Ein paar Worte zu Google-Bewertungen von Arztpraxen

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Wir haben es alle schon getan: Irgendetwas im Internet bewertet. Bei Ama.zon geht es gar nicht mehr ohne, viele Onlinebestellungen schicken dir einen email-Bot hinterher, der dich dem Produkt oder dem Lieferanten ein paar Sterne abfordert.

Vielen hat es auch schon im Finger gezuckt: Dieser Handwerker:in ist zu spät oder gar nicht gekommen, jenes Essen im Restaurant war zu wenig, zu viel, versalzen oder kalt. Das Chinaprodukt für drei Euro war schon nach wenigen Tagen kaputt und die Jeans vom Markenhersteller war gar nicht so verwaschen wie angepriesen.

Oder wir waren begeistert: Tolles Essen, toller Kinofilm, eine spannende Netflixserie, keine Wartezeit bei der Zahnärztin und gebohrt hat sie auch nicht. Und wann habe ich das letzte Mal ein Buch in einem Rutsch durchgelesen. Das muss ich der Welt mitteilen.

Wir ärgern uns gerne und möchten das loswerden, manchmal freuen wir uns auch, dann empfinden wir das Glück meist alleine oder erzählen es der besten Freundin.

Aber wie ist das bei Arztpraxen?

Warum Patient:innen Bewertungen abgeben

Liest man Bewertungen im Internet über Dienstleister:innen, dann finden sich vor allem negative Bewertungen. Liest man Bewertungen über Arztpraxen bei Jameda, Sanego oder – besonders niederschwellig – bei Google, dann geht es vor allem um Termine (der Termin sei erst in 5 Monaten, die Wartezeit in der Praxis hat ewig gedauert, die Sprechzeit war viel zu kurz), um vermeintliche Behandlungsfehler („ich war am nächsten Tag in der Notfallambulanz und hatte eine Lungenentzündung“) oder gar um unterlassene Hilfeleistung (dieses oder jenes Medikament wurde nicht verschrieben, mein Kind bekam keine Logoergokrankengymnastik, obwohl *alle* das empfohlen haben). Angriffspunkte sind gerne die Medizinischen Fachangestellten (die nie ans Telefon gehen, die Praxis nie erreichbar sind und die sowieso nichts arbeiten) oder Ärzt:innen werden ad hominem angegriffen („hat wohl nicht studiert“, „sollte vielleicht mal Urlaub machen“).
Vergeben werden bei schlechten Bewertungen stets ein Stern.

Wer sich freut und zufrieden ist, gibt fünf Sterne. Nur findet das viel zu selten statt. Wer zufrieden ist, zuckt mit den Schultern und geht seinen Weg, wer sich ärgert, der muss das der Welt mitteilen.

Was mich persönlich ärgert

Ich bewerte auch gerne etwas im Internet, gerade nach Einkäufen. Dabei versuche ich abzustufen zwischen fünf, vier, drei oder zwei Sternen. Einen Stern vergebe ich ganz selten, denn irgendetwas Gutes findet sich doch immer. Dennoch ist das manchen noch zuviel („wenn ich hier null Sterne vergeben könnte, hätte ich das getan“).

Produkte im Netz werden in Massen gefertigt, oft unter prekären Bedingungen, oft für irrational wenig Geld auf der anderen Seite der Welt. Damit wir als Enduser wenig Geld ausgeben müssen. Kein Wunder, dass darunter die Qualität leidet.

Dienstleistungen werden von Menschen gefertigt. Sie geben tagtäglich ihr Bestes für ihre Kunden. Wir Mediziner:innen sehen unsere Patient:innen ungern als Kunden, denn es gibt mehr zwischen Arzt und Ärztin und den hilfesuchenden Menschen in den Praxen, als nur Bedarf und Leistung. Ein Großteil der Behandlung ist die Chemie zwischen Ärzt:innen und deren Patient:innen, und nicht jeder Topf findet seinen Deckel.
Außerdem gibt es Tagesformen auf beiden Seiten: Ich bin als Patient:in unter Streß, ängstlich, wütend auf meine Krankheit, besorgt um das Wohl meines Kindes. Ich habe eine Erwartung an die Behandlung. Die Ärztin und der Arzt mir gegenüber ist vielleicht selbst krank, durchlebt vielleicht gerade eine familiäre Krise oder ist mit dem Kopf bei der Planung der Praxis, da sich zwei MFA innerhalb einer Woche schwanger gemeldet haben. Die Auseinandersetzung damit und Abgrenzung mag zwar unprofessionell sein, ist aber allzu menschlich.

Wie praktisch mit Bewertungen umgehen

Also einfach mit den Schultern zucken und die Bewertungen hinnehmen? Oder sie besser gar nicht lesen, für das eigene Seelenheil? Oder gar einloggen und beantworten, zurückkommentieren? Aber lohnt sich die ganze Aufregung? Schließlich haben wir genug zu tun in den Praxen. Die Bewertungen können uns also gestohlen bleiben. Oder anders: Die Patient:innen, welche sich von negativen Bewertungen auf Google beeindrucken lassen und dann der Praxis fernbleiben: Kann man auf die besser auch verzichten?

Positive Rückmeldungen bekommen wir auch so in real life genug. Geschenke, Trinkgeld für die fMFA, Weihnachtsgeschenke, Kinder, die gerne zu uns in die Räume kommen, nicht zuletzt volle Auftragsbücher Terminkalender mit Wartezeiten bis zu drei Monaten auf so manche Untersuchungstermine. Das sollte uns Bestätigung genug geben.

Es gibt so mutige Eltern, die uns unter Klarnamen schlecht bewerten. Ich nutze die Gelegenheit, um klare Worte zu sprechen: Einen Stern zu vergeben, nur weil man telefonisch nicht durchkam oder weil man mal zwanzig Minuten im Wartezimmer verbringen musste? Das lässt sich doch klären. Klären bedeutet in diesem Fall: „Liebe Frau XY, lassen Sie uns noch schnell über Ihre Ein-Sterne-Bewertung sprechen. Was möchten Sie in unserer Praxis verbessern, wir hätten da gerne ein paar Vorschläge. Achja: Mit dieser Pauschalbewertung hauen Sie uns ziemlich in die Pfanne in der Öffentlichkeit. Sie möchten die Bewertung nicht löschen? Dann geben wir Ihnen gerne eine Liste der umgebenden Kinder-und Jugendarztpraxen, denn bei uns fühlen Sie sich ja nicht ausreichend gut versorgt.“

Und?
Habt Ihr schon einmal eine Praxis bewertet? Was hat Euch gefallen, was nicht? Sind Bewertungen für Praxen sinnvoll?

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16 Antworten auf „Ein paar Worte zu Google-Bewertungen von Arztpraxen“

  1. Ich habe sowohl bei meiner Hausarztpraxis als auch beim Kinderarzt meiner Kinder mal jeweils eine (positive) Bewertung hinterlassen, weil ich mich über die zahlreichen negativen Bewertungen von Patienten/Eltern geärgert habe, die jeweils nur einmal in dieser Praxis waren. Ich bin seit Jahrzehnten in meiner Hausarztpraxis Patientin, beim Kinderarzt seit über 10 Jahren, daher ging ich davon aus, dass meine Einschätzung durchaus etwas fundierter sei.
    Die häufigsten Beschwerden beim Kinderarzt waren, dass man ohne Termin weggeschickt wurde oder ewig warten musste. Fun fact: Die Praxis vermittelt auf allen möglichen Kanälen, dass man keine offene Sprechstunde führe, sondern dass man immer vorab anrufen solle, um einen Termin (am gleichen Tag) zu erhalten. Ich habe da Mitten in einer heftigen Grippewelle schon einen Termin am gleichen Tag um 18:15 Uhr erhalten… mit dann aber halt auch nur wenigen Minuten Wartezeit, wie eigentlich immer, wenn man dort wegen eines kranken Kindes anruft. Der Kinderarzt macht also keineswegs früh Feierabend, er organisiert es nur so, dass jedes Kind nur kurz im Wartezimmer sitzt!

  2. Ich nutze Bewertungen gerne um mich zu informieren. Auch bei Arztpraxen. Dabei bewerte ich die anderen Bewertungen aber auch hinsichtlich mir wichtiger Punkte.
    Selbst schreibe ich sehr wenige Bewertungen, meist nehme ich es mir zwar vor, aber dann kommt immer wieder was dazwischen.
    Die bisherigen Bewertungen waren jedoch stets positive. Auch um ein Gegenargument von so 1-Stern-Bewertungen „es war Notdienst und wir mussten warten“ zu entkräften.

  3. Ich bewerte gelegentlich Dienstleistungen. Einen Arzt habe ich nicht bewertet, obwohl es mir schon einmal in den Fingern gezuckt hatte – da las ich allerdings auch Bewertungen mit der gleichen Bewertung, wie ich sie auch vorgenommen hätte (also im negativen Kontext).

  4. Ach ja, und die weltbeste Arztpraxis überhaupt, die uns eine (im Nachhinein korrekte) Verdachtsdiagnose und eine lebensrettende Krankenhauseinweisung gegeben hat und ansonsten Topf-organisiert und menschlich einfach toll war: diese Praxis hat zum Abschied einen ehrlichen ❤️ Brief, Murmel, Blumen und Pralinen bekommen.
    Sowas will ich nicht in einer anonymen Googlebewertung übermitteln.

    Vielleicht hätte ich auch dem Gruselarzt eine persönliche Rückmeldung geben sollen, aber dafür hat die Kraft damals nicht ausgereicht.

  5. Naja, nur wegen „schlecht gelaunt“ wohl nicht.
    Hatte als junge Frau eine Gyn, bei der ich mich zusammenreißen musste, nicht loszuheulen. Jahre später in die Bewertungen geschaut: offenbar ging es auch Anderen so. 😥

    Ansonsten schätze ich es sehr, wenn meine (falsche) Vermutung aus guten (!) Gründen widerlegt wird.
    Eine fachärztliche F-Diagnose durch „das Kind hat mir gerade für einen Bruchteil einer Sekunde in die Augen geschaut“ in Frage zu stellen, gehört nicht dazu. Gott, der war gruselig!😭

  6. Wollte diesen Kommentar einmal nutzen, um unseren KiA zu bewerten – dabei bemerkt, dass ich schon vor sechs Jahren eine fünf-Sterne-Bewertung abgegeben hatte.
    Dabei aber auch beemrkt, dass die Bewertungen/Kommentare sich exakt so darstellten,w ie hier beschrieben. Hauptsächlich organisatorisches oder ad-hominem-Attacken. Leute gibt’s…

  7. Ich habe – wenn ich mich richtig erinnere – bis auf eine Ausnahme bisher nur positive Bewertungen geschrieben und ansonsten bei Unzufriedenheit nicht bewertet.

    Die eine Ausnahme war der Arzt (Vertretung), der wusste, dass Codein keine Wechselwirkungen mit meinen Medikamenten haben kann – ohne zu wissen, was ich nehme, denn die mitgebrachte Liste hatte er nicht angeschaut.

  8. Ich finde diese Bewerterei sehr schwierig. Gerade Dienstleister kann man meiner Meinung nach nicht beurteilen wie eine gekaufte Ware. Dafür sind die Wahrnehmungen und Erwartungen einfach zu subjektiv – es fängt ja schon beim Tonfall an, den der eine als „normal“, der andere als „unfreundlich“ interpretiert. Hinzu kommt, dass im Dienstleistungsbereich ja immer mindestens 2 Parteien dazu gehören und manche Kunden, Patienten etc. sich halt auch einfach aufführen wie die Axt im Wald – v. a. wenn sie nicht bekommen, was sie gerne möchten aufgrund äußerer Rahmenbedingungen, die ganz andere Menschen festgelegt haben. Da empfinde ich es auch ziemlich mies, den Dienstleister öffentlich anzuprangern, ohne, dass dieser sich gut wehren kann, da ihm wegen Schweigepflicht etc. die Hände gebunden sind.

    Dienstleistungen (die ja immer irgendeine Form von Beziehung beinhalten) kann man meiner Meinung nach nicht in objektive/vergleichbare Beurteilungskriterien verpacken.

    Aber ja, ich habe auch schon Ärzte beurteilt – allerdings meist deswegen, weil sie mich selbst darum baten oder ich einfach ein Lob und meine Zufriedenheit mit der Praxis ausdrücken wollte. In einem Fall ging’s auch um einen Gegenpol zu vielen schlechten Bewertungen (um diese Bewertung wurde ich übrigens NICHT von der Ärztin gebeten), weil die Patienten den Unterschied zwischen einer psychiatrischen und einer psychotherapeutischen Behandlung nicht verstanden haben und enttäuscht waren, dass sie sich bei der Psychiaterin nicht 50 Minuten über ihre Kindheit „ausweinen“ durften. Da konnte ich es einfach nicht mit ansehen, wie dieser Ärztin ständig „mangelndes Interesse am Patienten“ etc. unterstellt wurde.

    1. Danke für deinen Kommentar, mich ärgert vor allem die Pauschalisierung, wenn die Leute einmal unzufrieden waren. Wir haben Bewertungen von Vertretungspatienten, die bei „ihrem“ Arzt alles eingeblasen bekamen, während wir uns eben an geltende Bestimmungen halten (zB BTM-Rezepte bei fehlendem Medikamentenplan oder Psych-Brief o.ä.)

  9. Lieber Kinderdoc,
    ich kann den Unmut über Google und andere Bewertungsportale sehr verstehen. Ich selbst habe noch nie eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus über jameda, Google noch ein anderes Portal bewertet. Das hat folgenden Grund: ich als Laie fühle mich nicht in der Lage, ärztliche/medizinische Leistungen in ihrer Qualität bewerten zu können. Ich bin weder medizinische Fachangestellte noch Ärztin und würde deshalb das Urteil und die Diagnose eines Arztes nicht in Frage stellen. Dennoch bin ich als Patient schon oft sehr herablassend behandelt worden, weswegen es mich tatsächlich schon manchmal gejuckt hat, eine negative Bewertung über einen Arzt in solch einem Portal zu hinterlassen. Da es aber in der Bewertung eigentlich um die medizinische Leistung und Qualität gehen sollte, fühle ich mich aus genannten Gründen eben nicht dazu in der Lage diese zu beurteilen und hinterlasse deshalb keine Bewertungen. Weder gute noch schlechte.

    1. Herablassung ist kein guter Stil in Arztpraxen, keine Frage. Ein anderer Weg ist ja auch immer, direkt der Praxis zu schreiben, Mail oder Brief, das wird schon gelesen, und ein gutes Team arbeitet an seiner „Performance“.

  10. Ich habe tatsächlich u.A. schon mal Arztpraxen bewertet. Zum Einen unseren früheren Kinderarzt, der leider in Rente gegangen ist. Das war eine gute Bewertung, um einen Kontrapunkt zu diversen unterirdischen Bewertungen zu setzen

    1. Danke für den Kollegen 😉 — diese Kontrapunkte sind sehr wertvoll, weil sie zudem die absurden Negativbewertungen in ganz anderem Licht scheinen lassen bzw. in den Schatten stellen.

  11. Eine Praxis habe ich noch nie bewertet, aber durchaus andere Dienstleister. Ich bewerte aber meistens nur, wenn ich zufrieden bin. Dass ich eine 1-Sterne-Rezension rausknalle, ist bisher nicht vorgekommen. Aber als Apotheker mit eigener Apotheke kenne ich das Dilemma der schlechten Bewertungen, die teilweise recht unbegründet sind. Besonders blöd sind anonyme kommentarlose 1-Sterne-Bewertungen, bei denen man noch nicht mal weiß warum man schlecht bewertet wird.

    1. Ohja, den ApothekerInnen dürfte es ähnlich gehen, zumal ihr noch mehr Laufkundschaft habt, bei denen man sich am Ende gar nicht an die einzelne Begebenheit erinnern kann.

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