Praxiswechsel

Sechsjährige in der Sprechstunde mit „gerötetem Auge“. Befund: Mmmmh, wenig? Nichts? Ein bissel Rötung am medialen oberen Augenlid, Konjunktiven reizlos.

Ich: „Das sieht gut aus. Vermutlich nur gereizt. Kalte Luft. Wind. Gerieben. Das ist aber erstmal nichts Entzündetes.“ Merke: Immer eine Erklärung geben. Auch wenn der Befund eher, naja, oberflächlich ist.

Vater: „Was sollen wir da reinmachen?“

Ich: „Nichts. Das heilt von alleine. Möglichst nicht dran reiben, Zug vermeiden, wenn es nicht besser wird, kommen Sie nochmal vorbei.“

Vater: „Da habe ich jetzt aber ein Problem mit. Sie schreiben mir nie was auf.“

Ich: „Ich schreibe dann ein Rezept, wenn ein Medikament nötig ist.“

Vater: „Sie schreiben nie was auf.“

Ich: „Ist doch gut, dass Sie kein Medikament geben müssen. Augentropfen oder -salben sind ja auch eher lästig zu geben.“

Vater: „Beim letzten Mal haben Sie auch nichts aufgeschrieben.“

Ich: „Als Arzt muß ich entscheiden, ob ein Medikament gebraucht wird oder nicht.“

Vater: „Da bin ich anderer Meinung.“

Ich: „Das kann sein. Aber Sie kommen doch zu mir, um medizinischen Rat zu bekommen. Und ich verordne etwas, wenn der Patient etwas braucht und nicht, weil Sie das möchten.“

Vater: „Dann werden wir hier nicht einig.“

Ich: „Es steht Ihnen frei, woanders nach Hilfe zu suchen.“

Vater: „Das haben wir schon versucht. Also, den Kinderarzt zu wechseln. Nimmt uns aber keiner.“

Ich: „Das tut mir leid. Ja, die Praxen sind alle voll.“

Vater: „Dann versuchen wir es weiter bei einem anderen Kinderarzt.“

Ich: „Ja, das würde ich Ihnen empfehlen. Denn hier sind wir uns ausnahmsweise einig.“

Zwei Monate später rief der Vater wieder an und wollte einen Termin vereinbaren für eine Vorsorgeuntersuchung. Die fMFA wies freundlich wie stets darauf hin, dass wir in dringenden Notfällen gerne zur Verfügung stehen. Einen Vorsorgetermin konnten wir leider nicht anbieten. Schließlich hatte die Familie ja die Praxis gewechselt. Oder etwa nicht?

(c) Bild bei pixabay/pezibear (freie Lizenz)

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10 Antworten auf „Praxiswechsel“

  1. Dass sich die Eltern wundern, weil der Arzt „nie nix“ aufschreibt – okay dürfen sie. Aber allein deshalb den Arzt wechseln ??? Jedoch, wenn man das will und auch so deutlich ausdrückt, wie in diesem Fall, sollte man sich vorher um einen neuen Arzt kümmern (hähä)

    Allerdings @Kinderdok:

    Merke: Immer eine Erklärung geben. Auch wenn der Befund eher, naja, oberflächlich ist<<
    DU weisst das. Die Eltern nicht unbedingt.

    Der Gesichtsausdruck auf dem Foto ist ja witzig 😉

    1. Kommt gar nicht so selten vor wenn z.B. ein Physio-Rezept verweigert wurde. Ich frage mich nur immer, wenn das ein Grund ist wie oft die Eltern in 18 Jahren wechseln wollen. Gerade in ländlichen Regionen ist die Auswahl ja begrenzt.

    2. Ganz ehrlich? Ich würds machen. Ich bin chronisch krank, meine Tochter vermutlich auch, und mich macht kirre, wenn mir oder ihr Ärzt*innen nie was aufschreiben.
      (Ich wohne auf dem Land, da ist das nicht so einfach möglich, aber naja.)

      1. Aber was versprichst du dir davon? Entweder man muss weiter überweisen oder stationär einweisen, aber bei den üblichen Infekten reichen einfache abschwellende Nasentropfenund ggf. Schmerzmittel. Es wird genauso kurz/lange dauern als wenn man die ganze Apotheke leer kauft. Im Zweifel ist auch eine Zweitmeinung eine Option.

  2. Unsere Kinderärztin hat schon vorgefertigte Ausdrucke für diverse Hausmittel. Vielleicht ist das ihre Art, den Leuten „was in die Hand zu drücken“ 😀

    1. Vor allem wer unbedingt etwas geben will bekommt es freiverkäuflich in der Apotheke. Beratung kostenlos dazu. Oder ein Kinderturnen was selbst bezahlt wird statt Physio-Rezept, oder einen Urlaub statt Mutter Kind Kur bei Infektanfälligkeit. Aber so ist es natürlich bequemer. Wie glücklich diese Eltern sich schätzen können kein ernsthaft erkranktes oder behindertes Kind zu haben.

  3. Ich hatte bislang eigentlich das Gefühl, dass ist so ein Generationending. Meine Mutter (die Oma also) denkt auch immer, dass irgendwas verschrieben werden sollte. Am besten Antibiotika, das hilft im Zweifel immer. Genauso meine Schwiegermutter – die kommt bis heute nicht drüber hinweg, dass wir mit dem einjährigen Hustekind immer nur inhalieren sollten, anstatt dass der mal nen vernünftigen Schleimlöser bekommt. Und abends natürlich nen Blocker, sonst schläft das Kind ja nicht.

  4. Ich freu mich immer, wenn nix aufgeschrieben werden muss. Das ist ein Zeichen für „entspannt abwarten“. Das mach ich inzwischen ohnehin meistens, hab schon 14 Jahre „Erfahrung“ und geh nur, wenn mehrere Symptome zusammen kommen oder was sein könnte, was dringend abgeklärt werden sollte.
    LG von TAC

  5. Was ich an diesem Wunsch nach Medikamenten nicht verstehe: Als Mutter (und Mensch) bin ich immer dankbar, wenn mir ein Arzt sagt, es sei nichts schlimmes und das verheile von selber… Also weshalb soll ich meinem Kind (oder mir) etwas verabreichen, wenn es nicht nötig ist? Vor allem bei so unangenehmen Dingen wie Augentropfen…

  6. Wir nennen diese Diskussion samt Ergebnis nur noch kurz „Saft!“.

    Das ist das, was viele unserer Ex-Patienten (Grund,siehe oben) haben wollten. Erklärung der Notwendigkeit hin oder her, man wolle Saft!!! .
    Ob er hilft,sei egal, aber Saft müsse sein. Ist so wie wie Einfkaufsbummel und Frustkauf. Ohne was in der Hand nach Hause , das geht nicht.
    Die „Drohung“ ,die Praxis zu wechseln, nehmen wir sehr ernst und subsumieren juristisch sauber, dass darin eine ausgesproche Kündigung des Behandlungsverhältnisses zu sehen ist. Vielen ist das nicht bewusst…..uns schon. Und schon klingelt das Telefon und der inhalationsfreudige Vater mit den beiden Kinder,die in die Gegend gezogen sind,findet seinen neuen Platz bei uns…die Welt ist schon gerecht. Irgendwie.

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