Vorsagen

Sehr unterhaltsam ist es immer, wenn Eltern bei den „grossen“ Vorsorgeuntersuchungen, also U7+, U8 oder U9 ihren Schützlingen Hilfestellung geben wollen. Ich frage ja dann dies und das und möchte ein kleines Gespräch mit den Kindern entwickeln, um Sprache, Auffassungsgabe und Reflektion zu überprüfen. die Eltern wiederum haben natürlich den Wunsch, dass ihre Kinder auch funktionieren, mitmachen und möglichst auch alles richtig machen, damit der Tüv-Stempel am Ende auch stattfindet.
Ich (zeige auf das Bild mit dem Hammer): „Und was ist das?“
Bobele: „…?“
Ich: „Hat der Papa bestimmt zuhause.“
Bobele: „…?“
Papa: „Ei, Bobele, das ist doch ein Hammer.“
Danke.
Ich (Zum Bobele): „Genau. Ein Hammer. Und wozu braucht den der Papa?“
Papa: „zum Nägel einhauen.“
Ja. Danke.
Und so geht das weiter.
Ich: „Was ist das für eine Farbe?“ (gelb)
Bobele: „Lot.“
Papa: „Nein, Quatsch, das ist gelb.“
Böser Blick vom kinderdok.
Ich: „Und das hier?“ (rot)
Bobele: „Glün.“
Papa: „Ah, ne, das ist jetzt rot.“
Böser Blick und ein kurzes Anraunzen durch den kinderdok.

Und so geht das weiter, bis das Bobele durch die Einwürfe des Vaters immer unsicherer wird – Merke: Bei Vorsorgen immer loben, nie kritisieren und schon gar nicht verbessern – und dann entsprechend „zumacht“, blockiert.
Wir kommen zur körperlichen Untersuchung. Kinderdok möchte sich den Mund ansehen. Lampe, freundliche Aufforderung, Mund bleibt zu. Logisch. Kinderdok müht sich langsam ab, mit allen verbalen und handwerklichen Tricks (einschließlich des unleidigen und unbeliebten Spatels) – der Mund bleibt zu.
Ich (zum Papa): „Jetzt dürfen Sie mal was sagen.“
Papa: „Ach, jetzt soll ich? Ich dachte, ich darf nichts sagen?“
Ich: „Doch. Sie sollten nicht vorsagen und auch nicht verbessern, aber Auffordern zum Mundaufmachen, das dürfen Sie in ihrer väterlichen Autorität schon.“
Papa: „Der macht doch eh, was er will.“
Ja. Stimmt. Ganz der Vater. Merke: Kein Kind wird kooperieren, wenn´s die Eltern nicht selber tun.

 

15 Antworten auf „Vorsagen“

  1. Letzte Woche selbst reingefallen.
    Ich setze mich auf die Finger und halte die Klappe, sage nix vor.
    Dann aber kam die Frage: „Oh, jetzt habe ich deinen Namen vergessen, wie heisst du nochmal?“
    Mama: „Sie heisst .“
    Im selben Moment bösen Blick kassiert und selbst gemerkt.
    Mama: „Sag Kind, wie ist dein zweiter Name und dein Nachname?“

  2. Bei meinen Kinderärzten werden diese Tests immer in einem Vorabtermin (ein Tag oder auch eine Woche vorher) durchgeführt. Ich (oder Oma oder Opa) saß im Wartezimmer, bei Kind wird Seh- und Hörtest gemacht und was sonst noch so gemacht wird zu Sprache, Lauten, Motorik… War zumindest bei keinem meiner Kinder ein Problem. Die Auswertung/Ergebnisse, werden dann beim U-Termin mit dem Kinderarzt besprochen. Aber auch da spricht der Arzt viel mit dem Kind, da könnte man natürlich auch gut unterbrechen.

    1. Das haben wir auch eine Zeit lang gemacht, scheiterte dann am der Terminfindung für zwei Vorstellungen (unsere Personalressourcen, Zeit der Eltern, Babysitter für andere Kinder usw)

  3. Habe vor einer Weile mal was ähnliches in einem anderen Blog gelesen. Da ging es drum das ein Notarzt versuchte mit dem erwachsenen Patienten ein Gespräch zu führen um den kognitiven Zustand einzuschätzen … ging auch nicht wegen der Begleitpersond. ^^ Scheint ein globales Problem zu sein.

  4. Armer Kinderdok, jetzt muss er noch die Eltern mitbehandeln/miterziehen. Aber auch kein Wunder bei der Generation „Berufsjugendlicher“ und infantiler Eltern. Ein Grund für mich für einen Berufswechsel.

  5. Manchmal ist es wirklich nicht so einfach. Der Kleine erwies sich bei der U8(?) kurz nach dem 4. Geburtstag als so noncompliant, dass eine auch nur annähernd zutreffende Beurteilung seiner Fähigkeiten durch die MFA überhaupt nicht möglich war.
    Da habe ich dann schon irgendwann an dem Gespräch teilgenommen, nicht um seine Antworten vorwegzunehmen, sondern um ihn überhaupt mal zum Reden zu bringen. Er hat dann zumindest ab und zu geantwortet – und ich habe mich richtig blöd dabei gefühlt.

    Am Ende meinte sie, die Sprache bewerte sie jetzt mal als durchschnittlich (6-Wort-Sätze), auch wenn er keine 6-Wort-Sätze gesprochen habe. Wir waren kaum aus der Praxis raus, als er mir in einem 18-Wort-Satz erklärte, dass und warum er jetzt ein Eis wolle.

    Und ja, ich hatte dem Kind zuvor erklärt, was bei einer U passiert (ist ja nicht mein erstes), und nein, er ist sonst nicht schüchtern. Keine Ahnung, was das war und keine Ahnung, was hier das ideale Vorgehen gewesen wäre.

  6. Zum Test der Fähigkeit, Gegenstände korrekt zu erkennen und deren Funktion zu erläutern verweise ich hier mal auf Pharmamas Erfahrungen: https://pharmama.ch/2012/10/19/schlagende-argumente/ 😉

    Zum korrekten Erkennen von Farben durch Eltern verweise ich mal auf die hoffentlich allseits vom Namen bekannte Rot-Grün-Schwäche, die Aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften nun mal hauptsächlich Väter trifft, auch wenn (deren) Mütter daran nicht ganz unschuldig sind… 😀

  7. Oder vielleicht aber auch nur vielleicht schaltet man sein Hirn ein und denkt selbst nach, was in dem Moment die richtige Reaktion ist. War aus dem was hier geschrieben wurde nicht so schwer zu erkennen.

      1. Verständlich. Jedoch sollte es eigentlich jeden Elternteil klar sein, dass es bei der U um die Fähigkeiten des Kindes und nicht der Eltern geht. Dass das Elternteil grün und gelb erkannt, muss der Kinderdok nicht dokumentieren. Und auch er weiß, dass Kinder in diesem setting oft zurückhaltender sind und wird ihnen kein „Kind ist komplett zurückgeblieben“ bescheinigen 😉

      2. Meinst du etwa wie „Guten Tag. Ich bin mit meinem Kind hier zur U8. Soll ich irgend etwas machen?“

        Klar doch, sowas wissen die durchaus zu schätzen in den Praxen. Nasebohren kann man auch zu Hause 😉

        Eigentlich beruhen deine Kommentare hier doch nur auf der Annahme, dass der andere, der Arzt, der unkooperative ist, weil er nicht genug erläutert hat. Dabei ist die Umgebung doch ganz klar: _Kinder_arzt.
        Vielleicht liest du noch mal den Artikel: da bricht ein Erwachsener in eine ganz offensichtlich nicht für ihn gedachte Fragerunde mit Antworten ein, als wäre er noch ein Schulkind oder als würde der Arzt seinem Kind Punkte für ihn geben.

        Ja, das kribbelt einem, dem Kind zu helfen. Aber bis zum Anraunzen muss man es nicht treiben.

  8. Naja, wenn der Kinderdoc vorher anraunzt, ist die Kooperation des Vaters am Ende schwierig.

    Vielleicht wäre es eine Idee, den Eltern jeweils vorher zu sagen, was man in den nächsten fünf Minuten erwartet und was nicht.

    1. Würde bei meiner Frau nicht fruchten,sie muss immer den „Papagei“ für unseren 7 jährigen Zwerg spielen.Das ist auch einer der Gründe warum ich die Arzttermine mit ihm wahrnehme.

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