Durchmarsch


 

Bei Durchfallerkrankungen dürfen Säuglinge und Kleinkinder unter zwei Jahren auf keinen Fall sog. Motilitätshemmer erhalten, auch wenn sie auf Reisen sind.

„Motilitätshemmer lähmen die bei Durchfallerkrankungen häufig erhöhte Darmmotorik und senken dadurch die Stuhlhäufigkeit bei Erwachsenen, was insbesondere auf Reisen hilfreich sein kann. Doch bei kleinen Kindern wird dadurch die Fähigkeit des Darms, sich selbst zu reinigen, unterbunden. So können z.B. bakterielle Keime unter Umständen länger im Körper bleiben, sich vermehren und schlimmstenfalls in die Blutbahn übertreten. Darüber hinaus binden solche Motilitätshemmer nicht nur an die Opioid-Rezeptoren der Darmschleimhaut, sondern auch an die des Hirnes, wenn die sog. Blut-Hirn-Schranke noch offen ist. Dies ist bei Säuglingen und Kleinkindern bis zum Alter von zwei Jahren der Fall. Sie können hier schwere und gefährliche Atemdepressionen verursachen. Auch Heranwachsenden bis zu zwölf Jahren dürfen Eltern solche Mittel nur auf Anordnung eines Arztes verabreichen“, warnt Dr. Ulrich Fegeler, Kinder- und Jugendarzt sowie Mitglied des Expertengremiums des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Am besten sollten Eltern sich rechtzeitig vor einer Reise von ihrem Kinder- und Jugendarzt eine Reiseapotheke empfehlen lassen und mit ihm besprechen, was im Falle eines Durchfalls zu tun ist. Vielleicht rät er – abhängig vom Alter des Kindes – zu einer Elektrolytmischung, die selbst nach seinen Angaben zusammengemischt werden kann oder in der Apotheke als Fertigpräparat zu besorgen ist.

Bei Fieber, Blut oder Schleim im Stuhl, häufigem Erbrechen, starken Schmerzen, Kreislaufproblemen oder bei starkem Durchfall, der länger anhält, müssen Eltern in jedem Fall einen Arzt aufsuchen. Bei Babys gilt dies bei mehr als vier wässrigen Stühlen innerhalb von 24 Stunden, bei Kleinkindern bei mehr als sechs wässrigen Stühlen innerhalb dieser Zeit und bei Schulkindern bei mehr als acht bis zehn wässrigen Stühlen innerhalb von 24 Stunden. “Je kleiner die Kinder sind, desto eher droht ein gefährlicher Flüssigkeits- und Elektrolytverlust. Neben Wasser verliert der Körper wichtige Mineralstoffe. Ein trockener Mund, weiße Haut ohne Spannung und Schläfrigkeit sind Alarmzeichen einer Austrocknung“, warnt Dr. Fegeler.


Dies ist eine Pressemeldung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V.

—> Da das in der PM nicht so deutlich drin steht, wir sprechen hier von so Mitteln wie Loperamid, besser bekannt auch als I.mo.di.um – ein Medikament, das wirklich kaum jemand braucht, außer vielleicht der Typ, der letztens mit dem Fesselballon wohin fliegen wollte:

 

10 Antworten auf „Durchmarsch“

  1. Was war ich froh, als wir endlich Racecadotril frei verkäuflich haben! Denn ich bin auch der Meinung, daß Loperamid wirklich nur in ganz wenigen und speziellen Fällen sinnvoll ist. Aber es ist immer noch schwer, es den Kunden auszureden, bzw. ihnen das andere Mittel „schmackhaft“ zu machen.

  2. @Kinderdok: Was ist deine Meinung zu gerbstoffhaltigen Produkten (Tannin-Eiweiß, z.b. Tanna***p, zugelassen ab 5 Jahre?)
    Und wie sind deine Erfahrungen bei Durchfall mit der Karottensuppe nach Moro?

  3. bei den impfgegner liest man so manches, um das einmal höflich zu formulieren.

    die blut-hirn-schranke arbeitet selektiv, dazu ist sie da. für manches ist sie also offen, für manches nicht: die nährstoffe für das hirn werden durchgelassen, die meisten schadstoffe nicht, der abtransport von stoffwechselprodukten muss gewährleistet sein. im körper gibt es auch noch einige andere „schranken“ (blut-urin, blut-plazenta, …). je nach entwicklungsstadium vom fötus zum säugling zum kleinkind zum erwachsenen verändern sich diese schranken notwendigerweise.

  4. „Nicht brauchen“….
    Ich habe es zumindestmal benutzt, um „unfallfrei“ (als Beifahrer) von A nach B zu kommen. Aber richtig fiese Nebenwirkungen hatte das V#mex. Dann doch lieber kotzen.

    Blut-Hirn-Schranke? Bei den Impfgegnern liest man immer wieder, dass sie offen wäre.
    Ist sie es nun?

  5. Vielleicht sollte man gleich mit dazu erwähnen, dass Loperamid nicht nur gar nicht bei <2Jahre – sondern auch bei 2<Alter<12Jahre nur nach Rücksprache mit dem (Kinder)Arzt gegeben werden sollte.

    Zumal die Standard-2mg-Tabletten/Kapseln für Kinder viel zu hoch dosiert sind, und die Tropfen unter die Verschreibungspflicht fallen.

    Ich rede mir öfter mal den Mund fusselig bei Eltern, die das für die Reise „auch für das Kind“ haben wollen, um jenen genau dieses Ansinnen auszureden…

  6. Oh, danke für den Hinweis. Das wusste ich bisher nicht. Vielleicht auch deshalb, weil wir bisher vor dem Durchmarsch verschont geblieben sind.

  7. Ich war bisher der Meinung, dass die Blut-Hirn-Schranke von Geburt an geschlossen ist. Scheinbar ist das ja aber doch nicht der Fall? Oder ist sie nur für bestimmte Medikamente (wie z.B. die genannten Mortilitäshemmer) offen?

    1. Moin,
      nein, die Blut-Hirn-Schranke ist nicht mit der Geburt zu – daher sind auch besteimmte Viruserkrankungen – Herpes-Viren zB – für sehr junge Säuglinge ein echtes Problem … die können nämlich jene Schranke auch „überwinden“ und sich dann im Hirn breit machen, was eher unerwünscht ist und zu unschönen Ergebnissen führen kann.

  8. Loperamid nicht brauchen? Meistens nicht und die 3jährige sowieso nicht (Danke für die gute Erklärung). Wir Eltern waren bein winterlichen, virusbedingten Brechdurchfall aber sehr froh darüber. Die Medizinalkohle wollte Anfangs einfach nicht lange genug unten bleiben um Wirkung entfalten zu können.

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