Neulich in Augsburg

[Irgendwie Werbung], aber eigentlich eine nette Geschichte.

Ich befinde mich gerade in Augsburg und habe an der diesjährigen SkepKon, der Konferenz der Gesellschaft für wissenschaftliche Untersuchung von Parawissenschaften GWUP e.V. teilgenommen. Wie stets: Spannende skeptische Vorträge, nette aufgeklärte Personen, schönes Wetter.

Passend dazu erwischte mich gestern der Heuschnupfen, pünktlich zum Juni, ich kann den Kalender danach stellen. Also zum Apotheker. Ich möchte gar nicht darüber berichten, dass ich mein Standardmedikament Azelastin als Nasen- und Augentropfen kaufen wollte, und der Herr Apotheker mir tatsächlich Livo.cab anbot (was das nicht beinhaltet), auch nicht, dass ich mal wieder eine Packung Taschentücher bekam (Danke für das Goodie, aber damit bin ich ausgerüstet als Pollinotiker).

Apotheker: „Man kann da ja auch sehr gut was mit Homöpathie machen.“

Ich: „Oh weh, ich glaube, da können Sie bei mir nicht landen. Ich bin aktuell zu Besuch in Augsburg zur Skeptikerkonferenz, hier hinten im Kongresszentrum. Da geht es genau um diese Dinge.“

Apotheker: „Ja, ok, dann ist das ja nichts für Sie. Aber viele schwören darauf.“

Ich: „Aber das dürfte wohl eher eine Koinzidenz sein als eine Kausalität.“

Apotheker: „Ja, gut, aber wenn es auch bei Kindern und Tieren wirkt.“

Ich: „Aber nachweislich nicht besser als Placebo. In dem Fall dann eben durch die gute Zuwendung durch die Eltern oder Herrchen und Frauchen. Ist auch gut untersucht, nennt sich dann Placebo-by-proxy.“

Apotheker: „Ach wirklich? Das wusste ich noch gar nicht. Interessant.“

Ich: „So ähnlich wie bei Osa.nit oder Oto.vo.wen. Das geben die Eltern ja nicht alleine, sondern umtütteln die Kinder, streicheln sie, beruhigen sie. Ohrenentzündungen sind doch meist viral bedingt und geben sich von alleine. Gibt die Mama während der Zeit Oto.vo.wen ist die Korrelation extrem gut.“

Apotheker: „Das ist ja sehr interessant. Da habe ich mich noch gar nicht so richtig beschäftigt. Kann man das auch nachlesen?“

Ich: „Aber sicher. Schauen Sie doch mal beim Informationsnetzwerk Homöopathie. Ganz leicht zu finden über Google.“

Apotheker: „Das mache ich. Danke. Wie war das, Netzwerk Homöopathie?“

Ich: „Ganz genau.“

Er bemühte dann noch die Klassiker „Wer heilt, hat Recht“ und „Wenigstens hat es keine Nebenwirkungen“, aber dann wäre ich wohl endgültig zu spät zum ersten Vortrag gekommen.

Infos, Jetzt mit Relaunch der Website: https://netzwerk-homoeopathie.info/

[Ende der Werbung]

21 Antworten auf „Neulich in Augsburg“

  1. Ich: Ich hätte gerne XYZ in der 20 Gramm Tube von Billigstpharma.
    Apotheker: Wofür wollen Sie das denn?
    Ich: Gegen Jucken, nehme ich schon lange, hilft gut.
    Apotheker: Wir empfehlen dafür ZYX von TeuerPharma.
    Ich: Ja, ist der gleiche Wirkstoff, ich hätts gern preisgünstiger.
    Apotheker: Nein, das wird vom Kunden viel besser angenommen. Es wirkt auch besser, da gibt es nur erfolgreiche Kundenrückmeldungen.
    Ich: Glaube ich gerne. Und ich hätte gerne XYZ.
    Apotheker: Grumpf
    Ich: Haben Sie vielleicht auch 50 Gramm von XYZ und wie ist der Preisunterschied.

    Das war der Moment, wo er mich zumindest mit den Augen-Lasern am Liebsten getötet hätte…

  2. Und dann die Apothekerin, die mir auf Nachfrage, ob das empfohlene Präparat homöopathisch oder naturheilkundlich sei, antwortete, das sei doch das selbe…

  3. Sicher, dass es nicht einfach seine Art war, mit potentiellen Kunden ins Gespräch zu kommen? Kundenbindung etc.? In Ihrem Fall zwar vergeudete Zeit, da nicht aus der Gegend, aber die Seminare zum Thema „Kommunikation mit Kunden“ wirken vielleicht nach.

    Beim ersten Satz bekam er mit, dass hier ein „Profi“ vor ihm steht, der nicht tief in die Tasche greifen will und Geld für Zuckerkügelchen ausgeben wird.

    》Also gestalte ich das Gespräch so interessant, dass er gerne wiederkommt, wenn auch nur um mich zu bekehren, dann kommt meine Chance auf Umsatz 《

    Nein, ich möchte nicht glauben, dass ein Apotheker nicht weiß, was „Placebo-by-proxy“ ist, so schlecht kann/darf die Ausbildung auf dem Weg dahin nicht sein.

  4. Nenne mir eine! randomisierte Doppelblindstudie, die die Wirksamkeit von Homöopathie jenseits des (durchaus nützlichen) Placebo Effektes wissenschaftlich korrekt belegt. Würde ich Kügelchen verteilen, hätten die auch schon ganz oft „gewirkt“, wäre allerdings eine Scheinkorrelation gewesen, denn vieles geht -zum Glück- ganz von alleine wieder weg.

    Das schrieb ich heute in eine Pferdekrankheitsgruppe. Aber dann kommt leider immer nix… Also nichts substantielles….

  5. Der Kollege gehört sich aus fachlicher Sicht geohrfeigt. Man kann ja als Apotheker nur froh sein, dass er Dir nicht noch das DHU Heuschnupfenmittel andrehen wollte (mit Schwammgurke, Goldregen und Herzsame).

    Irgendwie ist es leider so, dass sich in vielen Apotheken so ein Mikrokosmos herausgebildet hat, in dem man sich gegenseitig in der Wirksamkeit der Homöopathie bestärkt (gerade unter den PTAs stark verbeitet). Kommt man da als evidenzbasierter Apotheker in so ein System und berät den Kunden evidenzbasiert, wird man von den Kollegen behandelt, als ob man den Heiland höchstpersönlich ans Kreuz genagelt hätte.

    Falls Dich der Inhaber selbst beraten hat, zitiere ich Dir Upton Sinclair: „Es ist schwierig, jemanden dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn er sein Gehalt dafür bekommt, dass er es nicht versteht.“ Und mit Homöopathie lässt sich eine Menge Geld machen. Zu verstehen, dass Homöopathie unwirksam ist, schadet dem eigenen Geldbeutel.

    Lässt sich so aber leider auch auf viele Ärzte und Kinderärzte übertragen.

  6. Es sind nicht alle Apotheker so. Bei mir gibt es kein Homöopathikum. 🙂
    Mir wollte dafür der Vertretungskinderarzt am Mittwoch Globuli aufschwatzen, die ich dankend abgelehnt und mich fürs abwarten entschieden habe. 🙂

    1. Ich weiß; ich verallgemeinere das auch nicht.
      ich habe sehr fachkundige Apothekerinnen kennengelernt und auch welche, die dem nach Homöopathie fragenden Kunden stattdessen ein wirksames Präparat empfohlen haben.

      1. Es war nicht als Kritik gedacht. 🙂
        Ich wollte nur meine Ehre verteidigen 😉
        Das Beispiel vom kinderdok stört mich auch extrem. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Leider kenne ich selbst Apotheker*innen, die trotz aller Information von Homöopathie überzeugt sind, das Impfen ablehnen, etc.
        Da frage ich mich immer, was um alles in der Welt da schiefgelaufen ist.

  7. Solchen Leuten sollte man eigentlich direkt die Zulassung entziehen.
    Es wird ja nicht umsonst ein Pharmaziestudium verlangt und das war hier ja wohl VÖLLIG für die Katz.

    1. Niemand wird ihm die Zulassung entziehen, bloß weil er dem Kunden ein untaugliches Präparat aufschwätzen will. Dass er keinen Dunst davon hat, was dem Patienten helfen würde, hat er hiermit bewiesen. Er macht sich die Sache gaaanz einfach… Wenn er Jedem Homöopathie verkauft, braucht er sich keine Gedanken über Nebenwirkungen und Wechselwirkungen usw. zu machen;, und ggf. auch noch dem Kunden erklären. Kostet Zeit und Gehirnschmalz.

        1. hey, in D12 könnte immerhin noch ein bisschen was drin sein 😛
          …. manche Kollgoide… kopfschüttel…

    2. Lernt man als Kinderarzt im Studium nichts über Kommunikation? Wenn ich wiederholt etwas anderes angeboten bekomme, als ich möchte (die Azelastin Geschichte gab es schon mal, richtig?), denke ich zumindest mal drüber nach, ob’s vielleicht auch daran liegt, dass ich mich unklar ausdrücke.
      LG

      1. An der Stelle: Als Apotheker muss man mit unterschiedlichen Anfragen umgehen können. Vor allem wenn explizit nach einem Wirkstoff gefragt wird. Das ist eigentlich eine Steilvorlage. Das kann man (zumindest in den mir bekannten Systemen) auch sehr einfach nachsehen. 🙂

  8. Homöopathie gegen Heuschnupfen. Was gibt’s denn da? Alle-Pollen-der-Welt D30; Nieswurz C20000?
    Achso; und ich…Azelastin Nasenspray und Loratadin.

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Kinderdok.blog

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen