ثنائية اللغة, ku duzimaniya, διγλωσσία, билингвизм… – über Zweisprachigkeit

Sprache ist Verbindung

Beobachtet man Kinder im Urlaub, am Strand, auf dem Campingplatz, weg von den gestressten Eltern, hingegeben der Suche nach Sozialkontakten und Spielen: Alle Kinder, egal welcher Sprache, verstehen sich. Sie verstehen sich im Spiel,sie verstehen sich durch Gesten, durch blitzschnelle Aufnahme von fremder Sprache. Durch Zwischenmenschlichkeit.

Sprache ist für Kinder essentiell, welch banale Feststellung, die Sprachentwicklung ist, so unterschiedlich sie verlaufen kann, am Ende vielleicht die wichtigste Entwicklungsphase eines Kindes, schließlich prägt sie das Sozialgefüge.
Umso toller, was die Natur den Kindern mitgegeben hat, um ihre Sprache zu finden, ihre eigene, universelle, am Anfang und am Ende eventuell gar die der Eltern. Universialität. Kann man das so nennen? Die Fähigkeit, sich in welcher Sprache auch immer zu verständigen.*

Spracherwerb in der Zweisprachigkeit

Zum Sprachererwerb sind Voraussetzungen wichtig, hier genauer formuliert für die Zweisprachigkeit:
– Die Eltern sprechen mit ihren Kindern die Sprache, in der sie sich selbst wohlfühlen, in der sie selbst am besten ihre Gefühle ausdrücken können.
– Sprechen die Eltern verschiedene Sprachen, gilt das gleiche, d.h. das Kind wächst nun schon zweisprachig auf.
– Die Kinder „baden“ von Anfang an in der „Haussprache, sie sollten ständig von Sprache umgeben sein, in Gesprächen, Fragen, Liedern oder Abzählreimen. Medien spielen dabei eine völlig untergeordnete, wenn auch in der Realität überschätzte Rolle.
– Beginnt der Kontakt zur „Landessprache“, sprechen die Eltern weiter ihre eigene Sprache, sie brauchen nicht übersetzen im Gespräch mit dem Kind. Allenfalls, wenn alle in einer „Landessituation“ sind, wird diese auch von den Eltern gesprochen.
– Jede Sprache in der Familie wird gleichberechtigt emotional gewertet. Dass sich trotzdem eine Sprache als Haupt- und eine als Nebensprache entwickeln wird, ist normal.
– Das Anlernen von fremder Sprache durch die Eltern hat wenig Sinn, auch der sehr beliebte „english talk“, um dem Bobele es später „leichter zu machen“.

Zweitspracherwerb

Wachsen Kinder in einer anderen Sprache auf, als die, welche im Land gesprochen wird, in dem sie sich gerade zufällig aufhalten, lernen sie die Landessprache ähnlich schnell wie die Muttersprache, sobald sie müssen, sobald sie ein neues Bad in der neuen Sprache nehmen. Mitunter geht es sogar noch schneller, weil die Fähigkeit zum Sprachelernen bereits „gespurt“ ist.
Manchmal lese ich bei älteren Kollegen in Einträgen im Vorsorgeheft Bemerkungen wie „spricht noch kein deutsch“ oder womöglich „sollte jetzt mehr deutsch lernen“. Das ist eine anachronistische Sicht der Sprachentwicklung bei Zweisprachigkeit und aus der Sorge geboren (die sich auch bei vielen nichtdeutschsprachigen Familie hält), dass die Kinder ausgegrenzt würden. Würden wir in Papua-Neuguinea nicht auch weiterhin deutsch mit unseren Kindern sprechen?

Kinder sind so unendlich international, so großzügig, so rücksichtsvoll, wenn sie jemandes Kind gegenüber treten, das die eigene Sprache nicht kennt. Sie improvisieren, sie zeigen, sie helfen, oberste Maxime ist das gegenseitige Verstehen, nicht das Verstehen der eigenen Position. Zweisprachige Kinder sind tolle Dolmetscher, oft wertvoll für die Familien, im allerpositivsten Sinne. Letztendlich erweitert die Mehrsprachigkeit nicht nur den linguistischen Horizont, sondern das Verständnis für andere Kulturen und andere Denkweisen und damit das Zusammenleben aller.

Zweisprachigkeit.net – ein Füllhorn an Informationen
Die offizielle Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Broschüren für nichtdeutschsprachige Eltern

Mehr zum Thema und anderes:
Schnuller und Spracherwerb
Heimat
Der Zollstock und Helene Fischer

(C) Bild bei flickr/thejbird (Creative Commons License CCBY2.0)

*ergänzend meine ich Sprache hier über das verbale hinaus, auch das ist banal: Spontane Gesten des noch nicht sprechenden Säuglings, Gebärdensprache, Nonverbales usw.

29 Antworten auf „ثنائية اللغة, ku duzimaniya, διγλωσσία, билингвизм… – über Zweisprachigkeit“

  1. Danke Kinderdok,
    Insbesondere dafür, dass nicht alte Mythen und anekdotische Evidenz recycelt werden und auf http://www.zweisprachigkeit.net von Anja Leist-Villis verwiesen wird – sonst jibbet da nämlich kaum was zu Zweisprachigkeit, das auch wissenschaftlich unterfüttert ist. .

    Bei einem Satz hat es gezuckt: Kinder als Dolmetscher. JnaaaNein. Die Tatsache,dass es den Kindern leichter fällt, sich in einer Umgebungssprache zu verankern, sollten die Eltern nicht dafür einsetzen, die Kinder als Dolmetscher zu nutzen. Die Sprachkenntnisse unserer Kinder entbinden uns nicht von unserer Verantwortung, die Umgebungssprache zu lernen.

    Den KommentatorInnen die Bitte, doch mal den Elternratgeber von Leist-Villis zu lesen, statt mit anekdotischer Evidenz um sich zu werfen. Spracherwerb variiert sehr sehr stark bei Kindern – soweit ich weiss geht es um eine Varianz von bis zu zwei Jahren bei unter 10-jährigen. Oder auch, unstatistisch gesagt: Da kannste alles mit Einzelfall belegen ohne dass das einen Wert hat.

    Den ÄrztInnen eine Aussage aus der Forschung (LEist-Villis et al) mit auf den Weg gegeben:
    Mehrsprachige Kinder lernen nicht langsamer, aber bei mehrsprachigen Kindern wird mangelnder Spracherwerb häufiger auf die Mehrsprachigkeit geschoben, so dass Hörprobleme (oder andere Gründe) häufiger übersehen werden.

  2. Ja die vielen Möglichkeiten. Ich bin eher dafür erstmal eine vernünftige Basis zu schaffen. Wie viele Kinder können denn ihre Muttersprache richtig und gut in Wort und Schrift? Was nützen 2,3 Sprachen die man halbwegs kann aber nichtmal ein vernünftiges Bewerbungsschreiben zustande bringt? Was nützt Unterricht auf Englisch wenn später der Ausbildungsabschluss am seidenen Faden hängt? Allgemeinwissen und Werte unserer Gesellschaft- darauf wird doch auch erstmal Wert gelegt. Denn das Gras wächst nicht schneller wenn man daran zieht.

  3. Meine Neffen wachsen zweisprachig auf, mit Deutsch und Französisch.
    Ich finde es toll, zumal es mit der Grenznähe zu Frankreich auch für den späteren Berufsweg ganz viele Möglichkeiten eröffnet.

  4. Für mich, damals als Famulantin in Berlin, war die zweite Sprache eine große Hilfe im Umgang mit Patienten, die die deutsche Sprache nicht beherrschten 👍

    Praktisch ist es auch, wenn man in den Öffentlichen, in Bars o.ä. sitzt und Gespräche mitbekommt, von denen die Berroffenen glauben „alleine unter sich“ zu sein 😂

    Sehr amüsant!

    Danke liebe Eltern für die geschenkte Sprache 🙂

    und nein, es ist nicht englisch, das habe ich ganz oldschool nur in der Schule gelernt 😂🙈 zum Medizinstudium hats dann dennoch gereicht.

  5. Ich kenne auch viele positive Beispiele, wie hier schon genannt wurden.
    Aber, was mich immer nachdenklich stimmt sind die Kinder, die auch mit 12 noch nicht richtig Deutsch können. Und das sind immer wieder erschreckend viele.
    Habe gerade wieder einen intelligenten Jungen in der Klasse, den ich aber leider häufig nicht verstehe und der in deutschem Wortschatz und deutscher Grammatik von meinem 5jährigen um Längen geschlagen wird.
    Hier geboren und aufgewachsen, Kindergarten besucht (ob das täglich nur von 9-12 oder länger war, weiß ich nicht), Grundschule besucht und nun bei mir in der 6. Klasse. Deutsch spricht er wohl wirklich nur gezwungenermaßen, einkaufen, Eltern, Freunde, Medien, das alles findet auf türkisch statt. Mit der Mutter kann ich mich auch nicht verständigen.
    Da kann ich dann nur ständig dazu anhalten, in der Schule nicht türkisch zu sprechen, auch mal ein deutsches Buch zu lesen usw.
    Und von diesen Jungen/Mädchen habe ich in jedem Jahrgang ein paar. Da würde ich das „sollte jetzt mehr deutsch lernen“ sofort unterschreiben.

    1. Erlebe ich auch fast täglich.Anfangs im Kindergarten und jetzt in der Schule von unserem Zwerg.Eltern und Kinder die in Deutschland geboren wurden und die deutsche Sprache nicht einmal rudimentär beherrschen und dann bekommen diese Kinder in der Schule jede Woche noch Extra türkisch Unterricht weil sie dadurch dann angeblich besser Deutsch lernen würden.Eine zweite Sprache ist ja in Ordnung wenn dabei nicht vergessen wird das die Sprache des Aufenthaltslandes die Wichtigere ist.

      1. Ob Sie, Opapa, gerade den gleichen Artikel des Kinderdocs gelesen haben? Wohl kaum. Ihr Beitrag bzw die Haltung dahinter, die sich in Ihrem Kommentar widerspiegelt, widersprechen Seinen Ausführungen nahezu vollständig.

        Zum von Ihnen kritisierten Unterricht in der Muttersprache – und damit va auch Unterricht in Grammatik und Rechtschreibung der jeweiligen Sprache… was ist dagegen bitte zu sagen, völlig egal ob diese Türkisch, Italienisch oder Russisch ist?
        Sich das Urteil herauszunehmen, die
        Landessprache des Aufenthaltslandes sei wichtiger, ist m.E. schlicht anmaßend! Ja, diese sollte beherrscht werden. Aber wer gibt Ihnen das Recht, vorzuschreiben, welche „wichtiger“ sei?
        Den mangelhaften Spracherwerb der deutschen Sprache sehe ich auch als hochproblematisch. Maßgeblich dürften hier aber wohl andere Gründe sein, z.B. soziokulturellle Abschottung, mangelnde Bereitschaft und Mitwirkung zur Förderung seitens Eltern UND Kind, Haltung gegenüber Schule usw usw.

        Im Übrigen: Sie selbst, Opapa, lassen in Ihren Kommentaren regelmäßig korrekte Syntax, Rechtschreibung und Zeichensetzung vermissen. (Und damit meine ich nicht Flüchtigkeitsfehler, die jedem beim Tippen oder Schreiben schnell mal unterlaufen.) Soviel zur Frage, wann und für wen muttersprachlicher Unterricht angezeigt wäre!

  6. Vielen Dank für diesen Post! Den letzten Satz finde ich am wichtigsten. Denn egal wann und wie man eine andere Sprache lernt, man lernt andere Kulturen und Denkweisen kennen und das kann in der heutigen Zeit nur positiv sein ☺

  7. Unsere Nachbarn (sie Französin, Französischlehrerin auf der Realschule, er Tunesier) haben eine Tochter, die jetzt im 4. Schuljahr ist. Die spricht (fast) perfekt Deutsch, Französisch und Arabisch. Zuhause wird meist Französisch gesprochen, die Mutter spricht aber perfekt Deutsch mit leichtem Französischen Akzent, der Vater spricht (als,wie gesagt, Tunesier) sowieso fast perfekt Französisch und Arabisch und durch die Tatsache, dass er aus einem Touristengebiet in Tunesien stammt auch ziemlich gut Deutsch und Englisch. Die Mutter kann (als Französin ist das so üblich) kaum Englisch, aber der Tochter wird das wohl in der Schule nicht schwer fallen, weil sie eh schon 3 Sprachen kann.
    Was ich damit sagen will, ist mir selbst nicht ganz klar 😉
    Aber mehrsprachig aufzuwachsen ist auf jeden Fall ein Vorteil beim Lernen neuer Sprachen.

  8. Zweisprachigkeit ist toll! Außerdem finde ich persönlich, dass jedes Kind in der Lage sein sollte sich mit den Großeltern zu verständigen. Das bedeutet in der Regel mit den Eltern die „Heimatsprache“ zu sprechen – egal welche das ist. Deutsch, Bayerisch, Türkisch, Suaheli … Whatever.
    Ein Kind, das in der Familienumgebung eine engische Muttersprachlerin hat, wird (wenn diese denn auch englisch im beisein des Kindes spricht), sich natürlich mit Englisch leichter tun. Ich glaube allerdings, dass liegt an der Britin – nicht an zwangsweise englischsprechenden, aber deutschsprachigen Eltern.

    Ich selbst habe übrigen Deutsch von der Haushälterin gelernt, die in meiner frühen Kindheit da war, wenn meine Mutter auf Arbeit war, und dann später im Kindergarten. Mit meinen Eltern habe ich fast nur Niederländisch geredet (es sei denn es ging um Behördendinge). Familiensprache (mit Eltern+Geschwister) war dementsprechend niederländisch. Das lang nicht an dem Deutsch meiner Eltern, meine Mutter hat sogar Deutsch unterrichtet – in Deutschland. Beide waren akzentfrei. (Bis zur Rente. Danach haben sie wieder einen Akzent entwickelt, weil sie weniger Deutsch gesprochen haben). Wir hatten auch viele niederländische Bücher (nicht nur Kinderbücher) zu Hause. Hat meinem Deutsch auch nicht geschadet – im Gegenteil.

        1. Lustig finde ich ja andererseits, dass die Satzende – Punkte oder auch die Doppelpunkte dann auch links sind- in diesem Fall eben vor dem Satz. :>

  9. Danke für diesen Beitrag! Zu Hause wurde und wird bei uns konsequent nur eine Sprache gesprochen: unsere Landessprache. Deutsch habe ich angefangen zu lernen, als ich mit drei in den Kindergarten kam. Ab dann gab es für mich zwei Sprachwelten. Dankbar bin ich dafür, dass meine Eltern konsequent in der Landessprache geblieben sind, weil sie dies nun mal am besten vermitteln konnten. So hatte ich die Gelegenheit, die Sprache in ihrer Gänze und in all der Richtigkeit zu lernen, als nur irgendwie halb und fehlerhaft. Mittlerweile fühle ich mich in einigen Sprachen zu Hause und führe dies darauf zurück, dass ich ein sehr gutes Fundament für das Erlernen einer Sprache gelegt bekommen habe und später mit weiteren Sprachen darauf aufbauen konnte.

  10. „Das Anlernen von fremder Sprache durch die Eltern hat wenig Sinn, auch der sehr beliebte „english talk“, um dem Bobele es später „leichter zu machen“.

    Sehe ich anders. Sowohl bei uns, als auch im Freundeskreis gibt es hierzu sehr positive Erfahrungen. Niemand tut dies mit der Absicht , aus den Kindern irgendwelche Überflieger zu machen. Es geht einzig um das Vermitteln der Tatsache, dass es mehr als eine Sprache gibt zu einer Zeit, in der Sprache nebenbei gelernt wird. Meine Tochter ist 26 Monate alt und spricht korrekte deutsche Sätze mit bis zu 7 Wörtern („Da hinten ist noch eine rote Ampel“). Ihr Wortschatz an englischen Wörtern ist geringer (3-Wort Sätze), aber das Verstehen ist absolut gleichwertig. Eine Freundin ist geborene Britin und wenn sie sich mit meiner Tochter unterhält, versteht sie jede kindgerechte Aussage oder Aufforderung oder Frage.
    Es geht nicht darum, einen perfekten native speaker daraus zu machen – das kann die Schule übrigens auch nicht. Aber die heutigen Viertklässler können vielleicht das wiederholen was gerade im Unterricht dran war, sind aber nicht in der Lage spontan einen englischen Satz zu bilden, weil die Normalität dazu fehlt. Spricht ein Elternteil jedoch von Beginn an konsequent und durchgängig mit dem Kind eine sehr gut beherrschte Fremdsprache, wird diese Sprache zur Normalität und wird gelebt.

      1. Ich kenne dazu weder Studien noch sonst etwas. Meine persönliche Meinung ist also Ergebnis meines Bauchgefühls. Entscheidend ist mE „Die Eltern sprechen mit ihren Kindern die Sprache, in der sie sich selbst wohlfühlen, in der sie selbst am besten ihre Gefühle ausdrücken können.“ In der Eltern-Kind-Bindung geht es viel um Gefühle. Und die kann ich nun mal am besten in meiner eigenen Muttersprache ausdrücken. Selbst als guter Englisch-Sprecher kann ich mit einem Muttersprachler einfach nicht mithalten. Und eine gute Eltern-Kind-Bindung ist wohl den meisten wichtiger als es den Kindern in der Schule etwas leichter zu machen. (Sicher ist trotzdem eine gute Bindung möglich. Ich vermute, es ist eher ein Baustein von vielen.)

        PS: Wir Eltern benutzen das Englische zu Haus gern als „Geheimsprache“, wenn wir vor den Kindern über Dinge reden wollen, die das Kind nicht mitbekommen soll
        (z.B. Weihnachtsgeschenke)

        1. Danke. Aber dahinter eine schlechte Bindung zu unterstellen wäre schon harter Tobak. Zumal es Menschen gibt, die eine zweite Sprache dermaßen perfekt beherrschen, dass auch Emotionen gleichwertig transportiert werden können. Wir würden das nicht tun, wenn mein Mann lediglich gestammeltes Schulenglisch anbieten könnte. 🙂
          Darüber hinaus ist mir völlig egal ob meine Tochter dadurch mal besser in der Schule wird, das ist nicht die Intention dahinter. Und dass es dem regulären Spracherwerb in deutsch nicht schadet, können wir ja mittlerweile auch als gesichert ansehen. Ich persönlich finde es jedenfalls um Längen sinnvoller, einem Kind den Zugang zu einer zweiten Sprache vom ersten Tag an mit auf den Weg zu geben als in einem Land nicht die Landessprache zu üben.

      2. Im Zweifelsfall nimmt die sozial-emotionale Entwicklung Schaden. Kurzfassung: Sprache ist ja nicht nur für die Sprachentwicklung wichtig, auch in anderen Entwicklungsbereichen läuft viel über Sprache, so zum Beispiel in der sozial-emotionalen Entwicklung (in dem über Situationen und Emotionen gesprochen wird). Die Theorie sagt, dass Menschen Gefühle nur wirklich authentisch und adäquat in Sprachen ausdrücken können, die sie selbst als Muttersprache gelernt haben oder mindestens auf Muttersprachniveau beherrschen.
        Spricht man also mit einem Kind eine Sprache, die man nicht als Muttersprache spricht, geht ein Teil der damit verbundenen Emotionen flöten, was sich auf die Entwicklung negativ auswirkt.

        1. Entschuldigung, aber das ist absoluter Blödsinn. Es gibt unzählige Menschen die eine zweite Sprache dermaßen perfekt beherrschen, dass sämtliche Lebenslagen inklusive aller Emotionen transportiert werden können. Das trifft ja auch auf alle Menschen zu die ins Ausland übersiedeln und wo die Familien irgendwann ausschließlich in der neuen Landessprache sprechen. Oder Leute, die langjährige Beziehungen zu Menschen anderer Sprache hatten.
          Davon abgesehen kommen irgendwelche Bindungsstörungen wohl eher zustande, wenn Kinder sprachlich und/oder emotional vernachlässigt werden. Und nicht, wenn man sich liebevoll mit ihnen beschäftigt, mit ihren spricht, singt, Bücher liest, etc.
          Ausserdem wird es eine Menge Familien geben, in denen die Eltern ihre Kinder vor dem Fernseher parken oder vor dem Handy. Da hilft es dann auch wenig, wenn ausschließlich deutsch gesprochen wird.

          Vielleicht sollte man sich erstmal mit der Thematik beschäftigen, bevor man anderen Leuten unterstellt, sie würden ihren Kindern mit etwas schaden. Die Beziehung zwischen meiner Tochter und ihrem Vater könnte jedenfalls nicht besser sein.

        2. Nachtrag: Eine Arbeitskollegin von mir ist gehörlos. Ihr Sohn nicht. Würden Sie da auch eine mangelnde sozial – emotionale Bindung unterstellen? Immerhin ist die Gebärdensprache ja auch eine Art „Fremdsprache“, da bei dem Jungen sehr darauf geachtet wird, dass er viel Kontakt mit Hörenden hat. Die Mutter stammt aus Polen, die dortige Gebärdensprache ist anders als die deutsche, die sie auch lernen musste.

      3. Ich danke dir jedenfalls für deine Erfahrung! Wir sind auch am Überlegen, das Kind zweisprachig aufzuziehen. Nicht, um es später zu irgendwelchen Hochleistungen in der Schule zu trimmen, sondern einfach, weil wir zuhause auch oft englisch reden. Und weil ich als Kind selbst schon früh englisch lernen wollte, aber es hieß immer, warte, warte … ich wünschte, ich wäre zweisprachig aufgewachsen, was auch fast der Fall gewesen wäre. Meine Eltern wohnten in Holland, kurz nach meiner Geburt. Meine Mutter sprach niederländisch mit mir, mein Vater deutsch. Meine Ma hatte es auch „nur“ gelernt. Als ich ein Jahr alt war, trennten sie sich und meine Mutter war allein und änderte ihre Sprache mit mir zu deutsch. Ich hatte später keine Probleme mit dem Spracherwerb, war früh ein ein richtiges Plappermaul und bin mir sicher, dass meine Leidenschaft für Sprachen und die Leichtigkeit, mit der ich neue Sprachen lerne, mitunter auch daher kommt.

        Heute bin ich oft 8-10 Stunden am Tag im Institut und die Arbeitssprache ist englisch, auch, wenn wir Kollegen mal Essen gehen und etwas Pause genießen. Deutsch zu reden ist unhöflich, da immer wer dabei ist, der kein deutsch versteht. Und dann komme ich nach hause und erzähle von meinem Tag – in Englisch. Mein Freund versteht englisch und es macht ihm Spaß, englisch zu reden, auch wenn er weniger geübt ist, als ich. Serien, Filme – nur Originalsprache, also amerikanisch/englisch. Ich glaube auch, dass ich mein Kind durchaus auch genauso liebevoll und gut in Englisch erziehen könnte. Nur wird von allen Seiten davon abgeraten und ich bin mir unsicher. Ein Au-pair oder englischer Kindergarten ist hier leider nicht möglich/zu teuer und ich wünsche es meinem Kind einfach, da ich nun mal solche Erfahrung gemacht habe. Und klar glaube ich, dass es meinem Kind später auch helfen würde, neue Sprachen zu lernen. Aber das ist sicher nicht Motivation No. 1 ^^
        Bei den ganzen dislikes ist vielleicht auch ein wenig Neid dabei, weil andere sich nicht trauen oder nicht sicher genug in einer Fremdsprache sind und bei dir es aber klappt. Mach dir nichts draus 😉

        1. Nachtrag: Ich kenne ein Gegenbeispiel, wo das auch gut funktioniert, nämlich unsere Nachbarn. Sie ist deutsche, er ist Marokkaner, vor 12 Jahren nach Deutschland gekommen. Er spricht natürlich fließen deutsch, ist Fitnesstrainer nd hat dementsprechend viel Kontakt zu anderen. Seine Muttersprache ist jedoch arabisch. Die beiden haben eine Tochter, die rein deutsch aufwächst, als auch Papa spricht deutsch, nicht seine erlernte Sprache. Warum, weiß ich nicht, vielleicht weil sie Angst hatten, dass die kleine sonst Sprachprobleme bekommt oder weil die Frau kein arabisch versteht, ich habe nie nachgefragt. Jedenfalls liebt sie ihren Papa und er liebt seine Tochter und die haben ein tolles Verhältnis – auch ohne seine Muttersprache.

          1. Hallo Schimmea,

            vielen Dank für die nette Antwort und Meinung. Unser Situation ist ähnlich – auf der Arbeit wird fast durchgehend englisch gesprochen (Wissenschaftsbereich) und es ist absolut möglich und notwendig, sich in allen Bereichen des Zusammenarbeitens auszudrücken. Auch Filme schauen wir überwiegend im Original. Englisch ist daher für uns eine gelebte Realität und kein aufgesetztes Konstrukt.

            Ich kann euch da nur Mut machen. Unsere Erfahrungen, sowie die aus dem Freundeskreis, sind durchweg sehr gut. Man muss sich ja zuallererst die Frage stellen, ob man dem Kind schadet. Und das tut man definitiv nicht! Alle „betroffenen“ Kinder, inkl. meiner Tochter, sprechen sehr sehr gutes Deutsch. Wie gesagt, meine Tochter kann mit ihren 26 Monaten Sätze mit 7 Wörtern bilden – damit will ich nicht angeben, aber es zeigt, dass sie dadurch nicht in ihrer Muttersprache gehemmt wird.

            Meine Tochter muss auch nicht zum Chinesisch, Ballett oder sonstwo hin und wenn es mal nicht zum Abitur reicht liebe ich sie trotzdem. 😉

            Ein paar Dinge sollte man jedoch beachten: Wenn ein Elternteil die Fremdsprache „übernimmt“, dann sollte dies absolut konsequent geschehen. Also immer und ohne Ausnahme, auch in der Öffentlichkeit und im Beisein anderer Kinder oder Personen. Mein Mann kann da mittlerweile prima hin und her wechseln – meine Tochter spricht er auf englisch an, die Spielkameraden auf deutsch. Das stört niemanden, am wenigsten die Kinder. Aber man muss durchweg bei dieser Sprache bleiben, auch beim Schimpfen, rum albern oder trösten.
            Anfangs brauchen die Kinder oft etwas länger, bis sie zu Sprechen beginnen, holen dann aber sehr schnell auf. Es ist normal, dass bis zum ca. 3. Lebensjahr die Sprachen gemixt werden, also deutsch-englische Mischsätze entstehen. Das ist normal und gibt sich von alleine („Ich möchte auch playing ball now“). Hört man so einen Satz, tut man das, was man auch bei „falschen“ grammatikalischen Sätzen in einer einzigen Sprache tut: Man wiederholt den Satz ganz ohne Kritik korrekt in der eigenen Sprache. Mein Mann würde also sagen: „Oh, you also want to play with the ball?“ und ich würde sagen: „Möchtest du auch mit dem Ball spielen?“.

            Wir haben 3 Familien im weiteren Umfeld, die ihre Kinder zweisprachig erziehen.
            2x englisch (keine Muttersprachler), 1x japanisch (Muttersprachler). Bei den „englischen“ Kindern ist es so, dass in einer Familie beide Kinder sehr gerne englisch sprechen. In einer Familie spricht ein Kind, das andere weigert sich in der Öffentlichkeit, versteht aber alles. Der Junge, der mit seinem japanischen Vater nur auf japanisch angesprochen wird, weigert sich ebenfalls öffentlich zu sprechen. Der Vater spricht japanisch, der Junge antwortet konsequent auf deutsch. So kann´s auch gehen, auch bei native speakern.

            Meiner Tochter ist sicherlich noch nicht klar, dass sie zwei Sprachen verwendet. Sie verwendet meinem Mann gegenüber aber verstärkt die englischen Begriffe und bisher auch überall und immer. Mal schauen, wie es sich entwickelt.

        2. Noch ein Nachtrag: Unser Kinderarzt findet das übrigens super. Er hat keine Bindungsstörungen befürchtet oder sonstige Nachteile.

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