Zecke 2019*

Ich schreibe ja jedes Jahr irgendetwas zu den Zecken, weil sie so in aller Munde sind,… also, naja, nicht hoffentlich da. Ihr wisst schon: Jedes Jahr verbreitet sich eine gewisse Panik um die kleinen possierlichen Tierchen, es existieren die wildesten Gerüchte und kryptische Handlungsempfehlungen. Das werde ich nicht alles wiederholen. Heute nur die neueste Story zu Zecken und weiter unten meine bisherigen „Werke“ zum Thema. Ab 2020 verlinke ich dann dieses Posting hier und tausche nur die Jahreszahl aus.


Neulich im Notdienst standen gegen 20.30 Uhr Sohn und Vater an der Anmeldung, es gebe eine Zecke zu besichtigen, genauer: Die nicht mehr vorhandene Zecke, denn der Sohn hatte sie schon mit den Fingernägeln entfernt. Ich sah eine kleine rote Stelle, wie bei einem Insektenstich, so siehts eben aus.

Vater: „Ganz übel entzündet, ganz übel, schauen Sie mal.“

Ich: „Naja. Keine Sorge, das ist nur die Reaktion auf den Stich.“

Vater: „… Biss. Zeckenbiss.“

Ich: „Ich dachte, Zecken stechen, aber was weiß ich schon?“

Vater: „Und was jetzt tun?“

Ich erklärte die üblichen Verdächtigen: Das FSME-Virus, die Impfung dafür (hatte der Junge schon bekommen), die Borrelien und worauf zu achten ist, also eine Wanderröte, grippale Symptome, Kopfschmerzen. Ich gab eine kurze Einschätzung des Risikos (eher gering, weil die Zecke schnell entfernt wurde und der Junge geimpft ist).

Vater: „Und was ist mit der Zecke?“

Ich: „Wegen Einschicken? Also das machen…“

Vater: „Nee, nichts einschicken. Wir wissen ja gar nicht wo sie ist.“

Es stellte sich heraus, dass der Junge die Zecke aus Ekel fallen ließ, verständlich, und sie dann nicht wiederfand.

Vater: „Die krabbelt doch noch bei uns rum.“

Ich: „Jaaa? Wahrscheinlich?“

Vater: „Aber das ist doch total gefährlich. Dann beißt sie ja nochmal. Den nächsten. Oder ihn wieder.“ Er zeigt auf seinen Sohn, der sich mit großen Augen ausmalt, was ihm heute nacht im Schlafzimmer blüht.

Ich: „Sie könnten alles absaugen.“

Vater: „Aber reicht das? Man sieht die Viecher doch gar nicht. Und vielleicht kommen die aus dem Staubsauger heraus?“ Die bekannte Angst. Wie bei Spinnen.

Ich: „Ich würde mir da mal keine Sorgen machen.“

Vater: „Aber da muss man doch was machen. Was machen Sie da jetzt?“

Ich: „Äh… Nichts?“

Vater: „Aber da muss man doch was machen? Ist das hier keine Notfallpraxis?“

Ich: „Guter Mann: Ihr Sohn ist erstmal außer Gefahr. Soweit hat er sich selbst gerettet. Der Stich sieht gut aus, da passiert erstmal nichts. Für zoologische Notfälle sind wir leider nicht zuständig.“

Vater: „Warum sind wir dann gekommen?“

Die Antwort blieb ich ihm schuldig.


Zecken und viel Panik – mein ultimatives Blogpost zum Thema. Noch mehr muss man nicht wissen. Erstmal.

Notdienstzecke 2 – eigentlich der Vater von oben, in einer Variante

Notdienstzecke – diesmal eine Mutter, hier gehts ums Untersuchen der Zecke – und wie sinnvoll das ist.

Zehn auf einen Streich – schon vor zehn Jahren im Blog.

(c) Bild in freier Lizenz bei Senior Airman Devin Boyer – *ich wollte schon immer mal ein Bild mit Hundekulleraugen benutzen.

27 Antworten auf „Zecke 2019*“

  1. Dass die Tiere wieder aus einem voller Staub gefüllten Staubbeutel und dann durch den ganzen Schlauch etc. krabbeln können und das alles, bevor der Staubsauger wieder eingesetzt wird, halte ich auch für sehr unrealistisch, auch wenn mir solche Dinge als Kinder auch immer wieder eingeredet wurden.

  2. Vor vielen Jahren wollte mal ein Pharma-Hersteller eine Azithromycin-haltige Creme auf den Markt bringen, mit der man die Stichstelle mehrtägig lokal behandelt, und so eine (potentielle) Borreliose direkt nach der Entfernung der Zecke behandeln kann. Habe ich leider nie wieder was von gehört, Schade eigentlich.

    Weiß jemand vielleicht etwas zu der Entwicklung?

    1. Es ist doch allgemein bekannt, dass man in solchen Fällen das Haus samt Inventar umgehend niederbrennen und die Bewohner nach Französisch Guayana deportieren muss, wegen Seuchengefahr und so…

      1. Also ich gehe mal davon aus, dass diese Antwort ironisch gemeint war. 😉

        Im Gegensatz zu meiner Antwort (und Frage). Denn ich denke, ein lokales Makrolid-Antiobiotikum (Azithromycin) über 3-5 Tage auf Verdacht ist immer noch besser verträglich als ein systemisches Breitband-Tetracyclin-Antibiotium (Doxycyclin) im Höchstdosierung über 2 Wochen. Zumal – wir sind hier ja bei einem Kinderdoc – Doxy für Kinder unter 8 Jahren ganz schlecht und für 8-14 Jahren schlecht (nicht oral, nur invasiv) anzuwenden ist. Nebenwirkungen wie Zahn- und Knochenwachstumsprobleme inklusive. Diese Nebenwirkungen hat man mit Azithromycin nicht, und behandlungskostentechnisch ist auch Azi nur noch als Witz zu bezeichnen und vergleichbar mit Doxy.

  3. In meiner internistischen Notaufnahme werden Patienten ja fleißig triagiert und nach Dringlichkeit aufgerufen. Wenn also die Pflege schon merkt, dass die Patienten umsonst da sind, dürfen die patienten gerne drei Stunden warten. (Und damit sind wir noch verdammt gut!). Lieblinngssätze dann:
    „Dafür habe ich jetzt drei Stunden gewartet?“ (Ja.)
    „Das hätten Sie mir ja auch schon vor drei Stunden sagen können!“ (Nein, ich habe Leben gerettet ….)
    „Das hätte mir derjenige an der Anmeldung auch sagen können!“ (Hat sie/er ja auch, aber die Pflege ist ja unwichtig :-/)

  4. „Meine“ (russische) Tagesmutter hat mir dringend geraten „meinen“ Kinderarzt zu wechseln weil der ihrem Enkel nach einem Zeckenbiss nicht eine dreimonatige Intensivkur mit Antibiotika verschreiben wollte. Das wäre total verantwortungslos und würde in Russland angeblich immer so zur Sicherheit wegen Borreliose gemacht.
    Überlege jetzt allerdings ob ich den Kleinen gegen FSME impfen lassen. Bin ja selber auch geimpft .

      1. Ich habe den Kinderarzt auch nicht gewechselt 🙂
        Habe mich aber auch nicht getraut ihr zu widersprechen….
        Musste aber schon innerlich grinsen was Kinderärzte so alles mitmachen müssen.
        Und was für Kriterien es für gute Ärzte gibt.

  5. Ich hatte bisher eine einzige Zecke in „meiner“ Notaufnahme, für die ich dann doch volles Verständnis aufgebracht habe… Der Patient hatte sich einen Zeckenstich an der linken Pobacke zugezogen. So weit so undramatisch. Leider war er jedoch auf Dienstreise und damit waren die in der Nähe verfügbaren Persenen zur Zeckenentfernung (bei denen es nicht sozial unangemessen ist den Po zu zeigen) doch recht begrenzt… und er selbst war jetzt eher unterdurchschnittlich gelenkig.

    1. Ach und falls sich jemand wundert – der ärztliche Bereitschaftsdienst, welcher nur die Straße runter liegt – war grad mit einem akuten Ausbruch an Noro beschäftigt… (leider an sich selbst).

    2. Dafür habe ich sogar Verständnis. Und diese Patienten drängeln in der Notaufnahme üblicherweise auch nicht. Sondern entschuldigen sich, wissen dass sie eigentlich falsch sind, aber sie wissen auch nicht, wie sie sich helfen lassen sollen. Diese Patienten bearbeite ich gerne nebenbei mit. Im Gegensatz zu obigem Vater. Was soll der Arzt in der Praxis machen? Nach Hause kommen zum Saugen???

  6. Mal eine Nachfrage.
    Eine normale Pinzette (für Augenbrauen und so) hat ja meist eine ca. 2x2mm große, abgeflachte „Greiffläche“. Wenn ich damit eine Zecke herausziehe, wird das Tierchen dabei zerquetscht. Nicht dass es mir übermäßig leid täte (ich bin ausdrücklich pro Biodiversität und trage alles Mögliche im Glas aus dem Haus, aber es gibt Ausnahmen…).

    Aber ich dachte immer, das Zerquetschen sei schlecht wegen des Speichels, der dadurch in die Wunde austreten kann…? Ich verwende deswegen seit Ewigkeiten eine Zeckenkarte, da kann man nach dem Rausziehen das noch lebende Tier bestaunen und den Kindern zeigen, bevor man es im Waschbecken runterspült. (Und noch nie ist eines wieder rausgekrabbelt.)

    Wie ist das jetzt mit den Pinzetten?

    1. Erstmal sollte man Zecken nicht in den Abfluss oder das WC geben, denn außer dass diese dadurch eine Freifahrt mit der Kanalisation bekommt, tut das der Zecke nicht viel und irgendwo krabbelt sie dann wieder unbeschadet raus. Deswegen entweder zerdrücken oder flammbieren (wenn sie knackt, ist sie durch).

      Wichtig ist beim Herausziehen, dass der Körper der Zecke nicht gequetscht wird. Mit Zeckenkarte, -haken oder -schlinge geht es oftmals leichter und vor allem geht die Zecke so oft im ganzen ab, wenn man die Zecke aber mit einer Pinzette zügig rauszieht, ohne sie erst mehrmals zu greifen und zu drücken, ist es kein Problem. Und da es auch egal ist, ob ein Stück vom Kopf oder vom Stechrüssel am Opfer zurückbleibt, kann man sie zur Not auch einfach abrasieren

  7. och, mein Tierarzt ist auch schon samstags nachts zu einem Pferd gerufen worden, um eine Zecke zu entfernen. Wenn ich ihn für jede Zecke, die meine Tiere so den Sommer über haben, holen würde, könnte er hier einziehen. Wobei ich mit dem Kind auch einmal nach einem Zeckenstich bei der Kinderärztin war, allerdings drei Tage nach dem Stich, da die Einstichstelle noch gerötet war. Die Örztin hielt es nicht für übertrieben und machte sicherheitshalber eine Antibiose.

  8. Hallo… diese Zeckenpanik geht bei uns schon so weit, daß auf der Derma-Ambulanz in dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, ein Informationsblatt ausgehängt wurde, daß Zecken – anhaftend oder bereits entfernt – KEINEN dermatologischen Notfall darstellen, und deshalb die Patienten nicht angenommen werden. Des Weiteren wird auf diesem Aushang in Bildern erklärt, wie man eine Zecke entfernen kann. Borreliose ist wirklich mies, aber gut behandelbar, wenn rechtzeitig erkannt. Bei FSME sieht das schon anders aus, und da kann ich hier in Österreich niemanden verstehen, der sich (oder seine Kinder) nicht impfen läßt.

  9. Hallo, ich verstehe Sie . Die Eltern machen in ihrer Panik viel Arbeit. Aber meine Tochter( damals 15) hat vor 3 Jahren durch eine einzelne Zecke Borreliose / Lyme Desease bekommen. Wir hatten die Zecke entfernt, es entwickelte sich die typische Ringelrötung, ab zum Hausarzt…. Wir wohnen in Berlin. Die Zecke hatte sie aus dem Hausgarten. Es ist rechtzeitig behandelt worden. Aber OHNE die Aufklärung über Zecken wäre es nicht behandelt worden. Man muss nicht in Bayern leben um an Krankheiten zu erkranken, die von Zecken übertragen werden.

    1. Ja, Borrelien übertragen alle Zecken, nicht nur die in Süddeutschland. Aufklärung ist wichtig, mache ich ja hier auch, aber übertriebene Panik nutzt niemandem, sondern überflutet die Notfallpraxen.

  10. Einerseits Eltern mit doch etwas übertriebener Panik.
    Andererseits las ich gerade heute von einem Kinderarzt, der Kinder grundsätzlich erst ab 6 Jahren gegen FSME impft (in Baden-Württemberg in tiefrotem Risikogebiet). Mangels anderer Kinderarztpraxis sind die Kinder der Internet-Bekanntschaft also bisher entgegen dem Eltern-Wunsch ungeimpft, trotz häufigem Aufenthalt in Wald und Feld und trotz der Tatsache, dass sie schon öfter Zecken hatten.

    1. Ja, es scheint sich in BaWü noch nicht herumgesprochen zu haben, dass die Österreicher mit gutem Erfolg und ohne grosse Nebenwirkungsquote schon ab 6 Monaten gg FSME impfen ….

    2. Geht gar nicht. Die FSME-Impfung ist ab einem Jahr zugelassen und gut verträglich. Spätestens, wenn sich Kinder alleine an und ausziehen, und Zecken nicht mehr so schnell gefunden werden, sollte man impfen, also ab 3 Jahren. Die FSME-Durchseuchung hat inzwischen Nordhessen erreicht.

  11. Anruf in unserer Praxis:
    Vater:“Mein Sohn hat eine Zecke – sollen wir zu Ihnen oder gleich ins Krankenhaus…?“
    ICH:“Sie gehen jetzt ins Bad, nehmen die Augenbrauenpinzette Ihrer Frau, greifen damit die Zecke und ziehen sie einfach grade heraus.“
    Vater:“Ach, das kann ich selber…?“

    Sie sind ja nicht zu unterschätzen, die kleinen Biester (ich hatte selber eine Borreliose mit Facialisparese ohne wissentlich eine Zecke gehabt zu haben). Aber die Reaktionen sind doch oft wirklich übertrieben… ; )

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Kinderdok.blog

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen