Die Rolle der Eltern beim Impfen

Welche Rolle übernehmen Eltern eigentlich bei der Aktion des Impfens? Also nicht, ob sie dem Impfen zustimmen (natürlich tun sie das als verantwortungsvolle Eltern), sondern, wie verhalten sie sich dabei?

Aus der Sicht des Arztes/der Ärztin

Wir würden uns wünschen, die Eltern sprechen mit ihren Kindern über die Impfung (ab einem bestimmten Alter, verstehen wird das aber schon ein 1,5jähriger), bereiten sie zuhause vor, zeigen eine frohgestimmte Haltung. Während des Impfens selbst sollten sie ihre Kinder vielleicht ablenken, zumindest aber mit ihnen sprechen, sie halten, auch einmal etwas fester halten, damit das Kind nicht „entwischt“ oder dem/r Ärzt*in nicht in den Arm greift. Danach wird getröstet, belohnt, gekuschelt.

Das ist Wunschdenken des Arztes/der Ärztin. Aber ist das so wichtig für die Eltern selbst?

Aus der Sicht der Eltern

Es gibt Eltern, die möchten mit der Impfung nichts zu tun haben. Sie wenden sich ab, gehen auf Distanz zum Geschehen, treten vom Untersuchungstisch zurück. „Ich kann keine Spritzen sehen“, ist dann noch die harmloseste Entschuldigung. Manchen Eltern wurde suggeriert, sie sollen nur zum Trösten dazu kommen, ich habe früher Eltern erlebt, die haben ganz das Zimmer verlassen. Es soll keine räumliche und damit aktive Verbindung zwischen dem Impfen und den Eltern entstehen. „Mein Kind soll nicht denken, ich würde es in diesem Moment nicht beschützen.“ (Eine Steigerung wäre es noch, alle Impfungen bei einer/m anderen Ärzt*in zu machen, damit die gute Stimmung erhalten bleibt. Der Vorschlag kam häufiger.)

Aus der Sicht des Kindes

Das Kind weiß instinktiv, dass etwas Unangenehmes passiert. Es deutet nonverbale Signale der Eltern und des/der Arztes/Ärztin und ahnt, was auf es zukommt. Selbstredend möchte es nicht, dass ihm weh getan wird. Klar. Aber da dies unausweichlich ist, und leider nur eine Impfung oral verabreicht wird (die Rota-Schluckimpfung), der Rest sind Spritzen, wird diese Erwartung bitter enttäuscht. Also möchte das Kind Schutz. Schutz vor dem, was da passiert, also, dass es nicht passiert. Schutz durch liebevolle Begleitung während des Vorgangs und durch Trösten danach.

Wir setzen voraus, dass alle Beteiligten die Impfung wollen. Das Kind nicht, denn es versteht den Langzeit-Benefit nicht. Kinder sind in medizinischen Dingen fremdbestimmt. Wie sollte es anders funktionieren? Also sollten wir Erwachsenen den Kindern vermitteln, dass das, was wir tun, richtig ist, die Gesundheit behütet und für sie gemacht wird. Älteren Kinder können wir die Zusammenhänge erklären – gerade jetzt in Corona-Zeiten, in denen die Realität von Infektionen allgegenwärtig ist.

So kann es funktionieren

Bleiben wir positiv, strahlen wir Zuversicht aus. Eltern erklären ihren Kindern zuhause, was passiert, dass sie mit den Impfungen gesund bleiben, dass es weh tut, genauso aber, dass es ganz schnell vorbeigeht. Eltern stellen das Positive heraus, den kurzen Moment, die freundliche Praxis und den/die freundliche Ärzt*in, und vor allem die Belohnung danach. In der Praxis versuchen wir unaufgeregt, die Impfung ablaufen zu lassen, bleiben gelassen, betonen die Kürze des Augenblicks und die Schönheit des Pflasters. Unsicherheiten und Diskussionen über die Sinnhaftigkeit der Impfung sind zu diesem Zeitpunkt unangebracht. Das sollten Eltern mit sich und der/m Ärzt*in vorher ausmachen.

Säuglinge werden liebevoll begleitet, gerne ein wenig abgelenkt, aber nie alleine gelassen. Es gibt Eltern, die sich abwenden, weil sie die Spritze nicht sehen können oder den Schmerz des eigenen Kindes. Das ist OK. Eine Hand an der Hand oder dem Fuß geht immer. Besser ist es, die Kinder auf dem Arm zu halten (dann kann man auch besser wegschauen), Quatschen, Reden, Plappern, Singen, all das ist erlaubt, ängstliche Stille dehnt den Augenblick unnötig.

Auch Ältere bleiben nicht alleine, auch Ältere wollen gehalten und getröstet werden, manche sind empfänglich für einen Scherz, einen Witz, ein joviales humorvolles Schulterklopfen zur Stärkung des eigenen Mutes, aber nie auf Kosten des Impflings. Vermeindliche Abhärtungsfloskeln wie „das macht Dich stärker“ oder den immer noch präsenten „Indianerschmerz“ lässt man besser daheim.

Nach dem Impfen ist vor dem Impfen

Zum Schluss wird gelobt. Es wird gelacht. Es wird ein bisschen Spaß gemacht, auch wenn die Stimmung für einen Moment aus den Fugen gerät, und der Impfling gerade weint. Wir sprechen über die nächste Impfung, betonen, dass das bestimmt genauso gut klappt wie heute. Und. Verschweigen. Sie. Nicht. Denn die Ankündigung ist bereits Vorbereitung für die nächste.

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(c) Bild bei SELF Magazine (CCBY Free License)

14 Antworten auf „Die Rolle der Eltern beim Impfen“

  1. Genau so isses!

    Auch nett: Meine Teens sind sowas von relaxed beim Impfen, seit ganz langer Zeit schon. Beim Grippe-Impfen ist die impfende Azubi beim Arzt immer viel aufgeregter und wird von den Teens nun immer beruhigt 😉

  2. Ein sehr guter Beitrag. Ich finde es erschreckend wie sich manche Menschen verhalten. Ich muss doch mein Kind vorbereiten und ein Vorbild sein. Wenn ich selber keine Spritzen ertragen kann dann suche ich jemanden der für mich mit dem Kind zum Arzt geht oder ich reiße mich zusammen und helfe meinem Kind.
    Beste Grüße
    Susanne

  3. Weil es zum Thema passt:
    Als Apotheker hat man es ab und wann mal, dass ein Kind in der Apotheke etwas quängelt. Und wir haben ja auch entweder einen weißen Kittel an oder eine weiße Hose mit Poloshirt.
    Ich habe hier durchaus schon Mütter erlebt, die ihrem Kind ernsthaft gesagt haben, dass der Mann jetzt gleich dem Kind eine Spritze geben wird, wenn es jetzt nicht ruhig ist.

    Das Kind ist natürlich sofort ruhig und folgsam. Ich will mir aber das Geschreie beim Kinderarzt gar nicht vorstellen, wenn der böse Onkel Doktor dann später wirklich eine Spritze zwecks der Imfpung setzen muss.

  4. Meine Tochter ist 15 Monate alt. Ich mochte Spritzen noch nie, ich mag sie immer noch nicht, aber ich möchte nicht, dass sie mein Unwohlsein übernimmt. U.a. daher bin ich immer bei ihr, wenn sie eine Impfung bekommt. Die Kleine weint auch nur in den paar Sekunden nach dem Pieks, sie beruhigt sich schnell.

  5. Ich bereite meine Kinder immer vor, schon mehrere Tage vorher fange ich mit Erwähnungen an. Egal ob es um das impfen geht, um einen Besuch beim Zahnarzt oder dass der Kindergarten nach der langen Zeit der Freiheit wieder los geht. Ich versuche es ihnen so gut wie möglich zu erklären und sie verstehen tatsächlich sehr viel, so dass damals ein Augenarzt, der den damals knapp 2-jährigen notfallmäßig untersuchen musste, meinte, dass das das erste Mal sei, dass diese Untersuchung bei einem Kind seines Alters ohne Festhalten abgelaufen sei. Ich hatte ihm im Auto noch erklärt was passieren würde. Und ich lüge sie diesbezüglich nicht an – eine Spritze tut kurz weh, das ist einfach so. Aber man kann es aushalten. Und deshalb hatten wir seit meine Jungs circa zwei Jahre alt sind, kein Weinen mehr bei Spritze, Blut abnehmen oder sonstigem. Mir war das wichtig, denn mir wurde sowas als Kind immer verschwiegen und dann hieß es im Behandlungszimmer, dass es jetzt ne Spritze gibt und ich erinnere mich noch gut an den Tag, als ich durch die Praxis geflüchtet bin.

  6. Ich kann mich da noch gut an eine Impfung erinnern, die ich mal als kleines Gör bekommen sollte. Ich hab die ganze Praxis zusammengeschrien, niemanden an mich rangelassen, gezappelt, gestrampelt, meiner Mutter beinahe noch die Zähne ausgeschlagen und dann fragte die (nicht Kinder)Ärztin dezent verzweifelt: „Und wenn wir den anderen Arm nehmen?“
    Weiß nicht warum, aber das war okay.
    Und ’ne olle Schabracke meinte beim Rausgehen noch „Klang ja, als wäre da jemand abgestochen worden“. Naja – irgendwie hatte sie ja recht.

    Das ist die einzige Impfsituation an die ich mich noch bewusst erinnern kann und muss kurz nach der Wende gewesen sein. Meine Mutter meinte Jahre später zu mir, dass sie mich nie über die Impfung aufgeklärt hätte. Ich hab einfach losgeschrien, sobald auch nur was Spitzes in meine Nähe kam (im Zweifel reichte auch die Box voller bereitliegender Kanülen, die gar nicht für mich gedacht waren).
    Bei meinem Bruder (zehn Jahre später) machte sie es dann – gab eigentlich nie Theater. Gut, nur „ich hab kein Bock und will weiter mit meinem Auto spielen!“-Theater.

    Kann natürlich auch daran gelegen haben, dass ich super skeptisch und ängstlich war (und bin) und mein Bruder eben nicht. Dennoch würde meine Mutter wohl steif und fest behaupten: Aufklären hilft!

    (Mangels Kinder kann ich da nicht aus eigener Erfahrung sprechen)

  7. Ich kenn das auch gut aus der Tierarztpraxis: meine Hunde völlig entspannt, ist ja nichts schlimmes und der Doc ein guter Freund. Den Pieks kriegen sie zudem gar nicht mit. Aber: die Polizeischäferhunde mit ihren harten Kerlen als Begleiter zittern wie Espenlaub. Warum wohl?

  8. Sehr schön geschrieben 🙂 Letztlich können wir uns so glücklich schätzen, dass wir und unsere Kinder in Deutschland wichtige Impfungen erhalten können. Wenn wir den Kinder erklären, dass sie auf diese Weise gesund bleiben, können sie die Spritze besser verstehen und akzeptieren und vor allem logisch nachvollziehen.

  9. Ich verstehe nicht, wie Eltern ihre Kinder beim Impfen alleinlassen können. Das würde ich nie tun. Auch bei uns war die erste Impfung von unserem Sohn (bald 2 Jahre) für mich beinahe unerträglich und ich habe ein Stück weit verstehen können, warum es Eltern gibt, die nicht impfen. Aber da ich überzeugt bin vom Impfen und dass es das Beste für mein Kind ist, kam das nicht in Frage, also musste ich mich in Gelassenheit üben. Ich habe auch schon ganz von Anfang an mit meinem Kind darüber gesprochen, wenn ein Impftermin anstand – lieber zu früh mit dieser Offenheit beginnen, als gar nicht. Und ich bin sicher, dass auch ein Baby allein das Gefühl dahinter schätzt, auch wenn es einem noch nicht versteht.
    Ich nehme unseren Sohn auch nach Möglichkeit zu meinen Impfterminen mit, ebenso mein Mann. Er soll ruhig sehen, dass wir uns auch impfen lassen und das nicht nur ihn betrifft.

    Selbiges machen wir übrigens auch beim Fahrradhelm 😉

  10. Ich habe meinen Kindern vor jeder Impfung, auch als sie noch ganz klein waren, erklärt, dass Impfen toll ist. Eine der größten Errungenschaften der Medizin, ein winziger Pieks, der vor so viel Schlimmerem schützt. Beim Impfen habe ich sie auf dem Arm gehalten, als sie noch klein waren, jetzt, wo sie größer sind, halte ich die Hand. Keines meiner Kinder hat beim Impfen je geweint. Sie haben intuitiv verstanden, wovon ich überzeugt bin: Impfen ist toll!

  11. Wirklich Eltern wollen die Impfungen bei einem anderen Arzt machen? Also der gute und der böse Doktor…das geht doch schnell nach hinten los wenn das Kind das mitbekommt.

    Wir machen da gar nicht so einen Wirbel darum. Wir gehen zum Arzt, ich nehme die Kleine auf den Schoß kurzer Hinweis auf die Spritze und das Papa ja da ist und dan ist es schon vorbei. Einmal kurz drücken und trösten und dann ist das Spielzeug auf dem Tisch des Arztes schon wieder spannender als alles andere.

    Wenn man als Elternteil cool bleibt überträgt sich das auch meist auf die Kinder.

  12. Als unser Sohn seine Tetanus Auffrischung mit glaube ich 6 rum bekommen hat, hat Papa ihn ein paar Tage vorher zum Hausarzt genommen, denn seine Tetanusimpfung war überfällig. Sohnemann hat zwar ordentlich geguckt bei der Spritze, aber es geht ja schnell.
    Beim Kinderarzt war er dann ganz tapfer, hat meine Hand gedrückt und alles super mitgemacht. Erklärt haben wir die Impfung, dass sie wie ein Schutzschild sei.

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