Ein wenig Alltag aus der Erkältungszeit

Stethoscope on laptop keyboard

Ich bin zurück im Alltag nach dem langen Wochenende in Hamburg, das einem ja dann wie eine Zeit- und Fernreise vorkommt, dass man gar nicht mehr nachhause will. Aber, wie mein Chef früher immer sagte: Die Arbeit macht ja sonst keiner in der Zwischenzeit (addon: … und der Schreibtisch sieht am nächsten Morgen noch so aus, wie am Abend zuvor).

Da inzwischen im Ländle die Grippe-, Erkältungs-, Durchfalls-, und weiss-nicht-was-Saison begonnen hat – das Ende vom Januar lässt uns mal wieder in der Beziehung nicht im Stich – kamen Frau Kollegin und ich diese Woche endlich mal wieder auf die angepeilten 50 Praxisanwesenheitsstunden. Ok, es gibt eine Mittagspause und hie und da springt auch ein Kaffeepäuschen raus, aber schließlich hängen wir immer noch eine halbe bis ganze Stunde Schreibtischjob hintendran, denn: siehe oben das addon.

Die Woche war voll mit allem, was die Kinderarztpraxis so hergibt: Turbulente Einweisungen mit Osteomyelitis, luftknappen Pneumonien und exsikkierten (d.i. ausgetrockneten) Kleinkindern, sehr lustigen Vorsorgeuntersuchungen von Vorschulkindern, die zeigen wollen, was sie schon können und etwas jüngeren U7-Kindern, die zeigen konnten, was sie alles nicht zeigen wollen. Tobsuchtsanfällen inklusive. Aber ganz bedürfnisorientierte Kinderärzte, die wir sind, versuchen wir solche Vorsorgen dann an einem anderen Tag. Nur ich konnte wieder nicht meine Klappe halten und deutete dem anwesenden Vater die Emotion seines Kindes als Wut und nicht als Angst. Wer ängstlich ist, winkt und grinst nicht am Anfang und am Ende, dachte ich mir, und reflektierte das auch. „Siehst Du, Rick-Jakob, Du brauchtest gar keine Angst zu haben, sagt auch der Mann“, sagte dann der Vater zum Abschied. Hatte ich so nicht gesagt. Hatte ich so nicht gesagt.

Dann war da noch der Säugling aus der Flüchtlingsfamilie mit der Trisomie, seit Beginn mit großen Atemproblemen, Herzfehler, Aspirationen, Sauerstoffbedarf, stationären Aufenthalten und mobiler Krankenpflege zur Unterstützung der Familie. Sie bekommen es jetzt zuhause deutlich besser in den Griff, aber die Unterstützung der Fachkräfte ist weiterhin vonnöten, alleine, um mögliche Zustandsveränderungen zu erkennen und frühzeitig zu handeln. Der Medizinische Dienst der Krankenkasse, angerufen durch die „versorgende“ Krankenkasse, bezweifelte dies und forderte bei mir einen „aktuellen Behandlungs- und Befundbericht“ ein. Das ist nicht in ein paar Worten getan, am Ende wurden es zwei Seiten. Mal sehen, was das bringt. Honoriert wird der Schrieb mit stolzen 3,25 € nach dem EBM, da rechne ich lieber nicht den Stundenlohn aus.

Ich habe dieses Wochenende herbeigesehnt, ich gestehe. Montag, 8 Uhr, gehts weiter.


Letzten Montag wurden die Goldenen Blogger 2018 vergeben. Leider war ich während des Livestreams noch in der Praxis, da ist die DSL-Bandbreite eher schlecht, wenigstens hat es zum Abstimmen gereicht. Die Macher von den Goldenen Blogger haben seit dem letzten Jahr alle ehemaligen Gewinner zur Akademie der Goldenen Blogger berufen, Danke für diese Ehre. Ein paar Entscheidungen wurden dann auch durch diese Akademiker gewählt.

Hier geht es zu den Gewinnern. Sehr lesenswert natürlich vor allem die nominierten Blogtexte: „Alle 262.000 Minuten verliebt sich kein Single über Parship“ von Frau Nessy, „Gerda stirbt“ von Jasmin und „Raus aus meinem Uterus. Der § 219a und seine Freunde.“ von Juramama. Besonders freute ich mich über die Gewinnerinnen Natalie Grams für den besten Twitterauftritt des letzten Jahres und die gute LiebeFrauNessy, die mit ihrem Tagebuchblog schon lange zu meinen Alltime-Favourites zählt. Die Lektüre ihrer Texte hat mich vielleicht zum Bloggen gebracht.

(c) Bild bei Flickr/Marco Verch (unter CC BY 2.0 Lizenz)

8 Antworten auf „Ein wenig Alltag aus der Erkältungszeit“

  1. Von wegen Honorar: im Vergleich stehst du sehr gut da. Heilmittelerbringer bekommen 70cent von den VdAk Kassen. 0 Cent von den RVO Kassen.
    Die Berichte werden dann oft von Ärzten genommen und weitergegeben. Mit dem Unterschied, die bekommens vergütet.

    1. Ein Bericht nach HMV ist für den Verlauf der Behandlung essentiell. Der Verlauf muss beim Heilmittelerbringer dokumentiert werden und – wie es die HMV fordert – auch beim Verordner dokumentiert werden. Den Regress bekommt sonst der Verordner, nicht der Heilmittelerbringer.

      In meinem Berichtsfall handelte es sich um eine Kontrollmaßnahme der Krankenkasse, die meine Indikation für eine Krankenpflege infrage stellt. Ein Besuch beim Kind durch den MDK wäre natürlich teurer.

      1. Tatsächlich werden die Berichte der Heilmittelerbringer, die dafür 0 Cent bekommen, vom Arzt so übernommen. Der dann die Bezahlung bekommt.
        Für eine fehlende Vetlaufskontrolle ist kein Regress vorgesehen.
        Auch essentiell ist ein Bericht nicht, viele Ärzte verzichten darauf.

        1. Es wird keiner gezwungen in diesem Bereich zu arbeiten…. Und auch im Gesundheitswesen gilt, dass in gewissem Masse die Zahlen bzw. Das Geld stimmen müssen. Wer das komplett negiert lügt.

        2. @Manuela Selbstverständlich bekomme ich eine HM-Prüfung, wenn ich keine Verlaufskontrolle durchführe. Ich muss sehr wohl dokumentieren, dass das HM noch indiziert ist. Der Heilmittelerbringer muss das nicht. Sorry, deshalb werden mitunter Therapien immer weiter empfohlen, bis der Verordner mal Stopp sagt.

          Es war einmal im Gespräch, dass die Primärindikation die Ärzte stellen und die Heilmittelerbringer solange therapieren, wie sie es für richtig halten, allerdings mit dem Regressrisiko auf der Seite der Heilmittelerbringer.
          Leider wurde das aus der Ärztelobby abgelehnt. Ich hätte das richtig gefunden.

    2. Dass die HM-Erbringer die Sinnhaftigkeit nachweisen müssen (samt dem Risiko eines evt Regresses) würde ich sehr begrüßen. Dann müssten sie hoffentlich auch diese endlosen Gutachten verfasssen! Und es v.a. würde endlose Diskussionen an der Anmeldung ersparen, warum wir vor Ausstellung der nächsten Verordnung ERST den Therapiebericht und im Falle einer Logo-VO auch einen aktuellen Hör- und Sprechtest benötigen.

      Die meisten Therapeuten der Umgebung wissen, dass unsere Praxis auf absolute Einhaltung des korrekten Ablaufs besteht, aber ein, zwei schwarze Schafe haben wir auch. Von dort kommt der Bericht dann auch erst eine Woche nach der letzten Stunde.
      Oder sind es immer die gleichen Patienten, die es „schnell zwischendurch“ (der nächste Termin ist doch schon heute Nachmittag…) versuchen, den MFAs (!) eine Verordnung abzuschwatzen? Von Patientenseite kommen bei Nicht-Erledigung dann auch schon mal Beleidigungen rüber.

      So gut hier alle Therapeuten am Patienten auch sind, so wenig wissen einige (oder deren Angestellte?) von den Formalitäten, an die sich der Arzt als Regresspflichtiger akribisch halten sollte. Häufigste Änderungswünsche der Therapeuten sind unzulässige Diagnoseschlüssel (wir erbringen keine Wunschleistungen auf Kassenkosten), Änderung des Therapiebeginns (darf der Therapeut in sehr weitem Rahmen selbst ändern) und die Unterscheidung Erst-/Folgeverordnung (z.B. lange Pause bei fortbestehender Erkrankung). Kostet jedesmal Zeit: Entgegennahme der Beanstandung, Diskussion mit dem Patienten und evt Rücksprache mit dem Arzt. Leider ist Zeit aber etwas, was wir bei momentaner Zuständigkeit für beinahe 4.000 Patienten wirklich nicht haben.

      Zu bemängeln, dass der Arzt einen kostenfrei erhaltenen Fremdbefund bei Weitergabe honoriert bekommt, ist arg weit her geholt: Entweder wird der Therapiebericht durch den Arzt in den Kontext der Grunderkrankung eingebettet und entsprechend interpretiert (also nicht gegen Geld „genommen und weiter geleitet“) oder aber wir verlangen die uns zustehenden Kopierkosten. Der Stundenlohn bleibt lächerlich.

      1. Stimmt auffallend…. Nur weil es Therapie Möglichkeiten gibt und diese im Internet verbreitet werden heisst das noch lange nicht dass es mehr kranke gibt und diese Therapie immer benötigt wird. Klar, wenn man damit sein Geld verdienen kann sieht man alles durch diese Brille und im Alltag nur kranke. Aber so ist die Welt nicht, also Augen auf bei der Berufswahl und nicht hinterher schimpfen.

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