Am kurzen Bändchen

Letztens hatte ich einen „geheimen Termin“, so nennen wir etwas kryptisch die Termine, wenn Eltern nicht sagen wollen, um was es geht (übrigens schwierig für die fMFA, weil die ja abschätzen muss, ob sie einen kurzen, mittleren oder langen Termin vergeben muss).

Jedenfalls war es ein junger Mann von 16 Jahren, der sich vorstellte, weil er „Schmerzen da unten“ habe. Genauer beim Masturbieren und, ja auch, beim Geschlechtsverkehr. Mit sechzehn muss er schon ziemlich lange gewartet haben, bis er nun zum Arzt kommt, aber vielleicht wurde es mit der ersten Freundin nun wirklich unangenehm.

Ich habe ihn jedenfalls beglückwünscht, dass er den Mut und die Weitsicht hatte, vorbeizukommen, mit seinen Eltern wollte er jedenfalls nicht darüber reden. Den Termin hat er bei uns allein ausgemacht. Genau das wünschen wir uns als Kinder- und Jugendärzte, dass sich in unserer Betreuung die Jugendliche zu eigenverantwortlichen Menschen entwickeln, im Vertrauen auf Ärzte. Er hätte ja auch googeln können (hat er nicht).

Der Junge hatte ein so genanntes Frenulum breve preputii, ein verkürztes Penisvorhautbändchen, das bei der Erektion und natürlich beim Geschlechtsverkehr sehr unangenehme Schmerzen machen kann, da die Vorhaut nicht ausreichend zurückziehbar ist oder sogar die gesamte Peniseichel nach unten verzogen wird. Eine Frenulotomie (Durchtrennung des Bändchens) oder ein Frenuloplastik oder Frenulektomie (bei der das Bändchen komplett entfernt wird, um ein kosmetisch schöneres Ergebnis zu erhalten) is vonnöten. Viele Urologen führen gleichzeitig eine Beschneidung, also Zirkumzision der Vorhaut durch, was aber nicht zwingend notwendig ist und vermieden werden sollte.

Dem Jungen ging es wie allen Patienten: Er war froh über die schnelle Diagnose und dass „das“ auch bei anderen vorkommt. Er hatte wirklich Zweifel, ob alles bei ihm normal verlaufe, und ob er nun sein Leben lang Beschwerden beim Geschlechtsverkehr habe (worunter viele Männer leiden, die nicht um Rat bitten). Zwei Wochen später war er operiert.

Das Frenulum breve. Ein eher unbekanntes Phänomen.

Infobroschüre des BVKJ zu allem rund um den Penis

(c) Bild bei flickr/Dennis Skley (Creative Commons Lizenz CCBY-ND 2.0)

10 Antworten auf „Am kurzen Bändchen“

  1. Spannend! Klingt ja für mich doch ein bisschen nach Dr. House 😉

    Puh, wenn meine Kinder später mal den Mut aufbringen, mit „so etwas“ zu ihrem Kinderarzt zu gehen, werde ich sehr froh sein. Den mögen sie zwar gerne, aber gerade in dem Alter ist das trotzdem ein großer Schritt.

  2. Oh wie schön – ich hoffe, dass meine Kinder auch mal den Weg zum Kinderarzt alleine finden. Das habe ich ihnen auch gesagt, dass sie das tun können und sollen, wenn es was gibt, was sie nicht mit uns besprechen wollen.

    Ich selbst hatte das Problem, dass ich was meiner Mutter nicht anvertrauen wollte und bin alleine zu Ärzten. Bin froh, dass das geklappt hat.

    Ich möchte, dass meine Kinder eine echte Wahl haben und nicht gezwungen sind mir alle Peinlichkeiten zu beichten, auch wenn sie bisher auch mit komischeren Sachen gekommen sind. Ich denke, da zeigt sich Vertrauen am ehesten, wenn dem Kind die Freiheit dazu gegeben wird und gleichzeitig der Gesprächsfaden immer gepflegt wird.

  3. Warum denn erst mit 16 Jahren??
    Bei unserem Sohn wurde der Verdacht auf Phimose mit ca.8 Jahren gestellt,als der Kinderarzt dabei von Op sprach bekam der Junge sehr grosse Augen.Daheim ging er dann heimlich bei und versuchte mit zusammen gebissenen Zähnen die Vorhaut zurück zu ziehen,irgendwann klappte es , die OP war vom Tisch und er war erleichtert.Unser Zwerg wurde mit ca.5 Jahren von der Kinderärztin zu einem Kinderchirurgen überwiesen der sich Vorhaut und Frenulum anschauen solle da dem Jungen seine Morgenerektion schmerzte.Auch dort der Verdacht auf Vorhautverengung,dafür gab es dann Kortisonsalbe bis sie sich gedehnt hatte,beim Frenulum soll die Kinderärztin weiter kontrollieren da dieses etwas verkürzt ist.

    1. Wie so oft in diesem Alter – als Kinderarzt siehst Du die Jugendlichen über Jahre nicht mehr. In fact hatte ich den jungen Mann seit der Einschulungszeit nicht mehr gesehen.

  4. Toller Beitrag!
    Unterrichte gerade irgendwo in einer Grundschule in Deutschland Sexualkunde.
    Die Geschichte bestätigt mich darin:
    Ich bleibe bei meinem Konzept im Rahmen dieses Unterrichts zu versuchen den Mädels eine reine Mädelsrunde mit mir/ Kollegin und den Jungs eine reine Jungsrunde mit einem freiwilligen Kollegen zukommen zu lassen.
    Meiner Erfahrung nach werden dann jeweils noch andere Fragen gestellt als in der großen Runde.
    Das Thema des aktuellen Blogeintrags könnte so eines sein….

    Insgesamt kann ich nur alle ermuntern:
    Redet mit euren Kindern, Schützlingen.
    Oft gibt es bei den Kids sehr ungeordnetes bruchtstückartiges Wissen,das verunsichert….
    Wissen hilft und schützt.
    Also traut euch alle😉

      1. Wie oft ich als Lehrerin an einer Grundschule schon von Eltern wegen des Sexualkundeunterrichts torpediert wurde, ist schwer vorstellbar.

        Auch „so was“ gehört in die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern.
        Wenn da keine Grundsteine oder gar Steine in den Weg gelegt werden, stehen wir ziemlich allein da.
        Also erstmal: die Erziehung der Kinder ist die zuvörderst den Eltern obliegende Pflicht. Auch die Erziehung zur sexuellen Mündigkeit.

  5. Finde ich gut, dass der Junge das so selbstständig erledigt hat. Die Eltern haben dann aber ja doch davon erfahren, wegen des anstehenden Eingriffs, nehme ich mal an.
    Schon ich als Jugendliche (und auch noch als Studentin!) fand es nicht so toll, dass meine Eltern dann alle Diagnosen des Arztes in der Rechnung sehen konnten, lässt sich aber wohl nicht vermeiden bei Privatpatienten. Natürlich wussten Eltern irgendwann, dass Kind Geschlechtsverkehr hat und die Pille nimmt, mit der Mama wurde auch drüber gesprochen, Papa hat allerdings die Rechnungen erhalten.

    Das Thema Vorhaut/Phimose beschäftigt uns auch, die Kinderärztin findet weiter abwarten eine gute Idee, der Urologe will Kortisoncreme schmieren… So lange keine akuten Probleme mehr auftauchen, vertraue ich der Kinderärztin, aber mal abwarten…

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