der Betriebskrankenkassen diente zu Anfang einer effektiven (unstaatlichen) Organisation der Gesundheitsversicherung, später dann der Steuerersparnis für Großbetriebe (und der Schaffung gut bezahlter Ruhe-Posten für verdiente Top-Mitarbeiter), und jetzt sind sie zumeist Selbstzweck. (Die meisten) Gesetzliche(n)KrankenKassen sind in D in der Zwischenzeit rein wirtschaftlich geführte Unternehmen mit Ausrichtung auf Gewinn(!), was theoretisch gar nicht sein dürfte bei einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Der Patient und dessen Versorgung wird dem schnöden Mammon geopfert – sieht man an den Hilfsmittel-Selektivverträgen. Hier sei allen Ungläubigen mal empfohlen, einen Stuhlinkontinenten Erwachsenen für <15,00€ pro Monat (aktueller Pauschalsatz der DAK) mit qualitativ hochwertigen Unkontinenzprodukten zu versorgen. Viel Spaß!

    Für wirtschaftliche Unternehmen gelten wirtschaftliche Regeln: Bezahlt wird, was viele Kunden lockt, aber ein kalkulierbarer Kostenfaktor ist (z.B. Homöopathie mit 100€ pro Jahr – kann man leicht ausrechnen). Nicht bezahlt wird, was wenige Kunden wollen und/oder was ein hoher Kosten- und Aufwandsfaktor ist. Eingespart wird, wo der Kunde sich eh nicht wehren kann, und wo man sich zusätzlich noch hinter Gesetzen verstecken darf.

    Und damit sind wir beim Gesetzes-Trick: Die Gesetze macht sich zumeist die deutschen gKVen selber -> 1/3 der Angestellten im BMG sind „ausgeborgte“ Praktikumsstellen, die mit Menschen besetzt sind, welche bei einer gKV angestellt sind (und von dieser bezahlt werden). Dabei kommen dann so tolle Sachen raus wie die neue Hilfsmittel-Gesetzgebung. Für die selbe Pauschale wie vorher hat der Leistungserbringer bessere Qualität zu liefern und mehr Dokumentation (zum Qualitätsbeweis) zu führen. Noch Fragen, Euer Ehren? (Ach ja – mact der Minister mal was „anders“, dann gibts böse Schelte seitens der gKV: siehe auch Herrn Gröhe und das Rx-Versandverbot, welches die gKV als „Untergang des Abendlandes“ hinstellt, denn die hofft schon auf tolle Selektivverträge mit ausländischen Versendern.)

    Ich fasse mal zusammen: Wo Frankreich eine (= 1) gesetzliche KV hat, hat Deutschland ca. 130 unterschiedliche; mit 130 Vorständen und 130 Aufsichträten usw. Diesen wird ihr Leistungsspektrum gesetzlich vorgegeben, und Unterschiede (in der Leistung) finden nur minimal statt – dies nennt sich „Wettbewerb“. Gleichzeitig ist diese Landschaft von Politikern und Ex-Politikern durchdrungen (Frau Ulla Schmidt war parallel zu ihrem Job als Gesundheitsministerin in den Vorständen von 10(!) gKVen aktiv); umgekehrt durchdringen die Kassen das vorstehende Mininsterium (BMG). Ca. 8% der Gesamtausgaben der gKVen geht für die Selbstverwaltung drauf. Die gKVen sind NIEMANDEM gegenüber Rechenschaft pflichtig für ihre Ausgaben, insbesondere in der Selbstverwaltung. Schaltet man halt auch mal Fernsehwerbung! Die Bezahlung unwirksamer Leistungen ist ein für die Verantwortlichen genauso unbedeutendes Problem wie die Nichterstattung wirksamer Therapien – alles eine Kosten(!)frage. Man sieht es an der Kostendiskussion zur HepC-Behandlung -> es kommt die Kasse langfristig billiger, wenn der Patient bei der Dialyse beim Warten auf die Spenderleber verstirbt; statt eine geheilte Virusinfektion in 6 Monaten Therapie hinzubekommen. Zynisch – aber das ist die deutsche gKV derzeit. Hauptsache man hat 16Millarden € auf der hohen Kante, und darf jammert, dass es pro Jahr nur 1 Milliarde mehr werden…

    1. Sehr richtig
      Und dann wird Seiten einiger Parteien noch laut darüber nachgedacht eine Burgerversicherung einzuführen unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit und der angeblichen mangelnden Finanzierung der gkv sollen alle Bürger gezwungen werden einen Einheitsbrei zu essen.
      Anstatt erstmal die zurzeit 123 gkv in eine um zuwandern und so die Verwaltungskosten auf die Hälfte zu reduziere.
      Aber da ist dann ja doch ein alter Kumpel in einem der 123 Vorstände und der muss noch sein zweites Haus abbezahlt
      ach und überhaupt ist es einfacher die Moral Keule zu schwingen das bringt zusätzlich noch nen paar Wähler mehr

  3. Dazu kann ich nur sagen: Demnächst sind wieder Sozialwahlen – nachdenken, wen man wählt – die verschiedenen Listen geben ja Hinweise.

  4. ich muss hier auch eine grundsätzliche lanze für die tk brechen. ich bin gefühlt seit einer ewigkeit dort versichert, es gab eigentlich nie probleme und die wenigen telefonischen kontakte waren immer engagiert und konstruktiv und ich hatte nie das gefühl, lediglich einen kurz angelernten call-center mitarbeiter am telefon zu haben. ich bleib bei dem laden, und zahl meine gummibärchen nach wie vor selbst.

  5. Ja, die Aussagen sind unglücklich gewesen, aber wer glaubt, dass es einer KK stets rein um das Wohl der Patienten geht, der ist doch blauäugig. Es geht ums Geschäft. Ich bin und bleibe freiwillig bei der TK versichert, weil ich mit den Leistungen bislang zufrieden bin. Ich nehme in Anspruch, was mir wichtig ist und habe danach meine KK ausgewählt. Dass es zusätzliche Angebote gibt, ist halt so. Keine Krankenkasse würde entspricht 100% den Vorstellungen aller Bürger.

  6. Ich bin bei der TK und mit dem Service an sich ganz zufrieden. Den Homöopathie Quatsch versuche ich zu ignorieren

  7. Es ist tatsächlich schwer, eine KK zu finden, die keine Homöopathie zahlt. Ich hab gestern recherchiert und bin fast in Tränen ausgebrochen. Ebenso sehe ich es widersinnig an, dass manche Impfungen sowie Sehhilfen nicht gezahlt werden. Und ab 18 muß man eh das meiste selber zahlen. Woher das Geld spontan kommen soll, wenn man noch Schüler ist, weiß aber auch keiner…

  8. Be-merkens-wert fand ich folgenden Satz in den Tweets: „Es gehört zu unserem gesetzlichen Auftrag, besondere Therapieformen zu fördern/ anzubieten.“ Den werde ich mir merken, wenn mal wieder eine Kasse was nicht zahlen möchte, was nicht im Katalog der STIKO o.ä. drinsteht. 😉

  9. Nun, ich gönne den entscheidern der TK diesen Shitstorm von ganzem Herzen!

    Ich bin von dort weggewechselt, weil sie nicht die Meningokokken B – Imfpung bezahlt haben, dafür aber so einen Humbug wie Homöopathe bezahlen. (Die BIG-direkt übernimmt übrigens die Meningokokken B – Impfung, wenn man die Privatrechnung einreicht.)

    Ich bekam nach der Kündigung nach über 20-jähriger Mitgliedschaft noch einen „Rückwerbungsanruf“ von der TK. Der arme Mitarbeiter, der diese Aufgabe bekommen hatte, konnte meinen Ausführungen – wenn auch hörbar seufzend – nichts entgegensetzen und wünschte uns alles Gute.

  10. Glaubuli werden uebernommen, aber Brillen und Kontaktlinsen, ohne die man am Alltag selbst mit leichten Sehschwaechen kaum teilnehmen kann nicht. Klar, ergibt Sinn.

  11. Ich hatte vor einiger Zeit mal eine Diskussion mit der TK. Die Aussage war, dass ein vom Kinderarzt durchgeführter Sehtest für Zweijährige nicht übernommen wird, weil das keine „Standardleistung“ sei. Dasselbe gilt für die Meningokokken B-Impfung. Homöopathie werde aber selbstverständlich übernommen, trotz steigender Mitgliedsbeiträge, weil soviele Kunden das wünschen. Von der oben zitierten Studie hatte der Mitarbeiter am Telefon nie gehört, auch nicht, dass Homöopathie wissenschaftlich nicht belegt sei oder sogar ernsthaft kritisiert wird. Auf meine Frage, ob die TK nach Wirksamkeit und Fakten entscheide (und nach ihren eigenen Studien), oder nach Wünschen der Kunden, kam nur Stille. Für mich hat die TK jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Bedauerlich ist nur, dass fast alle Krankenkassen Homöopathie bezahlen, es ist also schwer, eine Alternative zu finden.

  12. Wenn man im Alter einen Rollator braucht dann gibt es nur diese schweren,klobigen Dinger aus den 1970er Jahren und nicht die leichten Modernen ,aber Zuckerkügelchen und Leitungswasser in Fläschchen werden ohne murren bezahlt.Die Welt ist einfach nur Bekloppt…………….

  13. Lieber Kinderdoc,
    da die KK z.B.keine IGeL Leistungen bezahlen mit der Begründung, die Wirksamkeit sei nicht erwiesen, so könnte man das fast meinen(dass die Glaubuli dann ja wirken müssen, wenn die KK DAS bezahlen!). Man muss da nur dran glauben, dann wirken sie auch.
    Ich habe damals im Kindergarten den Wisch unterschrieben, in dem es hieß, es werden den Kindern Glaubuli gegeben(z.B.Arnika wenn sie sich weh tun). Ich zucke dann nur mit den Schultern(SCHADEN kann es ja auch nicht..)und kühle die Beule zu Hause.
    Wenn man ganz fest dran glaubt, hilft Arnika bestimmt auch, ein gebrochenes Bein zu heilen(nachdem es fachgerecht behandelt und geschient wurde…) 😉

    Alles Gute an die Glaubuli-Gläubigen 😀
    Kleines Bonbon gefällig?Hilft bestimmt auch.

    1. Ich habe leider die Erfahrung gemacht, dass Glaubuli sehr wohl schaden können. Sie sind nämlich suchtgefährdend. Ich kenne Mütter, die in Panik geraten, wenn sie mal keine Glaubuli dabei haben, weil sie es nicht schaffen, ihr weinendes Baby ohne „Medikamente“ zu beruhigen. Jedes Wehwehchen, jede Unwohlsein wird sofort mit Zuckerkügelchen behandelt. Wer so aufwächst kann nicht lernen, sich auf seine eigenen Kräfte zu verlassen oder einfach mal abzuwarten bis der Körper sich selbst heilt. Und ich wäre sehr vorsichtig mit Erzieherinnen, die Glaubuli geben. Zu gerne kommen die nämlich im Doppelpack mit der unumstößlichen Weisheit, dass Schulmedizin unwirksam und schädlich sei. Und Kinder glauben so was.

    2. Oha, ich hätte meinem Kindergarten ganz sicher nicht erlaubt meinen Kindern Homöopathie zu verabreichen. Ich will nicht das meine Kinder denken, dass dieser Quatsch wirkt. Ausserdem will ich nicht dass sie lernen dass man gegen jedes Wehwehchen eine Pille schlucken kann. Darüber hinaus trägt das zur Akzeptanz dieses Mumpitz bei. Und ich fördere damit dass der Kindergarten seine knappen Mittel für Homöpathie aus dem Fenster wirft. Auf gar keinen Fall hätte ich sowas unterschrieben. Ich würde eher noch weiter gehen und meine Kinder nicht auf einen solchen Kindergarten schicken. Ist genauso ein Ausschlusskriterium wie ein religiöser Träger.

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