Immer erreichbar??

Sind wir Ärzt:innen eigentlich immer erreichbar? Müssen wir das sein? Den alten Hausarzt traf man noch im Supermarkt und war offen für alle Fragen rund um die Gesundheit der Familie. Wirklich?


Neulich fragte mich ein Vater, ob wir armen Ärzte eigentlich rund um die Uhr erreichbar sein müssten. Er kenne das so von seinem alten Hausarzt. Der fuhr noch am Wochenende übers Land und machte seine Hausbesuche, den konnten alle in seinem Gärtchen besuchen und über den Zaun Fragen stellen. Er hatte immer seine große braune Ledertasche im Schrank gehabt, mit allen nötigen Instrumenten und den einschlägigen Medikamenten.

Die Zeiten ändern sich. Was bleibt: Jede ÄrztIn hat eine Präsenzpflicht, bedeutet, sie muss jederzeit für ihre Patienten erreichbar sein. Daneben gibt es eine Residenzpflicht, die besagt, dass jede ÄrztIn eine gewisse Zeit ihrer Arbeit in den Praxisräumen erreichbar sein muss, so dass PatientInnen direkt bei Notfällen in die Praxis laufen und dort auf Hilfe zählen können. Das sind jedenfalls die Statuten.

Nun hat sich mittlerweile auch bei den KollegInnen eine gewisse Work-Life-Balance eingestellt, und die ewige Omnipräsenz ist der heutigen Generation nicht mehr vermittelbar. Keine PatientIn käme auf die Idee, im Garten zu kampieren, um der ÄrztIn am Morgen die neu entstandene Warze zu zeigen. Da geht man lieber nachts um drei in die Notfallaufnahme.

Dennoch muss die Praxis während der offiziellen Sprechzeiten, die auch auf dem Praxisschild und der eigenen Homepage stehen und online bei der Kassenärztlichen Vereinigung, direkt telefonisch erreichbar sein. Außerhalb der Sprechzeiten soll eine Rufumleitung eingerichtet werden, die die ÄrztIn direkt erreicht, den es ist ein so genannter „unmittelbarer“ Kontakt gefordert, das Aufsprechen einer Handynummer würde dem widersprechen. Auch hier gilt: In realite wird der Patient immer eine Handynummer hören. 

Auch der 24/7-Dienst ist mittlerweile gekippt. Am Wochenende haben sich flächendeckend Notfallpraxen etabliert, die die PatientInnen (meist ohne telefonische Anmeldung) aufsuchen können, noch vor ein paar Jahren gab es diese dezentral in den jeweiligen Praxisräumen der diensthabenden ÄrztInnen, heute gibt es zentrale Anlaufstellen, in aller Regel in der Nähe von Krankenhäusern. Hier haben KassenärztInnen einen verpflichtenden Notdienst abzuleisten, je nach Auslastung mit KollegInnen sehr selten, aber mitunter auch wöchentlich. Lange umstritten war die Erreichbarkeit an den Werktagen: Theoretisch gilt die Präsenzpflicht in der Nacht weiter, aber auch hier finden sich so genannte „kollegiale Vertretungen“, das heißt die ÄrztIn wird KollegInnen benennen, die sie an den Abenden vertreten, zu anderen Gelegenheiten muss sie dies für die KollegInnen erledigen. Ähnliches gilt für den heiligen Mittwoch-ÄrztInnen-Nachmittag oder die Urlaubszeit.

Ungern geben ÄrztInnen ihre Privatnummer weiter oder eine Notfall-Handy-Nummer, die Privatadresse sucht man umsonst im Telefonbuch. Das Rasenmähen und Unkrautjäten macht dann jede KollegIn lieber alleine ohne Patientenkontakt. Ich persönlich gebe eine Handynummer nur an ganz wenige PatientInnen weiter: Da ist mal ein chronisch krankes Kind, das sich vielleicht am Wochenende verschlechtern könnte, und das ich einfach besser kenne als der Jungassistent in der Kinderklinik. Oder wir betreuen ein heimbeatmetes Kind, das kurzfristig im häuslichen Umfeld beurteilt werden muss, weil ein Transport in die Klinik viel zu aufwendig wäre und der möglicherweise gerufene Notarzt überfordert ist. Diese Handynummer habe ich nur für diese Fälle eingerichtet, sie ist umgeleitet auf mein privates Telefon. Interessant: Ganz selten ruft da jemand an. Eltern haben aber eine zusätzliche Sicherheit, einfordern würden sie den Service nie.


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(c) Bild bei pexels/kamboopics (free to use)

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