Lesepotpourri April – Juli

Books HD

Die Abstände werden größer, in denen ich meine Lektüren der letzten Monate präsentiere. So what, schließlich ist das ein Kinderarztblog und das „me“ im Titel muss eben manchmal zurücktreten. Problematisch ist nur, dass ich manchmal im Rückblick nicht mehr weiß, was ich alles gelesen habe. Mal sehen:

Das Genie von Klaus Cäsar Zehrer
Das war eine Empfehlung aus Euren Reihen, vielen Dank, ich habe die Lektüre sehr genossen. Es geht um ein Kindergenie, ein Mathematik- und Überhaupt-Genie, William James Sidis, dessen Vater ihn mittels zweifelhafter Erziehungsmethoden zu einem Genie formte. Die Theorie: Jeder Mensch kann zu einem Genie werden, wenn er nur frühzeitig entsprechend gefördert, sprich: gedrillt, wird. Es kommt, wie es kommen muss. William rebelliert, William wird anders, als seine Eltern es sich wünschen. Wird er glücklich? Spät. (4/5)

Bis an die Grenze von Dave Eggers (Übersetzung von Ulrike Wasel und Klaus Zimmermann
Dave Eggers Stil ist schon mein Ding, ich mag die Flüssigkeit und Poesie seiner Bücher und auch den Bezug zu wichtigen Dingen der heutigen Zeit, „The Circle“ halte ich für eine Offenbarung der Zukunft. Aber das vorliegende Buch war nicht meines, vielleicht hat mich das Sujet (reisende alleinerziehende Frau mit Kindern) nicht gepackt, jedenfalls war der Spannungsbogen der ersten Kapitel so schwach gezogen, dass ich es abgebrochen habe. (1/5)

Niemals von Andreas Pflüger
Schnappatmung beim zweiten Thriller rund um die blinde Topagentin/polizistin Jenny Aaron, nach „Endgültig“, der auch schon sensationell war. Der Stil ist beeindruckend, die Stimmung der Sicht der Blinden erdrückend, die Fähigkeiten von Aaron bewundernswert. Ihr nimmt man das Supergirl sofort ab, gönnt es ihr in allen Facetten, und ergötzt sich an der Schnoddrigkeit ihrer Kollegen der Polizei. Hoffentlich kommen da noch mehr Thriller hinterher. Man darf das hier verraten: Es könnte einen Weg für Aaron aus der Blindheit geben, das ist logisch im Plot, logisch für die Entwicklung, aber sicher das Ende dieser Reihe. Ich warte auf den nächsten Band. (5/5)

Die Geschichte der Bienen von Maja Lunde (Übersetzt von Ursel Allenstein)
Ich tue mich immer schwer mit „Das musst Du lesen“. Wieder so ein Buch, an dem ich gescheitert bin, weil es mir so dringend empfohlen wurde. Klar, das Thema ist wichtig: Das Sterben der Bienen. Geschenkt. Der passende Ökothriller zur Zeit. Vielleicht bin ich mit den drei Erzählsträngen nicht zurecht gekommen, das war mir zuviel „Cloud Atlas“, vor allem wenn es in die Zukunft geht (wobei, das noch die spannendste, weil traurigste der drei Erzählungen war). Es war mir zu anstrengend, mich jedesmal wieder in den Stil der jeweiligen Zeit einzudenken, so etwas kann ich nicht während Zeiten, wo ich arbeite. Vielleicht mal im Urlaub. Hier und jetzt: abgebrochen. (2/5)

Der Trost von Fremden von Ian McEwan (Übersetzt von Michael Walter)
Erwähnte ich, dass ich bekennender McEwan-Fan bin? Er ist mein bay, gleich nach John Irving, aber mit mehr Konstanz und mehr für mich noch zu entdecken. „Der Trost von Fremden“ ist ein älteres Buch, dass ich im Antiquariat gefunden habe, schön knapp und schnell zu lesen, aber wie immer bei McEwan dankbar. Der Roman liest sich wie eine Skizze anderer Romane von ihm, es finden sich schon die klassischen Ideen der zerrütteten Beziehungen und der Einflussnahme von Außen auf das glückliche Paar. Hier besonders verstörend, am Ende sogar dramatisch. So distilliert schreiben können, mit soviel Beobachtungskraft und Witz, toll. Schade, dass ich mit meinem Englisch stets an McEwan scheitere, das muss noch cooler sein. (5/5)

Ready Player One von Ernest Cline (Übersetzt von Sarah und Hannes Riffel)
Ein schönes Buch für den Urlaub: Gut abgehangen, schnell zum Blättern und Lesen, also pageturnen, nett erzählt, auch packend. So habe ich das mal ganz gerne. Hinterlässt jetzt keine Lösung der Weltprobleme oder einen Hangover, ist dafür aber gespickt mit Bezügen auf die Achtziger und die Welt des Gameplays. Letzteres ist nicht so meins, deshalb gehen mir wahrscheinlich ein oder zwei Witze flöten, dafür genoss ich die Songs aus den Achtzigern. Eine passende Spotify-Playlist gibt es auch. Den Film habe ich noch nicht gesehen. Soll ja ein Kultbuch sein. Nunja. as mir auf den Keks ging, war die gönnerhafte Hochnäsigkeit des Protagonisten, da hätte dem Plot einen heftigeren Downfall vor der Auflösung gut getan. (4/5)

Hologrammatica von Tom Hillenbrand (Hörbuch, gelesen von Oliver Siebeck)
Ein Zufallsfund auf Spotify, ein Science Fiction zum Fingerlecken. Die Story des Questors Galahad Singh, wie er in der Zukunft eine Person wiederfinden muß, denn das ist sein Job. Es geht um neue Identitäten, vertauschte Körper, Gefäße und Klone, dass die Welt anders aussieht, als wie sie von außen, überlagert von der Hologrammatica, wirkt. Sehr spannend und konsequent technologisch in die Zukunft gedacht, viel härter und kompromissloser als „Qualityland“, dem Spass-SF der heutigen Zeit. Ich habe das Gefühl, hier gibt es eine Fortsetzung.
Hörbuch perfekt eingelesen von Mr. Hörbuch Siebeck. (5/5)

Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens von Ulli Lust
Eine autobiographische Graphic Novel der Ulli Lust, wie sie als junge Punkerin von Wien über die Alpen bis nach Sizilien reist, ihre kleine, zu große Welt entdeckt, erste Erfahrungen mit anderen Menschen und den Männern macht, ersten Sex und Vergewaltigungen erlebt. Der Leser träumt mit ihr naiv durch Italien und wird brutal zu Boden gezogen dank verzweifelter und trauriger Linienführung. Auch wenn stets der letzte Tag vom Rest deines Lebens ist, so haben wir immer Angst, dass dies überhaupt der letzte Tag ist. (5/5)

Schattenspringer: Per Anhalter durch die Pubertät von Daniela Schreiter
Ich hatte das Glück, Fuchskind auf der ComicCon 2018 in Stuttgart zu treffen, habe mir nicht nehmen lassen, den zweiten Band der Schattenspringer-Reihe signiert zu bekommen, und, was bleibt? Am nächsten Tag hatte ich das Buch schon durch. So toll. So schön. So lustig. So lehrreich. Es wäre großspurig zu behaupten, dass ich Autisten kenne, aber in meinem Beruf sehe ich vielleicht die ersten Entwicklungen. Für Eltern können die Schattenspringerbücher eine Hilfe sein, ihre Kinder so zu nehmen, so toll sie eben sind. Für Autisten selbst sind die Bücher sowieso eine Bereicherung. In Band 3 kommen von Daniela interviewte Autisten zu Wort. Sehr gespannt darauf. (5/5)

Saga 4-5 von von Brian K Vaughan und Fiona Staples
Es geht weiter in der Comic-Saga um den Gehörnten und die Beflügelte, die in ihrer Romeo-und-Julia-Beziehung durch die Galaxien dieser Welt flüchten. Nun auch noch mit Kind. Bombastisch. (5/5)

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7 Antworten auf „Lesepotpourri April – Juli“

  1. ja, das Genie ist wirklich klasse, ich gebe zu, bei mir wären es 5/5 Punkte gewesen, Hologrammatika hab ich im Urlaub gelesen und frage mich bisweilen, ob das Rote Meer wohl in echt wirklich so blau ist, die Fische darin wirklich so bunt, oder ob das alles….. Ach ja, da ich gerade viel im Auto unterwegs bin, wäre ich dankbar um Hörbuchtipps. Das, was Christof Maria Herbst so gelesen hat, hab ich langsam durch… Auch Spademan….

  2. Schattenspringer:
    Der erste Band war genial, der zweite soll ihm folgen. Leider ist Band 1 inzwischen „wegverliehen“. Kommt hoffentlich irgendwann wieder zurück.

    Die Geschichte der Bienen: Umwerfend! Aber es stimmt, man muss sich sehr auf dieses Buch einlassen können. Fesselnd, aber keine leichte Kost und beschäftigt noch lange nach der letzten Seite.

    Danke für die anderen Empfehlungen! Die eine oder andere Urlaubslektüre habe ich mir ausgeguckt.

  3. Der Schattenspringer… tja. viele lieben ihn. Ich mag ihn gar nicht. Ein Buch, das immer so hoch gelobt wird, führt leicht dazu, das als „DEN AUTISMUS“ zu sehen. Nur… es ist eben nur EINE Darstellung. Und das Buch „verdrängt“ mir im Moment zu sehr alles, was davon abweicht.
    Für Eltern sind die Schattenspringerbücher in meiner Erfahrung – und ich arbeite als Autist ehrenamtlich mit Eltern von autistischen Kindern – dazu, ihre Kinder in eine Schablone drücken zu wollend, die doch meistens nicht passt.

    Möchte das mal als Gedanken hier dazu stehen lassen…

    1. Es ist die Natur des Autismus, dass kein Autist dem anderen gleicht. Deshalb ist Dein Einwurf absolut korrekt. Siehe Rainman, bis dato der Inbegriff für die Laienvorstellung eines Autisten.
      Dennoch sind solche Bücher absolut hilfreich, und Fuchskind weist sehr wohl an manchen Stellen darauf hin, wie unterschiedlich Autisten sind. Der dritte Band wird das noch mehr illustrieren.

      1. Ich weise dann mal noch mal drauf hin, dass Rainman an sich nicht so das geniale Beispiel für den Autisten ist (Stichwort Unterschied Autist/Savant, „Vorlage“ für Rainman nach momentanem Stand wohl eher kein Autist, etc.)
        Den dritten Band werde ich mir in naher Zukunft mal anschauen (ohnehin müssen, da es nicht sinnvoll ist, wenn wir nicht wissen, was „unsere“ Eltern so im Kopf haben), lasse mich gerne überzeugen…

    2. Für eins meiner Kinder, auch Autist, war Schattenspringer zwei Jahre lang das Buch, ohne das im Bett er nicht eingeschlafen ist, es hat ihm im Übergang Kind/Jugendlicher immens geholfen. „Das ist bei mir so wie bei Daniela / das ist bei mir anders als bei Daniela“ war lange, lange ein Dauerthema. Er kennt allerdings auch andere Autisten in seinem Alter und ist auch innerfamiliär eher so wie die Mehrheit. Für gänzlich unautistische Eltern / Erzieherinnen / Lehrerinnen autistischer Kinder stelle ich mir so ziemlich jede Autobiographie von Autisten ähnlich problematisch vor – es ist eben immer nur ein ganz spezifischer Mensch, der da spricht, nicht „der Autist als solcher“. Ich fand die Bücher von Tony Atwood als Einstieg große Klasse, aber die sind halt oft recht paternalistisch und ich würde sie, im Gegensatz zu Schattenspringer, meinen Kindern ungern zu lesen geben…

      1. Lustig… Bei uns sind wir auch innerfamiliär die Mehrheit. Mit Abstand. Unter allen autobiographischen und semiautobiographischen Büchern von Autisten, die ich bislang gelesen habe, war für mich persönlich „Look me in the eye“ (dt.: „Schau mich an“) von John Elder Robison das treffendste.

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