Lesepotpourri August/September

Books HD

Liebe Blogleser,

diesmal ein Rückblick auf zwei Monate, es hat sich ein wenig angesammelt, das lag auch an den Sommerferien, bei uns war wenig Action angesagt, viel Meer, Sonne und Ferienhaus, und das bedeutet für mich – viel Lektüre. Enjoy.

Die Stadt der träumenden Bücher – Walter Moers
Erstaunlich, dass ich die „Stadt der Träumenden Bücher“ erst jetzt gelesen habe, obwohl ich eigentlich ein riesiger Moers-Fan bin. Der Blaubär ist in unserer Familie mindestens fünfmal gelesen und vorgelesen worden, Rumo und Ensel fand ich genial. (Interessanter Nebenschauplatz: Ich habe im Urlaub den Rumo wieder angefangen und festgestellt, dass mir Dirk Bach den schon einmal vorgelesen hat.). Die „Stadt“ ist ein Liebesroman an die Bücher und an die Leser, ein Seitenhieb auf den Buchhandel und das Feuilleton, dazu noch ausreichend spannend und mit Lust auf mehr. Dieses Mehr in Form des „Labyrinthes“, dem zweiten Band (auf den dritten wartet die Fangemeinde wohl noch Jahre), liegt hier auch, aber ich werde wohl genauso lange dazu brauchen, diesen anzufangen, wie es bei der „Stadt“ dauerte. Die „Stadt der Träumenden Bücher“ darf aber jeder lesen, der auch nur ein wenig Spass am Fabulieren hat. Keine Weltliteratur, aber auf jeden Fall Teil der deutschen Buchgeschichte. Viel Spaß beim Enträsteln der zahlreichen Anagramme von berühmten Schriftstellern. (5/5)

Erbarmen, Schändung und Erlösung – Jussi Adler-Olsen (Übersetzt von Hannes Thiess)
Urlaubszeit ist bei mir Krimizeit, und die beste Ehefrau von allen hat schon alle Adler-Olsen-Romane vor Jahren gelesen, also stand das bei mir auch einmal an. Zudem fand der diesjährige Sommerurlaub in Dänemark statt, was lag da näher, als Carl Morck, den unangenehmen Kommissar der Reihe, ein Tete-a-tete zu gönnen. Tolle Krimis, unglaublich spannend, fiese Charakter, fiese Ermittler, dennoch Anspielungen auf das politische und Alltagsleben in Dänemark. Zu Recht eine der erfolgsreichsten Serien im Krimisektor. Schade nur, dass Krimiautoren scheinbar bei jedem Band hundert Seiten draufpacken müssen, so hatte Band Drei schon ein paar Längen, die man hätte vermeiden können. Aber das kannte ich schon von Mankell. (4/5)

Luka und das Lebensfeuer – Salman Rushdie (Übersetzt von Bernnhard Robben)
Mein erstes Buch von Salman Rushdie, ich war schon immer sehr neugierig auf diesen britischen Autor. Luka gilt als guter Einstiegsroman in die Welt Rushdies, märchenhafter Realismus, ähnlich Marquez, für mein Geschmack ein wenig zu blumig und orientalisch, zu symbolüberfrachtet und … cheesy. Das Buch wurde von Salman Rushdie für seinen Sohn geschrieben, es dürfte daher als Jugendliteratur gelten. Geschichte hübsch, nett erzählt, aber für ich kein Hook für weitere Rushdie-Romane. Vielleicht ein anderes Mal wieder. (2/5)

Die Farm – Tom Abrahams (Übersetzt von Andreas Schiffmann)
„Die Farm“ war ein Spontankauf bei … Amazon, als ebook schnell heruntergezogen, wiel die Ferienlektüre erschöpft war. Das Buch ist der Beginn einer Reihe postapokalyptischer Romane (die Traveller Reihe), wie sie momentan gerne geschrieben werden. Es geht um einen einsamen Familienvater, der sich auf seiner Farm verschanzt hat, dort bereits lange nach der „Katastrophe“ alleine überlebt, und – wer hätte es anders erwartet – doch Kontakt bekommt mit der Außenwelt, den bösen Jungs. Der Familienvater ist Ex-Marine, logisch, hat viele Waffen, Überraschung, und ist stets ein Spur schlauer als die anderen. So weit, so Walking Dead. Hübsch für zwei Tage Lesen zwischenrein, mehr aber auch nicht. (3/5)

Gelobtes Land – Christine Heimannsberg
Noch ein postapokalyptischer Roman, diesmal von einer Deutschen geschrieben, diesmal aber – wow, richtig gut! „Gelobtes Land“ ist auch der erste Teil einer Trilogie, wieder ist es eine Reise durch eine unbekannte Zukunft, diesmal jedoch viel politischer, da in einer frauenfeindlichen Gesellschaft. Lore muss mit ihrem jüngeren Bruder die Obhut der eigenen Familie Hals über Kopf verlassen, und sucht nach dem „Gelobten Land“, in dem alles besser werden soll. Sie treffen auf ihrer Reise viele seltsame Fremde, ständig unter der Angst, entdeckt zu werden „von denen da oben“, die mit geheimnisvollen Sonden nach ihnen suchen. Sie finden eine Parallelgesellschaft, die so ganz anders ist als die im Rest des Landes. Was das Buch ausmacht ist der Spiel mit der Ungewissheit: Der Leser weiß nie, was hinter der nächsten Buchseite passiert, genau wie Lore. Auch die Bedrohungen bleiben seltsam unbestimmt und damit umso schrecklicher. Ich werde hier unbedingt weiterlesen. Zudem ist das Buch ein „No-ager“, spannend schon für junge Leser, aber genauso fesselnd wie für alte Knacker wie mich. (5/5)

Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein – Ulli Lust (Graphic novel)
Nach „Heute ist der letzte Tag vom Rest meines Lebens“ war ich neugierig, wie es mit Ulli nach der Italienreise weitergeht, irgendwie war ich auch ganz angetan von ihrem schrullig-naiven Zeichenstill. Der „gute Mensch“ handelt davon, wie Ulli mit zwei Männer leben und lieben möchte, einem bodenständigen anständigen Künstler, der aber keinen Sex mit ihr haben kann und einem Flüchtling, der ihr zwar den besten Sex ihres Lebens bereitet (wie man den eindeutigen Bildern entnehmen kann), aber ganz andere, brutalere Probleme bringt. Viel Kopfschütteln, wie Ulli das so alles hinbekommt, aber auch Neugierde, wo das alles hinführt. Inzwischen ist Ulli Lust eine anerkannte Comic-Autorin, ich bin gespannt, ob ihre autobiographischen Graphic Novels weitergehen. (5/5)

Tungsteno (Graphic novel) – Marcelo Quintanilha
Ein Krimi in Graphic Novel Format, interessant gezeichnet, der Plot etwas undurchdringlich. Ein wenig Film noir, ein wenig Karibik-Feeling, spannend sind die zwei Ortsebenen, in denen der Comic erzählt wird. Ganz hübsch zu lesen, aber kein Burner. (2/5)

Fahrradmod – Tobi Dahmen
Tobi Dahmen erzählt seine eigene Geschichte, vermute ich mal, angelehnt an seinen Musikgeschmäckern von der Schule über Abitur bis ins Erwachsenenalter. Mods, Punks, Skins, Scooterboys, sie alle kommen in dieser dicken Graphic novel vor. Es dreht sich viel um Mixtapes, das Gefühl der Achtziger und Verwirrungen der Jugend. Das Buch wurde vor einem Jahr in der Szene sehr gehyped, es lag stapelweise in den Comicläden der Republik. Richtig toll und detailverliebt gezeichnet. Mich hat das Buch aber nicht wirklich in die Geschichte gezogen, vielleicht auch, weil ich mir dem Musikstil und den Verkleidungen der Kids nichts anfangen kann. Ich stand in den Achtzigern eher auf Hard Rock und Heavy Metal. Aber da trägst Du ja auch Uniform. (2/5)

Heimkehren – Yaa Gyasi (Hörbuch gelesen von Bibiana Beglau, Bjarne Mädel, Wanja Mues usw., Übersetzung von Anette Grube)
Was für eine Geschichte. Beginnend in Afrika, eine Historie der Sklaverei, erzählt anhand einer einzigen Familie, wie alles begann, wie alles endete. Endete es je? Heimkehren nach Afrika aus New York nach Jahrzehnten der Grausamkeiten und Unrechten – im Hörbuch erzählt durch verschiedene Vorleser, die stets ein Mitglied der weit verzweigten Familie darstellen. Manche Kapitel (und Vorleser) sind fesselnd, manche ermüdend, manche überflüssig. In der ganzen Summe aber ein literarischer Meilenstein. (4/5)

Fleckenteufel – Heinz Strunk (Hörbuch gelesen vom Autor)
Heinz Strunk ist witzig, schreibt komisch, ist selbst ein Urgestein Hamburgs und schreckt auch vor der eigenen Peinlichkeit nicht zurück. „Fleckenteufel“ erzählt von der Wochenfahrt mit der christlichen Jugend nach Scharbeutz an der Ostsee. Ja genau, diese Peinlichkeiten passieren dann. Dass der „Fleckenteufel“ der männliche Gegenentwurf zu „Feuchtgebiete“ sein soll, ist schon wieder Teil des Witzes. Pickelige Jugendliche entdecken Schmuddelphantasien, das Saufen und die doofen begleitenden Erwachsenen. Unglückliche Liebe, die Liebe zur Natur (!) und dank der Ich-Perspektive erfahren wir auch, wie unreflektiert hochnäsig und abschätzend wir alle als Jugendliche gewesen sind oder hätten sein können, wenn wir nicht so nett gewesen wären. Dass Heinz Strunk das Buch selbst einliest – genial. (5/5)

Von dieser Welt – James Baldwin (Hörbuch gelesen von Wanja Mues, Übersetzung von Miriam Mandelkow)
Irgendwie habe ich dieses Jahr viel über die Geschichte der Afroamerikaner gelesen und gehört, nach „Heimkehren“ nun noch diesen Klassiker von James Baldwin, dem literarischen Gewissen der Schwarzenbewegung nach dem zweiten Weltkrieg in den USA. Der Roman setzt da an, wo „Heimkehren“ beinahe aufhört: Die Geschichte einer Familie in Harlem, in der die Sklavenbefreiung noch sehr präsent ist. Aber eigentlich spielt das alles gar keine Rolle, sondern es geht um die persönliche Erweckung des Jungen John, der von seinem Vater missachtet wird, aber selbst schlauer ist als alle um ihn herum. Der Roman ist stark geprägt von der Religiösität in der Familie, wohl auch autobiographisch, einschließlich der sexuellen Unschlüssigkeit, in der sich John befindet, und die auch James Baldwin Zeit seines Lebens prägte. Ein schwer lesbares Buch, ich bin froh, dass es mir so genial von Wanja Mues vorgelesen wurde, sonst hätte ich es wohl nicht durchgestanden. Man hört ein Stück Weltliteratur, ganz sicher, aber das Buch verstört auch sehr aufgrund der erdrückenden Frömmigkeit innerhalb der Familie, die sehr gut die Überreligiösität der amerikanischen Gesellschaft illustriert, die trotz aller propagierten Freiheiten der Vereinigten Staaten in letzter Instanz den Konservatismus fördert und die freie Entfaltung des Einzelnen hemmt. (5/5)  

[Der Text enthält so genannte Affiliate Links zu Amazon]

5 Antworten auf „Lesepotpourri August/September“

  1. ach, lieber Kinderdok, was beneide ich Sie darum, dass sie Die Stadt der träumenden Bücher noch so ganz aktuell präsent haben. Ich habe es kurz nach Erscheinen im Urlaub gelesen, ein großartiges Buch. Allerdings gebe ich zu, dass der Nachfolger hier nach wie vor ungelesen steht. Hat auch irgendwas mit dem nicht existenten dritten Band zu tun. Und Ihre Meinung zu Adler Olsen teile ich voll und ganz, hab die ersten beiden mit Begeisterung gelesen und dann war es irgendwie gut.

  2. Vielen Dank für die Rezension!
    Die Stadt der träumenden Bücher liegt bei mir seit Jahren ungelesen rum (es dürften ca.. omg.. 6-8 sein??)
    Ich glaube, ich sollte es doch mal in Angriff nehmen..

  3. An Walter Moers scheiden sich die Geister: Ich liebe ihn! Und habe mir die Graphic Novel von „Stadt der träumenden Bücher“ für den Sommer gegönnt. Als Urlaubslektüre allerdings viel zu komplex, eher etwas, das ich immer wieder und stückchenweise in die Hand nehmen werde. Absolut empfehlenswert – jedoch nur, wenn man den Roman gelesen hat.

      1. Eher extrem detailverliebt.
        Ich bevorzuge eigentlich die deutlich zurückhaltender gestalteten Graphic Novels, aber auf Grundlage des Romans ist die Lektüre wie ein Film. So gesehen hast Du Recht. Das Eintauchen in Zamonien ist für mich in jedem Fall nahe einer Reizüberflutung, in diesem Fall überwiegend visuell. Durch (dank!) Moers‘ Perfektionismus zieht sich leider das Warten auf den nächsten Band eeeewig.

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