Wo ist das Vögelchen?

Wir befinden uns mitten in einer U4-Vorsorgeuntersuchung, der Babybub ist 4 Monate alt, anwesend sind Vater, Mutter, Baby und ich. Nach den üblichen Einstiegsworten, Begrüßungen, Beratungen und Erklärungen beginne ich, das Bobele zu untersuchen. Der Junge, nennen wir ihn Marko, ist ganz begeistert, lautiert und lacht, reagiert und schäkert, wir haben beide so richtig Spaß.

Der Vater kramt in seiner Tasche und holt eine ziemlich fette Spiegelreflexkamera heraus. Und beginnt zu knipsen. Von vorne, von der Seite, von oben, nur das Baby, nur mich, uns beide. Fehlt nur noch, dass er „Komm, Baby, zeig mir Deine besten Posen!“ ruft.

Ich: „Sie dürfen gerne fragen, ob Sie Fotos machen dürfen.“

Mutter: „Ja, genau, Datenschutz!“ Sie lacht. Und der Vater hält mit dem Fotografieren inne.

Ich: „Ganz recht. Sie dürfen gerne fotografieren. Aber fragen könnten Sie schon.“

Vater: „Ok, sorry, also darf ich denn ein paar Bilder machen?“ Er schaut bittend und sieht wohl schon eine große Lücke in seiner Dokumentation klaffen.

Mutter: „Du, ich glaube, der Doktor hat das mehr rhetorisch gemeint. Schließlich kann Dir der kleine Marko ja noch gar nicht antworten.“

(c) Bild bei Flickr/tenaciousme (unter CCBY 2.0 Lizenz)

19 Antworten auf „Wo ist das Vögelchen?“

    1. was meinst du, was die Leut in einem Rettungswagen fotografieren…….habe nach einem Unfall mein Handy gezückt um meinem Chef zu schreiben, das ich einen Unfall hatte und auf dem Weg in die Klinik bin. Der Sani sagte zu mir: „machens ruhig ein Foto“ Ich: ???? ne ich schreib.
      Der Reaktion nach scheint es Menschen zu geben denen nichts besseres einfällt als noch im RTW in Selfie zu machen….Von dem her wundert mich das Foto machen beim Doc auch nicht….

  1. Alternativ hätte der Papa natürlich das „ziemlich fette Smartfone“ oder gar das „A4-große Tablet“ zücken können, um zu fotografieren. Das ändert aber nichts am Ursprungsproblem, dass es Situationen gibt, wo es die Höflichkeit und/oder der Anstand gebieten, zumindest zu fragen oder einfach gar nicht zu fotografieren.

    Alles ab hier ist teilweise OT:

    Spiegelreflex-Kameras wirken fast immer „fett“, selbst meine betagte „EOS 350D“ (insbesondere, wenn ich den Zusatzgriff dran schraube), aber auch meine gute alte „Praktika MTL 5“ Analog-Spiegelreflex. Es liegt einfach am Spiegelkasten und am Prisma, die beide ihren Platz benötigen, sowie am meist verhältnismäßig großem Objektiv (im Vergleich zu Poket-Kameras). Ich mache mir immer den Spaß, meine Liebste zu necken so wir einen Profi bei der Arbeit sehen mit einem Objektiv wie dem „EF 100-400mm L“ am Body, dass so eine große Kamera aussähe und meine doch dagegen winzig sei.

    Aber auch neue spiegellose Systemkameras haben meist recht wuchtige Objektive, obwohl der Body durch den Verzicht auf Spiegelkasten und Prisma via internem Display am Sucher meist viel kleiner ausfällt. Und wenn ich an meine Spiegelreflex das 40mm-Pancake-Objektiv anbaue, ernte ich meist erstaunte Blicke, weil es so urkomisch aussieht, an so einem verhältnismäßig großen Body (EOS 6D) so ein flaches Objektiv mit so einer „winzigen“ Frontlinse zu nutzen (welches allerdings eine sehr gute Abbildungsleistung hat.) Dabei haben diese Kameratypen auch so ihre Vorzüge, aber ich will nicht zu OT werden, und das ganze ist ein heiß diskutiertes Thema und eine Frage des Geschmacks – über den man bekanntlich reichlich ohne Konsens streiten kann.

    Davon ab mag ich aber freilaufende Spiegelreflex-Nutzer eigentlich lieber als Poketkamera- und Phone-/Tablet-User, weil:
    1) erkennt man die Kamera als solche und weiß sofort, was derjenige vor hat (im Gegensatz zu dem Smombies, wo man nie weiß, ob die nicht gerade in der Arztpraxis oder sonstwo ein Pokemon jagen)
    2) halten die dann meist nicht sinnbefreit einem das Gerät einfach vor die Sichtlinie, weil die Kameras meist einfach besser zu nutzen sind, wenn man durch den Sucher schaut
    3) haben Nutzer von „echten“ Kameras meist ein Interesse an guter Qualität ihrer Fotos, und – obwohl man diverse Modelle in der Zwischenzeit durchaus an Handy/Computer drahtlos koppeln kann – werden diese Bilder meist nicht umgehend in soziale Netzverke geschoben. Unter anderem, weil man für richtig gute Bilder diese meist noch einmal digital nachbearbeiten sollte, und dies ist in der Kamera / am Smortphone nur sehr schlecht möglich. Zumal diese Kameras aufgrund des hohen Datenvolumens (ein JPG bei 20MP ca. 5MB, ein RAW durchaus 10-20MB) meist auf Wechselspeicherkarten speichern.

    Übrigends in der Bebilderung abgebildet scheint mir eine Canon EOS D aus dem vier- oder drei- oder zweistelligen Seriennummern, und damit ein (rein volumentechnisch) nicht SO riesiges Modell. Oder der Nutzer hat extrem große Hände. Bei den einstelligen kann ich Mittel-, Ring- und kleinen Finger locker an den Griff legen. Bei der 1er-Serie ist gar der Zusatzgriff (unter dem Spiegelkasen) standartmäßig in den Body integriert. Das wäre dann noch mal ne Schippe „fetter“. 😉

    Nochmal anders OT:
    Das ganze läßt nach. Im ersten Jahr meines Kindekleins habe ich fast täglich Fotos gemacht. In der Zwischenzeit muss ich aktiv Gelegenheiten suchen, um den Weihnachtsgeschenk-Jahreskalender für die Verwandschaften mit passenden abwechslungsreichen Bildern überhaupt gefüllt zu bekommen. Vieles im Leben relativiert sich halt.

  2. LOL. Arbeitest du in einem sozialen Brennpunkt? Über alle Eltern die du schreibst, die sind alle irgendwie so besonders :-))

  3. Wie der junge Vater wohl reagieren würde, wenn ihn jemand an seinem Arbeitsplatz ungefragt fotografieren würde?

      1. Ganz ehrlich, das hätte ich mir als Arzt verbeten. Irgendwo ist auch mal Schluß. Kein Arzt muss seine Untersuchungen vor laufender Kamera vornehmen!

      2. Wozu? Sie hätte doch nichts verpasst. Hinterher erzählen hätte doch auch gereicht. Mega übertrieben, genau wie der Foto-Papa.

      3. Meine Güte! Ist eine ärztliche Routineuntersuchung ein solches Mega-Ereignis? Lassen diese Leute auch ihre eigene Darmspiegelung oder die hoch interessante Wurzelbehandlung in Bild und Ton festhalten bzw. andere live dabei sein?( „So, der Zahnarzt hat mir jetzt eine Spritze gegeben, und gleich geht’s los! Bin schon sehr gespannt! Bitte vergesst nicht, mir einen Daumen nach oben zu geben!“)

        Ich meine auch: Eltern, die ihr Kind zur Untersuchung bringen, sollten sich ganz auf die Untersuchung konzentrieren und auf das, was Arzt/Ärztin dabei sagen/fragen, bzw. auf das, was sie selbst fragen/sagen wollten. Denn sonst heißt es doch nach der Untersuchung: „Äh, wie war das jetzt noch mal? Hab grade nicht zugehört… Und ach ja, ich wollte ja noch fragen … Ich ziehe ihn am besten noch mal schnell aus. Können Sie mal eben die Kamera halten?“

  4. Tja. Da überlege ich dann schon mal eine geraume Weile, wie es denn dazu kommt, dass der Kinderarzt in der U-Bahn zur Untersuchung schreitet. Notfall? Ambulante Medizin auf die Spitze getrieben? Das Foto-Thema gerät dabei völlig ins Hintertreffen, weil ich mir nach wie vor nicht erklären kann, warum sich die Szene in der U-Bahn abspielt. Dann, so von ganz hinten im Kopf, die Erkenntnis: U4 ist nicht die Münchner U-Bahn- Linie, sondern, na ja, die U4 halt. O Mann.

        1. Ob dus glaubst oder nicht, ich hab das vor einigen Wochen tatsächlich erlebt. Die Dame (scheinbar Heulpraktikerin) hat allen ernstes in der Regionalbahn Bachblüten für eine ihr davor unbekannte Person rausgesucht. Und Bachblüten heißt: man legt sein halbes Seelenleben offen. Das ganze Abteil weiß jetzt also, dass die „Patientin“ eine Angststörung und Schlafprobleme hat seit der Trennung. Ein Hoch auf den Datenschutz!
          Was beschwer ich mich da noch, dass teilweise Arztbriefe bei meinen Eltern ankommen und die das nichts angeht? Ab sofort treffen sich alle Ärzte, Patienten und Interessierte aufm Marktplatz und jeder schreit wild durcheinander was er hat und jeder der will, darf dem dann seine Glaubuli andrehen und Diagnosen stellen 😀 Das ist doch DIE Idee

  5. Also den Kinderarzt fotografieren geht imho gar nicht. Nicht mal mit vorher fragen. Und das Baby dürfte zuhause ein mindestens genauso gutes Motiv abgeben wie in der Arztpraxis.
    Was das veröffentlichen in den „Social Media“ betrifft, bin ich etwas zwiegespalten. Auf der einen Seite Persönlichkeitsrecht und so, auf der anderen Seite: wenn Muttern früher die Fotos auf denen man nackig rumlief oder die irgendwie peinlich waren, jeder x-beliebigen Bekannten gezeigt hatte, war das auch nicht sooo toll…

    1. Bei Social Media liegt der Unterschied zu den Fotos früher dabei dass die Fotos damals im Haus bei deiner Mutter blieben. Da geistern nicht unkontrolliert Kopien davon in der Welt rum. Und wenn du das Foto verbrennst, ist es weg.

      Wenn du aber ein Foto auf Social Media teilst, kannst du davon ausgehen dass innert Kürze Hunderte Kopien davon existieren. Kontrollieren kannst du die Verbreitung nicht mehr. Selbst wenn du es wieder löscht – das Internet vergisst nicht.

    2. Lach
      Danke für den Lacher am Morgen!
      Wie fokussiert die Jungeltern auf ihr Heiligtum sind….
      War ich auch mal so?
      Ich hoffe nicht!!!

  6. Genau, er kann dir noch gar nicht antworten. Und dennoch werden dem seine Fotos dann natürlich auf flickr, instagram und facebook für alle Ewigkeit und für alle sichtbar geteilt werden. Egal, ob Marko da in 15 Jahren, mitten in der Pubertät, noch immer Lust drauf hätte.
    Vom Kinderdoc natürlich mal ganz abgesehen. Täte ich in meiner Praxis nicht erlauben, das wilde herumfotografieren….

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