Wenns Säuglingsköpfle flach liegt

Babykopf

Wir empfehlen seit Jahren zur Vorbeugung des Plötzlichen Kindstodes, kleine Säuglinge im Schlaf vor allem auf den Rücken zu legen. Neben der Vermeidung von Nikotinexposition (Passivrauchen) und der Überwärmung im Schlaf (z.B. durch „Nestchen“ im Kinderbett) ist die Rückenlage die wichtigste Promaßnahme. Wer sich zu diesem Thema weiter informieren möchte, verweise ich hier gerne auf die Seiten des DGKJ und der Gemeinsamen Elterninitiative Plötzlicher Säuglingstod (GEPS) mit ihren entsprechenden Flyern zum Download:

Flyer DGKJ

Flyer GEPS

Diese Maßnahmen, etabliert und propagiert seit den Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts (sic! bin ich alt!), haben weltweit zu einem dramatischen Rückgang der Rate von Plötzlichen Kindstoden geführt. Wir Kinder- und Jugendärzte weichen nicht von diesen Empfehlungen ab, auch wenn wir gewisse „Nebenwirkungen“ sehen:

Aus Sorge, dass den kleinen Säuglingen etwas passiert, legen Eltern ihre Kinder oft 24/7 auf den Rücken, viele trauen sich nicht einmal, die Kleinen Bauch an Bauch auf sich selbst zu legen („Kängeru-ing“) oder beim Spazierengehen vorübergehend auf Seite oder Bauch zu lagern.

Die Folge sind oft verformte Köpfchen, mitunter auch „Einseitigkeit“ in der Kopfhaltung, weil der Schädel dazu neigt, auf einer Seite abgelegt zu werden. Wir sehen oft bereits nach zwei oder drei Monaten im Rahmen der U4 so genannte „Liegeschädel“ oder Plagiozephali, mit mittig oder auch asymmetrisch abgeflachten Hinterköpfen.

Aber keine Sorge: Es ist noch ausreichend Zeit, diese Liegeköpfchen zu „korrigieren“, die Schädelknochen sind noch weich und noch nicht fest miteinander verbunden, so dass sich viele dieser Verformungen noch in den nächsten Monaten rund ausformen, so manche flachen Köpfchen sind mit anderthalb Lebensjahren ganz normal und rund.

Was kann man tun, um ein harmonisches Wachstum des Kopfes zu fördern:

  • Wachzeiten des Säuglings nutzen, um ihn auf den Bauch zu legen: Bei der „tummy time“, z.B. bei jedem Wickeln, liegt das Baby für vier oder fünf Minuten auf dem Bauch. Die Arme sollten dabei vor den Schultern liegen, das ist für das Baby bequemer, und es kann besser den Kopf drehen.
  • Wird der Kopf immer nur zu einer Seite abgelegt, dürfen die Eltern den Kopf vorsichtig auf die andere Seite bewegen.
  • Säuglinge regelmäßig und viel tragen (z.B. in Wickeltücher, Mandukas oder ähnliches) – ist sowieso für die Gesamtentwicklung besser
  • Beim Spazierengehen unter Beobachtung darf der Säugling auch auf dem Bauch liegen

Was tun, wenn das Baby eine Seite bevorzugt oder der Kopf einseitig abflacht:

  • Die bevorzugte Seite identifizieren und die andere Seite bevorzugen, also:
  • Beim Stillen, vor allem aber bei Flaschenkost, konsequent die Seiten wechseln
  • Lagerung auf die „unbeliebte“ Seite, beim Spaziergehen auch mit einem Kissen
  • Das Kinderbett mal komplett umdrehen oder das Baby mit dem Kopf zum Fußende drehen
  • Die bevorzugte Seite muß langweilig sein, also kein Spielzeug, kein Fenster, kein Elternbett
  • Während der Rückenlage im Schlaf haben sich Lagerungskissen bewährt, die den Druck des Kopfes auf eine größere Auflagefläche verteilen

Natürlich gibt es auch „Hardcore“-Fälle, sie wird der Kinder- und Jugendarzt erkennen, diese Kinder brauchen manchmal Physiotherapie, insbesondere, wenn nicht nur der Kopf „schief“ ist, sondern der gesamte Bewegungsablauf des Körpers. Hier hilft Physiotherapie übrigens stets besser als die leidige Osteopathie.

Der Einsatz von Helmen zur passiven Lenkung des Kopfwachstums, sind in Fachkreisen umstritten. Es ist hier naturgemäß schwierig, eine Kontrollgruppe für Studienzwecke zu finden, Stichwort „Vielleicht wäre es auch ohne Helm besser geworden“? Eine einfache Therapie ist es zudem nicht und sollte Kopfverformungen vorbehalten sein, bei denen nicht alleine der Hinterkopf aufgrund der Rückenlage asymmetrisch liegt, sondern der gesamte Schädel, also auch der vordere Bereich verformt ist.

Also denn: Rückenlage ja! Aber „Take your time for tummy time“!

(c) Bild lizenzfrei bei pixabay


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7 Antworten auf „Wenns Säuglingsköpfle flach liegt“

  1. Diese Helmtherapie ist leider Geldschneiderei. Es wird mit unglaublichem „Aufwand“ (3D scans, Nachbearbeitung des Helms) ein gewaltiges Brimborium veranstaltet, dass sich die Anbieter teuer bezahlen lassen. Wir haben damals 2000€ hingelegt (starke Einseitigkeit, zu spät für das Lagerungskissen, die, sehr gute, Physiotherapie zeigte erst nach mehreren Wochen Besserung). Die

    Krankenkasse durfte diese Helme nicht zahlen, da ihre Wirkung nicht belegt war sie aber, anders als Zuckerkügelchen et. al, kein offensichtlicher Humbug sind. Muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: „Zahlen wir nicht. Könnte nämlich eventuell wirksam sein.“

    Aus eigener Anschauung ist aber natürlich völlig klar, dass ein korrekt angepasster Helm genauso wirken muss wie eine Umlagerung. Es wird ja der Druck vom Kopf genommen. Es gibt für mich überhaupt keinen Zweifel, dass so eine Orthese funktioniert. Ob sie notwendig ist, steht auf einem anderen Blatt. Ich denke auch nicht, dass sie so teuer sein muss, wie sie derzeit verkauft wird Aber, naja, Eltern sind eben gute Kunden.

  2. Bei uns hat sich das zum Glück schnell erledigt, dank der Chefärztin der Kinderklinik, die uns nach der Entbindung von K1 das Familienbett entdämonisiert hat. Damit hat sich auch eine Monukultur bei der Schlaflage erübrigt, weil die Kinder dann im Arm oder permanent anders beim Stillen und Schlafen auf uns lagen.

  3. Mal eine eine vielleicht etwas naive Frage: Ist es – abgesehen von der Optik – ein Problem, wenn der Kopf nicht völlig rund ist? Laut meiner Mutter wollte ich nur auf dem Rücken liegen und tatsächlich habe ich einen platten Hinterkopf, der aber nur auffällt, wenn man mit der Hand darüber fährt. Unter meinen Haaren bleibt das komplett verborgen.

  4. Sobald sie konnten, haben meine Kids sich auf den Bauch gelegt- ich habe es Popo-Hoch genannt, weil sie sich eingerollt haben und den Po dabei nach oben gestreckt haben. Auf dem Rücken schlafen lassen hat leider nur die ersten Wochen, wenige Monate funktioniert…

  5. Unser Filius hatte einen Plagiocephalus, wir sind mit ihm in der Helmsprechstunde einer Uniklinik gewesen. Dort wurden die entsprechenden Untersuchungen gemacht einschließlich sehr umfangreicher 3D-Fotographien und entsprechender Vermessung. Er war zweimal – im Abstand von zwei Monaten – sehr grenzwertig für den Einsatz eines Helmes, die I(sehr guten) Ärzte waren sich nicht einig, welche Empfehlung sie uns geben sollten. Wir als Eltern haben dann entschieden, dass wir „konservativ“, also ohne Helm, arbeiten wollen und haben mit Physio und Lagerungskissen und aufpassen und lagern uws gearbeitet.

    Sechs Jahre später haben wir eine der damalsigen Ärztinnen zufällig wieder getroffen, die uns auch erkannt hatte. Sie fragte uns, wie wir mit unserer Entscheidung zufrieden waren und sie fragte uns (und unseren Sohn), ob sie sich den Kopf unseres Kindes mal anschauen dürfte. Sie schaute und tastete und schaute und tastete und meinte, der Schädel sei zwar nicht ganz symmetrisch, aber welcher Kopf sei das schon … und die Entscheidung gegen den Helm sei im Rückblick die richtige gewesen (oder jedenfalls nicht falsch, denn auch mit Helm hätte der Schädel nicht sehr viel besser sein können).

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