Servicewüste Deutschland – die Ärzte (BILD prangert an!)

„BILD prangert einen der schlimmsten Missstände in unserem Land an“*

Das hätte ich auch niemals gedacht, dass ich einmal die BILD-Zeitung zum Thema mache oder sie gar zitiere, aber die heutige Headline ließ mich aufhorchen:

Besorgt, dass es sich um böse Kinderärzte handelt, habe ich mir das Pamphlet gekauft und genauer recherchiert. Beruhigung: Es geht um böse Hautärzte. Die liebe Kinderärztin hat ja zum Glück gleich weiter verwiesen.

„Ich weiß, Deutschland hat viele Probleme. Ich erzähl Ihnen mal, was meine Familie seit Wochen beschäftigt: Meine Tochter Pauline (5) hat eine Warze am Fuß.“*

Da darf man ruhig kurz schmunzeln. Mit welch feinsinninger Ironie die BILD-Redakteurin hier die Sorgen der Menschen mit der eigenen persönlichen Last konterkariert. Respekt.

Eine Warze ist ansteckend, eine Warze sei gefährlich, eine Warze gehört therapiert, um dem Kinde weiteres Leiden zu ersparen. Und ebenso feinsinnig wird der Notfall relativiert: „Soll ich die Notaufnahme mit einer Warze blockieren?“* – „Nein!“, möchte man der Mutter zurufen, „Und auch nicht die ambulanten Praxen!“

So sei es. Auf der Suche nach dem rettenden Facharzt mit der eisigen Therapie („am besten mit hochdosiertem Stickstoff“*) kann die liebende Mutter schon mal verzweifeln. Drei Hautärzte werden konsultiert, eher gar nicht erreicht, der einzig mögliche Termin ist in dreieinhalb Monaten.

Reflexartig wird die Schande des gesetzlich Versichertsein („krank zweiter Klasse“*) als Ursache ausgemacht, schließlich würde Mama in der Privathautarztpraxis, „zu der mein Mann geht“* (!), am gleichen Tag einen Termin bekommen. Unerwähnt bleibt, dass Privatpraxen genau diese Patienten mit Kußhand annehmen, weil sie die teure Stickstoffkryotherapie finanzieren, der kassenärztliche Dermatologe jedoch mit diesen Banalitäten tagtäglich zugeschüttet wird.

Glücklicherweise bietet die BILD-Zeitung itself Abhilfe: Nicht die weiter oben in diesem Blog zitierte 116 117, sondern die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen können die Rettung bringen: Schließlich muss diese zeitnah einen Facharzt anbieten, auch wenn die Warze dafür eventuell 50 Kilometer fahren muss.

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Deutschland hat andere Probleme. Fürwahr. Auch das Gesundheitssystem hat andere Probleme. Und Familien in Deutschland mit kleinen Kindern im Gesundheitssystem haben andere Probleme. Es fehlt an Kinderärzten, die die Betreuung der Kleinen von Geburt an übernehmen können, fußend auf Bedarfsplanungen der Neunziger Jahre und fehlendem Nachwuchs bei anachronistischen Vergabeverfahren der Studienplätze. Es fehlt an Psychotherapieplätzen, an geriatrischer Versorgung, in der Pflege, an ambulanten Diensten, an Palliativplätzen, an akutfachärztlicher Versorgung. Und ja, vielleicht fehlt es auch an Hautärzten.

Aber was ganz sicher nicht fehlt: Die hyperdringende notfällmäßige Versorgung einer selbstlimitierenden banalen Hautinfektion! Schade, BILD-Zeitung, da wurde ein wichtiges Thema mit einer völlig unterbelichteten Story satirisch zerschossen.

*alle Zitate aus der BILD-Zeitung vom 15.11.2018 (online)

(c) Bilder selbstgeschossen bei kinderdok

33 Antworten auf „Servicewüste Deutschland – die Ärzte (BILD prangert an!)“

  1. Natürlich gibt es größere Probleme im deutschen Gesundheitssystem, aber mir ist dennoch etwas unwohl bei dem Artikel und all den Kommentaren wie absurd und unnötig eine Facharztbehandlung und Kryo bei Warzen bei Kindern wäre. Bei meiner damals 8jährigen Tochter haben wir die (Dorn-)Warze an der Fußsohle erst bemerkt als die Tochter anfing zu humpeln. Und ja, wir waren bei einer Hautärztin – die dann eine Tinktur verschrieb. Und dabei blieb, auch als nach Wochen sorgfältiger und regelmäßiger Behandlung sich immer noch keine Besserung einstellte und das Kind weiter Schmerzen hatte und humpelte. Wir haben den Fuß sogar ins Vollmondlicht gehalten und besprochen, soll ja durchaus manchmal helfen. Drei Monate nach Beginn der Behandlung sprossen dann zeitgleich zehn (10!) weitere Dornwarzen an der Fußsohle und den Zehen. Wir waren sehr froh, dass meine Tochter dann als Akutpatientin kurzfristig in einer anderen Praxis aufgenommen wurde und noch am selben Tag eine Kryo-Behandlung bekam. (Und, ja, sie ist privatversichert.) Es tat ihr zwar weh, aber das war es wert. Es wurde danach schnell sehr viel besser. Es gab noch eine zweite Kryo ein paar Wochen danach und danach waren die Warzen weg. Das war eine wahnsinnige Erleichterung für meine Tochter, die nach Monaten endlich wieder normal und schmerzfrei laufen konnte.

    1. Als Privatpatient muss man sich nicht wundern wenn eine Behandlung länger dauert,man schlachtet ja auch nicht die Kuh die einem Milch gibt.Ich kenne das von einem Bekannten,was die Mediziner an dem schon verdient haben mit ihre ewigen Behandlungen möchte ich gerne mal wissen ……………..

      1. Es wird niemand gezwungen dahin zu gehen, wenn man meint, dass es ohne Ärzte besser geht. Es wird auch niemand gezwungen sich privat zu versichern…..

        1. Wenn ich zum Arzt gehe, möchte ich diesem vertrauen können, dass er das Notwendige veranlasst (und nicht mehr). Als Reaktion darauf, dass manche Ärzte zu viel des Guten tun, gar nicht mehr zum Arzt zu gehen – das kannst du nicht ernst meinen.
          Doch. Alle Beamten sind de facto gezwungen, sich privat zu versichern.

          Lotti, ich frage mich immer noch, warum du als Ärztin (bist du doch, oder?) es nötig hast, auf jeden Hauch einer kritischen Perspektive gegenüber einzelnen Medizinern so bissig zu reagieren. Du tust dir und deiner Profession doch keinen Gefallen damit, hier ohne Not und völlig pauschal die schwarzen Schafe zu verteidigen.

      2. Das unterscheidet uns beide: ich kenne keinen der zuviel des Guten tut und wie man sich versichert sollte gut überlegt sein. Dafür kann der Arzt ja wohl nichts. Er wird jedem die medizinisch beste Behandlung anbieten, dazu ist er verpflichtet, manchmal auch mit zusatzkosten (s. Kassensystem)

        1. Und ganz richtig, du möchtest dem Arzt vertrauen können. Ist das nicht möglich ist es wenig sinnvoll jede Behandlung anzuzweifeln. Dann sollte man wohl besser den Arzt wechseln.

        2. Nicht alles, was du schreibst, habe ich so ganz verstanden (vorletzter Satz im letzten Kommentar), aber egal. Ich möchte meine Position nochmal zusammenfassen.
          1. Es gibt viele tolle Ärzte, die ihren Job sehr gut machen und eine Menge Gutes bewirken. Das bezweifelt niemand außer vielleicht ein paar verschwörungstheoretikern.
          2. Es gibt auch ab und zu Ärzte, die das System in einem vermutlich sogar legalen, aber dennoch dreisten Rahmen ausnutzen, um sich persönlich zu bereichern. Das diskreditiert nicht den Arztberuf als solches (schwarze Schafe gibt es in jedem Beruf), ist aber einfach Teil der Wahrheit.
          3. Beamte können sich NICHT überlegen, wo sie sich versichern, denn Beihilfe ist nur mit der PKV kombinierbar und eine freiwillige gesetzliche Versicherung ohne Beihilfe (also quasi ohne den Arbeitgeberanteil) für die meisten Beamten nicht finanzierbar.
          4. Und selbst wenn sie es könnten, rechtfertigt die freie Versicherungswahl keine Mauscheleien bei der Abrechnung.

          Zusammenfassend verstehe ich immer noch nicht, warum du dich so sehr echauffierst. Aber das muss ich ja auch nicht. 🙂

  2. Grundsätzlich ist das Anliegen der BILD ja nicht völlig verkehrt. Auch Hautarzttermine bei Kindern können wichtig sein, nicht alles kann der KiA selbst sicher erkennen (eigene Erfahrung). Aber mit dieser Banalisierung tut diese Zeitung der Sache halt mal echt gar keinen Gefallen. Ich frage mich, welche journalistische Ausbildung derjenige genossen hat, der diesen Artikel verantwortet, und wie ihm nicht auffallen konnte, was für ein Ei er sich/der Zeitung da selbst legt. Andererseits, es ist eben BILD. Nicht ärgern, nur wundern.

    Der Beitrag freut mich trotzdem. Wir haben uns dieses Jahr schon mit Magen-Darm-Viren, Erkältungen, Dreitagefieber, Läusen, Kreidezähnen, Bindehautentzündung, einem Lippenbändchenriss, abgerissenen Fingernägeln und diversen anderen mehr oder weniger exotischen Dingen auseinandergesetzt, aber meine Kinder hatten noch NIE eine Warze 😉

  3. Da kommen unschöne Erinnerungen hoch… Ich hatte als Kind (mit acht oder neun) eine Dornenwarze am Fuß, die beim Auftreten und Laufen ordentlich Schmerzen verursacht hat. Damalige Therapie? Teebaumöl und dann mit der Kanüle. (keine Ahnung warum, das war damals wohl angesagt O.o) Es hat rund zwei Jahre gedauert, bis das blöde Ding vereist wurde und endlich, endlich weg war – ist auch nicht mehr wiedergekommen. Vielleicht wäre sie nach all der Zeit auch von alleine verschwunden und hätte keiner Vereisung mehr bedurft, aber ich erinnere mich noch lebhaft an die Kanülen und die „Prokeleien“ meiner Mutter.

    Als mein Mitbewohner seinerzeit (noch nicht so lange her) eine Dornenwarze hatte, die ebenfalls schmerzte, ist er zum Arzt und hat sie einige Tage später herausschneiden lassen. Das wäre auch, würde das biestige Ding wiederkommen, heute mein Gang der Dinge.

  4. „am besten mit hochdosiertem Stickstoff“

    Ich empfehle in so einem Fall eine 78%ige Stickstofftherapie über 1-2 Jahre, das wirkt fast immer.

  5. Lieber Kinderdok,
    gehen dir die immer gleichen besserwisserischen Kommentare aus der immer gleichen Ecke eigentlich gar nicht auf den Zeiger? Respekt vor deinen Nerven!!!
    LG aus dem Süden,
    Britta

  6. Unser Zwerg(8) hat eine Dornwarze unter dem vorderen Fussbereich,Terminvergabe gab es keine man solle einfach mit Wartezeit vorbeikommen,haben wir dann auch gemacht,die Kinderärztin hat es sich angeschaut,uns erklärt was man machen kann und uns dann eine Tinktur zum auftragen verschrieben.Nun hat er an der Stelle ein kleines Loch,sprich die Tinktur hat ihre Arbeit gut erledigt.
    Zudem:
    Der Intelligente Mensch geht dem Stürmer und anderem Geschmiere aus dem Hause Springer aus dem Weg……….

  7. In Zeiten, wo Kinder auf Kinderintensivstationen kein Bett bekommen können, das sie dringend bräuchten, weil zu wenig Pflegepersonal zur Verfügung steht, ist so ein Artikel nicht nur peinlich, sondern auch kontraproduktiv!

  8. Mit hochdosiertem Stickstoff behandeln?
    LUFT dranlassen; die enthält 79% Stickstoff!
    MUSS gegen die LEBENSGEFÄHRLICHE WARZE helfen!
    A propos Laser: hat man doch zuhause!
    Einfach mit dem Laserpointer solange die Warze beleuchten, bis sie sich fürchtet, ihr Bündel packt und zu ihrer Mami flüchtet.
    Stromsparend: beim nächsten Vollmond der Warze Folgendes erzählen:
    „Weiche, Warze, weiche, hau endlich ab!“
    Sie verschwindet GANZ sicher!
    Warzen mögen es nicht, wenn sie angequatscht werden!

  9. Unfassbar.
    Der Sommer ist doch vorbei, auch wenn man es noch nicht glauben möchte. Wenn das Sommerloch keine Ausrede für diese Peinlichkeit ist, was dann?
    Ich stolperte heute auch über die Titelseite (!) dieser Zeitung in der Bäckerei, hätte fast zugegriffen, dachte es geht um eine schwere, lebensbedrohliche Erkrankung.
    Konnte mich aber nicht überwinden, Geld dafür auszugeben. Zurecht.

    Armes Deutschland!

    Zugegeben, ich war auch mit dem Jung-Teenager-Kind deswegen beim Hautarzt (mit dreimonatiger Wartezeit – nachdem ich davor noch viele Monate überlegte, ob ein Termin Sinn macht). Nicht nur eine, es siedelten gleich mehrere, tlw recht tief, aber nicht besonders schmerzhaft.

    Seine Meinung: Tinktur ist ok, ein Versuch Wert, Vereisung macht er bei Kindern nicht. Ist eine abschreckende Prozedur. Könnte weh tun und bringt meist nichts, weil der Körper eben mit dem Virus fertig werden muss und die nächste Warze sich zeigt, kaum dass die eine bekämpft ist.

    Außerdem, war sein gutes Argument, dass er keine Kinder vergraulen möchte mit unnötigen Aktionen, damit sie nicht Arzt xy mit Schmerz verbinden und später, wenn die Mama nicht mehr zuständig ist, den notwendigen Gang zum Arzt hinauszögern bis es vielleicht für einfache Therapien zu spät ist.

    1. Interessant, elegante Ausrede vom Hautarzt. Würden alle so argumentieren- Kinderarzt beim Impfen, Zahnarzt etc. würde keine fundierte medizinische Behandlung mehr zustande gebracht. Btw.- beim Ohrloch-Stechen halten das die Prinzessinnen und Prinzen komischerweise auch aus. Aber zurück zur Warze: es gibt die Behandlung auch schmerzarm mit entspr. Medikamenten.

  10. Da hatte doch sicher der Postillon mal einen Tag das Ruder in der Hand bei der BILD. Machen die das nicht manchmal so? „Heute besuchte uns Lothar Mathäus und gestaltete die Titelseite.“ Normalerweise ist das beim Postillon dann aber immer „Timmy (9)“.

  11. Mich würden die „Tipps“ der Bild gegen zu lange Wartezeiten interessieren (der gelbe Kasten unten)…
    Krankheit aufbauschen und schlimmer machen, als sie ist? Mit Anwalt drohen?

  12. Mit zeitnahe Termin wird das bei Kinderarzt vereist. Merke Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und gehören zum Kinderarzt. Dauer der Behandlung 5 Minuten. Manchmal Wiederholung nötig.

    1. a) Nicht jeder Kinderarzt macht das
      b) Ist das nicht bei jeder Warze nötig
      c) Warzen haben eine sehr gute Selbstheilungsrate, auch wenn das Monate dauert.
      Nicht entzündete, nicht schmerzhafte Warzen müssen gar nicht behandelt werden.

      1. a) das kann man durch Fragen herausfinden.
        b) genau. Dellwarzen werden kürrettiert oder mit Lösungen bestrichen.
        c) nett gemeint, aber die Eltern wollen meist JETZT eine Behandlung. Präparate aus der Apotheke sind meist nur teuer und helfen wenig.

        1. Es mag ja sein, dass „die Eltern […] meist JETZT eine Behandlung“ wollen. Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass diese Behandlung auch jetzt erfolgen sollte oder gar müsste, dass sie zu Lasten der Versichertengemeinschaft erfolgen dürfte oder dass es gar ein Problem wäre, wenn sie nicht erfolgt.

        2. Als Apotheker zu c) ein kurzes Wort:
          Präparate mit Salicylsäure, Ameisensäure, Kalilauge oder 5-Fluorouracil helfen schon und sind echt nicht übertrieben teuer. Das muss man halt täglich bzw. wöchentlich regelmässig über einen Zeitraum von 2-3 Monaten anwenden bis die Warze herausgewachsen ist.
          Das Problem ist, dass viele Leute SOFORT ein Ergebnis wollen. Bei so etwas Banalem wie eine Warze fehlt mir da etwas das Verständnis, wenn man als Elternteil gleich mal die Warze ausgeschabt haben will.

          1. Wir sollten vielleicht nochmal darauf hinweisen, dass Warzen Virusinfektionen sind, die erst abheilen, wenn der Körper entsprechende Antikörper gebildet hat.
            Alle Maßnahmen zur Behandlung beziehen sich ausschließlich auf die Verhornung über der eigentlichen Infektion. Herauswachsen tut da nicht wirklich etwas.

      1. Das Problem ist, dass die X Spezialisten… Hautärzte, Neurologen etc. meist nur die Erwachsenenkrankheiten kennen. Der Kinderarzt hat sich Jahre auf Krankheitsbilder spezialisiert die nun mal in dem Lebensalter vorkommen, kommt er nicht weiter gibt’s Spezialsprechstunden an der Uniklinik. Beispiel Lymphknotenschwellungen beim Kinderarzt oder Erwachsenen- Hämatologen vorgestellt ergibt unterschiedliche Behandlungsansätze, der Leidtragende ist dann das Kind.

      2. Oh, ja – es gab da Fälle, bei denen ich eigentlich sogar lieber zum Kinderarzt gegangen wäre!

        Flächige Ausschläge kann ein Kinderarzt in Sekunden zuordnen, meine Ärzte haben nur gerätselt: Masern, …? Ähhhm, grübel, keine Ahnung, bei dem Titer…

        Was wars: Ringelröteln, die der Kinderarzt zwei Wochen später bei der Kurzen in Sekunden diagnostiziert hatte.

        Und auch beim Thema Impfen würde ich x-mal lieber selbst zum Kinderarzt.

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