Sommers, Sonnen, Brand

Die größten Kopfschüttelmomente gibt es in der Praxis stets dann, wenn wir Dinge in der Sprechstunde sehen, die längst der Vergangenheit angehören sollten, weil Aufklärung und mediale Verbreitung zur Vorsicht bei den Eltern gesorgt hat. Stürze sind aber unverändert an der Tagesordnung, ja, auch die vom Wickeltisch, Verbrühungen mit Tee oder an der Heizung. Und eben auch: Sonnenbrand.

Marie ist siebeneinhalb, und sie hat nach Aussagen der Mutter den ganzen Mittwoch Nachmittag im hauseigenen Pool und im Garten verbracht. Man hat ja heute eher Pool als Trampolin, willkommen bei diesen aktuellen Temperaturen, verständlich. Marie hat geplanscht, getobt, sie trug zwar einen Badeanzug, … naja, sagen wir so: Den kann ich immer noch wie ausgeschnitten am Oberkörper erkennen. Sie sei “einfach mal so schon mal in den Garten gegangen”, sagt die Mutter, sie selbst habe noch so viel zu tun gehabt, da könne sie “nicht die ganze Zeit aufpassen”.

Ich sehe eine zweitgradige Verbrennung der Haut, der Nacken, die Schulterpartie, nur unterbrochen von den weißen Streifen des Badeanzugs. Zweitgradig bedeutet: Die Haut wirft Blasen, großflächig, die größte beinahe 20 auf 20 Zentimeter. Weiter unten, das ausgesparte ovale Areal dunkelrot, am Übergang zur Blasenbildung. Arme und Beine sein erstgradig verbrannt, nur rot.

Ich sehe dazu auf den Schultern schmale Striemen, parallel zum Körper ziehend. Was das denn sei? “Das kommt wahrscheinlich vom Schulranzen,” sagt die Mutter, den Sonnenbrand habe sie am Folgetag noch nicht bemerkt, Marie war in der Schule. Das Mädchen weint. Das tut sicher alles sehr weh.

Wir helfen mit empfohlenen Quarkumschlägen, Schmerzstillung mit Ibuprofen, guter Nachpflege mit Feuchtigkeitslotion oder Babypflegemilch und natürlich: Keine Sonne. Besonders bitter für Marie, die auf einen Freibadbesuch am Wochenende gehofft hatte. Sie weint wieder.

Zur Erinnerung:

  • Sonne und Sommer lieber am Morgen oder am Abend geniessen, wenn die Sonne etwas tiefer steht
  • Pool, Planschbecken und Sandkasten im Schatten aufbauen, guter Sonnenschutz durch Schlagschatten oder UV-dichte Sonnenschirme
  • UV-Schutz durch – inzwischen bezahlbare – Schutzkleidung/Badesachen und Sonnencreme
  • Eincremen vorher und immer wieder, Faustformel: Die Menge Sonnencreme, die in die Hand des Einzucremenden passt, pro Oberarm, pro Unterarm, pro Ober- oder Unterschenkel, pro Gesicht usw. – es wird zu wenig gecremt. Die Haut darf weiß sein.
  • Gecremt wird alle zwei Stunden oder nachdem die Kinder im Wasser waren, man nutze mindestens Lichtschutzfaktor 30-40
  • Eincremen ist kein Schutz vor einem Sonnenstich, d.h. Mützen, Tücher oder ähnliches als Kopfbedeckung nicht vergessen.

Achso: Bevor nun wieder erwähnt wird, das Kinder die Sonne und die Freiheit brauchen, um Kind zu sein und ausreichend Vitamin D zu produzieren, das wissen wir Kinderärzte sehr wohl und wollen auch keine Spielverderber sein. So lange wir aber immer mal den Kopf schütteln müssen in der Praxis, sind diese Postings nicht überholt.

Weiteres: How to creme

(c) Bild von Alexander Paukner auf Pixabay

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4 Antworten auf „Sommers, Sonnen, Brand“

  1. Wir haben im letzten Erste-Hilfe-Kurs gelernt das Quark/Joghurt/Essig-Wickel etc…. “Hausmittelchen” sind die neben der Kühlfunktion absolut nix bringen. Es hieß immer “lassen Sie die Butter/Joghurt etc… im Kühlschrank und machen Sie einfach kalte Umschläge mit Wasser”.
    Unsere Kinderärztin empfiehlt aber auch Essig-Waden-Wickel bei Fieber. ??

  2. T-Shirt…aus Baumwolle…..im Wasser getragen, wirkt Wunder….okay im Mini-Pool problematisch, weil da andere freie Stellen, dann auch zu stark bestrahlt werden, aber am See* geht so ein Teil….gab trotz praller Sonne und keine Sonnencreme am Rücken keinen Sonnenbrand.

    *= im Freibad auch schon gemacht…gab für mich auch keinen Anschiss vom Bademeister….

    bombjack

  3. Die Mengenangabe finde ich schwer vorstellbar. In die Hand meines Kleinkindes passt ein Teelöffel Creme. Wenn ich ihm diese Menge im kleinen Gesicht verteile, ist die Haut nicht nur weiß, sondern dick tapeziert. Und das Erste, was das Kind in solchen Fällen macht, ist: Creme am Ärmel abstreifen. Nebst Geschrei.

    Die Pharmama schrieb mal, es brauche 3EL für einen Erwachsenen. Wenn ich diese Menge “runterkalkuliere”, komme ich besser klar. Einen Sonnenbrand hatte das Kind noch nie.

    Gelernt haben wir dagegen (zum Glück nicht an den eigenen Kindern), dass gerade mittags im Sommer auch Schatten nicht schützt, weil die diffuse Strahlung einfach zu hoch sein kann.

    Bei uns ist Sonnenschutz inzwischen ein Verhaltensding. Im September um 17 Uhr muss ich mir um die Strahlung keinen großen Kopf machen, auch wenn es heiß ist. Da steht die Sonne so schräg, dass der UV-Index niedrig ist. Dafür passen wir ab März gerade mittags gut auf und sind im Juni/Juli zwischen 11 und 15 Uhr nach Möglichkeit drinnen.

    Den aktuellen UV-Index gibt es übrigens bei manchen online-Wetterdiensten, und gerade für Urlaubsreisen kann das sehr spannend und lehrreich sein (Stichwort Berge).

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