Unsere Kinder, unsere Politik – Trump, die AfD und Herbert Renz-Polster (eine Buchkritik)

Wie passend: Nachdem ich diese Woche via Mediathek den Film „Elternschule“ gesehen habe, beendete ich heute das neue Sachbuch von Herbert Renz-Polster, das ich jeder/m ans Herz legen möchte, der/die meint, Kinder weiterhin unter autoritären Gesichtspunkten erziehen zu müssen.

Wer hat geschrieben?

Herbert Renz-Polster (im weiteren HRP 😉 ist kinderärztlicher Kollege und Sachbuchautor und sein Leib- und Seelenthema ist die bindungsorientierte Erziehung. In vielen seiner Bücher schildert er das evolutionsgeprägte natürliche Verhalten von Kindern, und wie wir Eltern damit umgehen können. Alle seine Bücher sind durchdrungen von der Liebe zu unserem Nachwuchs.

Um was gehts denn?

Für HRP ist die politische Entwicklung in Deutschland keine Überraschung: Erziehungsstile, geboren aus Diktaturen und Obrigkeitshörigkeit, gebären ebensolche Kinder, unsicher, ungebunden, verführbar, vulnerabel für Oligarchen und Despoten.

Anfangs bemüht er sehr ausführlich die Historie der Vereinigten Staaten, die Donald Trump möglich gemacht haben. Von der wirtschaftlichen Krise über tradierte Denkweisen hin zu evangelikalem Gedankengut, Trump war eine logische Konsequenz, wenn auch eine überraschende. Es wird die autoritäre Innenwelt beleuchtet, das oben und unten, das hierarchische, das Abwertende und Ausgrenzende, ohne dass Trump gar nicht möglich wäre. Noch schlimmer: So erzogen, geben jetzige Generationen dieses Gedankengut an ihre Kinder weiter. Trumps eigene Biographie spricht Bände.

Dann der Blick in andere Länder. Skandinavien, Asien, Naher Osten, Deutschland und die AfD. Überall, wo Autorität erzogen wird, aus religiösen, gesellschaftlichen oder tradierten Gründen, entstehen Diktaturen. Überall existiert der „autoritäre Doppeldecker“, der aus denen unten besteht, „die sich an vorgegeben Normen und Konventionen orientieren und sich durch ihren Hang zu Konformität, Unterwürfigkeit und ihre Aggressionsbereitschaft“ auszeichnen. Dazu die da oben, „die autoritären Anführer mt Streben nach Dominanz und ihrem Willen zu Kontrolle und Überlegenheit“. Beide eint die „Abwertung und Vorurteile gegenüber denen, die nicht zur eigenen Hierarchie gehören“, vulgo, wer nicht dazugehört, ist dagegen, ist Feind, gehört ausgegrenzt.

Wie ist der Stil?

Schön sind die vielen kleinen Unterkapitel, die den Leser kurz binden und wieder loslassen, das Buch lässt sich so auch in kleinen Häppchen lesen. Mir war der rote Faden etwas zu sehr ausgefranst, der Strich von Trump zur AfD zu wagemutig. HRP versandelt sich in manchen Kapiteln, zuviele Themen werden bemüht, hier kurz noch einen Blick auf Religion, da auf die Bildungsmisere, auf Migration. Keine Frage: Das sind alles Aspekte des Problems, aber entweder hätte es mehr Kürzung bedurft oder (fatal:) ein noch dickeres Buch.

Das Ende beschliessen vierzig (!) Seiten Quellen- und Querverweise, beeindruckende Beweise für die aufwändige Recherche, die Lust machen, hier und da tiefer in die Materie zu gehen.

Summa Summarum

HRP wird erstmals in seinen Büchern so richtig politisch, man spürt den Drang des Autors, dieses Thema der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sehr spät im Buch kehrt HRP zu seinem Leibthema, den Kindern, zurück, da hätte ich mir mehr Praktikabilität für Eltern gewünscht, schließlich sind Familien die erklärte Zielgruppe seiner Bücher. Aber vielleicht schürte das zuviel Redundanz aus den Vorgängerbüchern?

Und dies ist vielleicht das Problem: Für wen ist das Buch geschrieben? Für die HRP-Fans, die es auf jeden Fall lesen werden und verwundert sein werden ob der politischen Dimension. Oder für historisch und politisch Interessierte, die sich mit dem Spagat von Kindererziehung zur politischen Gesinnung schwertun könnten.

Die Botschaft ist klar, die Argumentation schlüssig. Leben wir mit unseren Kindern im Vertrauen, in Bindung, ohne Angst oder Autorität, mit einem wachen Blick auf die Welt und vor allem Respekt gegenüber allen anderen Menschen.

(4/5)

Herbert Renz- Polster: Erziehung prägt Gesinnung. Wie der weltweite Rechtsruck entstehen konnte – und wie wir ihn aufhalten können.
Kösel-Verlag – Hardcover mit Schutzumschlag, 320 Seiten, 13,5 x 21,5 cm, ISBN: 978-3-466-31116-3

[Das Buch wurde mir durch Random House als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Als HRP-Fan hätte ich es mir aber auch so besorgt.]

6 Antworten auf „Unsere Kinder, unsere Politik – Trump, die AfD und Herbert Renz-Polster (eine Buchkritik)“

  1. Mein Vater z.B. gehört zur 68er Generation. Habe von ihm und meiner Mutter eine gute liebevolle Erziehung genossen. Die aktuelle Politik/Berichterstattung/Meinungsdirektive jedoch, hat selbst ihn in der politischen Ausrichtung zu anderen politischen Parteien geführt, als vor Jahren noch favorisiert. Die SPD ist nicht mehr die SPD und zurecht im freien Fall.

    Wer Kritik übt ist automatisch ein böser Rechter (was ist an rechter Politik schlimm? Begriffsdefinition?) Ich verteufel zwar linkes Gutmenschentum und deren Überlegungen – akzeptiere diese aber. Man kann heutzutage wenige Zeitungen lesen ohne „linien“treue Meinungen vorzufinden. Vereinzelt gibt es mal Journalisten mit kritischem Schreibstil – jedoch sind diese nicht lange dort angestellt. Dann doch lieber „Tichys Einblick“ oder ähnliches (und selbst dort von mir kritisch betrachtet)

    Wenn ich für mich schlüssige Gründe habe, muss ich nicht die Flüchtlingspolitik gutheißen. Muss aber jedem Flüchtling als Menschen erachten (Keine Frage!) und freundlich begegnen.

    Spinner gibt es in jeder Strömung. Den Wutbürger nicht nur in der AFD mit dem Blick „auf die da oben“.

    Ergo: Rechts bedeutet Konservativ im weitesten Sinne. Ich sage ja auch nicht alle Linken sind Steineschmeißer.

    Also warum „Rechtsruck aufhalten“?

    Der Autor impliziert ja schon fast dass wir überall genau aufhorchen, mit mahnendem Zeigefinger überwachen müssen – selbst im heiligstem privaten.

    Wie der weltweite Linksruck entstehen konnte – und wie wir ihn aufhalten können. Genauso dämlicher, polarisierender Titel. Muss wohl so sein.

    Eine Demokratie muss versuchen einen Konsens zu finden und nicht andere Meinungen zu bekämpfen (und vor allem im vorrauseilendem Gehorsam manche Menschen in eine Ecke stellen in die sie nicht gehören)

  2. Ich wollte diese Doku “Elternschule“ gesehen haben, um mir eine Meinung zu bilden. Das ist mir leider nicht abschließend gelungen, weil ich nicht in der Lage war, bis zum Ende durchzuhalten. Befremdet hat mich schon zu Anfang der sehr autoritäre Tonfall der verantwortlichen Mediziner und Psychologen beim Untersuchen und der Elternschulung. Dann das im Mattenzimmer stumme Danebensitzen der (was eigentlich?) Erzieher oder Pflegekräfte, eine Erklärung über Sinn und Zweck fehlte jedenfalls. Und spätestens beim Leid des schon durch die Hauterkrankung gebeutelten kleinen Jungen, dem die Mutter entzogen wurde (?) fiel mir das Wort Folter ein und ich musste ausschalten.
    Ich war zu aufgewühlt.
    Klar war, dass Eltern aus großer Not heraus in dieser Klinik um Hilfe suchten. Doch bei unterschiedlichen Verhaltensbildern mit gewiss auch unterschiedlichen Ursachen hätte ich eine individuell gestaltete Therapie erwartet, nicht das Erlernen drastischer Erziehungsmethoden.
    Mein – zugegeben – unvollständiger Eindruck ist, dass die gezeigte Methodik Resignation (willenlosen Gehorsam) der Kinder hervorruft. Das darf nicht das erstrebenswerte Ziel sein.

    Was die politische Bildung angeht, trägt auch meiner Meinung nach in erster Linie das Elternhaus Verantwortung. Eine von Anfang an gepflegte Gesprächs- und Diskussionskultur innerhalb der Familie, das Anhören und Ertragen anderer Ansichten kann sich nur wohltuend auf die “größere“ Gemeinschaft auswirken und totalitären Tendenzen entgegen wirken.

  3. Was mich an dem Ansatz stört ist, dass mal wieder die Eltern schuld sind. Man kann doch nicht gesellschaftliche Probleme auf die private Erziehung abwälzen – denn dann braucht sich die Gesellschaft ja nicht mehr drum kümmern. Das ist genauso wie dieses dämliche Zitat des Autors über Eltern mit Burnout, die ihre Kinder (oh wie schrecklich!) Mathematik lernen lassen, das im Netz herumgeistert.

  4. Monokausalen Zusammenhängen stehe ich auch eher skeptisch gegenüber. In so vielen Ländern sind aktuell Demokratiefeindliche Strukturen auf dem Vormarsch. Da muss man sich m.E. schon weit aus dem Fenster lehnen, um das dem Erziehungsstil anzukreiden. Und dann ist das immer noch ein Henne – Ei Problem.

  5. Die These find ich aber sehr gewagt. Demzufolge müssten ja alle Kinder innerhalb einer Familie diesselben politischen Ansichten haben? Und die 68er Rebellion wäre nie möglich gewesen, da ja aus konservativen Familien nur staatstreue Kinder kommen können?

    1. Ja klingt alles etwas verwurstelt. Die 68er hatten etwas, das den heutigen Jugendlichen (ja ich verallgemeinere, das macht man in der Soziologie so) fehlt : ein Feindbild. Das waren die Eltern und die Politiker. Merkel lässt sich heute von ein paar Schulschwänzern vorführen und sagt nur „ach ihr habt ja so recht“…. Wogegen soll man da rebellieren.
      Aber zurück zum Thema: ist hier natürlich unerwünscht weil der Blog schon sehr „neulinkslastig“ ist, aber jene konservative, autoritäre Erziehung gibt es in Deutschland schon länger nicht mehr breitflächig, und wenn angeblich doch unter afd-Wählern, dann würde mich die Studie wirklich interessieren.
      Die Erziehung der Jungs zur Stärke und Härte und der Mädchen zur gehorsamen Hausfrau kommt wieder her durch die muslimische Migration und darüber gibt es sehr wohl hinreichend Studien, u.a. vom Bundesministerium für Familie.
      Also alles, wie ich es aber auch nicht vorwerfen will weil jeder hat halt sein Weltbild, klingt schon recht politisch – gewollt – konstituiert.

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