Zwischen den Jahren

Ich habe frei. Schon seit vor dem Wochenende, seit dem letzten Jahr (Kalauer!), trotzdem erlebe ich bisher kein echtes „Runterkommen“, Innehalten, wie mir das sonst zwischen den Jahren gelingt. Eine Annäherung jetzt.

Das letzte Jahr war, sagen wir, interessant, seit einiger Zeit habe ich den Eindruck, in der Praxis sei ständig Bewegung, Personalwechsel, Stimmungswechsel, Patienteneinstellungswechsel, alles sei im Flusse. Das ist vermutlich gut so, denn Stillstand wäre langweilig, Stillstand bedeutete Rückschritt. Ganzheitlich-chinesisch-traditionell ist alles am Fließen, nur dann kann Neues entstehen.

Trotzdem hätte es letztes Jahr etwas entspannter laufen können. Ohne jetzt ins Detail zu gehen, war das Team Mitte des Jahres am Limit, vong der Arbeitsbelastung, was das Patientenaufkommen, die zusätzlichen Aufgaben durch die Neuen Patientenrichtlinien anging, aber auch durch zwei unvorhersehbare Kündigungen und dadurch Neueinstellungen im Laufe des Jahres. Manchmal ist zuviel Fluß auch nicht so dolle. However, wie der Engländer in mir sagt: Am Ende bilanzieren wir eine Veränderung zum Guten, und das ist wichtig.

Zum Glück für meine Patienten gab es dieses Jahr keine Sterbefälle, wie im Jahr 2016; Beim Kinderarzt bedeutet ein verstorbenes Kind eine traurige Zäsur im alltäglichen Rhythmus, der Allgemein- und Erwachsenenmediziner kennt das ja, bei uns ist das eher selten. Wenn ich mich feste zurückerinnere und hoffentlich nichts vergesse, waren die schwersten Diagnosen Diabetes und Zöliakie, schon eher Standard in der Pädiatrie. Auch onkologische Patienten Fehlanzeige. Ein glückliches Jahr in dieser Hinsicht, die einzig wichtige aus ärztlicher.

Über das Private sprechen wir hier nicht (auch wenn es dort Zuwachs gab, aber nicht so, wie jetzt alle gleich denken), also bleibt die Bilanz des kinderdok-Daseins: Gestern habe ich Euch schon die beliebtesten Blogposts um die Ohren gehauen, das ist eine nette Bilanz des Jahres und zum zweiten Mal in Folge bereits zum Ritual geworden, aber wird jetzt hier nicht wiederholt. Ich habe im Laufe des Jahres mit klitzekleinen Schritten den Blick in die Öffentlichkeit gewagt, im Frühjahr auf dem MedMen2017 manchen Bloggerkollegen getroffen, die sich drüben bei DocCheck versammeln, jedenfalls aus dem Medizinischen. Da waren Medizynicus, KindundKittel, das PTAchen, der 5-Foraminologe und natürlich die Jungs vom Psychcast, Jan und Alexander (habe ich jemanden vergessen? Natürlich die netten Leute von DocCheck…). Die letzteren luden mich zu einem Gespräch am Telefon an, sogar zur 50. Ausgabe ihres Podcasts im Juli, diese Ehre ist mir noch immer schleierhaft.

Ein paar Wochen zuvor interviewte mich Karl Grünberg, freier Journalist, für den Berliner Tagesspiegel, ein seltsames Unterfangen, weil Live in meiner Praxis und inkognito, mit freundlicher Diskretion von Journalist und Redaktion, das feedback war ganz toll, und die Erfahrung nicht zu missen. Aus diesem Event entstand eine Verbindung zum Tagesspiegel, deren Früchte zumindest die Berliner ab 7.1. in der Sonntagsausgabe bewundern dürfen, soviel sei verraten. Und dann der Knaller kurz vor Jahresende – der unbekannte Leser erwähnte mich gegenüber den Machern von „Goldenen Blogger“, und prompt wurde ich nominiert als „Blogger mit Engagement“. Ich bin weiterhin irritiert, vor allem angesichts der Mitnominanten, die soviel mehr an gesellschaftlich Relevantem einbringen. Am 29.1. ist die Verleihung, Gott, bin ich aufgeregt.

So. Genug der Bilanzen für 2017. Ab demnächst gehts hier weiter. Themen, die mir im Kopf rumgehen, und die ich bearbeiten will, gibt es einige ( „Notfallbehandlungen in Kitas“ (z.B. bei Allergien), „Platzwunden“, „Windelausschlag“, „Zweisprachigkeit bei Kindern“ u.v.m. – noch Wünsche?). Aber im Grunde meines Herzens hoffe ich, dass der Praxisallta ruhig und gemäßigt abläuft, ohne Aufregung für meine kleinen Patienten, ohne Aua und Weh, sondern mit Spaß bei den Vorsorgeuntersuchungen. Ach, eigentlich wünsche ich mir, dass Ihr alle gesund bleibt. Ist doch viel schöner so.

Bis bald.

39 Antworten auf „Zwischen den Jahren“

  1. Es ist schon erstaunlich, dass die Reparatur der Waschmaschine oder der Ölwechsel beim Auto ganz selbstverständlich dem Fachmann überlassen werden während zur Medizin jeder Laie Vermutungen, Ideen und Kommentare hat.

  2. Hallo,
    was mich schon seit längerem umtreibt ist das Thema Hochbegabung/ frühere Einschulung/ individuelle Förderung.
    Da gibt es im Netz kaum etwas aus ärztlicher Sicht.
    Viele Grüße, Tina

  3. Einen Beitrag über Lippenherpes bei Kleinkindern fände ich super, dazu hört/findet man sehr wenig Hilfreiches. Danke für den interessanten Blog, es macht Spaß, hier zu lesen!

  4. Herzlichen Glückwunsch zur Nominierung! Auf die Kita-Notfälle bin ich sehr gespannt. Worüber ich mich auch sehr freuen würde, wären Beiträge über frühkindliche Schluck- und Fütterstörungen, über kindliche Dyspraxie und allgemein über Störungsbilder, die nicht auf den ersten Blick auffallen und bei denen der Kinderarzt auf Beobachtungen der Eltern angewiesen ist, die wegen des seltenen oder inkonstanten Auftretens der Auffälligkeiten erstmal unwahrscheinlich klingen. Danke für den tollen Blog!

  5. Ich fand ja den Post zu den häufigsten Diagnosen des letzten Quartals (?) spannend.
    Analog dazu könnte ich mir gut einen Beitrag oder eine Reihe zu seltenen Diagnosen vorstellen – gar nicht mal schwere Dinge, die zum Glück selten sind, sondern eher solche, von denen man als Laie noch nie gehört hat.

    Ich werde auf jeden Fall gern weiter hier lesen und kommentieren. Ist ein sehr lesenswerter Blog, schon seit Jahren. Frohes neues Jahr!

      1. Ich dachte gar nicht mal an so richtig seltene Dinge à la Dr. House, sondern an so banale Dinge wie Hand-Fuß-Mund-Krankheit, Impetigo, Hüftschnupfen, dieses vorübergehende Stottern so mit 3/4 Jahren etc. – Dinge, von denen zumindest ich vor der Existenz meiner Kinder nie gehört hatte. Ich fände es einfach spannend zu lesen, was es da noch so alles gibt, jenseits meiner eigenen Familie.

        Aber Dr.House nehm ich natürlich auch 😉

    1. Willst du jetzt ein Turbo-Medizinstudium? Es ist schon richtig bei bestimmten Dingen zum Arzt zu gehen statt selber zu googeln- natürlich immer das Krasseste und Falsche und dann noch selber rumzudoktern. Nur der Mediziner kann Informationen in Zusammenhänge richtig einordnen und hat den Überblick über viele Kinder.

      1. Warum dieser ruppige Ton?

        Wenn ich Medizin studieren hätte wollen, hätte ich es getan. Nein, ich bin mit meiner Ausbildung und meinem Job zufrieden, keine Sorge. Und wenn meine Kinder etwas haben, was ich nicht einordnen kann, gehe ich zu unserem tollen Kinderarzt, dem ich sehr vertraue.
        Aber ich habe einfach ein Faible für biologisch-medizinische Themen, und ich kann daran nichts Verwerfliches finden.

        1. Häufig können Laien medizinische Informationen nicht richtig einordnen, weil Hintergrundwissen z.B. aus Anatomie, Chemie, Physiologie fehlt. Sie verstehen es dann falsch und das macht oftmals Angst. Daher bin ich dafür einige Fakten beim Fachmann zu lassen. Wenn es konkret dich oder deine Familie betrifft wird der Arzt es schon mit dir besprechen. Warum sich also über Eventualitäten,, über seltene Krankheiten die dich wahrscheinlich nie betreffen werden, den Kopf zerbrechen? Ist meine Meinung

        2. Meins ist diese paternalistische Haltung nicht, ich möchte gern selbst entscheiden können, was ich wissen darf – aber es ist dir natürlich unbenommen, das anders zu sehen. Vielleicht wolltest du ja mit deinem Beitrag diejenigen Mitleser „schützen“, von denen du denkst, dass sie nicht gut mit zu viel Information umgehen könnten; das wäre eine hehre Motivation.

          (Allerdings finde ich Hüftschnupfen und Impetigo jetzt nicht so angsteinflößend – es ging mir ja gerade nicht um schwerste Krankheiten, wie ich im ersten Beitrag schon schrieb.)

          Was ich immer noch nicht verstehe, ist dein Tonfall. Deine Position, die man ja durchaus vertreten kann, hätte sich problemlos auch sachlich formulieren lassen.

          Aber sei`s drum, ich glaube, das Thema ist ausdiskutiert – und ich bin gespannt, welche Beiträge sich 2018 in Kinderdocs Blog finden werden.

  6. Du hattest mal erwähnt, dass du vielleicht was zum nächtlichen Einnässen schreibst. Das kam leider nicht oder ich habs verpasst. Da das Thema gerade sehr aktuell ist, würde mich deine Meinung interessieren 😀

  7. Weil Du Notfallbehandlungen in Kitas ansprachst: Umgang mit einem zu Fieberkrämpfen neigenden Kind. Unsere Erzieherinnen haben das P wie Panik in den Augen, was uns und unserem Sohn nicht wirklich was bringt.

  8. Themenwünsche: Dyskalkulie vs Legasthenie. Anerkennung? Krankheit?
    Ansonsten alle guten Wünsche für das kommende Jahr. Und Daumen gedrückt für den Award!

    1. vs. passt ja nicht so ganz, oder? Beides ist nach Definition der WHO eine Krankheit. Aber imgrunde vor allem ein pädagogisches Problem und in einer guten Schule wird das super gemanaged. Aber keine Frage: Ein schwieriges Thema,
      Ich verweigere mich dem ein wenig, weil es zunehmend zur Medikalisierung eines Schulproblems führt.

      1. Soweit ich weiß, gibt es in Sachsen einen Nachteilausgleich bei Legasthenie, jedoch nicht bei Dyskalulie. Dafür muss die Krankheit natürlich überhaupt erst anerkannt werden. Anerkennen können nur Ärzte. Aber ich verstehe natürlich die Problematik, die eine Anerkennung nach sich zieht… So wie die überforderten Eltern bei einem aufgeweckten Kind „einfach“ ADHS diagnostizieren lassen, wird dann vielleicht schnell mal Dyskalulie angenommen, ohne eventuell weiter zu schauen, ob das Problem nicht ganz woanders sitzt. Aber als Eltern verzweifelt man, wenn ein weinendes, demotiviertes Kind in der zweiten Klasse vor einem sitzt & einfach nicht den Unterschied zwischen 25 oder 52 erkennt. Oder die 5 Finger einer Hand bei jedem Rechnen neu abzählt…

        1. Interessant, dass das nur Ärzte dürfen. Hier™ wiederum wird das nur ausgeglichen, wenn das Schulamt die Teilleistungsschwäche feststellt, übrigens egal, ob Dyskalkulie oder Legasthenie.

  9. Gut geschrieben. Weiter so! Deinem Wunsch nach Normalität und gesunden Kindern kann ich mich nur anschließen. Das fand ich schon immer schade an der Pädiatrie, dass man die Kinder immer nur einen Moment und in Krankheits- oder Notsituationen erlebt, oftmals begleitet von Weinen. Für die schönen Momente, das Lachen, Gespräche über Hobbys und Freizeit bleibt leider viel zu wenig Zeit und Muße.

    1. Wie könnte ich das Kommunizieren der schönen Momente im Umgang mit meinem Kinderarzt verbessern? Soll ich ihm ab und an Fotos per E-Mail schicken, wenn wir Spaß mit den Kindern haben?

      1. Na das ist doch mal ein Vorschlag! Im Ernst- leider bleibt im Praxisalltag dafür oft keine Zeit- ein vielschichtiges Problem. Auch solch unbeschwerte und schöne Momente können für den Arzt ein Hinweis und Motivation sein. Denn- das können alle Eltern, Großeltern,Kinder wirklich glauben- kein Arzt der Welt ist gern der Böse, derjenige der Kinder zum Weinen bringt und ihnen Schmerzen zufügt. Manchmal lässt sich das nicht vermeiden, ist aber alles andere als schön.

      2. Tatsächlich ist es so, dass ich nach wie vor in gelegentlichem Mailkontakt zu dem Leitenden Oberarzt unserer Geburtsklinik, der das Leben meiner Frau und meines Sohn rettete, und einem Oberarzt der NeoITS, der meinem Sohn ein weiteres Mal das Leben rettete, stehe.
        Beide sind inzwischen Chefärzte anderer Kliniken, trotzdem freuen sie sich immer, wenn sie von mir eine kurze Mail mit Foto bekommen, wie es meinem Sohn geht.

  10. Zweisprachigkeit bei Kindern, auf das Thema bin ich sehr gespannt. Außerdem wuensche ich mir, dass die Beschreibung der U—Untersuchungen weitergeht. Bei uns steht demnächst die U8 an, dazu habe ich keinen Eintrag gefunden.

    1. Nein, mit Zweisprachigkeit kennt sich der Kinderdoc nicht aus! Schuster bleib bei deinen Leisten! Schreibe über medizinische Themen, das wäre weiterhin interessant.

        1. Na, dass sie sich an einen Profi wenden sollen.
          Ehrlich gesagt verlange ich von allen Profis auch mal zugestehen zu können dass man etwas nicht mit 100% Sicherheit weiß.

        2. Ach nee, jetzt wirds verrückt. Aber wer daran glaubt, bitte. Ich denke der Masse wird das herzlich egal sein. Sie sprechen zu Hause in der Muttersprache und wenns dann Probleme gibt soll es die Logopädie richten.

  11. Glückwunsch zu der Nominierung. Ich finde, dass du dich sehr engagierst -vor allem darin, aufgeregte Eltern wieder zu beruhigen. Hat mir manchmal geholfen – und war immer gut zu lesen. Ich wünsche dir, dass du selber auch ein wenig runter kommst im neuen Jahr.

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